Zusammenfassung
Die Bibliotheca Bipontina (im Folgenden BBZ), der Zweibrücker Standort des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz (im Folgenden LBZ), verwahrt eine über Jahrhunderte genuin gewachsene fürstliche Sammlung. Mit unterschiedlichsten identitätsstiftenden Maßnahmen interessiert und bindet die Bibliothek seit Jahren erfolgreich die regionale Öffentlichkeit. Um die Wahrnehmung der alten Sammlungen als Quelle für Forschungsprojekte zu vergrößern und die Bibliotheca Bipontina im LBZ zu positionieren, wurden Kontakte zu nahegelegenen Hochschulen aufgebaut. Dieser Erfahrungsbericht schildert Aktivitäten der Bibliothek, durch welche, fachübergreifend, kulturgutbezogene Forschung intensiviert und institutionalisiert wird.
Abstract
The Bibliotheca Bipontina (BBZ) - Zweibrücken location of the Library Centre of Rhineland-Palatinate (LBZ) - hosts a genuine princely collection developed over centuries. For many years, the library has successfully organised identity-building activities to draw interest and attach the regional public to the collection. Contacts to universities in the proximity have been established to increase the visibility of old collections as resources for research projects and improve the positioning of the Bibliotheca Bipontina within the LBZ. The progress report details relevant activities the library has initiated to intensify and institutionalise interdisciplinary research on cultural properties and collections.
Dieser Artikel soll der Diskussion um Forschungsbibliotheken[1] keine weiteren Argumente in quantitativer und qualitativer Sicht hinzufügen. Er versteht sich als Erfahrungsbericht aus einer kleinen Bibliothek mit einem besonderen historischen Bestand. Ihr Ziel ist, durch intensive forschungsorientierte Aktivitäten eine spezielle Positionierung zu finden.
Geschichte der Bibliotheca Bipontina
Seit 2004 ist die Bibliotheca Bipontina der kleinste, aber älteste Standort des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1549 gründete der Pfalz-Zweibrücker Herzog Wolfgang (1526-1569) im Zweibrücken nahegelegenen, säkularisierten Benediktinerkloster Hornbach ein Gymnasium, in dem der akademische Nachwuchs gemäß des vom Landesherrn eingeführten Luthertums sozialisiert werden sollte. Rund 900 Bände umfasste die Gymnasialbibliothek, eine der Wurzeln des heutigen Bestandes der BBZ.
Als Pfalzgrafen und potentielle Erben der Kurpfalz wie auch Bayerns, war die Pfalz-Zweibrücker Nebenline der Wittelsbacher von nicht geringer Bedeutung im Deutschen Reich. Die Residenzstadt Zweibrücken verfügte seit dem gelehrten Nachfolger Herzog Wolfgangs, Johann I. (1550-1604), über eine namhafte Fürstenbibliothek, die allerdings teilweise im Dreißigjährigen Krieg und endgültig 1677 in den Reunionskriegen fast vollständig verloren ging.
