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Beobachtungen und Überlegungen zu den sogenannten Hekatompedon-Inschriften (IG I3 4)

  • Hans-Joachim Gehrke EMAIL logo
Published/Copyright: June 5, 2023
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Klio
From the journal Klio Volume 105 Issue 1

Zusammenfassung

Die Hekatompedoninschriften (IG I3 4) gehören in verschiedener Hinsicht zu den wichtigsten Zeugnissen der spätarchaisch-frühklassischen Geschichte Athens. Der Artikel konzentriert sich auf ihre Bedeutung für die Topographie und die Baugeschichte der Akropolis, vor allem für den Tempel der Athena Polias und für die möglichen Vorgängerbauten des Parthenon. Er arbeitet die Aussagen heraus, die aus dem fragmentarischen Text selbst vor allem aus sprachlichen Gründen erschlossen werden können, und ermittelt auf diese Weise einen eigenständigen Befund. Dieser lässt sich dann mit anderen Befunden der Archäologie und Baugeschichte konfrontieren, ohne dass er von vornherein durch bestimmte Deutungen und Hypothesen von dieser Seite her (mit)bestimmt ist.

Summary

The Hekatompedon inscriptions (IG I3 4) are in various respects among the most important testimonies to the Late Archaic-Early Classical history of Athens. The article concentrates on their significance for the topography and architectural history of the Acropolis, especially for the temple of Athena Polias and for the possible predecessor buildings of the Parthenon. It elaborates the statements that can be deduced from the fragmentary text itself, primarily for linguistic reasons, and in this way establishes an independent body of evidence. This can then be confronted with the evidence of archaeology and architectural history that has been obtained in a different way, without being (co-)determined from the outset by certain interpretations and hypotheses from this side.

Keywords: Akropolis von Athen; Kleisthenes; Kultgesetz; Parthenon; Peisistratiden; Priesterinnen; Tamiai

Postscriptum

Es war meine Absicht, in dem vorliegenden Text zwecks Vorlage eines klaren Befundes nur solche Aussagen festzuhalten, die als sicher oder höchst wahrscheinlich gelten können und ansonsten (z. B. bei der Datierung) die allenfalls möglichen Spielräume festzuhalten. Beim aktuellen Stand der Debatte und in Rücksicht auf die anderen Befunde muss man sich, um eine gewisse Stringenz zu erreichen, mit Hypothesen zunächst zurückhalten. Dass man, ausgehend von den inhaltlichen Bestimmungen der Beschlüsse, im Hinblick auf eine historische Kontextualisierung durchaus noch weiterkommen kann, scheint mir nicht nur denkbar zu sein, sondern auch faszinierende Perspektiven zu eröffnen.[119] Meiner Ansicht nach hat nämlich eine Datierung der Inschrift zwischen 508/7 und 490 eine gewisse Plausibilität: Der terminus ante quem mit dem Baubeginn des Vor-Parthenon nach 490 ist in der einschlägigen Forschung relativ gut etabliert, die Namensübertragung „Hundertfüßig“ vom Bezirk auf einen Teil des späteren Parthenon sehr attraktiv. Auch der terminus post quem im Jahre 508/7 ist nicht von der Hand zu weisen. Zwar kann man von einer postkleisthenischen Datierung der Abnahme der Metopen und der Abfassung der Inschrift nicht zwingend ausgehen. Aber auch wenn die Beschlussformel vor Kleisthenes nicht undenkbar ist (s. oben), so möchte man wegen der expliziten Erwähnung des Volksbeschlusses doch an die Zeit nach dessen Reformen denken. Auch Pagas Argument mit der möglicherweise als Befleckung empfundenen Besetzung der Burg und des Tempels durch die Spartaner und Kleomenes ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Aber die große Frage bleibt derzeit, ob die archäologische Datierung hier mitgeht bzw. mitgehen kann.

