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Mediale Inszenierung geteilter Autor*innenschaften: Pauline Viardot-Garcìas Rollenporträts als Orphée (Paris, Disdéri, 1859)

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Published/Copyright: April 30, 2022
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Abstract

The methodology and subject matter of this essay venture into the disciplinary borderlands of musicology. Taking Disdéri’s carte-de-visite portraits of the singer Pauline Viardot-Garcìa as a starting point, it attempts to broaden the notion of of the author for a historical period that quintessentially stood for the establishment of the concept of genius and thus for a definition and limitation of authorship as individual and singular. The article combines an interdisciplinary approach by considering image and media theory, theories of art and its practices, alongside historical musicological methods. Its theoretical perspective is situated at the intersection of performativity and media theory via the concepts of the ›messenger figure‹ (Botenfigur) and the ›reading of traces‹ (Spurenlesen) both according to Krämer, thus opening up a historical resonance space for contemporary music practices. As a consequence, the re-perspectivization goes beyond the basic understanding that multiple authorships are at work in every form of sounding music. Instead, it fixes diverse facets of the term authorship on a concrete example and reframes them methodologically. Thus, as a basis for a systematic generalization in music research, a model is proposed that makes medial transitions in performatively negotiated authorships describable, categorizable, and at the same time historicizable. With these interdisciplinary concerns in mind, Viardot-Garcìa’s photographic portraits in her role as Orphée in Gluck’s opera of the same name from 1859 appear to have been instrumentalized in a multilayered representational way: as images standing for a performance, as a photographic image reminiscent of a painting, as a depiction of classical Greek costume that takes on meaning for the present, as the visual standing in for the acoustic, as a depiction of a female singer embodying a man, and finally also of a title role standing in for an opera as a whole. How exactly these relations of representation are to be grasped – both in the French Gluck opera revival and in the photographic images discussed – has not yet been explored in depth. To attempt to entangle all these meanings is not motivated by trying to identify the ›actual‹ portions of the musical adaptations made by different persons to Gluck’s opera in the course of its 1859 revivals. Rather, this new perspective on the carte-de-visite photographs is intended to outline Viardot-Garcìa’s figure with the help of the numerous functions the singer assumed in the production. The essay thus looks at a blind spot that is still dominant in music research, namely the question of the methodological framing of performative authorship in historical perspective. It questions the critical concepts of ›messenger figure‹ and of the ›reading of traces‹ not only for their suitability to grasp the basic questions of the example dealt with in the text, but also for their potential for generalization.

Der vorliegende Text, aus der Feder einer Musikwissenschaftlerin, ist von zwei Charakteristika der Disziplin geprägt, die spezifische Eigenheiten der Debatte zu Autor*innenschaften gerierten. Zum einen ist dies die späte Geburtsstunde von Musikwissenschaft als akademischer Disziplin (vgl. Gerhard 2000): Ästhetik und Methodik der Gründungszeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts haben nicht nur auf das sogenannte klassische Musikleben, sondern auch auf das musikwissenschaftliche Forschen bis heute Auswirkungen, nicht zuletzt im Hinblick auf Geschlechterrollen. Zum anderen ist Musikwissenschaft eine kleine Disziplin mit einem umfangreichen Fachgebiet, deren fachimmanente Theoriebildung bzw. deren Theoriedebatten zu einem Großteil von Nachbardisziplinen beeinflusst waren bzw. sind und deren aktuelle Kartierung angesichts einer rasanten, nicht zuletzt durch Digitalisierungen initiierten disziplinären Fortentwicklung nur ansatzweise angegangen wurde (vgl. Bolz et al. 2016).

Dass Neuerungen an den Rändern der Disziplin und ihrer Subdisziplinen stattfinden, gehört mittlerweile zu den Binsenweisheiten des musikwissenschaftlichen Fachdiskurses. Wirklich angegangen können disziplinäre Neuerungen – so auch in musikwissenschaftlichen Autor*innenschaftsdebatten –, wenn sich die Wissenschaftspraxen des Faches, inhaltlich und strukturell, nicht mehr an Grenzziehungen nach innen und außen orientieren – ein Weg, bei dem wir erst am Anfang stehen.[1]

Das bedeutet für den Gegenstand des vorliegenden Beitrags erstens, dass methodische Gedanken zu pluralen Autor*innenschaften auf einem anderen Begriffsfundament als in vielen Nachbardisziplinen stehen: Die Bezeichnungen, die hier differenziert werden sollen, werden in der musikwissenschaftlichen Literatur zum Thema eher umgangssprachlich verwendet. Unterscheidungen zwischen Autor*innen- und Verfasser*innenschaft, wie in der Literaturwissenschaft (vgl. Hoffmann (2017)), greifen angesichts einer performativen Kunst zu kurz[2] und auch die Diversifizierung von Kooperation, Kollaboration und Ko-Autor*innenschaft wurden bisher nicht systematisiert (vgl. z. B. die auf Einzelautor*innenschaften bzw. spezifische Epochen fokussierten Diskussionen bei Calella 2015; Danuser 2017; Meyer 2001), möglicherweise auch, weil sie nicht in Analogie zu den Nachbardisziplinen kategorisierbar sind. Zweitens ist ein anderes Theoriefundament und disziplinäres Selbstverständnis als in Nachbardisziplinen relevant. Das Spektrum der angewandten Methoden, mit denen Autor*innenschaftsfragen in der Musik nachgegangen wird, ist, entsprechend dem breiten Spektrum von Musik und ihren vielfältigen wie spezifischen Entstehungs- und Rezeptionsprozessen, sehr weit: Fußend auf den übermächtigen Debatten der Literaturtheorie (vgl. Hinrichsen 2017; Nieberle 2013) stehen philologische Methoden, besonders Studien zu Skizzen, neben Rezeptionsforschungen, die Autor*innen im Ohr der Hörenden entstehen lassen, neben Fragen zu Performanz und Performativität und neben historischen Ansätzen, die sehr oft einen Komponierenden als Normalfall ansehen – den Genius des 19. Jahrhunderts. Andere Formen von Autor*innenschaft, die sich vor allem in Forschung zu Musikformen des 20. und 21. Jahrhunderts anbieten, werden oft vor der normativen Folie der singulären Autor*innenschaft des 19. Jahrhunderts als Abweichungen, modifizierte Derivate oder hierarchisch untergeordnete Phänomene betrachtet.

Besonders virulent wurde die Frage nach Autor*innenschaften in der Musik darum im Bereich der Gender Studies (vgl. Knaus 2013) und der Popularmusik (vgl. Moy 2015; Navas 2015). Soziologische Ansätze nehmen in jüngerer Forschung gemeinschaftsbildende musikalische Prozesse auch jenseits von individueller Autor*innenschaft im Sinne von Komposition in den Blick (vgl. Celestini 2013; Clarke 2017; Kenny 2016) oder widmen sich Rezeptionsphänomenen von Musik, die Rückschlüsse auf das Wahrnehmen von Autor*innenschaften, auch in historischer Dimension, erlauben (vgl. Hiekel 2014; Tunbridge 2015). Im Hinblick auf Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, besonders im Rahmen der künstlerischen Forschung zu zeitgenössischen Kompositionen, wurden Überlegungen zentral, die das Verhältnis von Interpret*in und Komponierenden untersuchen (vgl. z. B. Boyle (2020)). Diesen Ansatz systematisierend ins Historische hinein zu öffnen, ist ein Desiderat, wie nicht zuletzt Untersuchungen zeigen, die sich dem Verhältnis von Sängerin und Komponist mit direktem Bezug zu Pauline Viardot-Garcìa widmen, wie Cofers Band Pauline Viardot-Garcia: The Influence of the Performer on Nineteenth-Century Opera (1988).

Methodik und Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes wagen sich gezwungenermaßen in Grenzland: Er nimmt in einer Zeit, die für eine Etablierung des Geniebegriffes und somit für eine Begrenzung von Autor*innenschaft auf ein Individuum einsteht, die Möglichkeiten einer intendierten pluralen Konzeption von Autor*innenschaften in den Blick. Aus der historischen Distanz zum Paris der Mitte des 19. Jahrhunderts vermitteln heute direkt oder indirekt auf die Produktionsarbeiten an der Oper Bezug nehmende Quellen verschiedener Medienformate die Eigenheiten des Schaffens- und Rezeptionsprozess unumgänglich nur stark lückenhaft. Diese Lücken ein Stück weit zu schließen und den Konzeptionen von Autor*innenschaften ansatzweise nahezukommen, bedeutet bild- und damit medientheoretische Überlegungen mit technischem ›Fortschritt‹ und damaligen Auffassungen von ›Werk‹ und Autor*innenschaft in Kunsttheorie und Kunstausübung überdisziplinär zusammen zu denken. Die hier vorgenommene Neubewertung der Rollenporträts von Pauline Viardot-Garcìa als Orphée, aufgenommen von André Adolphe-Eugène Disdéri (1859), bezieht bisher getrennt gehaltene Fachdiskurse aus dem direkten Umfeld Viardot-Garcìas, aus der Bildenden Kunst und der Musik, wechselseitig aufeinander. In dieser Kontextualisierung öffnet der Text einen zeitgenössischen Möglichkeitsraum von Rezeptionsformen der Aufführungen über deren Memoriaverlängerung in der Fotografie hinaus. Er siedelt sich somit am Schnittpunkt zwischen Performativitäts- und Medientheorie an – zwei Bereiche, die Sybille Krämer in der Denkfigur der Selbstreferentialität des performativen Aktes wie der Aussagekraft des Mediums an sich bereits als überlappend geschildert hat (vgl. 2004). Jenseits von konkreter heutiger Aufführung öffnet der Text somit einen historischen Resonanzraum für vergangene Musikpraxen in der Gegenwart, der es ermöglicht, Autor*innenschaftsfacetten im Musiktheater zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich nachzuspüren.

