Ökumenischer Lagebericht
Liebe Leserinnen und Leser,
die Corona-Krise hat auch die kirchliche Welt nicht unbeeinflusst gelassen. So hat zum Beispiel die Digitalisierung der Kirchen einen Schub bekommen. Damit stellen sich neue – nicht nur liturgische – Fragen. In manchen Bereichen ist aber auch eine Lähmung der Kirchen festzustellen. Dies scheint vor allem die ökumenische Arbeit in bi- und multilateralen Dialogen auf der internationalen Ebene zu betreffen. So konnten manche offiziellen Dialogtreffen nicht stattfinden. Dennoch gingen einige zwischen- und innerkirchliche Debatten weiter: In Deutschland wird zwischen den evangelischen Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche die Frage der gegenseitigen Zulassung zum Abendmahl/zur Eucharistie wieder einmal neu diskutiert, und innerhalb der katholischen Kirche wird erwogen, wie die Kirche partizipatorischer werden kann. In der orthodoxen Kirche (der byzantinischen Tradition) ist weiterhin die Frage nach der Rolle des Ökumenischen Patriarchen ein Streitpunkt, der an den Rand eines Schismas führt. Im Bereich der Freikirchen sind es die Auseinandersetzungen mal um Frauenordination, mal um Homosexualität, die Kirchen zu zerreißen drohen. In der Anglikanischen Gemeinschaft entwickelt sich seit mehreren Jahren eine konservative Gruppierung, was auch die Gefahr einer Spaltung mit sich bringt. In diesem Falle geht es ebenfalls hauptsächlich um sozialethische Fragestellungen, in denen Uneinigkeit herrscht. In diesem Sinne ist in der weltweiten Ökumene insgesamt eine weitere Pluralisierung zu beobachten und gleichzeitig auch eine Polarisierung, die oft quer zu den traditionellen konfessionell orientierten Trennungslinien liegt.
Nicht zu vergessen sind die politischen und zum Teil kriegerischen Konflikte, die derzeit an vielen Stellen der Welt auch das Geschehen in den Kirchen beeinflussen. Dabei sind in vielen Fällen orientalisch-orthodoxe Kirchen betroffen, die die ältesten christlichen Traditionen bewahren. Der Bürgerkrieg in Äthiopien beispielsweise birgt die Gefahr einer Spaltung der Äthiopischen Orthodoxen Tewahedo-Kirche.
Gleichzeitig bemühen sich die weltweiten ökumenischen Organisationen – allen voran der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) – um den Zusammenhalt der Christen. Dazu tragen die Vorbereitungen für die 11. Vollversammlung des ÖRK bei, die 2022 in Karlsruhe stattfinden soll. Aber auch die weltweiten konfessionellen Gemeinschaften wie der Lutherische Weltbund und die Reformierte Weltgemeinschaft arbeiten an der Frage, wie man als Gemeinschaft angesichts der Pluralisierung zusammenbleiben kann.
Auf diese Weise kann man die heutige ökumenische Situation der Kirchen skizzenhaft darstellen. Der Ökumenische Lagebericht 2021, den wir Ihnen im vorliegenden Heft bieten, leuchtet diese Skizze aus, indem konkrete Entwicklungen und Debatten in den verschiedenen Konfessionen und in der Ökumene weltweit nachgezeichnet werden. Dabei gehen wir, wie gewohnt, den Referatsbereichen Catholica, Orthodoxie, Freikirchen (einschließlich Pfingst- und charismatische Bewegungen), Anglikanismus und Weltökumene entlang.
Es handelt sich um die schriftliche Fassung des Berichtes, den das Kollegium des Konfessionskundlichen Instituts jedes Jahr auf der Jahresversammlung des Evangelischen Bundes vorträgt und in dem wichtige Ereignisse und Entwicklungen in den verschiedenen Konfessionen im zurückliegenden Jahr dargestellt und analysiert werden. Wie bereits 2020 musste dieser Vortrag auch 2021 aus den bekannten Gründen digital stattfinden. Eine weitere Änderung gegenüber dem gewohnten Procedere ist die Tatsache, dass die schriftliche Fassung des Ökumenischen Lageberichts im Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts (MdKI) erst in Heft 1 des Folgejahres erscheint. Diese Neuerung hängt mit der Umstellung von sechs Heften auf vier Hefte pro Jahr zusammen und hat den Vorteil, dass wir fast über das gesamte abgelaufene Kalenderjahr berichten können.
Zusätzlich zu den Berichten aus den verschiedenen konfessionellen Bereichen finden Sie – aus Anlass seines dreißigjährigen Thronjubiläums – eine Würdigung des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. von Konstantinopel durch den Generalsekretär des Evangelischen Bundes, Richard Janus. Eine Rezension des Bändchens Die Einheit der Kirche – das Ziel und der Weg von Jutta Koslowski rundet das Heft ab.
Wir wünschen Ihnen im Namen des gesamten Redaktionsteams eine spannende Lektüre!
Dagmar Heller und Lothar Triebel
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Ökumenischer Lagebericht
- Artikel
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Catholica
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Orthodoxie
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Freikirchen
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Charismatische Bewegungen und Pfingstbewegung
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Anglikanismus und Weltökumene
- Ökumenischer Patriarch Bartholomaios I.
- Rezensionen
- Jutta Koslowski, Die Einheit der Kirche – das Ziel und der Weg … und welche konkreten Schritte wir schon heute gehen können (Paderborn: Bonifatius, 2019), 170 S., EUR 14,90, ISBN 978-3-89710-753-3.
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Ökumenischer Lagebericht
- Artikel
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Catholica
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Orthodoxie
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Freikirchen
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Charismatische Bewegungen und Pfingstbewegung
- Ökumenischer Lagebericht 2021 Anglikanismus und Weltökumene
- Ökumenischer Patriarch Bartholomaios I.
- Rezensionen
- Jutta Koslowski, Die Einheit der Kirche – das Ziel und der Weg … und welche konkreten Schritte wir schon heute gehen können (Paderborn: Bonifatius, 2019), 170 S., EUR 14,90, ISBN 978-3-89710-753-3.