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Zur Konzeptualisierung des Transtextualitätsbegriffs: Licht aus der Klassischen Philologie?

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Published/Copyright: September 10, 2025
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Abstract

The concept and notion of transtextuality – understood in relation to (fictional, semi-fictional and historical) characters who travel from text to text or from one fictional world to another – have not yet been firmly established in Classical Philology. This article examines how the theory of transtextuality can be historicized and how the study of characters from ancient literature can contribute to a more nuanced and historically sensitive conceptualization of transtextuality. First, the article evaluates the relevance of the concept in relation to the notion of fictional worlds and the question of how the latter concept may – or may not – be applied to ancient texts, arguing that a sharp distinction between distinct fictional worlds is impossible to maintain in ancient literature because of considerable overlap between (mythical as well as historical) narrative networks in the ancient world. Secondly, the article challenges the commonly held idea that transtextual characters should necessarily be identified by the consistent identity of their names; it demonstrates that this assumption is untenable when it comes to characters from ancient literature – particularly so in the realm of mythology, where the same character is often identified by different names, while at the same time the same name is sometimes used for several different figures. Thirdly, the article suggests the application of a prototype model to the study of ancient characters, illustrated through a discussion of two major mythical figures, Odysseus and Heracles, and their diachronic development. This model does not put the names of the characters at its centre, but, rather, their most central characteristics that remain stable in the course of their development, whereas other, less prototypical features are subject to change and adaptation. The prototype model thus offers an analytic tool that can help to enhance our understanding of ancient transtextual figures in their diachronic development both within and across literary genres.

1 Einleitung

Konzept und Begriff der Transtextualität – verstanden mit Bezug auf Figuren, die von Text zu Text bzw. von der einen zur anderen fiktionalen Welt reisen – sind in der Klassischen Philologie bisher nur wenig etabliert. So verwenden die Herausgeber des Sammelbandes Characterization in Ancient Greek Literature (des vierten Bandes in der narratologischen Standardreihe Studies in Ancient Greek Literature) den Begriff nur en passant in ihrer Einleitung (De Temmerman/van Emde Boas 2017b, 5), und erst kürzlich wurde die Notwendigkeit einer verstärkten Verwendung des Konzepts (und einer entsprechend eingehender reflektierten Konzeptualisierung) mit Bezug auf das Studium antiker und nachantiker Homerfortsetzungen postuliert (Bär 2024). Die Gründe für das Vorhandensein dieser Lücke mögen vielfältig sein. So ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass die überwältigende Mehrheit der literarischen Figuren in der antiken Literatur dem Bereich der Mythologie entnommen ist und in verschiedenen Gattungen in allen Epochen wiederverwendet wird; somit stellt die transtextuelle Natur literarischer Figuren in der Antike in gewisser Weise einen Normalfall dar, für den – so mag spekuliert werden – lange Zeit schlichtweg keine gesonderte Konzeptualisierung für notwendig erachtet wurde. Damit verbunden ist auch der Umstand bzw. die Konsequenz, dass Studien zur diachronen Entwicklung einzelner antiker Figuren in Fülle existieren und auf eine lange Tradition zurückblicken, was eine entsprechende begriffliche und konzeptuelle Schärfung in nachgerade paradoxer Art verhindert haben kann. Schließlich dürfte die etablierte Verwendung des Begriffs der Intertextualität in manchen Fällen als hinreichend erachtet worden sein, auch das – zweifellos verwandte, aber dennoch nicht identische – Phänomen der Transtextualität abzudecken.[1]

Im Folgenden soll die Frage diskutiert werden, wie sich die Theorie der Transtextualität historisieren lässt und wie gerade die Klassische Philologie mit den Besonderheiten ihres Faches und der Natur des für die antike Literatur typischen diachronen Umgangs mit literarischen Figuren zu einer differenzierteren und historisch sensiblen Konzeptualisierung des Transtextualitätsbegriffs beitragen kann. Ausgehend von der Beobachtung, dass das Phänomen der Transtextualität ursprünglich anhand moderner Romanliteratur konzeptualisiert worden ist (Richardson 2010), soll gefragt werden, an welchen Punkten die bisherige Konzeptualisierung Schwächen oder Lücken aufweist und wie eine an der Literatur der Antike orientierte, diachrone Narratologie diese Probleme zu adressieren vermag und Lösungsansätze bieten kann. In einem ersten Schritt werden zwei Grundsatzprobleme diskutiert, die sich für die antike Literatur in verschärfter Form stellen. Einerseits ist das die Frage nach der Bedeutung des Transtextualitätskonzepts im Zusammenhang mit dem Begriff der fiktionalen Welten und der Anwendbarkeit des letztgenannten Konzepts auf die antike Literatur, und andererseits das Postulat der Namensgleichheit, d. h. der Annahme, dass eine transtextuelle Figur anhand ihres gleichbleibenden Namens identifiziert werden könne (Philipowski 2019, 120). Es handelt sich hierbei um eine Annahme, die sich für transtextuelle Figuren der Antike nur bedingt aufrechterhalten lässt. Daran anschließend wird ein hauptsächlich auf den Arbeiten von Fotis Jannidis (Jannidis 2004a; Jannidis 2004b; Jannidis 2005) basierender, kognitiv ausgerichteter Ansatz vorgeschlagen, demgemäß sich die Identität bzw. Nicht-Identität einer literarischen Figur mithilfe eines Prototypenmodells beschreiben und somit in ihrer transtextuellen Natur besser fassen lässt. Es wird zu zeigen sein, dass ein auf die Beschreibung individueller Figuren ausgerichtetes Prototypenmodell ein taugliches Werkzeug darstellt, das es erlaubt, Verständnis und Analyse antiker transtextueller Figuren in ihrer diachronen Entwicklung gattungsintern wie auch gattungsübergreifend zu schärfen. Die Eignung des Modells wird anhand einer Diskussion der beiden mythischen Figuren Odysseus und Herakles exemplarisch gezeigt werden.

