Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag stellt die wissenschaftsgeleitete Initiative „OpenRewi“ vor, die in den Rechtswissenschaften durch Open Educational Practices Open Science fördert. Im Fokus stehen die Aktivitäten der Initiative und ihres Umfelds im Bereich Open Educational Resources, vor allem im Rahmen der Veröffentlichung von Lehrbüchern im Open Access. Der Beitrag gibt einen Überblick über den disziplinären Kontext und die Historie der Initiative und ihre zukünftigen Entwicklungspotenziale.
Abstract
This article presents the scholar-led initiative “OpenRewi”, which promotes open science in the legal sciences through open educational practices. The focus is on the activities of the initiative and its environment in the field of open educational resources, especially in the context of the publication of textbooks in open access. The article provides an overview of the disciplinary context and the history of the initiative and its future development potential.
1 Einleitung
Die Initiative „OpenRewi“ wurde 2020 aus der Idee heraus gegründet, frei zugängliche und verwendbare Materialien nach der Open Definition[1] zu erstellen, um Open-Access-Lehr- und Lernmaterialien in der juristischen Ausbildung zu etablieren. Seitdem ist ein großes Netzwerk von Autor*innen und Herausgeber*innen entstanden, die in verschiedenen Einzelprojekten u. a. qualitativ hochwertige, aktuelle und veränderbare Fall- und Lehrbücher in unterschiedlichen Rechtsgebieten entwickeln. Dies macht OpenRewi zu einer der wichtigsten Initiativen für Open Educational Resources (OER) in den Rechtswissenschaften.
Auch wenn Bellinger und Mayrberger darauf hinweisen, „dass sich bisher keine Definition zu offenen und freien Bildungsmaterialien oder Bildungsmedien eindeutig durchgesetzt hat“[2], existiert für OER eine überschaubare Anzahl an Definitionen. Die meisten Initiativen oder Einzelpersonen beziehen sich entweder auf die Open Definition oder im deutschsprachigen Raum auf die Definition der UNESCO.[3] Das Verständnis von Open Educational Practices (OEP) und vor allem von deren Reichweite ist hingegen wesentlich diverser.
Die englische Version der Wikipedia definiert OEP mit Verweis auf Deimann und Farrow[4], Cronin und MacLaren[5] und Cronin[6] folgendermaßen:
OEP is a broad concept which can be characterised by a range of collaborative pedagogical practices that include the use, reuse, and creation of OER and that often employ social and participatory technologies for interaction, peer-learning, knowledge creation and sharing, empowerment of learners, and open sharing of teaching practices.[7]
Bellinger und Mayrberger identifizieren als Ergebnis ihres „Systematic Literature Review“[8] vier Dimensionen von OEP, die ein engeres oder weiteres Verständnis beschreiben.[9] Die Dimensionen reichen von einem „eher sehr weiten“ Verständnis über „eher weit“ und „eher eng“ zu „sehr eng“, wobei ersteres sich auf „die uneingeschränkte Übernahme einer Open Pedagogy, einschliesslich der institutionellen Rahmenbedingungen und Governance“[10] bezieht, der eher weite Begriff auf „vor allem offene pädagogisch-partizipative Lernszenarien und die Verwendung von OER sowie die Verwendung von urheberrechtlich lizenziertem Unterrichtsmaterial“[11], die jedoch gewisse Aspekte der Geschlossenheit enthalten, wie z. B. geschlossene Lernmanagementsysteme oder die Verwendung proprietärer Anwendungen oder Websites. Der eher enge Begriff bezieht sich auf „bspw. die Co-Kreation von Wissensgegenständen bei der Verwendung und Erstellung von OER während der Arbeit mit offenen Lehrbüchern oder auch das (Um-)Schreiben von Wikipedia-Artikeln als Teil der Bewertung“[12] und die sehr enge Dimension schließlich auf „die Verwendung von OER in offenen oder geschlossenen Lernszenarien, wie bspw. im Kontext von MOOCs oder anderen Formen von Online-Kursen (institutionelle Mikroebene)“[13]. Dies zeigt, dass eine ganze Reihe von Aktivitäten als OEP klassifiziert werden kann.
Im Folgenden werden die Initiative OpenRewi, ihre Aktivitäten und Ziele beschrieben, um anschließend einen Abgleich zu versuchen, inwieweit OpenRewi als Open Educational Practice verstanden werden kann.