Das Beispiel der Rollenporträts Pauline Viardot-Garcìas als Orphée profiliert sich in dieser Vorgehensweise einerseits als Sonderfall: Die Produktion von 1859 zeichnet sich durch eine gesuchte Verschmelzung von Autor*innenschaften aus, die es nicht mehr in allen Fällen möglich macht, einzelne Autor*innenschafts-Anteile an der musikalischen Klanglichkeit, die auf die Bühne kam, zwischen Christoph Willibald Gluck, Hector Berlioz und Pauline Viardot-Garcìa eindeutig abzugrenzen.[3] Die Tatsache, dass, zumindest implizit, Autor*innenschaften in den Aufführungen verhandelt wurden, zeigen nicht nur die nach der Aufführung vorgenommenen Publikationen der Überarbeitungsfassung, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Zerwürfnis zwischen Berlioz und Viardot-Garcìa, das sich nach der triumphal erfolgreichen Aufführungsserie einstellte (vgl. Esse 2021, 147–151). Die vom Intendanten des Théâtre Lyrique, Carvalho, initiierte Gluck-Aufführung war von Anfang an eine intendierte und auf die Aufführungsserie ausgerichtete Kollaboration von Berlioz und Viardot, der, wie umrissen, auch eine bestimmte Dynamik innewohnte. Zur Sichtbarkeit der Autor*innenschaft Viardots trugen die medialen Neuerungen der Fotografie entscheidend bei, zumal sie ihren Interpretationsstil, der schauspielerische Elemente integrierte, deutlich charakterisierte. In dieser Zwischenstellung zwischen gesuchter Verschmelzung von Autor*innenschaft im engen gemeinsamen Schaffensprozess von Viardot-Garcìa und Berlioz (vgl. Fauquet 1992; Waddington (1973)) und Möglichkeiten der Beanspruchung verschiedener Autor*innenrollen über unterschiedliche mediale Formate, liegt das Verallgemeinerungspotentials dieses ›Falles‹ von gemeinschaftlicher Autor*innenschaft. Ausgeschöpft werden kann es vor allem im Hinblick auf ein kontextualisierendes Verhandeln von Gender- und Geschlechtskörpern im Aufführungsprozess und seiner Dokumentation.

Krämers Definition des ›Boten‹ (vgl. 2008) bietet hier den methodischen Bezugspunkt, um die offensichtliche Liminalität der Orpheus-Figur in der Besetzung Viardot-Garcìas mit dem kunsttheoretischen Diskurs der Zeit und seinem spezifischen Konzept von Oberfläche und Substanz, Diesseitigkeit und Jenseitigkeit und Amalgamierung von bipolaren Gegensatzpaaren zu fassen. Dieser philosophische Rückhalt perspektiviert die bisher im deutschsprachigen Raum dominante kulturwissenschaftliche Sicht auf musikalische Genderrollen des 19. Jahrhunderts über Konzepte des kulturellen Handelns und damit verknüpfte Vermittlungs- oder Translationskonzepte hinaus. Zudem überholt er die grundlegende Erkenntnis, dass in jeder Form von erklingender Musik multiple Autor*innenschaften am Werk waren und sind (vgl. Bork 2017), indem er Perspektiven auf den schöpferischen Akt aus dem Bereich der künstlerischen Forschung ins Historische weiterdenkt, und somit Grundlagen von avancierten Begriffsbildungen für Autor*innenschaftsfacetten und deren Generalisierung liefert. Autor*innenschaft wird dabei grundlegend nicht nur als Urheber*innen- bzw. Verfasser*innenrolle in literaturwissenschaftlichem Sinne, sondern, vor dem Hintergrund eines performativen Geschlechterrollenverständnisses, als iterativ über theatrale Prozesse vorgenommene künstlerische und soziale Selbstpositionierung bzw. Identitätsfindung gesehen.[4]

1 Zu den Rollenporträts von Pauline Viardot-Garcìa als Orphée

Disdéri fertigte die Aufnahmen von Pauline Viardot-Garcìa in der Rolle des Orphée 1859 in seinem Pariser Atelier an (Abb. 1–3).[5] Sie zeigen die zu diesem Zeitpunkt bereits weltberühmte Sängerin in ihrer Rolle als Orphée in den Pariser Wiederaufführungen von Christoph Willibald Glucks Oper Orphée et Euridice. Die Oper war fast 100 Jahre zuvor, 1761, entstanden und hatte 13 Jahre nach ihrer Wiener Uraufführung einen triumphalen Erfolg in einer vom Komponisten überarbeiteten Fassung in Paris gefeiert. Viardot-Garcìa verkörperte die männliche Titelrolle in einer Überarbeitung von Hector Berlioz, der international bereits großes Ansehen als Komponist besaß, an seinem langjährigen Wohnsitz Paris aber immer noch und gerade im Bereich der Oper um Anerkennung kämpfte. Die Aufführung, auch als Wiederauferstehung der Gluck-Oper gefeiert,[6] war medial groß angekündigt und wurde zu einem triumphalen Erfolg, in dessen Mittelpunkt die Interpretin des Orpheus, Pauline Viardot-Garcìa, stand. Auf diese Ausrichtung der Wiederaufführungen auf die Interpretin des Oprheus verweist auch der verkürzte Titel, Orphée. In den Porträts ist Viardot-Garcìa im Kostüm der Aufführungen zu sehen, das Eugène Delacroix entworfen hatte und dessen Farbgestaltung in einem Brief Viardot-Garcìas an Julius Rietz überliefert ist:

Abb. 1: André Adolphe-Eugène Disdéri, Pauline Viardot-Garcìa in der Rolle des Orphée, Carte de Visite, 6 × 10 cm, 1859, © Bibliothèque nationale de France.
Abb. 1:

André Adolphe-Eugène Disdéri, Pauline Viardot-Garcìa in der Rolle des Orphée, Carte de Visite, 6 × 10 cm, 1859, © Bibliothèque nationale de France.

Abb. 2: André Adolphe-Eugène Disdéri, Pauline Viardot-Garcìa in der Rolle des Orphée, Carte de Visite, 6 × 10 cm, 1859, © OperaMania.
Abb. 2:

André Adolphe-Eugène Disdéri, Pauline Viardot-Garcìa in der Rolle des Orphée, Carte de Visite, 6 × 10 cm, 1859, © OperaMania.

Abb. 3: André Adolphe-Eugène Disdéri, Pauline Viardot-Garcìa in der Rolle des Orphée, Carte de Visite, 6 × 10 cm, 1859, © Paul Frecker.
Abb. 3:

André Adolphe-Eugène Disdéri, Pauline Viardot-Garcìa in der Rolle des Orphée, Carte de Visite, 6 × 10 cm, 1859, © Paul Frecker.