Neben der Zweibrücker Hauptlinie entstanden nach dem Tod Herzog Wolfgangs durch Erbteilung unter seinen Söhnen fünf kleine Fürstentümer. Der jüngste Sohn, Pfalzgraf Karl von Pfalz-Birkenfeld (1560-1600), begründete in der Hinteren Grafschaft Sponheim mit der Residenz in Birkenfeld die kleine Wittelsbacher Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld. Sie wurde für den heutigen historischen Bestand der BBZ von zentraler Bedeutung, als diese im 18. Jahrhundert an die Stelle der inzwischen ausgestorbenen Zweibrücker Hauptline trat. Die Erben des Pfalzgrafen Karl bauten ihre Residenz Zweibrücken zu einem barocken Gesamtkunstwerk aus. Hier stand die herzogliche Bibliothek, die beträchtlich erweiterte ursprünglich Birkenfelder Sammlung, auch der Bevölkerung zur Benutzung zur Verfügung. Das ehemals Hornbacher humanistische Gymnasium wurde einschließlich seiner Schulbibliothek ausgebaut und erhielt eine zentrale Bedeutung für das Bildungswesen des Herzogtums. Unter dem ersten bayerischen König Maximilian I. (1766-1825), einem Pfalz-Zweibrücker Herzog, bekam das nun „Königliche Gymnasium‘“ 1816 die in der Französischen Revolution gerettete herzogliche Bibliothek zugewiesen. Von den ursprünglich betreuten Sammlungen, Schul- und herzoglicher Bibliothek sowie einer großzügigen gründerzeitlichen öffentlichen Bibliothek, wurde nur der fürstliche Altbestand durch Auslagerung vor der Zerstörung Zweibrückens (14. März 1945) gerettet. Nach dem Krieg erfolgte ein Wiederaufbau; die Bibliothek war im humanistisch geprägten Herzog-Wolfgang-Gymnasium beheimatet. 1988 wurde die BBZ mit Schließung dieses ältesten protestantischen Gymnasiums der Pfalz eine selbständige kleine Universalbibliothek des Landes Rheinland-Pfalz, der die Literaturversorgung der Zweibrücker Öffentlichkeit oblag und Forschenden die für die Region identitätsstiftenden alten Sammlungen vermitteln sollte. Untergebracht ist sie seit 1981 im gemeinsamen Bau von Herzog-Wolfgang- und Helmholtz-Gymnasium in Zweibrücken, ohne eine „klassische Schulbibliothek“ zu sein.
Im Zentrum dieser Sammlungen steht die 2015 in die Liste der schutzwürdigen nationalen Kulturgüter aufgenommene sogenannte „Gründungsbibliothek“ Pfalzgraf Karls, heute rund 850 Bände mit etwa 1.600 Titeln. Bei dieser planmäßig als „Rüstkammer“ des lutherischen Glaubens[2] aufgebauten Sammlung[3] handelt es sich um eine im 16. Jahrhundert bereits bedingt zugängliche Arbeitsbibliothek mit zahlreichen Zimelien. Die zu etwa einem Drittel theologische Sammlung spiegelt die Person, Sozialisation und Interessen ihres Eigentümers durch seine Eintragungen des Inventarisierungsdatums seit seinem siebten Lebensjahr und zahlreichen persönlichen Kommentaren wider. Ein Nachlasskatalog aus dem Jahr 1602 gibt Zeugnis von der vollständigen Sammlung, die noch etwa zu 80 Prozent überliefert ist. Die Bibliothek wurde von Pfalzgraf Karls Nachfolgern genuin erweitert.
Der historische Bestand der BBZ ist als Sammlung mehrerer Generationen eines Herrscherhauses Spiegel einzelner Persönlichkeiten, mit all ihren Interessen wie auch Zeugnis sowohl der (Regional-)Geschichte als auch Geistes- und Buchgeschichte, also potentielles Objekt für Forschungen unterschiedlichster Disziplinen.
Die „Sichtbarmachung“[4] der Altbestände der Bibliotheca Bipontina
Akzeptanz und Wahrnehmung vor allem in der Öffentlichkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung jeder Art von Forschungsaktivitäten in einer Bibliothek mit der Doppelfunktion von regionaler Literaturversorgung primär mit einem Neubestand und der Betreuung eines historischen Bestandes. Die Werbung um diese Aufmerksamkeit erfolgt durch gezielte Marketingaktionen.
Bereits seit dem Jahr 1985 erfolgten zahlreiche Maßnahmen, um den historischen Bestand im Sinne der DVB-Empfehlungen[5] sichtbar werden zu lassen. Das Hauptziel war dabei vor allem, für dieses regional verwurzelte Kulturgut in der breiteren Öffentlichkeit der Region Interesse zu wecken und seine identitätsstiftende Funktion bewusst zu machen. Die Kenntnis von der damaligen BBZ war im örtlichen Bürgertum trotz einzelner von Lehrern konzipierter Ausstellungen selbst im Gymnasium auf jene Neubestände fokussiert, die zur (Weiter-) Bildung dienten. Für das Gros der Bevölkerung war die BBZ nichts als die Schulbibliothek eines elitären Gymnasiums.