2 OpenRewi als Community: Geschichte und Gegenwart
OpenRewi ist als Initiative entstanden, um spezifische Defizite der rechtswissenschaftlichen Veröffentlichungslandschaft – vor allem im Bereich der Lehrinhalte – zu adressieren.
2.1 Ausgangslage: OER in der Rechtswissenschaft
OER sind und bleiben in der Rechtswissenschaft die Ausnahme, obwohl sie Vorteile mit sich bringen. Neben den übergreifenden Vorteilen von OER – (monetäre) Zugänglichkeit und Nachnutzbarkeit – existieren auch rechtswissenschaftsspezifische Vorteile wie verbesserte Qualitätssicherungsprozesse, die Nutzung der Möglichkeiten digitaler Formate für höhere Aktualität in schnelllebigen Rechtsgebieten oder für die Bereitstellung interaktiver Formate.[14] Besonders Letzteres kommt auch einer didaktischen Reflektion rechtswissenschaftlicher Lehrformate entgegen, die von der rechtsdidaktischen Forschung bisher weitgehend vermisst wird.[15]
Die Publikationslandschaft im Bereich der rechtswissenschaftlichen Lehrliteratur war und ist allerdings geprägt von kommerziellen Anbietern, die Inhalte unter geschlossenen Lizenzen veröffentlichen.[16] Dazu trägt auch die verbreitete Inanspruchnahme kommerzieller Repetitorien in Vorbereitung auf die erste juristische Prüfung am Ende des Studiums bei. Die Repetitorien sind in der Regel privatwirtschaftliche Anbieter, die ihre eigenen Lehrinhalte selbstverständlich vollkommen kommerzialisieren.
Doch auch die Lehrinhalte im Studienverlauf treten im Wesentlichen in zwei verschiedenen Formaten auf: Einerseits erstellen Lehrende – meist wissenschaftliche Mitarbeitende – für die eigene Lehre und zur unmittelbaren Verwendung ad hoc Materialien, die in der Regel nur den eigenen Studierenden zugänglich gemacht werden.[17] Das liegt unter anderem auch daran, dass es an geeigneten Veröffentlichungsformaten/-plattformen für ein breiteres Publikum fehlt.[18]
Andererseits werden Lehrmaterialien in Lehrbüchern in kommerziellen Formaten in etablierten Verlagen veröffentlicht, häufig mit jährlichen Neuauflagen. OER sind in diesem Zuge mit dem Problem konfrontiert, sich entweder mit den – mit entsprechenden Kosten verbundenen – klassischen Verlagsstrukturen zu arrangieren oder Gefahr zu laufen, nicht als gleichermaßen verlässlich wahrgenommen zu werden.[19] Die Rechtswissenschaft ist auch im Bereich der Lehrmaterialien von traditionellen Renoméestrukturen geprägt: Vor allem durch die Aufnahme von Publikationen in als renommiert empfundene Verlagsreihen etablierter Großverlage wird Qualität vermittelt. Daneben spielt die akademische Hierarchie eine beträchtliche Rolle. Dem kann zumindest teilweise durch Innovationen bei Reviewprozessen begegnet werden, denn Peer Review ist in der Rechtwissenschaft nach wie vor nicht der Standard.[20] Im Falle der Kooperation mit klassischen Verlagen stellt sich allerdings schnell die Finanzierungsfrage für die einzelne Publikation.[21] Doch auch in anderen Kooperationszusammenhängen fallen Kosten an, etwa für das Hosting interaktiver Übungen. In vorhandenen Publikationsfinanzierungsprozessen der Hochschulen und anderer Akteure sind solche Kosten bisher nur selten abgebildet.[22]
In dieser Ausgangslage arbeitet OpenRewi an der Transformation der Veröffentlichungslandschaft hin zu Open Access und OER mit.