Würde man den Zeitraum auf diese Phase eingrenzen, so ergäbe sich ein sehr guter historischer Zusammenhang. In der neuen und zunächst durch stasis und auswärtige Intervention, wenig später auch durch Angriffe mächtiger Nachbarn bedrohten Ordnung des Kleisthenes muss es auch ein massives Interesse an der klaren Regelung wichtiger Angelegenheiten gegeben haben. Ganz im Sinne der Tendenz der archaischen Gesetzgebung musste es dabei nicht zuletzt um sakrale Vorschriften gehen und zugleich um die Bindung der verantwortlichen Magistrate und die Regelung von deren Kompetenzen und nicht zuletzt auch Pflichten – bei Strafandrohungen.[120] Hier wären das dann die Hauptverantwortlichen für die Akropolis und ihren Kultbetrieb, tamiai und Priesterinnen unterschiedlichen Ranges. Dabei lag es nahe, zentrale diesbezügliche Beschlüsse des zu neuer Macht gekommenen und selbstbewussten Volkes auch in besonderer, ostentativ hervorstechender und ästhetisch bestechender Form kenntlich zu machen, als „visible authority of the highest order“ (Butz 2010, 55), nämlich in den Hekatompedon-Inschriften.

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Published Online: 2023-06-05
Published in Print: 2023-06-02

© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  10. Ptolemaios, Caligula und die fremde abolla – Neue Überlegungen zum Ende des letzten mauretanischen Königs
  11. Apokolokyntosis und De clementia: Neros Prinzipat und Senecas Kommentar
  12. Iohannes Augustus. Biografía de un emperador maldito
  13. Literaturkritik
  14. Julia L. Shear, Serving Athena. The Festival of the Panathenaia and the Construction of Athenian Identities, Cambridge – New York (Cambridge University Press) 2021, XXII, 532 S., ISBN 978-1-108-48527-2 (geb.), £ 105,–
  15. Pat Wheatley – Charlotte Dunn, Demetrius the Besieger, Oxford – New York (Oxford University Press) 2020, 528 S., ISBN 978-0-19-883604-9 (geb.), £ 115,–
  16. Silvia Panichi, La Cappadocia ellenistica sotto gli Ariaratidi ca. 250–100 a.C., Florenz (Leo S. Olschki) 2018 (Biblioteca di Geographia Antiqua 5), XIV, 134 S., ISBN 978-88-222-6580-7 (brosch.), € 25,–
  17. Hendrikus A. M. van Wijlick, Rome and the Near Eastern Kingdoms and Principalities, 44–31 BC, Leiden – Boston (Brill) 2020 (Impact of Empire 38), 307 S., ISBN 978-90-04-44174-3 (geb.), € 134,82
  18. Laurens E. Tacoma, Roman Political Culture. Seven Studies of the Senate and City Councils of Italy from the First to the Sixth Century AD, Oxford – New York (Oxford University Press) 2020, XII, 320 S., ISBN 978-0-19-885080-9 (geb.), £ 87,–
  19. Frank Görne, Die Obstruktionen in der Römischen Republik, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 2020 (Historia 264), 333 S., ISBN 978-3-515-12754-7 (geb.), € 70,–
  20. Friedrich Meins, Paradigmatische Geschichte. Wahrheit, Theorie und Methode in den Antiquitates Romanae des Dionysios von Halikarnassos, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 2019 (Palingenesia 113), 169 S., ISBN 978-3-515-12255-9 (geb.), € 47,–
  21. Sylvain Forichon, Les spectateurs des jeux du cirque à Rome (Ier siècle a.C. au VIe siècle p.C.). Passion, émotions et manifestations, Bordeaux (Ausonius Éditions) 2020 (Collection Scripta Antiqua 133), 380 S., ISBN 978-2-35613-345-8 (brosch.), € 25,–
  22. Sophia Bönisch-Meyer, Dialogangebote. Die Anrede des Kaisers jenseits der offiziellen Titulatur, Leiden – Boston (Brill) 2021 (Impact of Empire 39), X, 626 S., ISBN 978-90-04-44373-0 (geb.), € 136,25
  23. Wojciech Pietruszka, The Municipal Elites of Campania during the Antonine-Severan Period, Wiesbaden (Harrassowitz Verlag) 2020 (Philippika 140), X, 487 S., ISBN 978-3-447-11452-3 (geb.), € 98,–
  24. Fritz Mitthof – Gunther Martin – Jana Grusková (Hgg.), Empire in Crisis. Gothic Invasions and Roman Historiography. Beiträge einer internationalen Tagung zu den Wiener Dexipp-Fragmenten (Dexippus Vindobonensis) Wien, 3.–6. Mai 2017, Wien (Holzhausen) 2020 (Tyche Supplement 12), XII, 608 S., 14 Abb., ISBN 978-3-903207-38-7 (brosch.), € 65,–
https://doi.org/10.1515/klio-2022-0010
Keywords for this article
Akropolis von Athen; Kleisthenes; Kultgesetz; Parthenon; Peisistratiden; Priesterinnen; Tamiai

