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Zum Mordmerkmal der Heimtücke

Veröffentlicht/Copyright: 15. September 2009
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Juristische Rundschau
Aus der Zeitschrift Band 1986 Heft 4

JURISTISCHERUNDSCHAU1986AprilHeft 4, S. 133Zum Mordmerkmal der Heimtücke Eine Besprechung des Urteils des BGH vom 4.7.1984 - 3 StR 199/84*Von Professor Dr. Maria-Katharina Meyer, HamburgDie grundsätzliche Bedeutung dieser in die Amtliche Samm-lung aufgenommenen Entscheidung1 besteht in zweifacher Hin-sicht. Der 3. Senat faßt erstmals die Rechtsprechung zumBegriff der Heimtücke deutlich in Regel- und Ausnahmesätzezusammen. Er stellt darüber hinaus mit dem ersten Leitsatzeinen neuen Rechtssatz zu der Frage auf, zu welchem Zeitpunktdas Opfer, das nicht in eine Falle gelockt wurde, arglos seinmuß.Die Besprechung einer BGH-Entscheidung zu diesemFragenkreis steht angesichts der erneuten Festschreibungder bisherigen Rechtsprechung durch den Großen Senat2vor der Gefahr, einen Kampf gegen Windmühlenflügelaufzunehmen. Deshalb soll vor allem versucht werden,Bedeutung und Tragweite der Entscheidung wennauch kritisch aufzuzeigen. Nur untergeordnet soll derSachverhalt dazu dienen, die Brauchbarkeit des eigenenVorschlags3 zu überprüfen.I. In dem ersten für Regelfälle der Heimtücke gelten-den Grundsatz faßt der Senat die Voraussetzungen derHeimtücke in folgender Definition zusammen: Heimtük-kisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung dieArg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt zur Tötungausnutzt.1. Damit wird in die Begriffsbestimmung als zusätzli-ches Merkmal ein schon lange anerkanntes Erfordernisaufgenommen. Mit ihm hatte die Rechtsprechung aus-nahmsweise Beweggründe des Täters berücksichtigt undheimtückische Tötung verneint, wenn der Täter zumBesten des Opfers zu handeln glaubte4. Im Ergebnis istjede Einengung des Tatbestandsmerkmals „Heimtücke"zu begrüßen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßig-keit zwischen Straftatbestand und absoluter Strafdro-hung Rechnung trägt5.2. Es fällt auf, daß der 3. Senat in den Gründen nichtnur auf diese Definition zurückgreift. Er begnügt sichnicht mit der Feststellung, das Opfer sei nicht arglosgewesen. Er betont vielmehr unter II 2 a), die Täterin seiin offen feindseliger Haltung, also weder heimlich nochmit List und Tücke auf das Opfer zugegangen; unter II3d wird ausgeführt, die Angeklagte habe die Tötungohne jede Heimlichkeit oder List vor den Augen desOpfers vorbereitet und ausgeführt. Damit verwendet derSenat Kriterien, auf die die Rechtsprechung6 vor demBeschluß des Großen Senats vom 2.12.19577 zur Kenn-zeichnung heimtückischer Tötung ganz allgemeinabstellte. Sie sind dann zwar in dem Bemühen um eineaus rechtsstaatlicher Sicht klare Begriffsbildung vomGroßen Senat verworfen worden8. Eingang in die Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs haben sie aber achtJahre später wieder gefunden; dort indes vornehmlichnicht zur Bestimmung des Begriffs Heimtücke, sondernzur Begründung der lebenslangen Freiheitsstrafe9. Ledig-lich für die Fallgruppe heimtückischer Tötung, bei derder Täter