2.2 Anfänge
OpenRewi wurde im Jahr 2020 als Zusammenschluss von Jurist*innen als Initiative für eine offene Rechtswissenschaft gegründet. Der Schwerpunkt der beteiligten Autor*innen und Herausgeber*innen lag zunächst vor allem in der Ausarbeitung und Koordination von im Sinne der Open Definition frei zugänglichen Fall- und Lehrbüchern. Die von den Veröffentlichungen behandelten Rechtsgebiete finden ihren Schwerpunkt bisher vor allem im Öffentlichen Recht und decken dabei die ganze Vielfalt dieses Bereichs ab. Weitere Veröffentlichungen für das Öffentliche Recht sind für das laufende Jahr 2025 geplant. Auch für das Strafrecht sind im Rahmen der Initiative OpenRewi bereits zwei Studienbücher erschienen. Mit einem Call for Participation für ein Lehrbuch zum Vertragsrecht starten nun auch die Arbeiten an einem ersten Projekt im Zivilrecht.
Einen der Ausgangspunkte für die gemeinsame Erarbeitung qualitativ hochwertiger und offener juristischer Ausbildungsliteratur bilden die von Nikolas Eisentraut koordinierten Lehr- und Fallbücher zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht, die er als Fellow des Wikimedia-Programms für das Freie Wissen im Jahr 2019 auf den Weg gebracht und mit einem Team aus Autor*innen veröffentlicht hat.[23] Das Lehrbuch Verwaltungsrecht ist das erste Lehrbuch, das in einem der die rechtswissenschaftliche Publikationslandschaft dominierenden Großverlage Open Access erschienen ist,[24] das Fallbuch das erste unter offener Lizenz.[25] Mit der – ebenfalls durch die Wikimedia-Stiftung unterstützten – Gründung von OpenRewi als Initiative für frei verfügbare Ausbildungsliteratur nahm Maximilian Petras diese Bewegung auf und organisierte gemeinsam mit Lisa Hahn, Dana-Sophia Valentiner und Nora Wienfort die Veröffentlichung von Lehr- und Fallbüchern zu den Grundrechten,[26] die im Frühjahr 2022 als erstes OpenRewi-Projekt bei de Gruyter und Wikibooks erschienen.[27] Diese beiden Projekte griffen, zunächst unabhängig voneinander, das Bedürfnis von Studierenden und Lehrenden auf, für die Klausur- oder Unterrichtsvorbereitung auf Studienliteratur zugreifen zu können, die frei verfügbar ist und dabei durch die Namensnennung der Verfasser*innen und einen entsprechenden Reviewprozess zugleich einen gewissen Qualitätsstandard absichern kann. Mit der Zusammenführung unter der Initiative OpenRewi und dem Bestreben, weitere Projekte auf den Weg zu bringen, konnten zudem Wissen und Erfahrungen auf dem Weg zum Publikationsprojekt geteilt und auf diese Weise ein Austausch über Projekt- und Rechtsgebietsgrenzen hinweg ermöglicht werden.[28] Die Motivation und Begeisterung für diese neuen Publikationsmöglichkeiten führten bereits zu vielen Aufrufen für weitere Projekte, die in Veröffentlichungen für Lehrbücher zum Staatsorganisationsrecht, Völkerrecht (in englischer Sprache), Asylrecht und Strafrecht und einem Handbuch zum Informationsfreiheitsrecht – als OER im weiteren Sinne – mündeten.[29] Dabei konnten für den Austausch zwischen den Autor*innen auch die neu etablierten Zoom-Sitzungen während der Coronapandemie genutzt und für die Zwecke der sogenannten Book-Sprints eingebunden werden. Die nun notwendige Digitalität der eigenen Lehre führte damit auch zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit der veränderten Konzeption der eigenen Unterrichtspraxis und den Möglichkeiten durch OER.[30]
In den darauffolgenden Jahren sind weitere Projekte dazugekommen, die das Programm von OpenRewi über die Binnenfachgrenzen hinweg erweitert haben. Gegenwärtig sind Lehrbücher zum Vertragsrecht, zum Recht der Europäischen Union, zum Sozialrecht, zum Forschen in der Rechtswissenschaft und die Zweitauflagen der Bücher zum Verwaltungsrecht und den Grundrechten in unterschiedlichen Entstehensstadien.[31]