Die folgende Übersicht ausgewählter Beispiele illustriert, dass trotz des sehr begrenzten Personals (zurzeit je eine Vollzeitstelle E 13 und E 8 und eine Hilfskraft mit zehn Wochenstunden; früher zusätzlich eine Vollzeitstelle im gehobenen Dienst) und geringer finanzieller Mittel (zurzeit 950 Euro jährlich für alle Formen der Öffentlichkeitsarbeit), selbst in sehr kleinen Institutionen viele Möglichkeiten bestehen, für besondere Sammlungen Interesse zu wecken und die Öffentlichkeit zur Teilnahme an dem ihre Identität begründenden regionalen Kulturgut zu aktivieren. Bei knappen personellen Ressourcen stellt sich als besonderes Problem die Ansprache und Einbindung diverser Bevölkerungsgruppen, da bei aller Werbung um Kulturgut-Interessierte das „Tagesgeschäft“, die Gewinnung und Versorgung potentieller Kunden neuer Bestände, Vorrang hat.
Wichtig für die BBZ war immer eine intensive Vernetzung in Zweibrücken und der Region, vorrangig eine aktive Zusammenarbeit mit städtischen Institutionen. Mit der Stadtbibliothek und dem Stadtmuseum werden deshalb nicht nur Leihgaben ausgetauscht, sondern auch gemeinsame Ausstellungen (z. B. zum Reformator Johann Schwebel oder der Geschichte des Kinderbuches) veranstaltet. Museum, Bücherei und BBZ sind gemeinsam Veranstalter von Vorträgen und Lesungen. Die „Zweibrücker Bibliotheken“, Hochschulbibliothek, Stadtbücherei und BBZ, werben mit gemeinsamem Logo, Infoflyer, Imagefilm und Programm (Lesungen, Lesewettbewerben, „Langen Nächten“) für ihre Informationsangebote. Altbestandsführungen und Schulungen zur Bibliotheksbenutzung im Rahmen des Volkshochschulangebots sind selbstverständlich, ebenso die Beteiligung am Programm städtischer Jubiläen. Darüber hinaus verwaltet die BBZ mit entsprechender Kundenbindung als Dauerleihgabe die Bibliotheken des Historischen Vereins, der Zweibrücker Sektion der Pollichia sowie der Rosenfreunde.
Ein besonderes Anliegen war in der BBZ bereits vor der Einrichtung einer zentralen Pressestelle des LBZ der enge Kontakt mit der regionalen Presse und den Medien. Hierdurch werden nicht nur alle ihre Veranstaltungen ausführlich gewürdigt, sondern täglich Öffnungszeiten und Ausstellungsthemen gemeldet und auch eigene Themenreihen, z. B. über besondere Einzelstücke, Spenden, Restaurierungsmaßnahmen, veröffentlicht. Der „Zweibrücker Offene Kanal“ filmt jede Veranstaltung der BBZ und stellt über die gesendete Kurzform hinaus der Bibliothek eine Langversion zur Verfügung. So entstand eine fast lückenlose Dokumentation aller Veranstaltungen. Bereits seit dem 19. Jahrhundert ist eine Erwähnung der BBZ in Stadt- und Reiseführern über Zweibrücken wie auch in Imagebroschüren der Stadt und auf der örtlichen Website selbstverständlich. Die BBZ ist fester Bestandteil von Stadtführungen, wird durch eine Stele im örtlichen Stadtrundgang gewürdigt und von der Stadt mit einer eigenen Themenführung beworben.
Um repräsentative Stücke des historischen Bestandes möglichst überregional bekannt zu machen, konnten ab 1985 unterschiedliche Spender aus der Wirtschaft gewonnen werden, die Motive des Altbestandes auf wertvollem Papier und großformatig als eigene repräsentative Weihnachtskarten drucken ließen. Ein Teil der Drucke wurde der BBZ zum Verkauf überlassen. Inzwischen nutzt das gesamte LBZ diese Multiplikations- und Erinnerungsfunktion. Daneben veröffentlichte die BBZ Lesezeichen, wozu sich als Motive besonders Buchrücken und Goldschnitte anbieten, machte Wertvolles über einen eigenen Kalender publik und informiert in einem kulturgutbezogenen Flyer. Plakate hauseigener Ausstellungen sind gern gekaufte Erinnerungsstücke.