2 Fiktionale Welten, Sagenkreise und Netzwerktheorie

Ein grundsätzliches Problem, das sich mit Blick auf die Definition des Phänomens der Transtextualität stellt, ist die Frage, ob es sinnvoll ist, bei jeder von einem Text zu einem anderen Text ›reisenden‹ Figur automatisch von einer transtextuellen Figur zu sprechen, oder ob sinnvollerweise der Begriff erst dann gelten soll, wenn die Grenze von einer fiktionalen Welt zu einer anderen sozusagen metaleptisch überschritten wird. Um den Sachverhalt anhand eines Beispiels aus der zeitgenössischen Populärkultur zu illustrieren, so wird kaum jemand Harry Potter als transtextuelle Figur bezeichnen wollen, nur weil Harry von einem Band der Reihe zur anderen weitergereicht wird, da die Figur (zusammen mit den meisten anderen Figuren der Harry-Potter-Welt) innerhalb ihres festgefügten fiktionalen Rahmens, also ihrer story world, verbleibt. Man könnte überdies darüber diskutieren, ob die einzelnen Harry-Potter-Romane als einzelne, selbständige Werke zu beschreiben sind oder auch als Teile eines umfassenden Werkes verstanden werden können. Dahingegen würde man – um ein hypothetisches Beispiel zu kreieren – den Cameo-Auftritt Harry Potters in einem Roman der Percy-Jackson-Reihe zweifellos als einen Fall von Transtextualität auffassen, da in diesem Falle ein Übertritt von einer geschlossenen fiktionalen Welt in eine andere, ebenso geschlossene fiktionale Welt vorläge, wodurch ein Überraschungseffekt einträte, der außerdem – so ist anzunehmen – eine kognitive Dissonanz beim Rezipienten auslösen dürfte, da der Übertritt der Figur von der einen in die andere fiktionale Welt einen Bruch mit den bestehenden Erwartungshaltungen bedeuten und somit dem stillschweigend eingegangenen Fiktionsvertrag zuwiderlaufen würde.[2] Man mag solche eindeutigen Fälle als banal ansehen; von Interesse sind dagegen Sonder- und Spezialfälle, so im Film die Frage nach der Bedeutung der Schauspielerinstanz, die sich – wie etwa im Falle von James Bond – von Film zu Film ändern kann, während die fiktionale Figur als solche gleich bleibt, die Änderung aber wegen des neuen Schauspielers dennoch prominent bemerkt wird, oder bei komplexen fiktionalen Welten wie der des Star-Trek-Universums, welches zwar ein riesiges zusammenhängendes Ganzes konstituiert, innerhalb dessen jedoch die einzelnen Serien relativ eigenständig existieren. So lassen sich Cameo-Auftritte von Figuren aus der einen Serie in einer anderen in der Regel nur mithilfe umständlicher narrativer Tricks bewerkstelligen und führen einen entsprechenden Überraschungseffekt beim Rezipienten herbei – zu denken wäre etwa an den Auftritt von Scotty, einer Figur aus der Originalserie, in der im Star-Trek-Universum hundert Jahre später angesiedelten Nachfolgeserie The Next Generation; der Auftritt wird durch eine technische Manipulation ermöglicht (Scotty hatte sich in einer Notsituation im Musterpuffer des Transporters ›abgespeichert‹), die die Präservation der Figur aus der Vorgängerserie über einen Zeitraum von fünfundsiebzig Jahren möglich macht (»Relics«, 4. Folge der 6. Staffel). Bezeichnenderweise lebt die Episode vom Generationenkonflikt zwischen Scotty und seinem ›Nachfolger‹ Geordi La Forge; der menschliche Konflikt spiegelt die narrative Metaebene der metaleptisch durchbrochenen Trennung zwischen Original- und Nachfolgeserie.

Es stellt sich somit die Frage, ob man nicht erst recht für die vormoderne (also die antike und mittelalterliche) Literatur eine Grundsatzunterscheidung zwischen transtextuellen und transfiktionalen Figuren einführen sollte, da das ›Reisen‹ literarischer bzw. fiktionaler Figuren in der Antike und im Mittelalter im Gegensatz zur Moderne keine Seltenheit, sondern vielmehr einen Normalfall darstellt.[3] Dieser Nomenklatur zufolge wäre dann Transtextualität der (nicht näher zu untersuchende) Regelfall, Transfiktionalität dagegen die (einer genaueren Analyse zu unterziehende) Ausnahme. Damit würde zwar ein grundsätzliches Problem bis zu einem gewissen Punkt gelöst, doch würden gleichzeitig – wie die oben genannten Beispiele aus der modernen Populärkultur verdeutlichen – auch neue Fragen aufgeworfen, da auch bei einer verfeinerten Differenzierung immer Sonder- und Spezialfälle auftreten, die die etablierte Taxonomie wieder in Frage stellen. Mit Blick auf die antike Literatur ergeben sich diesbezüglich mehrere Probleme. Ein erstes Problem entsteht aus der Frage, ob – und falls ja, wie – sich für die antike Literatur fiktionale Rahmen (fictional frames) fassen lassen. Jedenfalls für den Bereich des Mythos, der die Hauptquelle für die wichtigsten literarischen Gattungen der Antike darstellt – so speisen sich Epos, Hymnos und Tragödie fast ausschließlich aus dem Mythos, und mythische Themen und Figuren spielen in zahlreichen anderen Gattungen wie etwa der Lyrik, dem Epinikon, der Komödie und der Geschichtsschreibung ebenfalls eine zentrale Rolle –, lässt sich keine scharfe Trennung in klar abgrenzbare fiktionale Rahmen vornehmen. Zwar ist es üblich, zwischen Sagenkreisen wie dem Troischen Sagenkreis, dem Thebanischen Sagenkreis oder der Argonautensage zu unterscheiden, doch handelt es sich hierbei nicht um isolierte fiktionale Welten, sondern um mythische Referenzrahmen, die immer wieder ineinandergreifen und sich überlappen. So konstituieren z. B. die Generationen der Väter und Großväter der Helden vor Troja ihrerseits die Argonauten, zu denen beispielsweise auch Herakles gehört, dessen innerfiktionale Erinnerung in der Ilias konstant aufrechterhalten wird (Bär 2018, 33–44), während die Argonautenfahrt als solche in der Odyssee als Teil des epischen Gedächtnisses vonseiten einer textinternen Erzählerin, der Zauberin Kirke, aufgerufen wird (Odyssee 12.66–72). In vergleichbarer Weise schreibt sich etwa auch der Thebanische Sagenkreis in die Trojasage ein, wenn in den homerischen Epen auf das Schicksal des Ödipus, des Königs von Theben, rekurriert wird (Ilias 23.678–680 und Odyssee 11.271–280). Eine Auflistung vergleichbarer Beispiele ließe sich ins Unendliche erweitern. Sarah Iles Johnston verwendet für dieses Phänomen passend den Begriff des Netzwerks (network), das durch die in ihrer gesamten Komplexität kaum überschaubaren Querverbindungen zwischen den einzelnen mythischen Figuren konstituiert wird. Dabei bilden die einzelnen Sagenkreise bzw. story worlds zwar genealogisch und/oder geographisch verankerte Zentren, doch finden sich immer wieder Überschneidungen, und auch explizite Übergänge (crossovers) vom einen Sagenzentrum zum anderen sind regelmäßig zu finden (Johnston 2015b, 292–306; Johnston 2018, 121–146).[4]