Schon bald nach Gründung der Initiative waren bereits mehrere Projekte in die Arbeit zur Erstellung von juristischen OER gestartet oder in dieser bereits weit vorangeschritten.[32] Das Koordinationsteam kam daher – insbesondere angesichts der auslaufenden Förderung durch die Wikimedia-Stiftung – schließlich zu dem Entschluss, einen Verein zu gründen und damit eine Verstetigung der Strukturen und Finanzierungsquellen zu ermöglichen.[33] Die Gründungsversammlung des OpenRewi e. V. fand sodann im November 2021 statt und das bisherige Koordinationsteam wurde durch einen neu gewählten Vorstand ersetzt. Dabei stand fest, dass die offene Vereinskultur insbesondere durch die Mitglieder und die bisherigen und zukünftigen Projektteams bestimmt und geprägt werden sollte.[34]
2.3 Chancen und Herausforderungen des Community-Buildings
Der Verein OpenRewi e. V. hat heute 72 Mitglieder. Die um OpenRewi herum bestehende Community aus Autor*innen, Reviewer*innen und (gegebenenfalls rückmeldunggebenden) Nutzer*innen umfasst allerdings eine Vielzahl von Personen, die zum Gelingen der Projekte beitragen und gemeinsam die Open-Science-Transformation in der Rechtswissenschaft voranbringen. So beteiligten sich im Juni 2021 – und damit ein knappes Jahr nach Gründung der Initiative – bereits über 90 Doktorand*innen, Habilitand*innen, Richter*innen und Studierende an der Erstellung der OER für die juristische Ausbildung.[35] Heute haben hunderte Personen an den OpenRewi-Projekten mitgewirkt. In dieser Community werden Open Educational Practices gelebt. Diese Praktiken bringen allerdings auch Herausforderungen mit sich, die mit zunehmender Komplexität wachsen.
2.3.1 Kommunikation
Tools und Plattformen wie Nextcloud – eine freie Software-Alternative für cloudbasiertes Bereitstellen von Daten und kollaboratives Arbeiten daran – sind für den Austausch in und zwischen den Projekten und dem Verein notwendig. Gleichzeitig müssen sich hier Nutzen und Einarbeitungsaufwand für die Einzelnen die Waage halten, um Einsteiger*innen nicht zu überfordern und alle beteiligten Personen im Prozess mitzunehmen. Gerade die Entgrenzung der Arbeitszeit (insbesondere während der Pandemie) führte in den Projekten zu mehr Stress, da nun den Kommunikationsmöglichkeiten rund um die Uhr quasi keine Grenzen mehr gesetzt waren.[36] Auch der rein digitale Aufbau von Projektteams stellt – ungeachtet der vielen Tools und Austauschmöglichkeiten – nach wie vor eine Herausforderung dar.[37] Mit der zunehmenden Vielfalt der Projekte geht auch insgesamt ein Zuwachs an kommunikativer Komplexität einher.[38] Diesen Herausforderungen versuchen Herausgeber*innen und Verein zu begegnen. Neben den vierzehntäglichen öffentlichen Vorstandssitzungen und der jährlich stattfinden Mitgliederversammlung, die regelmäßig mit Community-Events verbunden wird, sieht die Vereinssatzung eine Projektkonferenz zur Binnenkoordination der verschiedenen Publikationsprojekte vor.[39]
2.3.2 Vernetzung
Neben der Förderung der eigenen Community-Arbeit engagiert sich OpenRewi für die Vernetzung über die Grenzen von Verein und Projektteams hinweg. Dazu zählt neben der Präsenz auf verschiedenen Tagungen der rechtswissenschaftlichen Fachcommunity insbesondere auch die Ausrichtung der 5. jurOA im Oktober 2024. Unter dem Titel „Von Open Access zu Open Science: Das transformative Potenzial der Digitalisierung für eine Öffnung der Rechtswissenschaft und das Urheberrecht“ bot sich mit der Fachtagung zu Open Access und Open Science in den Rechtswissenschaften eine Möglichkeit zum Austausch zwischen Wissenschaftler*innen, Drittmittelprojekten, Verlagswesen und weiteren engagierten Personen.[40] Das Programm der Tagung zeigte dabei die Vielfalt der relevanten Themenfelder auf, die von der Bedeutung der Open-Science-Bewegung für die Rechtswissenschaft und dem damit einhergehenden Kulturwandel und notwendigen Angeboten für die Wissenschaft über urheberrechtliche Fragen für das Training von Large Language Models bis zur Vorstellung von verschiedenen Projekten im Bereich der rechtswissenschaftlichen Open Science und Publikationsinfrastrukturen sowie deren rechtssichere Finanzierung reichten.[41]