Mindestens zwei Ausstellungen sowie vier Vorträge bietet die BBZ jährlich an, bei denen es sich aus Gründen ihrer „Sichtbarwerdung“ fast ausschließlich um Präsentationen des eigenen Bestandes handelt. Bei Ausstellungen, die von außerhalb des LBZ konzipiert sind, ist stets der Bibliotheksbezug gewahrt oder bibliothekseigene Objekte werden z. B. Werken Zweibrücker Künstler ergänzend hinzugefügt. Die selbst konzipierten Ausstellungen präsentieren Themenschwerpunkte einzelner Sammlungssegmente (z. B. Schöpfungsdarstellungen in Lutherbibeln oder Pferdedarstellungen aus der hippologischen Sammlung), veranschaulichen regionalgeschichtlich Relevantes (Teilnehmer an der Hambacher Bewegung im Humanistischen Gymnasium, Schultheater im 16. Jahrhundert, Mennoniten im Herzogtum Zweibrücken) oder belegen Themen der Buchkunst (z. B. Einbände, Vorsatzpapiere, Initialen, Goldschnitt) mit exemplarischen Bestandsbeispielen. Die Weitergabe nicht nur einzelner Leihgaben, sondern auch vollständiger eigener Ausstellungen (z. B. Präsentation einer Ausstellung über die Entwicklung der Schrift im Forum der Saarbrücker Universitätsbibliothek, 2002) machen die Zweibrücker Bestände überregional bekannt. Alter und thematische Vielfalt der historischen Bestände der BBZ ermöglichen immer neue Ausstellungsthemen, vorzugsweise publikumswirksam bezogen auf den regionalen Kontext oder städtische Jubiläen (z. B. Stadtjubiläum: Stammbaum der Zweibrücker Wittelsbacher im Spiegel ihrer Bücher).
Die Ressourcen der Bibliothek erlauben keine Herstellung größerer Kataloge. Als Handouts werden jedoch ausführliche Vitrinenerläuterungen angeboten oder auch - wie erstmals im Jahr 2017 - Begleitbroschüren. Bereits im Jahr 2000 zeigte die BBZ auf der eigenen Website ihre erste virtuelle Ausstellung über Pfalzgraf Karl. Öffentliche Führungen durch aktuelle Ausstellungen oder den historischen Bestand sind gut frequentiert. Die Bibliotheksleitung kann dabei gezielt Kontakt zu Interessierten aufbauen. Zu persönlichen Jubiläen wird von Bürgern der Stadt gerne die Gelegenheit wahrgenommen, mit Gästen eine Altbestandsführung zu erleben. Als Geschenk wünscht sich der Gefeierte Spenden, um die Buchpatenschaft für einen Band übernehmen zu können.
Über einführende Vorträge anlässlich der Vernissagen hinaus, bietet die BBZ auch Rahmenprogrammvorträge zu den Ausstellungen zum jeweiligen Thema an. Anlässlich des 450. Jubiläums des BBZ referierten ehemalige Schüler des humanistischen Gymnasiums in ihrer früheren Schulbibliothek über ihre Interessengebiete. Durch die Gewinnung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, in diesem Fall von Staatssekretär Prof. Dr. Siegfried Englert, die möglichst ihre Verbundenheit mit der Bibliothek zeigen, erfolgt eine öffentlich wirksame Testimonial-Werbung.
Besonderes Interesse finden in der Öffentlichkeit buchhistorische Vorträge dann, wenn sie auf den örtlichen historischen Bestand Bezug nehmen. Eine eigens hierfür konzipierte Reihe „Zum Begreifen nahe“ macht in loser Folge jeweils mit einem besonderen seltenen Stück der BBZ bekannt, ein arbeitsintensives Angebot, das allerdings durch die Nähe zum präsentierten Objekt für den Wert der Sammlung wirbt, weiterführende Beschäftigung auslöst und benutzerbindend wirkt.
