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Universalsukzession und Vonselbsterwerb (§ 1922 BGB)

  • Anne Röthel
    Anne Röthel
    Verf. ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Europäisches und Internationales Privatrecht der Bucerius Law School, Hamburg, und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift. Bucerius Law School Hamburg Germany
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Veröffentlicht/Copyright: 18. April 2018
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RepetitoriumProfessorin Dr. Anne Röthel*Universalsukzession und Vonselbsterwerb1922BGB)https://doi.org/10.1515/jura-2018-0100Genauso wie das Vertragsrecht Verträge »organisiert«, al-so mit den Mitteln des Rechts sicherstellt, dass Parteieneine vertragliche Bindung eingehen können, die dannauch durchgesetzt werden kann, »organisiert« das Erb-recht den Übergang des Vermögens beim Tod einer natür-lichen Person. Das Vermögen einer natürlichen Person sollnicht erlöschen oder in staatliche Verwaltung fallen, son-dern erstens fortbestehen und zweitens »von selbst« aufbestimmte Personen, die Erben, übergehen. Dies ist in§1922 Abs.1 BGB näher bestimmt: Mit dem Tod des Erb-lassers (Erbfall) geht sein gesamtes Vermögen (Erbschaft)als Ganzes auf einen oder mehrere andere Personen über1922 Abs.1 BGB).Damit enthält §1922 BGB drei zentrale Aussagen: Ge-genstand der Erbfolge ist das Vermögen des Erblassers(unten II.); es gibt also auch Positionen, die nicht Ver-mögen sind und daher nicht gemäß §1922 BGB übergehen.Vermögen geht »mit dem Tod«, also von selbst über (Von-selbsterwerb, unten III.), und es geht »als Ganzes« über(Universalsukzession, unten IV.). Vorangestellt werden ei-nige Überlegungen zum Prüfungsstandort des §1922 BGBim Klausurgutachten (unten I.).I. PrüfungsstandortSchon aus dem Wortlaut des §1922 BGB ergibt sich, dasses sich nicht um eine Anspruchsgrundlage handelt: §1922BGB ordnet »self executing« eine bestimmte Rechtsfolgeanden Übergang des Vermögens, benennt aber keinAnspruchsziel. Dies hat zur Folge, dass es im Klausurgut-achten immer nur inzident auf §1922 BGB ankommt. Zu-meist geht es darum zu erklären, warum eine bestimmteRechtsposition, die zunächst dem Erblasser zustand, nunmit dem Tod des Erblassers einem oder mehreren Erbenzusteht, so dass diese daraus Ansprüche herleiten können.§1922 BGB ist dann im Rahmen der Aktivlegitimation zuprüfen, also bei der Frage, ob dem Anspruchsteller ein zurAnspruchsbegründung erforderliches Rechtetwa dasEigentumzusteht.Beispiel: E war Eigentümer eines Grundstücks. Als E verstirbt, ver-langt sein Alleinerbe A von dem Eigentümer N des Nachbargrund-stücks, die nächtlichen Ruhestörungen zu unterlassen. N meint, Akönne ihm gar nichts sagen, schließlich sei A gar nicht Eigentümerdes Grundstücks. A meint, sein Anspruch ergibt sich aus §1922BGB, weil er Alleinerbe sei. Wer hat Recht?Keiner von beiden. Ein Anspruch auf Unterlassung von Eigentums-beeinträchtigungen könnte sich aus §1004 Abs.1 BGB ergeben.Ein solcher Anspruch steht allerdings nur dem Eigentümer zu.Allerdings war zunächst E Eigentümer des Grundstücks, und er hatdas Grundstück auch nicht zu Lebzeiten auf den A durch Auflas-sung und Eintragung übertragen (§§873 Abs.1, 925 BGB). Hier istaber das gesamte Vermögen des E mit dessen Tod auf den Allein-erben A übergegangen. Das heißt, dass A in die Rechte des Eeingetreten ist. Zu diesen Rechten gehört auch das Eigentum andem Grundstück. A ist also mit dem Tod des E »von selbst«Eigentümer des Grundstücks geworden und kann daher als