2.3.3 Werte
Neben den – enger gefassten – Vereinszwecken bedarf es für eine solche Community einer gemeinsamen Wertebasis, auf deren Grundlage die Projekte weitgehend autonom arbeiten können. OpenRewi hat daher jüngst mit Unterstützung des Projekts VEStOR[42] seine Vision und Mission explizit ausgearbeitet, um einen Rahmen für die Community-Arbeit zu bilden. Mit Vision ist dabei vereinfacht gesprochen das Idealbild des Gesellschaftsbereichs gemeint, an dem eine Organisation arbeitet, mit Mission die konkrete Tätigkeit auf dem Weg dorthin.[43]
Die Vision von OpenRewi ist demnach „eine Welt, in der in inklusiven, kooperativen Prozessen rechtswissenschaftliche Publikationen entstehen, die qualitätsgesichert, nachhaltig frei zugänglich, barrierearm und veränderbar sind.“ Zu diesem Zweck lautet die Mission:
Wir fördern OpenRewi als Community of Practice, in der rechtswissenschaftliche offene Publikationen kooperativ im Sinne der Open Definition erstellt werden. Eine leistungsfähige Infrastruktur stellt diese Publikationsprojekte mit dem Anspruch an höchste inhaltliche Qualität, Aktualität und Veränderbarkeit bereit. In den Publikationsprojekten und der Vereinsarbeit streben wir nach größter Diversität.
Der letzte Satz der Mission unterstreicht eine Besonderheit von OpenRewi: Der Initiative geht es um Openness in einem weit verstandenen Sinne, die auch den Abbau struktureller Ungleichheiten in der Rechtswissenschaft zum Ziel hat.[44] Spezifisch ist die Gleichstellung von Frauen und Männern als Förderziel satzungsmäßig festgeschrieben.[45] Zu diesem Zwecke hat OpenRewi auf seinen Mitgliederversammlungen 2023 und 2024 eine FLINTA*-Quote für Herausgeber*innen- und Autor*innenteams festgeschrieben und bekräftigt. Diese Quote wurde zudem einerseits durch Verfahrensregelungen bei der Aufnahme neuer Projekte und andererseits durch eine weiterreichende, auch andere strukturelle Diskriminierungsfaktoren einschließende Diversity-Richtlinie ergänzt. In der Regel sind OpenRewi-Projekte schon vor der verbindlichen Vereinbarung der Quote paritätisch besetzt worden; für das Fallbuch Asylrecht konnte die selbstgesetzte FLINTA*-Quote von 50 % sogar übertroffen werden und betrug 70 %.[46]
Diese Festlegungen sind im Kontext einer Rechtswissenschaft zu sehen, die weiterhin strukturell von Männern geprägt ist. So nimmt der Anteil an Frauen in der Rechtswissenschaft von Studienbeginn (55 %) bis Lebenszeitprofessur (15,88 %) kontinuierlich ab.[47] Auch im Hinblick auf Faktoren wie Migrationshintergrund und akademische Herkunft weist die Rechtswissenschaft eine überdurchschnittlich hohe soziale Geschlossenheit auf.[48]
OpenRewi versucht diese Strukturen aufzubrechen, ohne dass dies in jedem Fall – und gerade auch im Zusammenhang auf die eigene soziodemografische Zusammensetzung – gelingen würde.
2.3.4 Ressourcen
Veröffentlichungen bringen Ressourcenbedarfe mit sich, die zum Teil bereits angeschnitten worden sind: Technik und verlegerische Leistungen kosten Geld. Darüber hinaus ist aufgrund des gewachsenen Umfangs der OpenRewi-Projektlandschaft und der um OpenRewi herum entstandenen Community aus allen in vielfältiger Weise an den Projekten Beteiligten ein höherer personeller Aufwand zu verzeichnen, der sich nicht mehr (nur) ehrenamtlich bewältigen lässt. Gegenwärtig wird OpenRewi von zwei Drittmittelprojekten, „Kulturwandel in der Rechtswissenschaft“ (KidRewi) und „Vernetzung, Erweiterung, Stärkung der OER Community OpenRewi“ (VEStOR),[49] dabei unterstützt, die organisatorische, technische und edukatorische Weiterentwicklung zu bewältigen. Diese Notwendigkeit zeigt dabei auf, dass die nachhaltige Etablierung von OEP in einer strukturkonservativen Fachkultur wie der Rechtswissenschaft zumindest dauerhaft nicht einzig auf der ehrenamtlichen Mitwirkung des sich oft zudem in unsicheren Beschäftigungssituationen befindlichen Wissenschaftsprekariats beruhen kann.
