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Vorwort

Veröffentlicht/Copyright: 28. Mai 2024
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Seit einiger Zeit rückt die Infrastruktur verstärkt ins Bewusstsein der Gesellschaft. Der Einsturz der Autobahnbrücke in Genua, die ständige Beobachtung der »kritischen Infrastruktur« während der Corona-Epidemie, die seit dem Ukraine-Krieg gewachsenen Unsicherheiten der Energieversorgung, der marode Zustand von Straße und Schiene – sachliche wie unsachliche Faktoren haben dazu beigetragen, dass bisher wie selbstverständlich hingenommene Strukturen der Versorgung, des Verkehrs und der Kommunikation als vulnerabel erlebt werden. Der erhöhte Erneuerungsdruck trifft auch Infrastrukturen von historischer und denkmalfachlicher Relevanz, denen dieses Heft gewidmet ist.

Fast allen Beiträgen gemeinsam ist die Frage, wie die Denkmalpflege dem Netzwerkcharakter von Infrastrukturen gerecht werden kann. Die von der Sache her gebotene Denkmalausweisung gleichartig wiederkehrender, typisierter Elemente kann häufig nur mit Mühe Betreibern und Öffentlichkeit vermittelt werden. Paradox erscheint, dass der hohe Gebrauchswert der Objekte einerseits den »operationalen« Fortbestand in ihrer ursprünglichen Funktion begünstigt, andererseits aber zur Aufgabe des nicht mehr ausreichend leistungsfähigen historischen Bestands führen kann. Deutlich wird auch die enorme Vielschichtigkeit der Denkmalwerte, die Großstrukturen und Einzelbestandteile in sinnsteigernder Addition und Überschneidung auf sich vereinen.

Zwei übergreifende Betrachtungen führen ein: Michael Hascher verweist auf die besonderen Kriterien der Denkmalbewertung von Infrastrukturen und fächert die spezifischen Rahmenbedingungen ihrer denkmalfachlichen Betreuung sowie die aktuellen Strategien ihrer Bewältigung auf. Ralf Liptau und Rasmus Radach nehmen die jüngeren Netzstrukturen ab 1960 in den Fokus und plädieren für bundesweite Erfassungs- und Betreuungsstrategien, um dem grenzüberschreitenden Wesen der Denkmale zu entsprechen und die sich daraus ergebenden Spielräume zu nutzen.

Elischa Bischof und Silke Langenberg lenken den Blick auf die Baugattung der Müllverbrennungsanlagen, die trotz ihrer essentiellen Bedeutung für die Wohlstands- und (daher) Wegwerfgesellschaft bisher nicht als denkmalfähige Objekte wahrgenommen wurden. Drei Beiträge zur Bahn als bedeutendstem Infrastruktursystem Europas folgen. Viviane Taubert porträtiert mit dem Berliner Außenring ein eindrucksvolles Verkehrsdenkmal der deutschen Teilung. Eine Vertiefung des Aspekts typisierter Bauten bietet Bärbel Schallow-Gröne bei der Vorstellung des Inventars schützenswerter Bauten und Anlagen der Schweizerischen Bundesbahn. Patrick Jung thematisiert die Ära der Hochgeschwindigkeitsverbindungen der 1980/90er Jahre am Beispiel der Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart, deren Bahnhöfe fernab der urbanen Hotspots zu den Glanzstücken postmoderner Architektur in Deutschland zählen. Einem auf den Stadtraum begrenzten Netzwerk widmen sich Sabine Lepsky und Rasmus Radach mit der Düsseldorfer Gasbeleuchtung, ein in seiner Größe, Vielfalt und Aussagefähigkeit in Deutschland einzigartiges Technikdenkmal, dessen Fortbestand durch die Abkehr vom Gasbetrieb bedroht ist. Mirko Monschauer erläutert die Geschichte und vielschichtigen Denkmalwerte der Wasserstraße Lahn als jüngst erkanntes Streckendenkmal, das nun vielfältigen Belangen aus Natur- und Landschaftsschutz gegenübersteht.

Die Berichte zeigen interdisziplinär angelegte Strategien auf, so weitet Olaf Gisbertz den Blick auf »Grüne Infrastrukturen« und ein aktuelles Forschungsvorhaben in Ostwestfalen-Lippe, während Anica Mayer und Judith Sandmeier über das Pilotprojekt GreenHeritage360° der Stadt und TH Augsburg informieren.

Das an Beispielen reiche Aktuelle und drei Rezensionen runden das Heft ab.

Für die Redaktion

MELANIE MERTENS

Published Online: 2024-05-28
Published in Print: 2024-06-25

© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Heruntergeladen am 22.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/dkp-2024-1002/html
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