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  10. Ptolemaios, Caligula und die fremde abolla – Neue Überlegungen zum Ende des letzten mauretanischen Königs
  11. Apokolokyntosis und De clementia: Neros Prinzipat und Senecas Kommentar
  12. Iohannes Augustus. Biografía de un emperador maldito
  13. Literaturkritik
  14. Julia L. Shear, Serving Athena. The Festival of the Panathenaia and the Construction of Athenian Identities, Cambridge – New York (Cambridge University Press) 2021, XXII, 532 S., ISBN 978-1-108-48527-2 (geb.), £ 105,–
  15. Pat Wheatley – Charlotte Dunn, Demetrius the Besieger, Oxford – New York (Oxford University Press) 2020, 528 S., ISBN 978-0-19-883604-9 (geb.), £ 115,–
  16. Silvia Panichi, La Cappadocia ellenistica sotto gli Ariaratidi ca. 250–100 a.C., Florenz (Leo S. Olschki) 2018 (Biblioteca di Geographia Antiqua 5), XIV, 134 S., ISBN 978-88-222-6580-7 (brosch.), € 25,–
  17. Hendrikus A. M. van Wijlick, Rome and the Near Eastern Kingdoms and Principalities, 44–31 BC, Leiden – Boston (Brill) 2020 (Impact of Empire 38), 307 S., ISBN 978-90-04-44174-3 (geb.), € 134,82
  18. Laurens E. Tacoma, Roman Political Culture. Seven Studies of the Senate and City Councils of Italy from the First to the Sixth Century AD, Oxford – New York (Oxford University Press) 2020, XII, 320 S., ISBN 978-0-19-885080-9 (geb.), £ 87,–
  19. Frank Görne, Die Obstruktionen in der Römischen Republik, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 2020 (Historia 264), 333 S., ISBN 978-3-515-12754-7 (geb.), € 70,–
  20. Friedrich Meins, Paradigmatische Geschichte. Wahrheit, Theorie und Methode in den Antiquitates Romanae des Dionysios von Halikarnassos, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 2019 (Palingenesia 113), 169 S., ISBN 978-3-515-12255-9 (geb.), € 47,–
  21. Sylvain Forichon, Les spectateurs des jeux du cirque à Rome (Ier siècle a.C. au VIe siècle p.C.). Passion, émotions et manifestations, Bordeaux (Ausonius Éditions) 2020 (Collection Scripta Antiqua 133), 380 S., ISBN 978-2-35613-345-8 (brosch.), € 25,–
  22. Sophia Bönisch-Meyer, Dialogangebote. Die Anrede des Kaisers jenseits der offiziellen Titulatur, Leiden – Boston (Brill) 2021 (Impact of Empire 39), X, 626 S., ISBN 978-90-04-44373-0 (geb.), € 136,25
  23. Wojciech Pietruszka, The Municipal Elites of Campania during the Antonine-Severan Period, Wiesbaden (Harrassowitz Verlag) 2020 (Philippika 140), X, 487 S., ISBN 978-3-447-11452-3 (geb.), € 98,–
  24. Fritz Mitthof – Gunther Martin – Jana Grusková (Hgg.), Empire in Crisis. Gothic Invasions and Roman Historiography. Beiträge einer internationalen Tagung zu den Wiener Dexipp-Fragmenten (Dexippus Vindobonensis) Wien, 3.–6. Mai 2017, Wien (Holzhausen) 2020 (Tyche Supplement 12), XII, 608 S., 14 Abb., ISBN 978-3-903207-38-7 (brosch.), € 65,–
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