3 OpenRewi und OEP
Wie wir gesehen haben, sind Offenheit in allen Facetten, Diversität, Kooperation, Nachhaltigkeit und hohe Qualität Kernwerte der Community OpenRewi. All diese Aspekte spiegeln sich in den verschiedenen Definitionen und Auffassungen von OEP wider, die eingangs aufgeführt wurden:
Die sehr enge Dimension ist nicht direkt relevant für OpenRewi, da sie auf die Verwendung von OER an Hochschulen oder ähnlichen Institutionen abzielt. Indirekt greift diese Dimension jedoch, werden die Lehr-/Lernmaterialien von OpenRewi schließlich genau für diesen Zweck erstellt.
Im Kern der engen Dimension stehen Zusammenarbeit und die gemeinsame Nutzung und Erstellung von offenen Lehr-/Lernmaterialien in geeigneten Szenarien; zwar wiederum bezogen auf Hochschulen und ähnliche Institutionen – die Kernwerte OpenRewis Kooperation und Offenheit spiegeln sich hier jedoch eindeutig.
Beim eher weiten Begriff liegt der Fokus noch stärker auf „vor allem offene[n] pädagogisch-partizipative Lernszenarien und [der] Verwendung von OER sowie [der] Verwendung von urheberrechtlich lizenziertem Unterrichtsmaterial“, wird aber eingeschränkt durch geschlossene Aspekte wie die Verwendung eines Lernmanagementsystems, das nur Angehörigen einer bestimmten Hochschule offensteht oder die Verwendung proprietärer Software. Während OpenRewi stark bemüht ist, Offenheit in allen Aspekten umzusetzen, so auch im Bereich Software, lässt sich dies nicht immer realisieren. Die Suche nach den passenden Tools für die kooperative Texterstellung war bisher nicht endgültig erfolgreich, sodass teilweise proprietäre Tools zum Einsatz kommen. Auch ließe sich diskutieren, ob sich radikale Offenheit mit der Zahlung von Book Processing Charges[50] vereinbaren lässt, oder ob nur Publikationen in Diamond-Open-Access-Verlagen[51] diesem Ziel entsprechen.
Der sehr weite Begriff schließlich, der auch Aspekte der Rahmenbedingungen und Governance einbezieht, passt mit Blick auf Mission und Vision schließlich am besten auf OpenRewi, da auch eine Transformation der Rahmenbedingungen Ziel der Initiative ist. Der Fokus auf Inklusion, Kooperation und Qualitätssicherung bei der Erstellung von OER spiegelt den weiten Begriff von OER wider. Zur Förderung einer größtmöglichen Diversität können sich an der Erstellung und Qualitätssicherung Studierende und Early Career Researchers einbringen, womit offene Lernkulturen gefördert werden.
Somit lässt sich OpenRewi nach den herangezogenen Definitionen durch zahlreiche Aspekte klar als Open Educational Practice klassifizieren.
4 Fazit
OpenRewi ist nicht nur eine Community zur Erstellung von OER, sondern hat als OEP die Transformation von Lehr- und Lernpraktiken in ihrer Disziplin zum Ziel und trägt damit dazu bei, überholte Strukturen in den Rechtswissenschaften aufzubrechen. Die Initiative ist ein Beispiel dafür, wie innerhalb von Fachkulturen in Bottom-up-Prozessen Communitys entstehen können, die erfolgreich ihre Disziplinen transformieren. In diesem Sinne kann OpenRewi nicht nur als Good Practice und Vorbild für erfolgreiche Communitys zur Erstellung von OER herangezogen werden, sondern auch für Initiativen, die danach streben, starre Strukturen in ihren Fächern zu überwinden.
Über die Autoren

Lasse Ramson

Charlotte Schneeberger

Katharina Schulz
Literaturverzeichnis
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