Zur Unterstützung möglichst früher „Bibliotheks-Sozialisation“ auch angesichts wertvoller Bestände, werden Ausstellungen zusammen mit Schülern konzipiert und die gewonnenen Kompetenzen in Facharbeiten dokumentiert. Ein Pool von Facharbeitsthemen, die eine Beziehung zur BBZ haben, wurde für Interessierte erarbeitet. Für Anfangsklassen wurden mit der Schulbibliothek im Rahmen von Lesenächten abendliche Führungen veranstaltet, die den neu Eingeschulten nicht nur die Schwellenangst vor der Bibliothek nehmen, sondern durch eine solche „Abenteuer-Führung“ die Wahrnehmung für besondere Werte wecken.
Aktivitäten für und mit Forschung und Lehre
Charakteristika, die der Forschungsbibliothek in einschlägigen Publikationen zugesprochen werden[6], treffen auf die BBZ nur bedingt zu. Ein „Laboratorium“ für Forschende[7] zu sein erlauben weder die räumliche Ausstattung noch die Größe des Bestandes. Zwar konzentriert sich die Akzession des Zweibrücker Standortes des LBZ vorwiegend auf Erwerbungen von Publikationen mit direktem thematischen Bezug zum Altbestand, doch selbst die schnelle Verfügbarkeit von zusätzlicher Literatur aus den beiden anderen Standorten befriedigt die in der Fachliteratur postulierten Anforderungen nicht. Der historische Bestand wird als abgeschlossen betrachtet. Antiquarische Erwerbungen gelten nur fehlenden alten Zweibrücker Drucken.
Als Manko ist die augenblickliche Erschließungssituation anzuführen, die heutigen Anforderungen nach nur für einen Teil der historischen Sammlung entspricht. Die Frequenz wissenschaftlicher Nachfragen bezüglich des Altbestandes der BBZ, die zu Zeiten seines vollständigen Nachweises im Zentralkatalog des Südwestdeutschen Datenverbundes bemerkenswert war, ging stark zurück, weil bisher nur die sogenannte „Gründungsbibliothek“ fast vollständig in heute gebräuchlichen überregional zugänglichen EDV-Katalogen recherchierbar ist und aufgrund eines technischen Problems der Image-Katalog des vollständigen Altbestandes nicht mehr zur Verfügung stehen kann. Bei neu erstellten Katalogisaten erfolgt eine möglichst tiefe Erschließung mit sammlungsspezifischen Zusatzinformationen wie Provenienzen und Widmungen.
Forschende sind heute noch auf Recherchen vor Ort angewiesen, treffen hier aber auf eine gute Erschließungssituation. Historische Kataloge verzeichnen die einzelnen Sammlungsteile (1602, 1622, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert), handschriftliche Provenienz- und Einbandkataloge sind ebenso vorhanden wie Register von Druckern, Motiven und Eigentümern von Supralibros und Einbandverzierungen. Vordringlich wichtig ist daher für die nahe Zukunft eine zeitgemäße Erschließung der wertvollen Bestände.
Nicht allein wegen besonders schutzwürdiger unikaler Einbände und des Zustandes der Bestände existieren bisher nur relativ wenige Digitalisate, präsentiert über das vom LBZ aufgebaute und betreute Bibliotheks-Portal „dilibri“ (http://www.dilibri.de). Die für ein Projekt der DFG (2011) verifizierte bemerkenswerte Zahl unikaler regionalspezifischer Exemplare konnte nicht digitalisiert werden, weil der zeitliche Projektrahmen seinerzeit überschritten war.