Mein Kostüm wurde sehr schön gefunden – weiße Tunika bis zu den Knien. Weißer Mantel, an den Schultern zurückgehalten wie bei Apoll. Langes lockiges Haar mit Lorbeerkranz. Eine goldene Kette, um das Schwert zu halten, dessen Scheide rot ist. Eine rote Kordel als Gürtel – rot geschnürte weiße Schaftstiefel. (Borchard/Wigbers 2021, 535)

Die Fotoserie der Rollenporträts von Viardot-Garcìa in verschiedenen Stellungen ist im Format der Carte de Visite-Fotografie entstanden. Eine Erfindung von Disdéri in der fulminante Popularität auslösenden Frühzeit des Mediums, hatte sich dieses Format, ungefähr 6 × 10 cm, aus einer Rationalisierung des Herstellungsprozesses ergeben (vgl. Figes 2019, 186–188; McCauley 1985). Mithilfe einer speziellen Apparatur mit multiplen Linsen ließen sich 8 (später sogar 12) Aufnahmen auf eine Negativ-Glasplatte bringen und somit die Kosten der aufwendigen Herstellung niedrig halten. Aufgrund der standardisierten Größe der Einzelbilder, die wiederum auf das gängige Format der Visitenkarten geklebt wurden, konnten sie leicht und weit zirkulieren und auch bspw. im Portemonnaie mitgenommen werden oder in größennormierten Sammelalben Einzug halten. Der wirtschaftliche Schub der 1850er Jahre hatte in Frankreich zu einem Boom der Fotoindustrie geführt und bescherte auch Disdéri, befeuert von seiner Erfindung und Patentierung der Carte de Visite-Fotografien, auf denen sich Familienporträts, ebenso wie berühmte Schauspieler oder Größen der Halbwelt finden konnten (vgl. McCauley 1985, 85–112), erheblichen kommerziellen Erfolg. Der Erfolg der Carte de Visite bedeutete auch verschieden zusammengestellte Alben wichtiger Persönlichkeiten. Dass es Pauline Viardot-Garcìas Orphée-Porträt in eine der von Disdéri angelegten seriellen Publikation, in die Galerie des contemporains, schaffte (vgl. Figes 2019, 187), trug vermutlich entscheidend dazu bei, dass die Sängerin auch über die Dauer der triumphal erfolgreichen Aufführungsserie hinaus als Interpretin der Rolle nachhaltig gefeiert werden konnte.

Da in der nur zwei Jahre nach Orphée vorgenommen Wiederbelebung der Gluckoper Alceste Aufnahmen im Studio von Disdéri mit Rollenporträts sämtlicher Beteiligter offenbar als bewusste und ausgeweitete Marketingmaßnahme für die gesamte Produktion eingesetzt wurden (vgl. McCauley 1985, 94; Everist 2021, 126–149), scheinen die Orphée-Porträts den von ihren Macher*innen intendierten Zweck sehr gut erfüllt zu haben. Direkte Rezeptionsdokumente zu den Orphée-Aufnahmen von Viardot-Garcìa aus ihrer Zeit sind jedoch meines Wissens keine bekannt. Somit lässt sich auch nicht in letzter Konsequenz belegen, inwiefern die Aufnahmen von einem Publikum rezipiert worden sind, das nicht zu den Opernbesucher*innen zählte (wie es George Sand für die Karriere Viardots vorschwebte). Es ist jedoch davon auszugehen, dass der überwältigende Erfolg der Aufführungen, der stark auf Pauline Viardot-Garcìas Darstellung der Titelrolle bezogen wurde (vgl. Everist 2021, 129), gerade mithilfe der Carte de Visite-Bildnisse über reine Kennerkreise hinaus ausstrahlte.[7] Auf die Vernetztheit der Pariser Gluck-Rezeption ins Konzertleben der französischen Hauptstadt hinein, hat Everist (vgl. 2021, Kapitel 1 und 2) bereits ausführlich verwiesen.

1.1 Fotografie und Darstellung der Künste

Orlando Figes hat beschrieben, dass sich spezifisch anhand der fotografischen Orphée-Aufnahmen ein neues Verhältnis von Natur und Kunst bzw. eine sich neu stellende Frage nach dem Repräsentationscharakter von Kunst ausmachen lässt (vgl. 2019, 186–193). Die Begeisterung um das neue Medium der Fotografie eröffnete in verschiedenen Sparten neue Märkte, darunter auch auf dem Sektor der Bildenden Kunst.[8] Es waren besonders fotografische Reproduktionen von Gemälden und Skulpturen, die den Markt überfluteten und damit im Sinne einer technischen Reproduzierbarkeit die direkte, nicht technisch vermittelte Begegnung mit dem Gemälde, der Skulptur oder ihren Ausstellungsräumen ›ersetzten‹ (vgl. Figes 2019). Diskussionen darüber, ob die Reproduktion von Kunst ›im Sinne‹ des Dargestellten retuschiert werden sollte, um spezifische Bedeutungs- und Wirkungsfacetten der abgebildeten Kunstobjekte besonders herauszuarbeiten, die in einem bloß mimetischen Abbildungsprozess nicht eingefangen werden konnten, waren lebhaft. Sie führten unter anderem auch zu einer neuen Diskussion der Bedeutung der konkreten Anschauung von Natur, jenseits eines medial vermittelnden Erfassens, für Künstler*innen. Letztendlich verhandelte man an der Frage des neuen Mediums die uralte Debatte um die mimetischen Qualitäten der Bildenden Künste neu. Die Frage nach dem schöpferischen Akt und seinen geistigen, materiellen und zeitlichen Dimensionen sowie damit verknüpft die Frage nach Autor*innenschaft sind davon unmittelbar betroffen, denn die technischen Neuerungen wirkten sich auf künstlerische Schaffensprozesse aus: So wurde damit experimentiert, einer Daguerreotypie gleich, Momentaufnahmen in kürzester Zeit nach der Natur mit Farbe und Pinsel auf der Leinwand festzuhalten. Die aus diesen Malweisen resultierenden Techniken gelten mit als eine Wurzel des Pointillismus (vgl. Figes 2019, 191–193).

Ausgangspunkt meiner Überlegungen war somit ein grundlegender Paradigmenwechsel in der künstlerischen Autor*innenschaft der Zeit, der sich mit einem Kippen des Pariser Konzertlebens seit etwa 1830 in die zunehmende Bedeutung historischer Repertoires auch in der Musik nachvollziehen lässt (vgl. Everist 2021). Die Entwicklung neuer technischer Möglichkeiten in Inszenierung und Dokumentation von Kunst verschiedener Sparten spielte dabei eine grundlegende Rolle und spiegelte sich nicht zuletzt auch in der Gründung der ersten Verwertungsgesellschaften in dieser Zeit (vgl. Sprang 1993). Ebenfalls vielschichtig gestaltet sind die die Fotografien umgebenden Zeitschichten: Die Aufnahmen tragen ihre eigene mediale Vergangenheit und Zukunft wirkungsmächtig in sich, indem sie einerseits auf die vergangenen Aufführungen verweisen und, wie später im vorliegenden Text beschrieben, die spezifische Interpretationsart Pauline Viardots, in einer Art Verlaufsprozess, der zwischen den einzelnen Aufnahmen vorstellbar ist, als Bewegtbild vermitteln.

Vor diesem Hintergrund entpuppen sich die 1859 entstandenen Rollenporträts Viardot-Garcìas als vielschichtig repräsentativ instrumentalisiert: als Bild, das für eine Aufführung steht, als Fotografie, die an ein Gemälde gemahnt, als Abbildung eines klassisch griechischen Kostüms, das für die Gegenwart Bedeutung erhält, als Visuelles, das für Akustisches einsteht, als Darstellung einer Sängerin, die einen Mann verkörpert und schließlich auch einer Rolle, die für eine Oper einsteht. Wie genau diese Repräsentationsverhältnisse zu fassen sind – sowohl in den Wiederaufführungen der Gluck-Oper als auch in den besprochenen Fotografien –, wurde bisher nicht eingehend untersucht – auch wenn Everist das Akteur*innen-Netzwerk rund um die Gluck-Renaissance in Paris um die Jahrhundertmitte tiefgehend rekonstruiert und bewertet hat (vgl. 2021). Dies nun in Angriff zu nehmen, ist nicht dadurch motiviert, die tatsächlichen Anteile an den musikalischen Adaptionen, die an Glucks Oper im Zuge der Wiederaufführungen von 1859 vorgenommen wurden, zu fassen (wie dies beispielsweise Cofer 1988 und Müller-Höcker 2016 angeben). Es geht auch nicht darum, die bereits reichhaltige bestehende Literatur konkret zu diesen Aufnahmen zu überschreiben (vgl. Borchard 2011; 2017; Esse 2021; Everist 2021; Fauquet 1992; Figes 2019; Gumplowicz 2001; Rutherford 2006; Willson 2010). Die hier vorgeschlagene neue Perspektive auf die Aufnahmen soll vielmehr die Figur Viardot-Garcìas in ihrem Fluchtpunkt mithilfe der zahlreichen Funktionen, die die Sängerin in der Produktion übernahm, neu konturieren. Dies, indem die Aufnahmen ins Verhältnis zu den an der Uraufführung beteiligten Künsten gesetzt werden, zu den offiziellen Autor*innenschaften an der Oper und auch zum Bild der Sängerin des Orphée, das sich durch zahlreiche ikonische Bezüge immer neu in Beziehung setzt – zu sich selbst, zu den technischen Neuerungen der Bildreproduktion der Zeit und zum zeitgenössischen Kanon der Kunstwerke, den die bildtechnischen Neuerungen mitdefinierten. Mit diesem bildtheoretischen Blick auf die dialektischen Eigenschaften der Aufnahmen wird ihre Zwischenstellung zwischen Statik und Bewegung, zwischen der bewegten Aufführung, die sie repräsentieren und der bewegten Zukunft des eigenen Mediums, dem Film, ebenso wie diejenige zwischen den Geschlechtern neu gefasst und auf ihre klanglichen Dimensionen hin befragt. Letztendlich unternimmt der Aufsatz demnach den Versuch, bildtheoretisch auf Opernaufführungen und ihre szenisch-klanglichen Autor*innenschaften zu rekurrieren.