Eigen-tümer gemäß §1004 Abs.1 BGB Unterlassung von Störungen ver-langen, soweit diese nicht zu dulden sind (§§1004 Abs.2, 906BGB).Auf §1922 BGB kann es auch auf der Passivseite ankom-men, um zu erklären, warum der Erbe nun anstelle desErblassers für dessen Verbindlichkeiten haften soll.Beispiel: E hatte bei der Änderungsschneiderei S einen Mantel zurReparatur gegeben. Nach dem Tod des E wendet sich S nun an denAlleinerben A. A meint, das gehe ihn alles nichts an, schließlichhabe er keinen Vertrag mit S geschlossen und der Mantel sei für ihnauch nicht interessant.Darauf kommt es aber nicht an, weil dievon E vertraglich mit S eingegangenen Verpflichtungen gemäß§1922 BGBgenauso wie das Vermögenauf den Alleinerben Aübergegangen sind, so dass nun anstelle des E der A aus dem mit Sgeschlossenen Vertrag verpflichtet ist. Abermals ist Anspruchs-grundlage nicht §1922 BGB, sondern §§631 Abs.1, 632 BGB.Hinweis: Im älteren Schrifttum wurde der Übergang von Verbind-lichkeiten auf den Erben vereinzelt nicht aus §1922 BGB hergelei-tet, sondern auf §1967 BGB gestützt, weil »Vermögen« nach dem*Kontaktperson: Anne Röthel,Verf. ist Inhaberin des Lehrstuhls fürBürgerliches Recht, Europäisches und Internationales Privatrecht derBucerius Law School, Hamburg, und Mitherausgeberin dieser Zeit-schrift.Juristische Ausbildung 2018(5): 477483
Published Online: 2018-4-18
Published in Print: 2018-5-1

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Info-Teil
  3. JURA INFO
  4. Aufsätze
  5. Klausurrelevante Probleme beim Aus- und Wiedereinbau einer mangelhaften Kaufsache im Rahmen der Nacherfüllung
  6. Zum Problem des Rückerwerbs durch den »Nichtberechtigten«
  7. Zur Strafbarkeit des Verbrennens von israelischen Fahnen in Berlin
  8. Grundstudium
  9. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers
  10. Die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns
  11. Repetitorium
  12. Universalsukzession und Vonselbsterwerb (§ 1922 BGB)
  13. Schwerpunktbereich
  14. Ahabs Erbe
  15. Lehren und Lernen
  16. Das Nacharbeiten von Übungsklausuren in der Examensvorbereitung
  17. Methodik
  18. Saldotheorie und § 822 BGB: Zwischen Skylla und Charybdis?
  19. Widerruf einer Genehmigung
  20. Jede Leidenschaft hat ihren Preis
  21. Karteikarten
  22. Zur Verjährungshemmung beim Direktanspruch gegen den Haftpflichversicherer des Schädigers
  23. Zur Ausübungsbefugnis für negatorische Beseitigungsansprüche einzelner Wohnungseigentümer gegen Dritte
  24. Ansprüche gegen den angehörigen Schädiger: § 86 Abs. 3 VVG nicht analog anwendbar auf § 116 SGB X
  25. Rechtliche Konsequenzen des Käuferschutzes durch PayPal
  26. Verwirklichung mehrerer Mordmerkmale und Feststellung der besonderen Schwere der Schuld
  27. Beweiswürdigung bei Korrektur des Rücktrittshorizonts; Berücksichtigung des Opferverhaltens
  28. Rechtfertigung lebensgefährdender Abwehrmaßnahmen (Messereinsatz) durch Notwehr
  29. Kommunales Wildtierverbot für Zirkusbetriebe
  30. Regelungsbefugnis einer Gemeinde beim Erlass einer Sondernutzungssatzung (hier: Aufstellen von Warenautomaten als Gemeingebrauch)
  31. Richterliche Unabhängigkeit -- Ermahnung eines Richters wegen zu niedriger Erledigungsquote
  32. Äußerungsbefugnis eines Bürgermeisters -- Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot (»Aktion Lichter aus«!)
Heruntergeladen am 18.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/jura-2018-0100/html?lang=de&srsltid=AfmBOopQv-2lkteM2cKxXLqyw_K1Ss6fUjUy7H5DLaFhTg-FYUEX9nLA
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