Hinsichtlich ihrer einschlägigen Aktivitäten, mit denen sich die BBZ in den letzten Jahren durch ihr Kulturgut im LBZ sehr aktiv positioniert, zeigt sich dieser kleine Standort durchaus als besonders forschungsorientierte Einrichtung[8], in welcher der Forschungsförderung ein zentraler Stellenwert zukommt. Ziel der Maßnahmen ist es, durch die Zusammenarbeit mit Forschung und Lehre neue Benutzerkreise zu erschließen[9] und so einen neuen Ansatz zur Sichtbarmachung des Zweibrücker Kulturguts überregional und in der Wissenschaft zu finden.
Im Rahmen eines von Lehramtsstudierenden der Universität des Saarlandes geleiteten Projektes des Helmholz-Gymnasiums wurde 2011 die BBZ für den Fachbereich Mediävistik und ältere Deutsche Philologie zum ersten Mal „sichtbar“ und auch bald zum eigenen Forschungsobjekt. In engster Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Nine Miedema kam es in den letzten Jahren zu folgenden gemeinsamen forschungsorientierten Unternehmungen, die auf weitere Fachbereiche übertragen wurden:
Ganztägige Exkursionen im Rahmen von Seminaren zur deutschen Literaturgeschichte in die BBZ mit Einführung in ihre Sammlungsgeschichte, Vorstellung möglicher Arbeitsobjekte, gruppenweiser Begutachtung ausgewählter Handschriften und Drucke sowie der Ergebnispräsentation sind Teil der forschungsorientierten Zusammenarbeit. Ziel ist das oft erste Kennenlernen eines historischen Bestandes und die Vermittlung grundsätzlicher Kompetenzen im Umgang mit älteren Beständen. Hier wie auch bei allen sonstigen Arbeiten mit Forschenden kommen stets die Beachtung strenger bestandserhaltender Anforderungen sowie die Sensibilisierung für den Wert des präsentierten Kulturgutes eine zentrale Rolle zu.
Nach der Wahrnehmung der BBZ als Quelle für eigene weiterführende Forschungen werden von der Bibliothek Einzelgespräche angeboten. Die profunde Kenntnis des eigenen Bestandes selbst wissenschaftlich tätiger Bibliothekare bietet die Möglichkeit, das Interesse auf wichtige Forschungsdesiderate der Sammlung zu lenken, z. B. bisher unbearbeitete Handschriften zu erforschen oder Sammlungszusammenhänge zu klären. Aus dieser zwar personalbindenden, aber für beide Seiten fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Forschenden entstanden inzwischen Master- und Promotionsarbeiten. Diese erklären nicht nur Aspekte der Zweibrücker Sammlung in ihrer Bedeutung, sondern machen durch Publikationen die BBZ als lohnende Forschungsquelle bekannt.
Während von Bibliothekaren übernommene Lehraufträge zumeist propädeutische Kenntnisse im universitären Raum, fern ab bibliothekarischer Realität vermitteln, wurden in der BBZ Einführungen von der Leitung als Blockveranstaltungen in der Bibliothek selbst durchgeführt. Unter strenger Wahrung konservatorischer Gegebenheiten war es möglich, dass Studierende Referate zur Buchwissenschaft mit Beispielen aus dem historischen Bestand belegten. Die zusätzliche Präsentation der Ergebnisse als Ausstellung motivierte und vermittelte den Studierenden erste Kompetenzen im Ausstellungswesen. Durch positive Presseberichte wurde die Ausstellung publik und die Öffentlichkeit auf die Forschungsaktivitäten der BBZ aufmerksam gemacht. Zur Einbindung weiterer Fachrichtungen bot ein Mitarbeiter für Studierende der neueren Geschichte in Saarbrücken eine Übung zur Zweibrücker Geschichte an, die auf Quellen der BBZ basierte. Zentraler Bestandteil war auch hier die Information vor Ort. Alle Forschungsergebnisse über die historischen Bestände werden in der Bibliothek sorgfältig archiviert.