1.2 Die ›fehlende‹ Stimme

Bildliche Repräsentationen musikalischer Aufführungen bleiben selbstverständlich defizitär, da sie die klangliche Dimension nicht direkt abbilden können. In einem ersten Schritt soll darum dem Gesang Pauline Viardot-Garcìas aufgrund zweier eng verwandter Quellen nachgespürt werden.

1.2.1 »J’ai perdu«: Zerstückelung der Teleologie

Orphée singt seine bekannteste Arie, nachdem er mithilfe seines Gesanges zwar den Weg in die Unterwelt gefunden hat, um seine geliebte Euridice aus den Fängen des Todes zu befreien – sie aber wieder verloren hat, weil er auf dem Weg auf die Erde der Versuchung, sich nach ihr umzudrehen, nicht widerstehen konnte. »J’ai perdu mon Euridice« ist vor und zwischen den drei Strophen, die das musikalische Material nur leicht variieren, von Rezitativen durchbrochen.[9] Wie sie in ihrer Gesangsschule und auch andernorts ausführt, nahm Viardot-Garcìa diese Unterteilung zum Anlass, unterschiedliche Affektzustände Orphées chronologisch als Grundlage ihres Gesangs heranzuziehen:

Le récitatif doit donc exprimer d’abord la stupeur dont le frappe ce coup terrible et soudain ; il est dit d’une voix sourde, concentrée, qui prononce à peine. Dans le motif de l’air éclate la douleur d’Orphée. Ce motif doit être chanté d’un bout à l’autre mezzo forte, sans nuances. Mais lorsque après le cri déchirant »Entends ma voix qui t’appelle!« vient la reprise du motif, cette première reprise, pour exprimer l’accablement de la douleur, doit se dire très bas, d’une voix brisée, avec de continuels sanglots. Puis, après l’autre appel à Eurydice, suivi des mots »Mortel silence! … quel torment déchire mon cœur !« Orphée, qui ètait agenouillé, se relève dans un transport de remords et de douleur, et la dernière reprise, plus animée de mouvement, plus forte de voix, plus énergique d’expression, n’est plus qu’un long cri de désespoir. (Bodemann 2021, 19–20)[10]

Diese sukzessive Einteilung der Musik in Affektzustände, in einzelne sauber unterteilte Abschnitte, entspricht einerseits den visuellen Qualitäten der damaligen Aufführungspraxis, die stark gestisch überformt war und einzelnen Affektzuständen auch einzelne Körperposen zuordnete – hier z. B. das anfängliche Knien, dann das Aufstehen. In den Disdéri-Aufnahmen ist diese gestische Verfasstheit in den Posen Viardot-Garcìas zu erahnen. Gleichzeitig sammelt sich die Stimme in der Arie, wie es in ihrer Gesangsschule beschrieben ist, von anfänglich gebrochenem Flüstern der allmählichen Erkenntnis hin zu schreiendem Ausdruck der Verzweiflung im letzten Abschnitt der Arie. Viardot-Garcìa greift mit ihrer abgestuften Interpretationsanleitung nicht nur die formale Anlage der Arie auf, sondern auch eine generelle Denkfigur ihrer Zeit, diejenige des Zerlegens performativer Vorgänge in einzelne Abschnitte: Sie taucht in der spezifischen Rezeption ihrer Rolle als Orphée ebenso auf, wie in der Geschichtsschreibung der Zeit – in Jacob Burckhardts Kultur der Renaissance in Italien, das 1860 seine erste Auflage erlebte, beispielsweise gleich zu Beginn in der Bemerkung, es sei »die wesentlichste Schwierigkeit der Kulturgeschichte, daß sie ein großes geistiges Kontinuum in einzelne scheinbar oft willkürliche Kategorien zerlegen muß, um es nur irgendwie zur Darstellung zu bringen« (2009, 17).

Dadurch dass die Rezitativteile auf ihr eigenes Medium, die Stimme rekurrieren, und damit Viardot-Garcìas Interpretation in ihren verschiedenen Sprechmodi indirekt verhandelt wird, wird dem Strophengesang dazwischen diegetische Qualität verliehen, nicht zuletzt im Sinne einer aus der außergewöhnlichen Affektsituation gerierten Spontaninspiration zum gesanglichen Ausdruck.

1.2.2 Die Stimme des Hermaphroditen

Abb. 4: Statue eines schlafenden Hermaphroditen, erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr., Rom, 46,5 × 173,5 × 90,5 cm, Marmor, © Musée de Louvre, Paris.
Abb. 4:

Statue eines schlafenden Hermaphroditen, erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr., Rom, 46,5 × 173,5 × 90,5 cm, Marmor, © Musée de Louvre, Paris.

Doch nicht nur das eigene Zeugnis Viardot-Garcìas zur Interpretation, sondern auch eine andere Quelle aus dem Umfeld ihrer Orphée-Interpretation, vermag der ›fehlenden‹ Stimme der Aufnahmen, im Falle Viardots der Contralto-Stimme,[11] noch in der historischen Distanz zu spezifischen Charakteristika verhelfen. In seiner Gedichtsammlung Recueil: Emaux et Camées von 1852 veröffentlicht Théophile Gautier sein Gedicht Contralto, in dem er dem Klang dieser Stimme ganz spezifische Eigenschaften zuordnet.

Es ist eine poetische Reflexion auf die Statue eines Hermaphroditen im Louvre (Abb. 4).[12] Wie bereits verschiedentlich beschrieben wurde, verfolgte Gautier mit seinen antiken Statuen gewidmeten Gedichten unter anderem eine poetische Wiederbelebung steinerner Skulpturen (vgl. Karlinsky 2013). Er holt die kühle ›klassische‹ Vergangenheit damit in eine geschichtsbeladene, geradezu erhitzte ›romantische‹ Gegenwart und vermischt damit Zeitschichten ebenso wie Medien künstlerischen Ausdrucks – auf ganz ähnliche Weise, wie der schlafende Hermaphrodit Maskulinität und Feminität vereint, führt seine emotionale Wirkkraft beides, sein schlafendes marmornes Dasein und eine aktuelle Lebendigkeit, zusammen. All diese Übergänge projiziert Gautier, wie es der Titel des Gedichts bereits angekündigt hat, ab der 10. Strophe auf die Contralto-Stimme:

Que tu me plais, ô timbre étrange!

Son double, homme et femme à la fois,

Contralto, bizarre mélange,

Hermaphrodite de la voix! (Karlinsky 2013, 445)[13]

Dass er damit deutlich auf das zeitgenössische Opernleben rekurriert, ist an den Opernrollen erkennbar, die im weiteren Verlauf des Gedichts benannt werden, vor allem die Contralto-Partien in den Opern Rossinis, die in den 1810er und 1820er Jahren entstanden waren und von denen manche auch zum Repertoire Viardot-Garcìas gehörten. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gedichts beherrschten sie die Pariser Bühnen bereits nicht mehr und gerade Viardot-Garcìas Karriere hatte mit den Opern Meyerbeers und Halévys (die Gautier nicht erwähnt) besonderen Aufschwung erhalten. Bemerkenswert bleibt aber die Sonderstellung, die Mozart in Gautiers Auflistung eingeräumt wird: Als einzige Oper, die nicht aus der Feder Rossinis stammt, wird Don Giovanni erwähnt. Diese Nennung im Gedicht ist augenfällig – nicht nur im Hinblick auf Louis Viardots kunsttheoretische Schrift Ut pictura musica, von der später noch die Rede sein wird und in der Mozart ebenfalls eine Sonderstellung eingeräumt wird, sondern auch auf den Kult, den Pauline Viardot-Garcìa um den Mozart-Autograph der Oper in ihrem Besitz pflegte (vgl. Everist (2001)). In der überhöhenden Sonderstellung, der Mozart als musikgeschichtliche Amalgamfigur nationaler Stile eingeräumt wird, überschneiden sich die Wirkungen, die der Hermaphroditen-Skulptur und der statuenhaft anmutenden Viardot-Garcìa als Orphée zugeschrieben werden können.[14] Viardot-Garcìas Stimme in Orphée war eine Mischfassung der italienischen Uraufführungsfassung für Wien, in der Gaetano Guadagni, ein Alt-Kastrat, die Rolle sang, und der später für Paris überarbeiteten Fassung der Oper, in der ein in der französischen Gesangstradition beheimateter haute contre, ein hoher Tenor, die Partie übernahm.[15]