Ein crossover dient, wie Johnston (2015b, 303) richtigerweise anmerkt, u. a. der Konsolidierung einer Figur und ihrer Glaubwürdigkeit (»by evoking a story world that is already familiar and accepted, a crossover is a powerful way of giving verisimilitude to a new tale and its characters«). Wo jedoch, wie im Falle der antiken Mythologie, keine harten Grenzen zwischen den einzelnen Sagenzentren bestehen und somit der Übergang einer Figur vom einen zum anderen Bereich zwar einen gewissen Überraschungseffekt auszulösen vermag, aber kaum eine kognitive Dissonanz herbeiführen dürfte, verschwindet automatisch auch die oben angeregte Unterscheidung zwischen transtextuellen und transfiktionalen Figuren wieder. Mit anderen Worten wäre, wenn überhaupt, nur die unüberschaubar komplexe Welt des Mythos in ihrer Gesamtheit als ein immenser fiktionaler Rahmen zu begreifen. Doch auch unter dieser Prämisse ergeben sich weitere Probleme: Zum einen haben Gottheiten und Heroen (d. h. nach ihrem Tod verehrte Halbgötter wie z. B. Herakles und Theseus) sowohl in der Welt des Mythos als auch in der realen Lebenswelt der Menschen ihren Platz. Zwar ist die Welt des Mythos in der Antike keinesfalls mit Fiktion in einem modernen Sinne gleichzusetzen, ja der Fiktionalitätsbegriff an sich muss für Teile der antiken Vorstellungswelt als anachronistisch gelten (Rösler 1980; Hose 1996; Finkelberg 1998), doch bleibt gleichwohl die Tatsache bestehen, dass Gottheiten und Heroen insofern in unterschiedlichen Bereichen zu Hause sind, als sie sowohl in der Welt des – einfach gesagt – ›Geschichtenerzählens‹ wie auch in der Welt des Ritus, also der religiösen Handlung, ihren Platz haben.[5] So gesehen, sind göttliche bzw. gottähnliche Figuren immer auch ›transweltlich‹, insofern sie sich zwischen den Welten des Mythos und des Ritus hin- und herbewegen. Zum anderen sind auch die Grenzen zwischen Mythos und Historie in der Antike oftmals fließend, da der Mythos, wie gesagt, nicht Fiktion in einem modernen Sinne bezeichnet, sondern oftmals eher dem entspricht, was wir heutzutage vielleicht ›Ur- und Frühgeschichte‹ nennen würden (Graf 1985, 117–137). So setzt etwa das Geschichtswerk des Herodot mit für uns überraschender Selbstverständlichkeit bei den Ereignissen des Trojanischen Krieges und dessen Ursachen an; der Trojanische Krieg wird somit als Präfiguration der Perserkriege gesehen (Historien 1.1–5). Und mit vergleichbarer Selbstverständlichkeit nennt etwa auch Aristoteles in seiner Darstellung der athenischen Verfassung Ion, den mythischen Stammvater der Ionier, und Theseus, den mythischen König und Nationalhelden Athens, als erste Reformatoren vor Drakon und Solon, die auch aus heutiger Sicht als historisch angesehen werden (Politeia 41). Infolgedessen werden also auch menschliche Figuren aus der Welt des Mythos, selbst wenn jene als eine zusammenhängende fiktionale Welt verstanden wird, in dem Moment wieder transtextuell, in dem sie in den Bereich der Geschichtsschreibung eintreten.

Die Permeabilität zwischen den ›großfiktionalen‹ Welten des Mythos, des Ritus und der Historie spiegelt sich sodann auch in einer analogen Permeabilität zwischen den Medien und den Gattungen. Mythische Szenen und somit auch mythische Figuren finden sich in unüberschaubar großer Zahl in der Ikonographie – zu denken ist in erster Linie an die griechische und etruskische Vasenmalerei, daneben aber auch an Trägermedien wie römische Wandmalereien, Mosaike und Sarkophage sowie etruskische Bronzespiegel –; dadurch sind Figuren der antiken Mythologie (einschließlich Gottheiten sowie Heroinnen und Heroen) nicht bloß transtextuell, sondern auch transmedial bzw. plurimedial (Johnston 2015a, 206–210; Johnston 2018, 156–163).[6] Ferner ist die Transtextualität zahlreicher mythischer Figuren von der einen in die andere literarische Gattung ebenfalls zu weiten Teilen als Selbstverständlichkeit etabliert; so stellt etwa die Überführung epischer Figuren, Themen und Geschichten in die attische Tragödie des fünften und vierten Jahrhunderts v. Chr. den Normalfall dar.[7] So gesehen, entspricht die transtextuelle (bzw., wenn es sich um eine Überführung von einer Gattung in eine andere handelt: transgenerische) Natur solcher Figuren den Publikumserwartungen; ein Überraschungseffekt tritt weniger durch die metaleptische Überführung von der einen Gattung in die andere ein, sondern vielmehr durch die konkrete Art und Weise, wie sich eine Figur in der Tragödie von ihrem epischen Vorbild abhebt. Ein Beispiel, das diesen Umstand illustrieren mag, ist dasjenige des Ödipus: Die aus unserer Sicht kanonische Version der Sage ist zweifellos diejenige des Sophokles in der ca. 429 v. Chr. uraufgeführten Tragödie König Ödipus, in der sich Ödipus nach der Aufdeckung seiner schrecklichen Verbrechen (Vatermord und Inzest) selbst blendet (Vv. 1268–1279). Die Selbstblendung wurde zwar nicht von Sophokles erfunden, denn es findet sich in Aischylos’ Sieben gegen Theben (uraufgeführt 467 v. Chr.) bereits eine entsprechende Erwähnung (Vv. 772–784), doch zeigen verschiedene erhaltene Tragödienfragmente andere Versionen der Blendung – d. h., keine Selbstblendung, sondern Blendung durch eine andere Instanz, etwa durch Ödipus’ Adoptivvater Polybos (Scholion zu Euripides, Phoenissen 26) oder durch Laios’ Diener (Euripides, Oedipus fr. 541 TrGF) –, während die Anspielungen auf die Ödipus-Sage in den homerischen Epen (s. o.) eine Version der Geschehnisse implizieren, die komplett auf jegliche Art der Blendung verzichtete (Edmunds 1985, 13–17; Gantz 1993, 492–502; Edmunds 2006, 11–54). Es lässt sich somit spekulieren, dass das Blendungsmotiv eine spezifisch tragische Komponente gewesen sein muss und dass der Überraschungseffekt hauptsächlich in dessen konkreter Umsetzung gelegen haben mag. Die Überführung der Ödipus-Figur in die Tragödie als solche stellte jedoch einen transtextuellen Normalfall dar, was durch die hohe Zahl belegter Ödipus-Dramen nahegelegt wird (Edmunds 2006, 32 f.).

In der Summe lässt sich somit festhalten, dass aus der Mythologie entnommene literarische Figuren der Antike in aller Regel transtextuell (bzw. transmedial und/oder transgenerisch) sind. Transtextualität ist für die Vielzahl antiker Figuren der Normalfall; gleichzeitig dürfte folglich die Wirkung solcher transtextueller Überführungen und der damit verbundene Überraschungseffekt in manchen Fällen nur schwach ausgeprägt gewesen sein, und eine kognitive Dissonanz – etwa beim Auftauchen einer epischen Figur in der Tragödie – dürfte oft gänzlich ausgeblieben sein. Eine konzeptuelle Unterscheidung zwischen transtextuellen und transfiktionalen Figuren ist zwar für die antike Literatur grundsätzlich nicht unmöglich, löst aber die bestehenden Probleme nicht bzw. schafft neue Probleme.