das Opfer in einen Hinterhalt lockt oder ihmeine Falle stellt, ist der 2. Senat 1968 sogar unter Verzichtauf den Hilfsbegriff der Arg- und Wehrlosigkeit zumErfordernis der Tücke zurückgekehrt10.Daß heimtückisch nicht nur heimlich im Gegensatz zuoffen bedeutet, sondern auch das Tückische des Verhal-tens umfassen muß, ist in der Literatur mehrfach geltendgemacht worden11. Wenn der 3. Senat das Element derTücke auch für die Fälle erneut wiederbelebt, in denender Täter lediglich eine vorgefundene Situation zurTötung ausnutzt, so fragt sich, ob sich hierin eine Annä-herung an Auffassungen in der Literatur andeutet.a) Dafür könnte die besondere Formulierung desStrafgrundes heimtückischer Tötung sprechen. Der Senatbestätigt durch die Berufung auf BGHSt. 23, 119, 121,* Abgedruckt in diesem Heft S. 158 ff.1 BGHSt. 32, 3 82 ff.2 BGHSt. 30, 105 ff.; zur berechtigten Kritik vgl. Bruns, JR 1981, 358 ff., JR1983, 30 ff.; DreherlTröndle, Strafgesetzbuch, 42. Aufl., München 1985, Rdn. 17zu §211; Ebert, JZ 1983, 633 ff. (638); Günther, NJW 1982, 353 ff.; Jescheck,SchweizZSt. 1983, 27; Köhler, JuS 1984, 762 ff.; Krey, Strafrecht, Besonderer Teil,Band l, 5. Aufl., Stuttgart 1983, S. 24ff.; Küper, GA 1984, S. 387; Lackner, NStZ1981, 348 ff. (350); Otto, Grundkurs, Strafrecht, Die einzelnen Delikte, 2. Aufl.,Berlin 1984, S. 11 f.; Schmidhäuser, Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Aufl., Tübingen1983, 2/5, 25; Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch, 22. Aufl., München 1985,Rdn.lOa, b zu §211; Spendet, JR 1983, 269ff., StrVert. 1984, 45 ff.; SK-Horw,Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band II, 3. Aufl., Stand: Juni1985, 1983, Rdn. 6 a zu §211; Wessels, Strafrecht, Besonderer Teil-1, 9. Aufl.,Heidelberg, 1985, S.20 f.; vgl. auch Albrecht, JZ 1982, 697ff.; Dencker, NStZ1983, 399 f.; Eser, NStZ 1981, 383 f., NStZ 1983, 433.3 Vgl. JR 1979, 441 ff. (446), 485 ff.; zust. Schönke/Schröder/Eser, wieAnm. 2, Rdn. 26 zu § 211; SK-Horn, wie Anm. 2, Rdn. 32 zu § 211; ähnlich Jakobs,JZ 1984, 996 ff. (997 f.); ablehnend Otto, wie Anm.2, S. 19; mißverstanden vonRengier, NStZ 1982, 225 ff. (226).4 BGHSt. 3, 330 ff. (333); 9, 385 ff. (390); 11,139 ff. (143); BGH NJW 1978,S. 709; BGH MDR 1981, S. 267; vgl. auch DreherlTröndle, wie Anm. 2, Rdn.6czu §211; LK-Jähnke, Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., Berlin1980, Rdn.48 zu §211; Schmidhäuser, wie Anm.2, 2/25; SK-Horn, wie Anm. 2,Rdn. 31 zu §211; zur Kritik vgl. Geilen, JR 1980, 309 ff. (312); Hassemer, JuS1971, 626 ff. (629 f.); Schönke/Schröder/Eser, wie Anm. 2, Rdn. 25 a zu §211.5 BVerfGE 45, 187, 260 ff. (267).6 BGHSt. 4, 11 ff. (13); vgl. auch BGH JR 1951, 687f.; OGHSt. 2, 220 f.7 BGHSt. 11, 139 ff. (144 f.).8 BGHSt. 11, 139 ff. (144 f.).9 BGHSt. 20, 301 ff. (302); 23, 119 ff. (121).10 BGHSt. 22, 77 ff. (79 f.).11 M.-K. Meyer, JR 1979, 441 ff. (444, Fn.49 m. w.N.); ferner Lackner, NStZ1981, 348 ff. (349); Spendel, JR 1983, 269 ff. (271 ff.), StrVert. 1984, 45 ff. (46);Wessels, wie Anm. 2, S. 25 f.
Online erschienen: 2009-09-15
Erschienen im Druck: 1986

Walter de Gruyter

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