1.3 Viardot-Garcìa als Amalgamfigur

Im Verlaufe meiner Arbeit an diesen Aufnahmen wurde immer deutlicher, wie prominent Viardot-Garcìas Stellung als Amalgamfigur aus ihnen hervorgeht; und wie aus dieser Ambivalenz ein ganz eigener Zugriff auf musikalische Autor*innenschaft resultierte. Um dies genauer zu fassen, werde ich ausgehend von Krämers Metaphysik der Medialität eine historische Kontextualisierung von Viardot-Garcìa im Kunstdiskurs ihrer Zeit mit Bezug auf die Orphée-Wiederaufführung vornehmen, bevor in einem abschließenden Teil eine medientheoretische Einordnung der Fotografien Thema ist, die sich an Krämers Definition einer Botenfigur orientiert: Sie definiert den Boten als archaische Figur, die gleich einem Nullpunkt im Koordinatensystem operiert, in das verschiedene Übertragungsvorgänge aus unterschiedlichen disziplinären Feldern eingetragen werden können, und die damit »die Kommunikation unter den Bedingungen raum-zeitlichen Entferntseins der Kommunizierenden erlebbar« macht (2008, 103–121). Eine in diesem Sinne verstandene Botenfigur deckt sich mit den amalgamierenden Eigenheiten, die Viardot als Orphée zugeschrieben worden sind, in der Verschmelzung von Zeit- und Raumschichten. Der erste, kontextualisierende Teil des vorliegenden Textes, ist durch Krämers Definition des Spurenlesens als Inversion des Botenganges (vgl. ebd., 276–297)[16] mit dieser Allegorisierung der abständigen Kommunikation methodisch eng verknüpft und führt nahtlos über in eine weitere theoretische Einordnung der Figur Viardot-Garcìas als Orphée: Spurenlesen, nach Krämer eine Kulturtechnik der Wissenserzeugung (vgl. ebd., 283),[17] führt in die Situiertheit von Wissenserzeugung über Aufführung und damit geradewegs in aktuelle Debatten über künstlerische Forschung und historische Kontexte. Indem Botengang und Spurenlesen als gegenseitig inversiv aufeinander bezogene Verfahren nicht nur mediale Übergänge, sondern auch deren Historisierung in sich tragen, verweisen sie über die Anwendung im hier verhandelten konkreten Beispiel auf ihr generelles Potential zur Einschätzung und Neubewertung von Autor*innenschaften in der Musik jenseits der vom Genie- und Werkkonzept geprägten Individualautorschaft. Der historische Blick auf die (Selbst-)Inszenierungen Viardot-Garcìas in diesen Aufnahmen fällt auf einen letzten Triumph der Sängerin als musikalische Autorin und damit verknüpft auch auf eine der späten Anerkennungen spezifisch performativer Akte der Wissenserzeugung rund um die Gluck-Aufführungen.

2 Kunst und Repräsentation – eine historische Kontextualisierung der Cartes de Visite

2.1 Ut pictura musica

Der Gedanke eines künstlerischen Paradigmenwechsels im Paris der Jahrhundertmitte wird auch in Louis Viardots Schrift Ut pictura musica (Abb. 5, Viardot (1859)) aufgegriffen, wenn er am Ende seines Textes von einer ›untergehenden‹ Weltordnung spricht. Der Ehemann der Sängerin hat die Schrift 1859 veröffentlicht, also just im Jahr der Wiederaufführung von Orphée. Zudem war er als Überarbeiter des Librettos in die Wiederaufführung der Gluck-Oper eingebunden.

Abb. 5: Die erste Seite von Louis Viardots Schrift Ut pictura musica, veröffentlicht 1859 in der neu gegründeten Gazette des beaux-arts (19-29, hier 19), © Bibliothèque nationale de France.
Abb. 5:

Die erste Seite von Louis Viardots Schrift Ut pictura musica, veröffentlicht 1859 in der neu gegründeten Gazette des beaux-arts (19-29, hier 19), © Bibliothèque nationale de France.

Viardot geht in diesem Text, natürlich mit deutlichem Rückbezug auf Horaz, davon aus, dass sich Musik und Bildende Kunst in analogen historischen Phasen zielgerichtet fortentwickelt hätten. Er konstatiert in dieser Parallelität lediglich eine Zeitverschiebung – die Musik hat als ›verspätete‹ Disziplin die Entwicklungen in den Bildenden Künsten mit zeitlichem Abstand nachvollzogen. Der Renaissance kommt eine zentrale Bedeutung insofern zu, als Viardot dieser Epoche in den Bildenden Künsten eine Befreiung vom Formalismus christlicher früherer Kunst zuschreibt. Die Form wird zugunsten des affektiven Ausdrucks erstmals überwunden, Kunst wird zu einem »Oeuvre de vie et de liberté« – einem Werk von Leben und Freiheit (Viardot 1859, 23). Das liegt auch an einer Neuorientierung der abgebildeten Modelle in der Natur – und nicht mehr in ideellen, oft jenseitigen Konstrukten. In der Musik begegnet uns, so Viardot, in Monteverdis früher Oper diese Befreiung zunächst zeitversetzt und nimmt nach Galileo dann chronologisch die Führungsrolle unter den Künsten ein: Sie wirkt wegweisend bei einem weiteren Paradigmenwechsel, demjenigen der Überwindung der Vokal- durch die Instrumentalmusik, die in der Kunst der Überwindung des Historiengemäldes durch das Landschaftsgemälde gleichgesetzt wird. Dieses Denken in Oppositionen ist prägend für die gesamte Schrift Viardots und trägt auch deutlich nationale Züge. Zentral in diesen Oppositionsbildungen ist deren Lösung: Während die meisten der von Viardot genannten Autoren einer dieser Seiten zuzuordnen sind, steht einer als Heros über allen, weil er beide Seiten amalgamiert: Wolfgang Amadé Mozart. Wahres Künstlertum resultiert also gerade aus einer Gegensätze vereinenden Zwischenstellung und trägt darin – auch – göttliche Züge: Mozart als die Musik an sich steht über nationalen, künstlerischen und geographischen Oppositionen, ähnlich wie es bereits im Gedicht Gautiers über den Hermaphroditen aufschien.

Flora Willson (2010) hat in Grundzügen bereits angesprochen, dass Orphée 1859 an einer historischen Schwelle aufgeführt wurde: an einem Übergang zur Festlegung der geniehaften (männlichen) Individualautorschaft von Musik und einer Phase der Historisierung und damit auch Musealisierung von Kanons der klassischen Musik (vgl. Goehr 2007; zu nach der Aufklärung im deutschen Idealismus idealisierten weiblichen künstlerischen Autorinnenschaft vgl. bspw. Head 2013). Wie Ann Jefferson beschreibt, ist die geschlechtliche Festlegung des künstlerischen Genies in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich auch bei Balzac festzumachen, namentlich an Louis Lambert, einem Künstlerroman, der die Vorstellung eines singulär schaffenden männlichen Genies prägte, das einer Frau lediglich als Medium seiner Tätigkeit bedarf (vgl. 2015, 137–145).

Viardot war an der musikalischen Gestaltung ihrer Rolle intensiv beteiligt. Das belegt beispielsweise ihr Austausch mit Julius Rietz im Juni 1859, also direkt vor dem Beginn der Zusammenarbeit mit Berlioz, die sie gemeinsam auf ihrem Wohnsitz in Courtavenel im September desselben Jahres angingen:

Faites moi le plaisir de prendre l’Orfeo Italien de Gluck, et répondez aux questions suivants : Est-ce que indentiquement la partition Italienne qui se chant à Berlin ?

Dans quel ton est le 1er. Chœur ?

Id. id id l’air d’Orfeo? celui en 3/8.

Les recites sont ils les mêmes dans les partitions pour Contralto de celle pour Ténor ? Le rôle est il écrit constamment une 4te. plus bas pour ténor ? Est ce Euridice qui au 2e. acte chante l’air avec Chœur 6/8 […] En quel ton commence le 3me. Acte ?[18]

Waddington hat beschrieben, wie aus diversen Briefen Viardots hervorgeht, dass Berlioz, der zum Zeitpunkt der Überarbeitung gesundheitlich stark angeschlagen war, auch moralische Unterstützung und Zuneigung von Viardot erbat (vgl. 1973, 390). Fauquet (1992) hat sich wie bereits erwähnt dem Quellenstudium der Überarbeitungspartituren gewidmet und die unterschiedlichen Positionen von Berlioz als grossem Gluck-Verehrer, der sich auf die Suche nach den »Intentionen« des Komponisten begab, und Viardot als Sängerin, die im Hinblick auf die Bedürfnisse eines zeitgenössischen Publikums im Sinne der Gesangstradition ihrer Familie virtuose Kadenzen und Verzierungen in die schlichten Linienführungen von Gluck einfügte, herausgearbeitet. Everist (2021) hat aufgezeigt, wie stark diese Gluck-Überarbeitung auf der Theaterbühne in ein enges Netzwerk an Pariser musikalischen Annäherungen an Gluck seit 1830, an denen auch Viardot-Garcìa beteiligt war, eingebettet wurde. Auf der Bühne war die Adaptation der Gluck-Partie, wohl in der Traditionslinie der die Kastratentradition fortführenden hoch singenden und crossgender besetzten Rossini-Titelhelden, an eine Frau wohl dennoch ein Novum.