3 Das Problem der Namens(un)gleichheit

Name und Identität sind zwei untrennbar miteinander verknüpfte Entitäten. Wer sich identifizieren muss, wird in aller Regel als erstes gebeten, seinen Namen zu nennen; wer seine Identität zu verschleiern sucht, wird einen falschen Namen angeben; und wer seine Identität langfristig ändern will, wird darum bemüht sein, seinen Namen (legal oder illegal) zu ändern. Die Frage nach jemandes Name ist somit ebenso eine fundamental ontologische wie die Frage nach der Identität an sich – ein Prinzip, das a priori für reale genauso wie für fiktive Personen zu gelten hat.[8] Das Paradoxon, dass literarische Figuren keine echten Menschen sind, aber kognitiv gleichwohl als solche wahrgenommen werden, auch wenn wir uns über ihre Konstruiertheit im Klaren sind – narratologische ›Klassiker‹ haben das Dilemma ironisch mit der Frage nach der Anzahl von Lady Macbeths Kindern verarbeitet (Knights 1933) oder zitierfähig in die berühmt gewordene Formel literarischer Figuren als »paper people« gebracht (Bal 2009, 113) –, wird uns im Zusammenhang mit der Diskussion der Prototypentheorie noch beschäftigen. An diesem Punkt soll vorerst nur ein spezifisches Problem angesprochen werden, das sich einerseits aus ebendiesem Paradoxon und andererseits aus der genannten Einheit von Name und Identität ergibt, nämlich das Postulat der Namensgleichheit als ontologische Voraussetzung dafür, dass eine transtextuelle Figur als solche erkannt werden und gelten kann. Eine Definition transtextueller Figuren als »characters identified by their own name(s) who appear in various literary texts« (Philipowski 2019, 120) erscheint auf den ersten Blick sinnvoll, wenn nicht sogar zwingend. Gleichwohl ergibt sich mit Blick auf die antike Literatur – und wiederum besonders mit Blick auf die antike Mythologie – das Problem, dass ein- und dieselbe Figur zuweilen unterschiedliche Namen haben kann, während andererseits derselbe Name unterschiedliche Figuren bezeichnen kann. So heisst etwa Paris, der Prinz von Troja und Liebhaber Helenas (und Hauptverantwortlicher für den Trojanischen Krieg) in den homerischen Epen nicht nur Paris, sondern auch (und sogar öfters) Alexandros. Man hat die Parallelität der beiden Namen unterschiedlich erklärt: Eine Auffassung besagt, Homer habe den einen oder anderen Namen je nach Position im Hexameter bevorzugt, und das Nebeneinander der beiden Namen lasse sich entstehungsgeschichtlich darauf zurückführen, dass ›Alexandros‹ indogermanischen Ursprungs, ›Paris‹ dagegen nicht-indogermanischen Ursprungs sei (Kirk 1985, 266 f.). Dagegen hat Irene de Jong die (m. E. plausible) These vertreten, dass in der Ilias über den Namen ›Alexandros‹ eine achäische (d. i. pangriechische), über den Namen ›Paris‹ aber eine trojanische Fokalisierung vorgenommen werde (de Jong 1987). Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, verkompliziert sich m. E. auch das ontologische Problem: Paris/Alexandros ist zwar dieselbe mythische Figur, doch könnte man dahingehend argumentieren, dass die je nach Volksgruppe unterschiedliche Benennung auch auf eine entsprechend divergente Perzeption der Figur innerhalb desselben fiktionalen Rahmens hindeutet; diejenige Person, die für die Achäer Alexandros ist, ist für die Trojaner Paris und somit in einem gewissen Sinne ›ein anderer Mensch‹.[9]

Das Paris/Alexandros-Problem ist gewiss die Ausnahme und nicht die Regel, doch steht es symptomatisch für ein Phänomen, das das Postulat der Namensgleichheit für die antike Literatur untergräbt. So finden sich weitere Fälle von Namensverschiedenheit wie etwa das Beispiel von Ödipus’ Mutter Iokaste, die gemäß der ältesten greifbaren Quelle, Homers Odyssee, Epikaste heißt (Odyssee 11.271) – was, wie die greifbare Gesamtquellenlage vermuten lässt, der übliche epische Name für die Figur gewesen sein muss, während Iokaste der Name der Figur in der Tragödie war (Edmunds 1985, 13, Anm. 63). Zu denken ist ferner auch an Odysseus, dessen Name im Griechischen zahlreiche Varianten wie etwa ›Olytteus‹ (auf attischen Inschriften) oder ›Ulyxeus‹ (dorisch; davon abgeleitet lateinisch Ulixes) aufweist (Ziegler 1962); die Bevorzugung der Namensform ›Odysseus‹ in der epischen Tradition ist aufgrund der volksetymologischen Verknüpfung des Namens mit dem Verb odýs(s)asthai (›zürnen‹) zu erklären (Odyssee 19.406–409; Stanford 1952; Kanavou 2015, 90–106). Es ließe sich somit argumentieren, dass ›Odysseus‹ die griechisch-epische Version der Odysseus-Figur widerspiegelt, während andere Namensformen andere lokale (und ontologisch möglicherweise divergierende) Varianten derselben Figur darstellen – inklusive die römische Tradition, bei der mit dem deutlich abweichenden Namen auch eine abweichende Figurenzeichnung einhergeht (auch von Odysseus wird im Zusammenhang mit der Diskussion des Prototypenmodells noch die Rede sein).

Selbst wenn man alle diese Beispiele als nicht-repräsentative Einzelfälle für wenig relevant erachten sollte, gibt es daneben auch Fälle systematischer Doppelbenennungen: Zum einen ist an die zwölf Olympischen Götter zu denken, die im Lateinischen allesamt (mit Ausnahme von Apollo(n)) unterschiedlich heißen (z. B. griechisch Zeus – lateinisch Jupiter, Poseidon – Neptun, Athene – Minerva, usw.), da die Gottheiten des römischen Pantheons (die ursprünglichen Dei consentes) zwar schon früh mit ihren griechischen Pendants identifiziert und zu weiten Teilen harmonisiert wurden, dabei jedoch ihre genuin römischen Namen nicht eingebüßt haben (Long 1987, 187–274). Zum anderen werden in der griechischen Heldendichtung sowohl Heroen als auch Gottheiten standardmäßig nicht nur mit ihren eigentlichen Namen, sondern ebenso häufig mit ihren Patronymika oder gar Papponymika bezeichnet – so ist etwa Zeus bei Homer oft ›der Kronide‹ (nach seinem Vater Kronos), Achilleus ›der Pelide‹ (nach seinem Vater Peleus) oder ›der Aiakide‹ (nach seinem Großvater Aiakos), usw. Auch hierbei handelt es sich – und das ist das Entscheidende – um ein systematisch auftretendes Phänomen. Selbstverständlich wird dadurch nicht eine ›Aufgliederung‹ der Identität all jener Figuren bewerkstelligt – ›der Kronide‹ ist ohne jeden Zweifel Zeus und niemand anderer –, doch zeigt sich auch an dieser Praxis die grundsätzliche Einsicht, dass für Figuren der Antike (besonders aus dem Mythos) Namensungleichheit eine beinahe ebenso etablierte Praxis darstellt wie Namensgleichheit.

