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Gegenstandswert und Gebühren bei anwaltlicher Mitwirkung an einem Mietaufhebungsvertrag

Veröffentlicht/Copyright: 20. April 2016

172JurBüro 4 / 2016AUFSÄTZE: KostenrechtGegenstandswert und Gebühren bei anwaltlicher Mitwirkung an einem MietaufhebungsvertragVon Horst- reiner enders, Bürovorsteher, NeuwiedIn diesem Beitrag wird folgender Sachverhalt im Hinblick auf den Gegenstandswert und die entstehenden Anwaltsgebüh-ren beurteilt:Der Rechtsanwalt wurde von seinem Mandanten, einem Vermieter beauftragt, mit dem Mieter einen Aufhebungs-vertrag betreffend das bestehende Mietverhältnis wegen gewerblich genutzter Räume auszuhandeln, zu entwerfen und abzuschließen. Es lagen mehrere Vertragsverletzun-gen des Mieters vor; diese waren aber rechtlich nicht so erheblich, dass sie eine Kündigung des Mietvertrages ge-rechtfertigt hätten. Der Mietvertrag über die gewerblichen Räume hatte eine Laufzeit von 20 Jahren. Der Rechtsan-walt wurde beauftragt, nachdem der Vertrag zwei Jahre ge-laufen war. Nach dem Vertrag waren vom Mieter zu zahlen: Monatliche Miete – ohne Nebenkosten – 2.500 zzgl. 19 % Umsatzsteuer auf 2.500 = 475 zzgl. einer monatlichen Vorauszahlung auf die Nebenkosten in Höhe von 500 .Der Rechtsanwalt nimmt mit dem Mieter Kontakt auf, führt mit diesem umfangreiche Verhandlungen und kann schließlich einen Aufhebungsvertrag – den er zuvor schrift-lich erarbeitet hat – mit dem Mieter abschließen. Nach dem Aufhebungsvertrag wird das Mietverhältnis vorzeitig auf-gelöst und der Mieter hat die Räume zu einem vereinbar-ten Termin im vertragsgemäßen Zustand an den Vermieter herauszugeben.Für den die Angelegenheit bearbeitenden Rechtsanwalt stellt sich nun die Frage, nach welchem Gegenstandswert er welche Gebühren abrechnen kann.I. Gegenstandswert1. GrundsätzlichesNach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt sich der Anwalts-gebührenwert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Die für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften gelten auch entsprechend für die anwaltliche Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der außer-gerichtlichen Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).Kann der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit nicht auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein, be-stimmt sich der Anwaltsgebührenwert nach § 23 Abs. 3 RVG. Danach gelten, soweit sich aus dem RVG nichts anderes er-gibt, für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit die Bewertungsvorschriften des Gerichts- und Notarkosten-gesetzes (GNotKG) und die §§ 37, 38, 42 bis 45 sowie 99 bis 102 GNotKG entsprechend. Nur wenn der Gegenstandswert sich aus diesen Vorschriften nicht ergibt oder auch sonst nicht feststeht, ist er nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Er-messen zu bestimmen.Ist der Anwalt beauftragt, einen Vertrag auszuhandeln oder zu entwerfen, so kann dies in der Regel nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein, so dass sich der Gegen-standswert für die Anwaltsgebühren nicht nach den Wertvor-schriften für die Gerichtsgebühren bestimmt, sondern nach § 23 Abs. 3 RVG. Ein solcher Fall ist nach Gerold/ Schmidt1gegeben– »bei der Erstellung eines Entwurfs für einen Kaufvertrag– bei der Überprüfung von Mietverträgen2– bei der Anfechtung eines Sozialplans342. Aufhebungsvertrag betreffend ein Mietver-hältnisAuch die anwaltliche Tätigkeit im Hinblick auf das Aushan-deln, das Entwerfen und den Abschluss eines Aufhebungs-vertrages betreffend ein bestehendes – nicht gekündigtes Mietverhältnisses kann in der Regel nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Daher bestimmt sich der Wert für diese anwaltliche Tätigkeit über § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG nach § 99 Abs. 1 GNotKG. Danach ist Geschäftswert bei der Beurkundung eines Mietvertrages der Wert aller Leistungen des Mieters oder Pächters während der gesamten Vertrags-zeit. Bei Miet- oder Pachtverträgen von unbestimmter Ver-tragsdauer ist der auf die ersten fünf Jahre entfallende Wert der Leistungen maßgebend (§ 99 Abs. 1 Satz 2 GNotKG). In keinem Fall darf der Geschäftswert den auf die ersten zwan-zig Jahre entfallenden Wert übersteigen (§ 99 Abs. 1 Satz 3 GNotKG). Diese Wertvorschrift gilt gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG auch entsprechend für die hier zu beurteilende Fallkon-stellation.Anders könnte dies sein, wenn über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses Streit bestehen würde oder be-reits eine Kündigung des Mietvertrages von einer Seite aus-gesprochen worden wäre. Dann könnte nämlich die außer-gerichtliche Tätigkeit wieder auch Gegenstand eines ge-richtlichen Verfahrens sein. Im Falle, dass über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses Streit bestehen würde, könnte eine Feststellungsklage erhoben werden. Im Falle, dass wegen Beendigung des Mietverhältnisses Räumung des ange-mieteten Gebäudeteils verlangt würde, könnte z.B. eine Klage auf Räumung und Herausgabe erhoben werden. Dann würde sich der Wert über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG nach § 41 Abs. 1 oder Abs. 2 GKG bestimmen. § 41 Abs. 1 GKG regelt den Gegenstandswert, wenn das Bestehen oder die Dauer eines Miet- , Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig ist. § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt den Wert auf den Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und wenn das einjährige Entgelt geringer ist, auf diesen – geringeren – Be-trag. § 41 Abs. 2 GKG bestimmt den Gegenstandswert eben-falls auf die für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt, wenn nicht eine kürzere Zeit »im Streit war« (z.B. wenn der Mietvertrag auch ohne die Kündigung nur noch sechs Monate Laufzeit ausgewiesen hätte). Da bei der hier zu beurteilenden Fallgestaltung kein Streit über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses bestand und auch noch keine Kündi-gung des Mietverhältnisses ausgesprochen worden war, kann 1 Gerold/ Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 23 RVG Rn. 28.2 Unter Hinweis auf BGH, FamRZ 2015, 847 = NJW- RR 2015, 643; auf diese Entscheidung wird später noch eingegangen.3 Unter Hinweis auf BAG, NZA 2005, 1136.4 Zitiert nach Gerold/ Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 23 RVG Rn. 28.
Online erschienen: 2016-4-20
Erschienen im Druck: 2016-5-1

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