Sowohl die bereits von Fauquet herausgearbeiteten unterschiedlichen Standpunkte von Berlioz und Fauquet gegenüber der Bearbeitung als auch die Veröffentlichung der Verzierungen Viardots in einem Klavierauszug werden von Esse (2021) als Grund dafür herangezogen, dass es nach dem triumphalen Erfolg der Orphée-Aufführungen, die sich auch auf Berlioz und den Impresario Carvalho bezogen hatte, zum Zerwürfnis zwischen den beiden kam.[19]

Denkbar ist, dass es gerade die fotografischen Aufnahmen waren, die die spezifischen Eigenheiten von Viardots auch schauspielerisch sehr starken Interpretationsweise unterstrichen, die den nachhaltigen, stark auf ihre Person bezogenen Erfolg der Gluck-Wiederaufführungen prägte. Über die Nutzung eines neuen Mediums gelang es ihr, die sich auf geniehafte männliche Individualautorschaft zuspitzende zeitgenössische Entwicklung mit einer Selbstinszenierung als Autor*in zu überholen. Sie macht sich demnach daran, den Werkbegriff zu relativieren in einer Zeit, in der er sich, gerade in der Instrumentalmusik, massiv zu etablieren begann – übrigens fällt auch die Gründung der ersten Verwertungsgesellschaft zur Sicherung von Autorentantiemen genau in diese Zeit in Paris (vgl. Anonym 1950; Sprang 1993). Das Zerwürfnis zwischen Berlioz und Viardot-Garcìa mag also genau an einer solchen Konkurrenzsituation angesichts sich verhärtender Ansichten darüber, was als Autor*innenschaft zu gelten hatte, festgemacht werden.

Blickt man auf die gesamte Karriere Viardot-Garcìas, so scheint sie sich gerade mit dieser Grenzgänger*innenfigur am erfolgreichsten als Komponistin (die sie in traditionellem Sinne ja auch war, vgl. ihr umfangreiches Oeuvre bei Heitmann 2012) im öffentlichen Bewusstsein verankert zu haben. Ich vermute ein ähnliches Bestreben hinter ihren – bei weitem weniger erfolgreichen – Auftritten als Sapho (vgl. Esse 2021) und ihrer öffentlich propagierten Rolle als Komponistin der unten näher beschriebenen Kantate La jeune Republique. Um dieses Ziel zu erreichen – sich auch als Komponistin bzw. musikalische Verfasserin öffentlich zu etablieren –, bedurfte es womöglich eines anderen Geschlechtskörpers, zumindest für die Dauer der in den Cartes de Visite festgehaltenen Opernrolle. Denkt man dies zu Ende, stehen wir vor der letztendlich ungeklärten Frage, warum Viardot-Garcìa selbst nie Opern geschrieben hat. Die Verbindung mit einer archaischen Sängerfigur, mit Orpheus, der als mythischer Sänger und Musikschöpfer als Bühnenrolle Autor*innenschaftsfacetten zum Gegenstand machte, fungierte ein Stück weit als Legitimisierungsakt der eigenen Stellung als Verfasserin jenseits von Schriftlichkeit (auf und auch abseits der Opernbühne). Es scheint sich um eine letztendlich erfolgreiche ›alternative‹ Strategie der Verankerung eigener musikalischer Verfasser*innenschaft, auch mithilfe neuer Medien zu handeln, die das Empfinden, an einer Schwellenzeit zu operieren, stark in sich trägt.

Wie sehr das Empfinden einer Übergangszeit vorherrschte, macht auch Louis Viardot im letzten Satz seiner hier behandelten Schrift explizit:

nous vivons parmi les convulsions d’un monde qui finit, d’un monde qui commence. Attendons dès lors, sinon avec patience, au moins avec résignation, qu’un nouvel idéal se lève sur ce monde rajeuni, pour y enfanter des arts nouveaux dont l’harmonieux parallèle pourra se dérouler encore dans les siècles à venir. (1859, 29)[20]

Der Grund für die in diesem Abschnitt anklingende Resignation Viardots ist in seiner Schrift deutlich benannt: Die Kunst ist zu Industrie oder Kommerz geworden, der tiefe öffentliche Geschmack zieht Stiche Gemälden vor, Statuetten (ich nehme an, kleinformatige Repliken) Statuen und Romane Oratorien (vgl. Viardot 1859, 28). Die technische Reproduzierbarkeit und die damit einhergehende Kommerzialisierung der Kunst werden zum Ausdruck ihrer Oberflächlichkeit.

2.2 Kommerz und Kultur bei Orphée

Vor dem Hintergrund der Gluck-Wiederaufführung ist Viardots Absage an kommerzialisierte Reproduktionen von Kunst erstaunlich und erklärend zugleich: Einerseits muss die Kommerzialisierung rund um die ›Wiederentdeckung‹ des Gluck’schen Orpheus tatsächlich erstaunliche Blüten getrieben haben. Ein unbekannter Korrespondent der Stuttgarter Neue Musik Zeitung schrieb 1859 über die Begleitumstände der Wiederaufführung von Orphée:

Gluck prangt hinter allen Schaufenstern und in allen möglichen Costumen. An Zurechtmachern fehlt es nicht; selbst Krüger hat die Scene des Elysiums überclaviert; Prudent den Auftritt im Tartarus (!), Theodor Ritter einen ganz neuen Clavier-Auszug gemacht, Benfield die C-Dur Arie des Orpheus: ›J’ai perdu mon Euridice (Che farò senza Euridice)‹ im Salon auf der Harfe geklimpert, Arban den Auftrag von der Direction der Concerte in der Rue Cadet erhalten, eine Polka über Themen aus dem Orpheus zu schreiben!! (B.P., Pariser Briefe, in: Neue Musik Zeitung, 24.12.1859, 412, zitiert nach Müller-Höcker 2016, 189)

Andererseits wird mit und über den Umweg der Bildenden Künste, also mit dem Blick auf das, was nach Viardot durch die Fotografie seiner Zeit nur unzulänglich repräsentiert wurde, die zeitgenössische Wirkungskraft der Rollenporträts erst deutlich. Die auch in kommerziellem Sinne ikonische Wirksamkeit der Porträts Viardot-Garcìas von Disdéri muss enorm gewesen sein: Ihre Kollegin Rosa Csillag imitiert sie recht unverhohlen für ihren Auftritt im Folgejahr 1860 als Orphée in London (vgl. Abb. 6 und 7 sowie Zechner (2018)).[21]

Abb. 6, 7: Camille Silvy, Rosa Csillag in der Rolle des Orpheus, London 1860, Albumen Druck, 8,5 × 5,5 cm, © National Portrait Gallery, London.
Abb. 6, 7: Camille Silvy, Rosa Csillag in der Rolle des Orpheus, London 1860, Albumen Druck, 8,5 × 5,5 cm, © National Portrait Gallery, London.
Abb. 6, 7:

Camille Silvy, Rosa Csillag in der Rolle des Orpheus, London 1860, Albumen Druck, 8,5 × 5,5 cm, © National Portrait Gallery, London.

Andererseits steht hinter der gesamten französischen Karriere Pauline Viardot-Garcìas der Impetus einer Zivilisationsbringerin, einer Vermittlerin von Kunst zum Zwecke der Erziehung republikanischer Bürger*innen. Diese nationale Vereinnahmung der Autorin Viardot-Garcìa mag ihren Ausdruck besonders deutlich in der Aufführung ihrer Kantate La jeune republique für Chor und Orchester anlässlich einer nationalen Feier zum 150. Jahrestag der Französischen Revolution im Pariser Théâtre de la République gefunden haben (vgl. Abb. 8; Heitmann 2012, Nr. 1215). Die Komposition mit einem Text von Pierre Dupont sollte an die Stelle einer neuen Marseillaise treten. Sie wurde vom französischen Innenminister Alexandre Ledru-Rollin in Auftrag gegeben, nachdem George Sand ihn gebeten hatte, ihre gute Freundin Viardot-García für die Komposition zu berücksichtigen (Marix-Spire 1959, 248).

Abb. 8: Anfang von Pauline Viardot, La jeune Republique, Kantate für Chor und Orchester, 1848, Autograph, MS Mus 264 (97), Box 5, © Houghton Library, Harvard University.
Abb. 8:

Anfang von Pauline Viardot, La jeune Republique, Kantate für Chor und Orchester, 1848, Autograph, MS Mus 264 (97), Box 5, © Houghton Library, Harvard University.