Andererseits findet sich in der antiken Mythologie auch das gegenteilige Phänomen, nämlich die Verwendung desselben Namens für verschiedene Figuren aus unterschiedlichen Sagenkreisen. So ist etwa der Name ›Epikaste‹ nicht nur der epische Name von Ödipus’ Mutter (s. o.), sondern auch als Name von vier weiteren, unzweifelhaft nicht-identischen mythischen Frauenfiguren aus unterschiedlichen Regionen belegt (Bethe 1907). Ein weiteres illustratives Beispiel ist der Name ›Hippodameia‹, der für zehn unterschiedliche mythische Frauenfiguren belegt ist, die alle unterschiedlichen lokalen Sagenkreisen entstammen (Zwicker 1913); auch in diesem Falle handelt es sich jeweils um nicht-identische Figuren, wobei allerdings eine eindeutige Identifikation in mindestens einem Fall nicht problemlos möglich scheint (Bär 2022, 58 f.). Unabhängig davon, ob wir die gesamte antike Mythologie als ein zusammenhängendes, ›großfiktionales‹ Universum definieren oder ob wir die unterschiedlichen Sagenkreise als permeable ›kleinfiktionale‹ Welten auffassen, bleibt der Umstand bestehen, dass nicht nur das Phänomen der Doppelbenennung identischer Figuren, sondern auch dasjenige onomastischer Homonymien das Postulat der Namensgleichheit als definitorische Voraussetzung für Transtextualität in Frage stellt, wenn nicht recht eigentlich annihiliert.

4 Das Prototypenmodell

Die Frage nach Definition und Konzeptualisierung transtextueller Figuren setzt automatisch auch die Grundsatzfrage nach der narratologischen Definition des Konzepts ›Figur‹ an sich voraus. Eine umfassende Diskussion dieses weit ausgreifenden Themenkomplexes kann hier nicht geleistet werden.[10] Grundsätzlich wichtig zu bedenken ist, dass man sich bei dem Versuch einer Beantwortung der Frage zwangsläufig auf einem breiten Spektrum zwischen Konstruiertheit und Realitätsnähe, zwischen »structuralist reduction and humanist plenitude« (Frow 2014, 17) verorten muss. Uri Margolin formuliert den Umstand, dass literarische Figuren einerseits literarische Konstrukte sind, andererseits aber gleichwohl als vermeintlich ›echte‹ Menschen rezipiert werden (bzw. werden können), wie folgt:

Fictive entities are […] clearly the product of the discourse which posits or projects them and are essentially dependent on their textual constitutive conditions: logico-semantic, epistemic, and text-grammatical. The existence of a text is an essential enabling condition for imagining any literary entity, and the specific selection and combination of textual elements confers on it existence and determines its nature. At the same time, and with the exception of meta-fictional texts, literary narratives are structured in such a way as to create an illusion that they are reports about individuals and domains of reference which are not themselves linguistic and which have been in existence prior to these texts, separately from them, and independently of them. (Margolin 1995, 383)

Die zuvor diskutierten Probleme im Zusammenhang mit der Permeabilität fiktionaler bzw. semi-fiktionaler Welten in der Antike und der entsprechenden transtextuellen (bzw. transmedialen und/oder transgenerischen) Durchlässigkeit von Figuren bedingt m. E. eine breit ausladende Platzierung auf diesem Spektrum, insofern als sowohl die Fiktionalität wie auch die Lebensechtheit antiker Figuren berücksichtigt werden muss. Mythische Figuren galten der Antike wenngleich nicht zwingend als vollständig historische, so doch zumindest zu Teilen als semi-historische Entitäten (s. o.). Andererseits wurden auch historische Figuren öfters fiktionalisiert – zu denken ist hier etwa an das historische Epos der römischen Kaiserzeit: Ein Hannibal in Silius Italicus’ Punica oder ein Caesar und ein Pompeius in Lucans De bello civili sind sowohl historisch gesicherte Personen wie auch literarisch verbrämte Konstrukte, und eine reduktionistische Sicht auf solche Figuren als reine »paper people« (Bal 2009, 113) würde hier ebenso zu kurz greifen wie die naive Annahme, in ihnen unmittelbare Reflexe der historischen Gestalten Hannibal, Caesar und Pompeius sehen zu können.

Zur Lösung dieses Problems bietet m. E. Fotis Jannidis einen brauchbaren Ansatz: Jannidis definiert literarische Figuren als menschlich bzw. menschenähnlich, jedoch auf einem Spektrum befindlich, das er mit Rückgriff auf die Prototypensemantik wie folgt umschreibt:

Menschen gelten ohne weitere Indizien als Figur. D. h. sobald erschließbar wird, daß es sich bei etwas um einen Menschen handelt, wird dieses eine Figur. […] Das gilt aber auch für bestimmte andere Wesen, z. B. Götter und Dämonen. Wenn diese Wesen in einer Kultur eines der beiden Merkmale zugeschrieben bekommen, dann genügt der […] Hinweis, daß es sich um solche Wesen handelt, um sie als Figur zu identifizieren. Wahrscheinlich ist es am fruchtbarsten, wenn man annimmt, die Kategorie ›Figur‹ sei so organisiert, wie es die Prototypensemantik beschreibt. Der Prototyp einer Figur ist dann ohne Zweifel ein Mensch, aber zahlreiche weitere Wesen können aufgrund bestimmter ihrer Merkmale mehr oder weniger entfernt von diesem Prototypen und entsprechend leicht oder weniger leicht als Figur zu identifizieren sein. (Jannidis 2004a, 114 f.)