Im Zusammenhang mit forschungsorientierten Tätigkeiten der BBZ stehen Praktika, für die von der Bibliothek vorgegebene, eigenständige Forschungsaufgaben auf der Basis des historischen Bestandes zu erledigen sind. Gewählt werden solche Themen, die als Vorbereitung für eine bestandsgebundene Ausstellung verwertet werden können, oder aber selbst zu einer eigenen Präsentation führen. Ausgehend von Editionsansätzen zu einem Tagebuch des Zweibrücker Gymnasialrektors Dr. Hans Stich im Seminar „Editionswissenschaft“ entstand so eine Ausstellung, welche die Probleme der Edition eines Textes visualisierte und zudem den persönlichen und historischen Entstehungskontext des in der BBZ bewahrten Schriftstückes zeigte.
Eine spezielle Veranstaltungsreihe mit dem marketingorientierten Titel „Ergebnisse aus der Forschungsbibliothek“ gibt Forschenden die Möglichkeit, ihre Ergebnisse über den Zweibrücker Bestand vorzustellen. Forschungsorientierte Aktivitäten der Bibliothek werden damit in der Öffentlichkeit sichtbar.
Der Aufbau möglichst weitgefächerter Verbindungen zu wissenschaftlichen Einrichtungen ist personalintensiv und personenabhängig. Die BBZ steht mit der aktiven Zusammenarbeit mit drei Fachbereichen der Universität des Saarlandes und dem Fachbereich Informatik mit Mikrosystemtechnik (IMST) der Hochschule Kaiserslautern, der die Bestände der BBZ u. a. zur Produktion von Filmen nutzte und Marketingmöglichkeiten für Bibliotheken erarbeitete, noch ganz am Anfang des Aufbaus eines „Forschungsnetzwerks“.
Um eine möglichst personenunabhängige, kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Universität zu gewährleisten, sind hierüber offizielle Vereinbarungen notwendig, die zu einer Institutionalisierung des Miteinanders führen, wie dies bereits mit der Hochschule Kaiserslautern erfolgt ist und mit der Universität des Saarlandes angestrebt wird.
Fazit
Grundsätzlich ist jeder (Bibliotheks-)Bestand zugleich Medium und Objekt für und von Forschung. Die regionale Bindung von Landesbibliotheken oder von diesen eigenen speziellen Sammlungen steigern ihre Bedeutung als Forschungsgegenstand. Sie haben die Aufgabe, kulturelles (regionales) Erbe zu bewahren und zu vermitteln.
Innerhalb des Gesamtbestandes des LBZ ist es denkbar, die Bedeutung eigener spezieller Sammlungen durch besondere forschungsaffine Tätigkeiten zu erhöhen. Diese bieten über wichtige primäre bibliothekarische Aufgaben wie Informationsvermittlung, Sprach- und Leseförderung hinaus die Möglichkeit der Schulung von Bildungs- bzw. Forschungskompetenz. Nicht nur bei Schülerinnen und Schülern, sondern auch bei Studierenden und Forschenden wird durch den Umgang mit besonderen, meist alten Texten das diesen inhärente Wissen vermittelt und praktisch zu erforschen geübt. Ziel ist die Förderung der Allgemeinbildung durch das Erarbeiten der jeweiligen Entstehungskontexte sowie die Sensibilisierung für unser kulturelles Erbe und seine Wertschätzung.
Bedingung für solche forschungsintensive Arbeit mit als Forschungsobjekt definierten Bestandssegmenten ist deren vollständige Erschließung (Retrokonversion) und die Benutzbarkeit unter konservatorischen Gesichtspunkten. Bestandserhaltende sowie Restaurierungs-Maßnahmen können hierzu notwendig werden.
Um über das gängige Maß von Benutzung hinaus besondere Teile eines Bestandes für die Forschung interessant zu machen, sind u. a. umfängliche öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wie Pressearbeit, auch in Fachpublikationsorganen, sowie eine rege Netzwerktätigkeit mit Forschungseinrichtungen, den potentiellen Adressaten, notwendig. Je diverser der zur Verfügung stehende Bestandsaufbau ist, umso größer kann die Vielfalt der anzubietenden erforschbaren Themen auch im Hinblick auf Adressaten aus verschiedensten Fachrichtungen sein.