Dies scheint Teil der Pläne Sands für Viardot-Garcìas musikalische Karriere gewesen zu sein, die politische, wenn nicht gar ›revolutionäre‹ Ziele verfolgten:[22] 1842 sagte Sand die politischen und sozialen Aspekte von Viardot-Garcías Karriere voraus, die die herkömmlichen Grenzen der Wirkung Opernsängerin weit überschreiten sollten:

La conclusion c’est que vous êtes la première, la seule, la grande, la vraie cantatrice, et que cela sera un jour prouvé aussi bien au vulgaire qu’aux connaisseurs et aux sympathiques. Ces deux dernières classes d’auditeurs, vous les avez, vous les aurez toujours; mais vous êtes la prêtresse de l’idéal en musique et vous avez pour mission de le répandre, de le faire comprendre et d’amener les récalcitrant et les ignorants à un instinct et à une révélation du vrai et du beau. Vous avez quelque chose de plus grand à faire que votre réputation et votre fortune. L’une et l’autre se feront nécessairement. Mais vous ne vous en occuperez que comme de moyens pour rendre facile et sûre l’œuvre de votre puissance et de votre génie sur le siècle. (Marix-Spire 1959, 159)[23]

Diese ›neue‹ Art der sozial-integrativen Kunst enthielt nicht nur nationale Untertöne in ihren Bezügen auf die revolutionären Ideale der Erziehung der Bürger*innen durch Kultur mit anti-elitärem Anspruch. Sie verlagert auch die ehemals göttliche Inspiration der Kunst in den menschlichen Bereich der Priester*in-Künstler*in als deren ideale Erfinder*in und Vollstrecker*in.

Abb. 9: Eugène Delacroix, Orphée vient policer les Grecs encore suavages et leur enseigner les arts de la paix, 1847, Fresko, Bibliothek der Assemblée nationale, Paris, © Christophel Fine Art, via Getty Images.
Abb. 9:

Eugène Delacroix, Orphée vient policer les Grecs encore suavages et leur enseigner les arts de la paix, 1847, Fresko, Bibliothek der Assemblée nationale, Paris, © Christophel Fine Art, via Getty Images.

Vor diesem Aspekt entfalten sich auch weitere ikonographische Bezüge der Orphée-Wiederaufführung, die bereits bei Müller-Höcker (2016) ausführlicher behandelt wurden. Bisher nicht gesehen wurde ein möglicher, viel beachteter Vorgänger der Disdéri-Fotografien: Delacroix, der für das Kostüm Viardot-Garcìas verantwortlich zeichnete, schuf einen weiteren Orphée in der Bibliothek der Nationalversammlung im Jahre 1847 (vgl. Abb. 9), der als Zivilisationsbringer dargestellt, unmittelbar für diesen Bildungsanspruch einsteht – unter der Kuppel beginnen direkt die Bücherreihen. Ein Stich der Bühnenansicht des zweiten Aktes der Gluck’schen Wiederaufführung scheint diese Seite der Orphée-Ikonographie deutlich aufzunehmen, wie die Ähnlichkeiten der Bildanlage belegen (vgl. Abb. 10). Auch die Rollen-Porträts der Sängerin im Delacroix-Kostüm, die ebenfalls Assoziation an Delacroix’ Deckengemälde ausgelöst haben mögen, tragen demnach diese beiden Seiten in sich, das Revolutionäre und das Zivilisatorische, und scheinen sie, ähnlich wie die zwischengeschlechtlichen Eigenschaften und Viardot-Garcìas Stellung zwischen Erfinderin und Ausführender, gerade in dieser Mittlerrolle besonders deutlich zu konturieren.

Abb. 10: Janet-Lange, Charles Maurand, Stich der Dekoration des 2. Aktes von Orphée (1859, Théâtre-lyrique), 17 X 23 cm, © Bibliothèque nationale de France.
Abb. 10:

Janet-Lange, Charles Maurand, Stich der Dekoration des 2. Aktes von Orphée (1859, Théâtre-lyrique), 17 X 23 cm, © Bibliothèque nationale de France.

3 Statik und Bewegung: Orphée als Botenfigur

In den Rezensionen der Gluck-Wiederaufführungen wird stark auf die visuelle Wirkkraft der Aufführung Viardot-Garcìas Bezug genommen, oftmals auf ihre Gestik, die ans Statuenhafte gemahnt (vgl. Willson 2010; Müller-Höcker 2016). Ein Rezensent stellt sich vor, ihr Agieren als Bilderfolge festzuhalten – während der Aufführung war das zu damaliger Zeit fotografisch noch nicht möglich:

Daguerreotype Madame Viardot suddenly at any moment and though she may be only passing at that moment from one gesture to another, you will fix upon the plate a picturesque and expressive figure, which is moreover a figure indicating in its face and in its attitude that precise feeling which belonged to the story at the moment chosen (Morley 1866, 90 f., zitiert nach Willson 2010, 314).

Imaginär wird die Aufführungs-Bewegung somit zu einer endlichen Folge von statischen Bildern – und wie Willson treffend festgestellt hat, halten damit die Disdéri-Fotografien Viardot-Garcìas die eigene zukünftige mediale Vergangenheit fest (vgl. 2010, 314): Ebenso wie sie für die Vermischung der Zeitebenen der Autor*innenschaften an der Oper und an ihren Aufführungen einstehen, repräsentieren sie auch ihre eigene mediale Vergangenheit (in der bewegten Aufführung) und Zukunft (im Film).

Viardot-Garcìa wird über ihren Körper zur Musik: Ihr Instrument, die Stimme, ebenso wie die Lyra, die sie in Händen hält, wird in den Fotografien dargestellt als Platzhalter des abwesenden Klanges. Dabei verkörpert sie eine Vorstellung von Klassik, die die Rezensionen stark hervorheben, nicht nur im Kostüm, sondern auch in Klang und Technik ihrer Stimme (vgl. Willson 2010).[24] Ihre Belcanto-Gesangsbildung in der wegweisenden Garcìa-Schule, für die besonders ihr Vater und Bruder (nach dem Abtreten von der Opernbühne aber auch Viardot-Garcìa selbst) einstanden, war eine in der Tradition der Kastratenschulen stehende hochvirtuose Stimmkunst. Die Weiterführung, die die Familie Garcìa hier vornahm, beruhte auf einer Verwissenschaftlichung des Stimmtrainings auf der Grundlage eines über das Laryngoskop sichtbar gemachten Stimmapparats. Die bisher nur gefühlten Registerübergänge der Stimme konnten so erstmals in der Funktionalität der Stimmbänder beschrieben werden und zur Grundlage der Ausbildung der Stimme gemäß ihrer ›natürlichen‹ organischen Anlage gemacht werden. Sie selbst bezeichnete ihre Schule als ›klassisch‹, weil sie an historischem Repertoire und einer improvisierten Verzierungstechnik herausgearbeitet wurde (vgl. Bodenmann 2021). Zum Zeitpunkt der Orphée-Aufführungen feierten die Musikdramen Richard Wagners erste Erfolge, deren Stimmkultur Viardot-Garcìa später selbst mit dem Niedergang des belcanto alter Schule in Verbindung bringen sollte. Einen ersten Schritt in diese Richtung kann man bereits in Gluck sehen – ohne hier teleologisch argumentieren zu wollen, da in seinen sogenannten Reformopern, darunter Orphée et Euridice, eine Integration des dramatischen Elements, des aus der Szene gerierten affektiven Ausdrucks über einer musikzentrierten Virtuosität, wie sie die canto fiorito-Partien von Rossini bis Donizetti einforderten, zu stehen kam.

Als Orphée, der selbst den Gang in die Unterwelt unternimmt, wird Viardot-Garcìa somit zur Botin einer anderen Welt, gleichzeitig geschichtsträchtig und zukunftsweisend, gleichzeitig in der Aufführung lebendig und in der statuenhaften Aufnahme und Gestik tot. Ähnlich wie Mozart wird sie somit – über die Fotografien – zur Musik selbst, und in dieser Hinsicht zu ihrer ultimativen, alle Zeitschichten vereinenden Autorin. Bezeichnenderweise überlebt sie diese Selbstermächtigung als männliche Autorin auch auf der Opernbühne: Amour hält Orphée als Deus ex machina nach dem Verlust von Euridice vom Selbstmord ab, erweckt Euridice erneut zum Leben und vereint die Liebenden aufs Neue. Die Fotografien stehen somit auch für das Weiterleben Orphées ein, der den von Elisabeth Bronfen beschriebenen ultimativen Akt weiblicher Autorschaft, die selbstinduzierte Entkörperung im Suizid (vgl. 1992, 141), aufzuheben scheint – gleichsam als habe dies im angenommenen männlichen Körper keine Bedeutung mehr.

Abgeleitet aus dieser historischen Kontextualisierung der Aufnahmen erschien mir die Grenzgänger*innen-Figur als tertium comparationis, als Kittstelle zwischen den beteiligten Medien, die in den Fotografien stellvertretend aufeinander Bezug nehmen, besonders virulent.