Die Prototypentheorie, die im Zuge der kognitiven Wende (cognitive turn) in den 1970er-Jahren entwickelt wurde, besagt, dass Konzepte bestimmter (abstrakter wie konkreter) Entitäten in der menschlichen Vorstellung grundsätzlich nicht scharf umrissen sind bzw. an einem bestimmten Punkt abrupt enden, sondern dass es vielmehr besonders typische Vertreter – eben Prototypen – einer bestimmten Klasse gibt, gegenüber denen sich die weniger typischen Vertreter am Rande des Prototyps nicht kategorisch, sondern graduell abgrenzen. Das bekannteste Beispiel stammt aus einer Untersuchung von Eleanor Rosch, die experimentell nachweisen konnte, dass ein Rotkehlchen aus kognitiver Sicht als ›mehr Vogel‹ als z. B. ein Pinguin oder ein Strauss wahrgenommen wird, also einen prototypischen Vogel konstituiert, dass jedoch Pinguin und Strauss trotzdem immer noch ›Vogel genug‹ sind, um als Vertreter jener Klasse aufgefasst und somit der entsprechenden Nomenklatur gemäß kategorisiert zu werden (Rosch 1978). In Analogie dazu besagt Jannidis’ prototypisch ausgerichtete Figurentheorie, dass ein normaler Mensch ›mehr Figur‹ als etwa ein Außerirdischer, ein Roboter oder ein sprechendes Tier ist, dass aber dennoch Außerirdische, Roboter und sprechende Tiere noch ›Figur genug‹ sind, sofern sie hinreichend über menschliche Eigenschaften wie einen (einigermaßen) anthropomorphen Körperbau oder die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verfügen. Oder, auf die antiken Verhältnisse übertragen: Gottheiten haben wegen ihrer weitgehend anthropomorphen Gestalt unzweifelhaft als Figuren zu gelten, wohingegen man mit Fug und Recht fragen darf, ob bzw. inwiefern z. B. die Monster und Mischwesen in Hesiods Theogonie oder die verwandelten Gestalten in Ovids Metamorphosen noch als Figuren gelten können, da manche von ihnen zwar durchaus menschenähnliche Züge besitzen mögen, aber gleichzeitig wohl am Rande dessen liegen, was wir kognitiv noch als menschlich wahrzunehmen bereit sind.[11] Ohne jedoch hier auf Einzelfälle näher einzutreten, lässt sich summarisch betrachtet jedenfalls festhalten, dass mit Jannidis’ Prototypenmodell keine Notwendigkeit besteht, die Frage nach der Konstruiertheit oder Realitätsnähe literarischer Figuren abschließend zu beantworten – vielmehr kann jede Figur basierend auf ihrer relativen Nähe zum ›Prototyp Mensch‹ als mehr oder weniger konstruiert oder realitätsnah angesehen werden.

Im Folgenden soll nun vorgeschlagen werden, dass das Prototypenmodell nicht nur zur Beschreibung des Konzepts ›Figur‹ an sich, sondern auch zur Beschreibung individueller transtextueller Figuren ein taugliches Analyseinstrument bieten kann, insofern als bestimmte Figuren typischerweise Eigenschaften aufweisen, deren Vorhandensein bzw. Absenz über die Identifikation bzw. Nicht-Identifikation entscheidet. Wie zuvor dargelegt, kann der Name an sich nicht im Zentrum des Prototyps stehen bzw. kann nicht (oder jedenfalls nicht immer und keinesfalls zwingend) als Alleinstellungsmerkmal gelten. Das Beispiel des Odysseus hat dies bereits gezeigt: Dessen Namensformen weisen im Griechischen zahlreiche Varianten auf, wobei die epische Variante ›Odysseus‹ als volksetymologische Anspielung zu verstehen ist, die Odysseus als ›Zürner‹ oder ›Objekt des Zorns‹ deutet (Kanavou 2015, 90–99) und die überdies die berühmte Verballhornung des Namens als ›Niemand‹ (Oûtis) ermöglicht, mit der sich der Held gegenüber dem Kyklopen Polyphem vorstellt, infolgedessen keiner der anderen Kyklopen seinem Kameraden zu Hilfe eilt, als dieser schreit, ›Niemand‹ habe ihn geblendet (Kanavou 2015, 100–104). Im Kontrast dazu begibt sich die römische Tradition mit ihrer Bevorzugung der (über das dorische ›Ulyxeus‹ vermittelten) Namensform Ulixes der Möglichkeit, diese Assoziationen und die mit ihnen verbundenen Ereignisse aufzurufen, wodurch eine zentrale Nuance der ursprünglichen Figur in ihrer transtextuellen Entwicklung verloren geht. Überblickt man die transtextuelle Karriere der Odysseusfigur in der griechischen und lateinischen Literatur (hauptsächlich im Epos und im Drama) summarisch, so zeigt sich eine klare Entwicklung von einem ursprünglich positiv behafteten Charakter hin zu einer verschlagenen, hinterlistigen, ja bösartigen Figur. In der Ilias ist Odysseus ein Krieger, dem an einer Stelle zwar eine kleine Aristie zukommt (Ilias 11.396–486), der aber sonst als Kämpfer wenig auffällt – dafür ist er jedoch bereits für seine überragende Intelligenz und seine rhetorischen Fähigkeiten bekannt: So wird er mehrfach vom primären Erzähler als »gleichwertig dem Zeus an Einsicht« bezeichnet,[12] und seinen bekanntesten iliadischen Auftritt hat er (zusammen mit Phoenix und Aias dem Großen) als Gesandter zu Achilleus mit dem Auftrag, diesen zum Wiedereintritt in den Krieg zu bewegen (Ilias 9.162–657), wobei die Rede des Odysseus (Vv. 225–306) die mit Abstand geschliffenste und ausgefeilteste von allen darstellt.[13] Mit anderen Worten zeichnet sich Odysseus bereits in der Ilias durch seine überragende Intelligenz und seine brillanten rhetorischen Fähigkeiten aus. Dieses Merkmal ist dasjenige, das ihm in der gesamten weiteren Entwicklung konstant erhalten bleibt; dahingegen ändert sich die moralische Bewertung des Helden immer mehr zum Negativen, beginnend mit der Odyssee, wo sich Odysseus seine rhetorischen Fähigkeiten mehrfach und öfters zuungunsten anderer zunutze macht – zu denken ist nebst der oben genannten List mit der Verballhornung seines Namens an die sog. ›Kretischen Lügen‹, mit denen Odysseus in der zweiten Hälfte des Epos mehrfach seine Identität verschleiert (Reece 1994; Clayton 2004, 53–82; Maronitis 2004, 147–163). Diese Entwicklung kulminiert in der attischen Tragödie, besonders in den Stücken des Euripides: So bezeichnet der Chor der Hekabe (uraufgeführt ca. 424 v. Chr.) Odysseus als »gerissenen, streitlustigen, süßsprechenden Volksverführer« (Vv. 131 f.),[14] und in den Troerinnen (uraufgeführt 415 v. Chr.) verliert Hekabe vollständig die Fassung, als sie erfährt, dass sie nach der Einnahme Trojas Odysseus als Sklavin zugelost worden ist, und beschimpft ihren neuen Herrn u. a. als einen »abscheulichen, verräterischen Mann, einen Feind der Gerechtigkeit, ein Ungeheuer, das neben dem Gesetz steht« (Vv. 283 f.). Die veränderte Beurteilung des Odysseus ist zweifellos unterschiedlichen Faktoren geschuldet – so sind in den Dramen des Euripides die politische Dimension ebenso wie Geschlechterfragen zu berücksichtigen; außerdem hat man Odysseus zu jener Zeit häufig als eine Art mythischer Präfiguration eines typischen Sophisten gelesen, der zur Erreichung seiner Ziele rhetorisch bis zum Äußersten geht (Stanford 1963, 90–117). In einem gewissen Gegensatz dazu stehen allerdings wiederum positivere Lesarten derselben Figur, die Odysseus’ Listenreichtum und Erfindergeist stärker in Bezug zu seiner Reisetätigkeit und Abenteuerlust setzen und in ihm deshalb eher einen mythischen Vorläufer der griechischen Kolonisten sehen, die zwischen dem achten und sechsten Jahrhundert v. Chr. aktiv waren (Malkin 1998, 3–5). Eine ähnlich ambivalente Lesart findet sich sodann auch in der augusteischen Literatur bei Vergil und Horaz wieder, insofern als Odysseus’ Charakterzeichnung dort öfters zwischen nachteiliger Schilderung und panegyrischer Überhöhung oszilliert (Neumair 2016). Von dieser Ambivalenz ist allerdings sodann in Dantes Göttlicher Komödie nurmehr wenig zu spüren, wo Ulisse zusammen mit Diomedes in der Hölle schmort, und zwar in demjenigen Ring (bolgia), der für betrügerische und falschzüngige Ratgeber vorgesehen ist (Inferno, Canto 26.52–63; Kablitz 2005).