Den Betreuern der Sammlungen obliegt es nicht nur, den Fokus auf das zu erforschende Potential einer Sammlung zu richten, sondern auch bibliothekarisches und sammlungsspezifisches Wissen zu vermitteln sowie beratend und betreuend hinsichtlich spezieller Forschungsprojekte tätig zu sein. Den Forschungsbestand erschließende Spezialliteratur sollte die Bibliothek vorhalten.
Die im direkten Bezug auf den jeweiligen Bestand entstandenen Ergebnisse sind zu sammeln und zu dokumentieren. Spezialforschungen sind in Bezug auf den Gesamtkontext des Forschungsbestandes hin zu werten und aufzuarbeiten.
Für das gesamte Bibliothekssystem bedeutet eine solche Forschungstätigkeit nicht nur den Gewinn an qualifizierten Benutzern, die hinsichtlich der Bedeutung des Bestandes zu Multiplikatoren werden können. Für Forschende und das Bibliothekssystem entsteht durch die Definition einzelner Sammlungsteile als Forschungsgegenstand eine Win-Win-Situation: Die Nutzenden gewinnen nicht nur Bildungs- und Forschungskompetenz, sondern haben die Chance, in einem fachkompetenten Umfeld Forschungsvorhaben zu häufig bisher nicht bekannten Themen bearbeiten zu können (s. z. B. Editionen von unikalen Handschriften, Fragmenten und Drucken).
Zusätzlich zum Prestigegewinn und der wachsenden Benutzung und Publizität ausgewiesener Sammlungssteile wird der bibliothekseigene Bestand wissenschaftlich bearbeitet, im besten Fall publiziert und in seiner Kulturgutfunktion bestätigt. Durch Themenvorschläge verantwortlicher Bibliothekare kann es hierbei idealerweise zu Priorisierungen kommen, die bisher ungeklärte Zusammenhänge der Bestandsgeschichte erklären helfen und exponierte Teile im Gesamtkontext erhellen.
Nicht vergessen werden sollte zudem, dass durch die Arbeit mit Studierenden fähiges und motiviertes Bibliothekspersonal gewonnen werden kann, das noch in engem Kontakt zu Forschungseinrichtungen steht.
Klaus Ceynowa charakterisiert die Forschungsbibliothek als „Zumutung“[10]. Für die BBZ hat sich persönliches und personelles Engagement allerdings gelohnt, um sich erfolgreich neue Kundenkreise und Aktionsfelder zu erschließen und sich im LBZ zu positionieren.
About the author

Dr. Sigrid Hubert-Reichling
Article Note
Dr. Sigrid Hubert-Reichling (Bibliotheksoberrätin i.R.), Germanistin und Politologin, von 1985 bis 2018 Leiterin der Bibliotheca Bipontina (seit 2004 Standort des LBZ).
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- Aus den Verbänden
- Gütesiegel Buchkindergarten zeichnet Engagement für frühkindliche Leseförderung aus
- Förderprojekt „Total Digital!“ - neue Antragsfristen 2019
- Tagungsberichte
- Mit MALIS Zukunft gestalten - Konzepte und Strategien für die bibliothekarische Praxis
- Der 10. Bremer eBook-Tag
- Themen
- Geschichte lebendig werden lassen
- Maßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit des wissenschaftlichen Outputs
- Konfliktdiagnostik vor Konfliktbearbeitung
- Notizen und Kurzbeiträge
- 15 Millionen Bilder für die Ewigkeit
- Termine
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- Frontmatter
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- Aus den Verbänden
- Gütesiegel Buchkindergarten zeichnet Engagement für frühkindliche Leseförderung aus
- Förderprojekt „Total Digital!“ - neue Antragsfristen 2019
- Tagungsberichte
- Mit MALIS Zukunft gestalten - Konzepte und Strategien für die bibliothekarische Praxis
- Der 10. Bremer eBook-Tag
- Themen
- Geschichte lebendig werden lassen
- Maßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit des wissenschaftlichen Outputs
- Konfliktdiagnostik vor Konfliktbearbeitung
- Notizen und Kurzbeiträge
- 15 Millionen Bilder für die Ewigkeit
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