Zentral ist dabei die Stimme Viardot-Garcìas, die geschlechtliche Assoziationen frei lässt. Diese Übergangsstellung wird über den Körper der Sängerin mit Bildlichkeit, implizit aber auch mit der Rolle und ihrer Musik in Beziehung gesetzt.

Zur Zwischenstellung der weiblichen Contralto-Stimme ist bereits viel geschrieben worden, mit unterschiedlichsten theoretischen Bezügen (vgl. Beghelli 2011; Charton 2012; Marek 2016); noch nicht dabei in den Blick genommen wurde meines Erachtens Krämers Theorie des Boten als Topos, den sie als Personifikation des Übergangs vor dem Hintergrund einer entpersonalisierten Technik definiert – genau dies scheint auf die Aufnahmen in ihrer technischen Medialisierung zuzutreffen. Mit ihrer im Botengang definierten Kommunikation der Abwesenheit oder auch abständigen Kommunikation nimmt Krämer eine Erweiterung des Körpers über seine Stellvertreter-Funktion in den Blick – auf die Aufnahmen Viardot-Garcìas bezogen wäre damit ihr Körper als visueller Klangträger über das rein Bildliche hinaus erweitert. Aber auch Krämers Definition des Boten in seiner Drittheit als Keimzelle der Sozialität wird dem Anspruch der Abbildung von Autor*innenschaft als stellvertretend für die Vielheit dahinter und davor stehender Autor*innenschichten gerecht. Hier wird eine Gerichtetheit deutlich, die im Sinne des Pariser Conservatoire in seiner revolutionären Tradition auf die Erziehung des französischen Bürgers über ›nationale‹ Musik und Musikausübung abzielt.

Ein weiterer Hinweis auf die Passgenauigkeit der Botenmetapher im Sinne Krämers auf Viardot-Garcìas Autor*innenschaft an Orphée in diesen Aufnahmen scheint mir jedoch in der bei Krämer beschriebenen, den Boten innewohnenden Selbstneutralisierung zu liegen: Durch die stellvertretende Inkorporation von Drittheit erfolgt eine Exkorporation durch Neutralität zwischen den Polen. Paradoxerweise gewinnt, in Autor*innenschaftsperspektive betrachtet, Viardot-Garcìa aber gerade in dieser Rolle als geschlechtsneutrale Botin an auktorialer Souveränität: Durch die bewusst kontrollierte Steuerung und Streuung ihrer Imago, ihrer Körperlichkeit als Orphée, überschreibt sie andere, deutlich geschlechtlich konnotierte Autor*innenschaften an der Wiederaufführung – allen voran diejenige von Berlioz. Als Autorin einer anderen Art von Wissen, das über ihren Interpret*innenkörper vermittelt wird,[25] überschreibt sie die Autorschaft von Berlioz, der sich ebenfalls als Amalgator, nämlich der beiden Fassungen, der italienischen und der französischen der Gluck-Oper, inszenierte. Obwohl beispielsweise in Sapho (Gounod, UA 1851) (vgl. Esse (2013); 2016; Fischer 2021; Goldbeck 2015; Marix-Spire (1945)) Viardot-Garcìas Autorschaft an der (wenig erfolgreichen) Oper über die Aufführung deutlich mitverhandelt wurde, beschreibt der durchschlagende Erfolg von Orphée die geschlechtliche Camouflage der Autor*innenschaftsansprüche Viardot-Garcìas als erfolgreiche Strategie.

4 Rezeptionen des Boten

Katrin Müller-Höcker (2016), Melina Esse (2021, 128–159) und auch Beatrix Borchard (2017) haben bereits über Rezeptionsdokumente zu Pauline Viardot-Garcìa als Orphée geschrieben. Die Tochter Viardot-Garcìas berichtete von einer jungen Frau, vermutlich Pauline D’Arange (vgl. Esse 2021, 128), die sich unsterblich in Orphée verliebte und die durch ein Treffen mit der leibhaftigen Sängerin im Morgenmantel von deren Weiblichkeit überzeugt und zum Ende ihrer Schwärmerei bewegt wird (vgl. Borchard 2017). Das führte zur Frage danach, inwieweit Viardot-Garcìa mit Orphée tatsächlich in die Travestie ging – Borchard plädiert dafür, die Rolle als Möglichkeit für Viardot zu sehen, den männlichen Archetyp des Künstlers zu verkörpern, nicht als Als-ob-Mann, sondern als Verkörperung des Künstlerseins an sich (vgl. 2017, 190); während Esse die Attraktivität von Travestierollen im Allgemeinen und des Orphée im Besonderen für homoerotische Hör- und Sehweisen herausstreicht (vgl. 2021, 128–130). Der Blick aus bildtheoretischer Sicht auf die Disdéri-Aufnahmen und ihre Repräsentationsmechanismen verweist meiner Meinung nach gerade auf die Offenheit der Amalgam- bzw. Botenfigur für die Entstehung von Geschlechtlichkeit über das Auge und Ohr von Betrachter*innen. Die Begeisterung für eine, gerade für die Zeit der Aufnahmen deutlich beschriebene geschlechtliche Drittheit, mag genau in ihrer Offenheit begründet sein, durch die sie im Rezeptionsprozess zum Leben erweckt wird – genau wie es Gautiers Gedicht mit der Marmorstatue des Hermaphroditen im Louvre, auch über Klangassoziationen, bewerkstelligt.

Bilder entstehen in den Blicken und Händen von Menschen – wie wir gesehen haben auch klanglich. Wie heute auch, waren es 1859 technische Neuerungen, die die Kreation lebendiger Bildwesen ermöglichte. Sie machten auf der einen Seite die Suche nach dem einen Original, der einzigen Urheberschaft, ein Stück weit obsolet; und führten damit bereits vor dem Entstehen von Benjamins Gedanken zur technischen Reproduzierbarkeit von Kunst eine biokinetische Reproduzierbarkeit im Sinne von Mitchells Weiterführung dieser Theorie ein (vgl. 2005).

Viardot-Garcìa als Orphée bleibt somit auch eine Amalgamfigur hinsichtlich der in diesem Heft verhandelten Kategorien von Autor*innenschaft: Sie hatte Einfluss auf die musikalische Konzeption in einer engen Zusammenarbeit mit Berlioz, fügte der Oper über eigene Verzierungen und Kadenzen und zugefügte Arien neue Facetten zu und erschuf die Rolle über die Aufführungen und in einer Art Memoriaverlängerung über die Fotografien neu in ihrem Abbild. Der Aufsatz hat exemplarisch aufgezeigt, dass die Konzepte des Botengangs und des Spurenlesens eine mediale Erweiterung des Autor*innenschaftsbegriffs erlauben. Beide Konzepte bieten zudem Möglichkeiten der historischen Adaption, bzw. Kontextualisierung, die ihr Verallgemeinerungspotential im Hinblick auf eine Systematisierung von musikalischen Autor*innenschaftsanteilen unterstreicht. Sie können demnach als Mittel der Dehierarchisierung von unterschiedlichen Autor*innenkonzepten in der Musik – seien sie verschriftlicht oder performativ ausagiert – herangezogen werden. Somit bieten sie einen Rahmen, in dem Überlegungen zur Situiertheit von Autor*innenschaft ins Historische erweiterbar werden.

Sicherlich haben wir es bei den Orphée-Fotografien mit einem Ausnahmefall hinsichtlich der Geschlechterdarstellung zu tun. Vor diesem Hintergrund stellt sich einerseits die Frage, inwiefern Quellen, die Autor*innenschaft abseits von Zwischengeschlechtlichkeit thematisieren, gewinnbringend in diesem Rahmen der medialen Übergänge beurteilt werden können. Da die Medialität der Botenfigur aber nicht zwingend von ihrer Zwischengeschlechtlichkeit abhängt, sondern explizit andere Formen des Übergangs vom Göttlichen zum Weltlichen einschließt, liegt ein Verallgemeinerungspotential darin, das Augenmerk auf mediale Übergangssituationen in Autor*innenschaftskonzepten zu lenken. Botenfigur und Spurenlesen werden so gesehen auch zu Konzepten der Überbrückung zeitlicher Distanz zwischen Musikstück und Aufführung über Körper und Instrumente als Spezifik der Autor*innenschaften von Interpret*innen. Sie können somit helfen, gegen ein Primat der Schriftlichkeit von Autor*innenschaft, auch in historischer Perspektive, aufzubegehren und bergen gerade darin ihr Potential zu sozialer Veränderung.

Literatur

Anonym, Centenaire De La S.A.C.E.M. Societé des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique, Clérin 1950.Search in Google Scholar

Beghelli, Marco/Raffaele Talmelli, Ermafrodite armoniche. Il Contralto nell’ottocento, Varese 2011.Search in Google Scholar

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Published Online: 2022-04-30
Published in Print: 2022-04-28

© 2022 Christine Fischer, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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