Aus dieser summarischen Übersicht über die transtextuelle Entwicklung der Odysseusfigur dürfte ersichtlich geworden sein, dass Intelligenz und rhetorisches Können den eigentlichen Kern des ›Prototyps Odysseus‹ konstituieren. Diese Eigenschaften sind unabdingbar dafür, dass die Odysseusfigur als solche identifiziert und akzeptiert wird; dagegen sind Aspekte wie die konkrete moralische Beurteilung dieser Eigenschaften oder andere Eigenheiten des Odysseus wie seine Reise- und Abenteuerlust und nicht zuletzt auch die genauen Formen seines Namens stärker variabel.

Ein zweites Anschauungsbeispiel, das die Anwendbarkeit des Prototypenmodells auf die Analyse individueller Figuren aufzeigen soll, ist dasjenige des Herakles. Herakles teilt mit Odysseus eine ungebrochene Popularität von der Antike bis in die heutige Zeit, ansonsten jedoch unterscheiden sich die beiden Figuren fundamental. Herakles hat zweifellos als der bekannteste und am weitesten verbreitete, aber auch als der rätselhafteste und ambivalenteste Held der klassischen Mythologie zu gelten. Abgesehen von seiner Rolle als Haudegen und Muskelprotz, auf die ihn die heutige Populärkultur in der Regel reduziert – man denke an den Film Hercules (2014) mit Dwayne ›The Rock‹ Johnson in der Hauptrolle –, ist Herakles in der griechischen und römischen Antike auch eine burleske, konstant betrunkene und verfressene Komödienfigur, daneben jedoch – in völliger Umkehr ebendieser komischen Rolle – ein Leidender in der Tragödie, der, von Wahnsinn geschlagen, Frau und Kinder tötet und, wieder zur Besinnung gekommen, beinahe an seiner Untat zerbricht, dann allerdings das Geschehene akzeptiert; daraus wiederum entwickeln sich später der philosophische und besonders der stoische Herakles, den wir in der berühmten Hercules-Farnese-Statue (s. u.) versinnbildlicht finden; daneben ist Herakles auch panhellenischer Nationalheld, Gründer von Städten und Kulten und sogar (in späteren Zeiten) ein Symbol für Jesus Christus (Galinsky 1972, 1–125; Feeney 1991, 95; Burkert 2011, 319–324; Stafford 2012, 79–170; Bär 2021; Hsu 2021). Hinzu kommt schließlich auch noch Herakles’ Doppelrolle als Mensch bzw. Halbgott einerseits und als Gott andererseits (entweder post mortem deifiziert oder – gemäß einzelner lokaler Traditionen wie etwa auf der Insel Thasos zu finden – auch kanonischer Bestandteil des Pantheons: Stafford 2005; Stafford 2010; Stafford 2012, 171–197; Larson 2021).

Trotz oder gerade wegen dieser enormen Polyvalenz bietet sich m. E. der Versuch an, die Heraklesfigur sowohl in ihrer synchronen Paradoxikalität als auch und v. a. in ihrer diachronen Entwicklung als prototypisch organisiert zu betrachten. Allerdings ist zu diesem Zweck auch ein Blick auf die Ikonographie vonnöten. Ikonographische Darstellungen jeglicher Art zeigen Herakles in überwältigender Mehrheit mit seinen beiden typischen Attributen, dem Löwenfell und/oder der Keule, wie die nachstehenden drei Abbildungen verdeutlichen mögen:

Abb. 1: Hercules Farnese. Römische Kopie eines griechischen Originals. Museo archeologico nazionale di Napoli (Italien). Foto: Wikipedia Commons.
Abb. 1:

Hercules Farnese. Römische Kopie eines griechischen Originals. Museo archeologico nazionale di Napoli (Italien). Foto: Wikipedia Commons.

Abb. 2: Komischer Herakles. Römische Kopie eines griechischen Originals. Museo nazionale romano, Palazzo Massimo (Rom, Italien). Foto: Silvio Bär, 2019.
Abb. 2:

Komischer Herakles. Römische Kopie eines griechischen Originals. Museo nazionale romano, Palazzo Massimo (Rom, Italien). Foto: Silvio Bär, 2019.

Abb. 3: Mosaik der Zwölf Arbeiten des Herakles. Die Ausmistung des Augiasstalles. Liria, Valencia (Spanien). Foto: Wikipedia Commons.
Abb. 3:

Mosaik der Zwölf Arbeiten des Herakles. Die Ausmistung des Augiasstalles. Liria, Valencia (Spanien). Foto: Wikipedia Commons.

Die weltberühmte Hercules-Farnese-Statue, deren Original wohl dem Bildhauer Lysipp zuzuschreiben ist, zeigt Herakles nach Vollendung seiner Heldentaten ruhend, die linke Achsel auf seiner Keule aufgestützt, mit nachdenklichem Blick und somit den Typus des heroischen Herakles mit demjenigen des stoischen Denkers verknüpfend (Krull 1985; Cain 2002; Schneider 2005). Demgegenüber ist der wenig muskulöse, sondern vielmehr wohlgenährte komische Herakles von einem gänzlich anderen Schlag, doch lässt sich auch hier die Figurenzuordnung über das Attribut des Löwenfells eindeutig vornehmen. Die dritte Darstellung entstammt einem künstlerisch wenig raffinierten, aber kultursoziologisch aufschlussreichen Mosaik, das sämtliche Arbeiten des Herakles zeigt (Lippold 1922; Balil 1978; Peñalver Carrascosa 2018); hier zu sehen ist die Ausmistung des Augiasstalles, bei welcher der Held sein Löwenfell trägt und seine Keule am Boden deponiert hat – ein Detail, das man humoristisch deuten mag, da die Keule bei dieser Arbeit keinerlei praktischen Nutzen mit sich bringt,[15] das aber auch schlichtweg den ikonographischen Stereotyp qua Stereotyp widerspiegelt. Die drei unterschiedlichen Beispiele verdeutlichen somit, dass in ikonographischen Darstellungen die Attribute Löwenfell und/oder Keule den Kern des ›Prototyps Herakles‹ ausmachen. Diese Attribute versinnbildlichen die Körperkraft und die gewalttätige Natur der Figur. Diese prototypische Eigenschaft gilt nicht nur für den volkstümlich geprägten Typus des ›Starken Hans‹,[16] für den ›Aufräumer‹ und Zivilisator und für den im Wahn mordenden tragischen Helden, sondern – bei näherer Betrachtung – etwa auch für den komischen Herakles, dessen gewalttätige Natur in der Komödie zum Objekt des Gelächters travestiert wird (Hsu 2021, 131–172) und dessen Verfressenheit sich religionssoziologisch als Sublimation ritueller Praktiken deuten lässt, die gemeinschaftliche Fleischmahlzeiten zu Ehren des Helden widerspiegeln (Burkert 1979, 96; Larson 2021, 448 f.). Selbst in der interpretatio Christiana, die in Herakles eine Präfiguration der Christusfigur sieht, wird allegorisierend auf die Stärke des Helden rekurriert; so schreibt Justin der Märtyrer in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon (entstanden zwischen 155 und 167 n. Chr.):

Und da man von Herakles behauptet, er sei kräftig, habe die ganze Erde bereist, sei von Alkmene dem Zeus geboren und sei nach seinem Tode zum Himmel aufgefahren, soll ich da nicht wiederum an eine Nachahmung dessen erinnert werden, was die Schrift von Christus gesagt hat mit den Worten: »Kräftig wie ein Riese zu laufen seine Bahn«? (Dialogus cum Tryphone 69.3; Zitat im Zitat: Psalm 18.6)[17]

Obschon die Abstammung von einem göttlichen Vater und einer menschlichen Mutter sowie besonders die Apotheose nach dem Tode die offensichtlichsten Berührungspunkte zwischen Herakles und Jesus Christus sind, legt Justin hier über das Zitat aus dem Buch der Psalmen den Fokus auf die Körperkraft des Herakles und ruft somit auch in seiner allegorischen Deutung den Kern des ›Prototyps Herakles‹ auf.

Anders als bei Odysseus, dessen prototypischer Kern in einer geistigen Eigenschaft (Intelligenz) und einer daraus resultierenden Fertigkeit (rhetorisches Geschick) besteht, liegt der prototypische Kern des Herakles also ganz offensichtlich in seiner körperlichen Beschaffenheit (Stärke) und einer damit in Verbindung stehenden, emotional geprägten Eigenschaft (Gewaltneigung). Genauso wie ein ›dummer‹ oder ›maulfauler‹ Odysseus nicht mehr als Odysseus durchgehen würde, wäre ein ›schwächlicher‹ oder ›friedliebender‹ Herakles nicht mehr als solcher zu erkennen.[18] Gleichzeitig jedoch lässt der stark ausgeprägte transgenerische Charakter der Heraklesfigur zahlreiche Variationen an den Rändern des Prototyps zu, der den Helden bald einen tragisch Leidenden, bald einen komischen Trunkenbold, hier einen zeusentstammten Halbgott, dort eine vollwertige Gottheit sein lässt.

5 Schluss; Ausblick

Eine scharf umrissene Definition des Transtextualitätsbegriffs hat sich für die antike Literatur als schwierig erwiesen, weil zum einen eine strenge Unterscheidung zwischen transtextuellen und transfiktionalen Figuren aufgrund kontinuierlich ineinander übergreifender fiktionaler ›Teilwelten‹ beinahe unmöglich scheint und weil zum anderen die transtextuelle (bzw. transmediale und/oder transgenerische) Natur zahlreicher (v. a. mythischer) Figuren recht eigentlich einen Normalzustand darstellt; ferner auch, weil die eindeutige Zuordnung eines bestimmten Namens zu einer bestimmten Figur oft nicht gegeben ist, wodurch konstante onomastische Verwirrung gestiftet wird. Demgegenüber scheint ein auf die Beschreibung individueller Figuren ausgerichtetes Prototypenmodell ein taugliches Werkzeug darzustellen, das es erlaubt, transtextuelle Figuren der antiken Literatur in ihrer diachronen Entwicklung sowohl gattungsintern wie auch gattungsübergreifend schärfer zu erfassen. Die Eignung des Modells ist anhand der beiden mythischen Figuren Odysseus und Herakles exemplarisch dargelegt worden: Beiden Figuren ist einerseits ein als prototypisch zu fassender Kern zu eigen, andererseits zeigen Vielfalt und Wandelbarkeit der beiden Figuren gleichzeitig auch, wie stark sich deren Eigenschaften am Rande des Prototyps verändern können und dennoch weiterhin eine Identifikation mit derselben Figur zulassen, sofern der Kern des Prototyps nicht tangiert wird. Weiterführende Forschung wird notwendig sein, die Frage nach der Tauglichkeit des Modells eingehender zu prüfen. Zusätzlich zu einer systematischeren Untersuchung weiterer antiker Figuren – zu denken wäre etwa an die Gottheiten oder an eine Figur wie Helena, die (ähnlich wie Herakles) zwischen menschlicher und göttlicher Perzeption oszilliert und außerdem einen tiefgreifenden diachronen Wandel durchmacht – wäre auch zu überlegen, ob bzw. inwiefern das Prototypenmodell auch Grenzen birgt, auch und gerade mit Blick auf Figuren mit einer langen und komplexen diachronen Entwicklung wie Herakles oder Odysseus. Würde etwa ein (hypothetisch zu denkender) Herakles, der schwächlich und kleinmütig geworden ist, nicht mehr als Herakles, also nicht mehr als dieselbe transtextuelle Figur, sondern als eine komplette Neuschöpfung aufgefasst? Oder müsste man unter diesen Umständen zwischen Formen starker und schwacher Transtextualität unterscheiden? Ferner wäre auch zu prüfen, ob ein kognitiv ausgerichtetes Modell auch als Analyseinstrument für Figuren aus zeitgenössischen Medien und Populärkultur taugen könnte – also für Figuren, die (anders als mythische ›Klassiker‹ wie Herakles oder Odysseus) keine jahrhundertealte Rezeptionsgeschichte hinter sich haben und dementsprechend aus diachroner Perspektive weniger etabliert sind, aber u. U. dennoch (z. B. via crossovers oder fan fiction) schon weite transtextuelle Strecken gereist sind. In diesem Kontext wäre schließlich auch die Möglichkeit experimenteller Untersuchungen anzuregen: Wieviel und wie geartete Variation und ›Devianz‹ wird bei einer bestimmten fiktionalen Figur toleriert, und welche Eigenschaften schälen sich als prototypisch für Charaktere wie z. B. James Bond, Harry Potter oder Percy Jackson heraus – und lassen die potentiellen Ergebnisse solcher Studien ihrerseits wiederum Rückschlüsse auf die transtextuelle Natur antiker Figuren zu? Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein.

Danksagung

Ich danke den beiden Herausgeberinnen dieser Sondernummer des Journal of Literary Theory, Frau Prof. Eva von Contzen und Frau Prof. Katharina Philipowski, sowie den anonymen Gutachterinnen bzw. Gutachern dieser Zeitschrift für zahlreiche wertvolle Hinweise und Anregungen zur Verbesserung früherer Versionen dieses Beitrags.

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Published Online: 2025-09-10
Published in Print: 2025-09-05

© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 9.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/jlt-2025-2011/html?lang=en
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