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Qui sacra impia nocturnave, ut quem obcantarent defigerent obligarent, fecerint

Zu Motiv und Funktion von Fluchtafeln gegen Diebe aus Sicht des römischen Rechts
  • Martin Pennitz
Published/Copyright: November 18, 2024
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1 Einleitung

An der wissenschaftlichen Diskussion über Fluchtafeln, die in den letzten Jahren unter Althistorikern, klassischen Philologen oder Theologen sehr intensiv geführt wird,[1] haben sich Rechtshistoriker erstaunlicherweise kaum beteiligt: So fehlt etwa im Oxford Handbook of Roman Law and Society, obwohl das Werk einen Abschnitt über Epigraphy enthält, jeglicher Hinweis auf curse tablets.[2] Aber auch in einschlägigen Fachbeiträgen dient die Bezugnahme auf eine defixio in erster Linie als anschauliches Beispiel aus der Praxis, um letztlich andere Themen zu vertiefen, etwa die Rechtslage bei Badeanstalten und bezüglich der darin verübten Delikte.[3] Das Fehlen einer neueren, eingehenden Auseinandersetzung mit solchen Quellen von juristischer Seite überrascht umso mehr,[4] als bei einer Vielzahl von Fluchtafeln auffällt, dass römisch-rechtliche Fachtermini eine erstaunlich präzise Anwendung finden, wobei die uns überlieferten Texte noch dazu zum Teil in kanzleiartigem Stil abgefasst erscheinen.[5] Das belegt etwa ein Tempelfund aus Uley, Großbritannien, aus dem Jahr 1978, der auf einen Zeitraum vom 2. bis 4. Jh. n. Chr. zu datieren ist.[6]

Commonitorium deo / {{Marti Silvano}} Mercurio a Satur/nina muliere de lintea/mine quod amisit ut il/le qui ho[c] circumvenit non / ante laxetur nis{s}i quando / res s(upra){s(criptas)}dictas ad fanum s(upra){s(criptum)}d[ic]/tum attul[e]rit si vir si [m]u/lier si servus s[i] liber // deo s(upra){s(cripto)}dicto tertiam / partem [d]onat ita ut / ex{s}igat istas res quae s(upra)s(crip)taesunt / ac {a} quae perd(id)it deo Silvano / tertia pars donatur ita ut / hoc ex{s}igat si vir si femina si serv/us si liber …

Ein Erinnerungsschreiben an den Gott [Mars Silvanus] Merkur von Frau Saturnina bezüglich der Wäsche aus Leinen, die sie eingebüßt hat, damit demjenigen, der sie darum betrogen hat, nicht früher Ruhe gewährt wird, als dann, wenn er die oben genannten Objekte zum oben genannten Heiligtum hingebracht haben wird, sei es Mann oder Frau, sei es Sklave oder Freier. Sie überlässt (schenkt) dem oben genannten Gott ein Drittel derart, dass er diese Objekte einklagt/eintreibt, die oben beschrieben wurden, und was immer sie verloren hat. Dem Gott Silvanus wird ein Drittel überlassen (geschenkt), so dass er das einklagt/eintreibt, sei es Mann oder Frau, sei es Sklave oder Freier …

Hier richtet eine Frau namens Saturnina, wohl weil ihr erster Versuch nicht zum erwünschten Ergebnis geführt hat, ein Erinnerungs- bzw. Aufforderungsschreiben (commoratorium) an den Gott Merkur. Sie verweist darin erneut auf den Verlust (ammittere) ihrer Leinenstoffe, um die sie betrogen wurde (circumvenire), und überlässt (donare) dem Gott ein Drittel des durch Delikt verloren gegangenen (perdere), bereits zuvor angeführten (supra-dictum/-scriptum) Gutes. Die Bittstellerin beteiligt die Gottheit also am Erfolg des Verfahrens, damit diese endlich tätig wird und die geschuldeten Objekte beim anonymen Täter eintreibt (exigere). Zudem setzt Saturnina nun offenbar dem Gott Silvanus, der mit Mars in Verbindung gebracht wird (s. Cato agr. 82), ein weiteres Drittel des Diebsguts aus, damit auch er sich der Suche und der Verfolgung des Täters anschließt.[7]

Im Folgenden soll nun aus der Sicht des römischen Rechts auf das weit verbreitete Phänomen der Verfluchungspraxis eingegangen werden, wobei es an dieser Stelle sinnvoll erscheint, sich auf eine bestimmte Gruppe von Belegen zu konzentrieren: Im Mittelpunkt des Beitrags werden – wie schon der erste Text andeutet – Fluchtafeln stehen, die sich in lateinischer Sprache gegen Diebe richten und die auf die Prinzipatszeit zu datieren sind, da auch das Gros der einschlägigen, lateinisch abgefassten Entscheidungen der sog. klassischen Jurisprudenz aus dieser Periode stammt.[8] Die ältere Lehre bezeichnet solche Verwünschungen als defixiones in fures,[9] und grenzt sie – anhand ihres sozialen Kontexts – von anderen Fluchtafeln ab, die auf erotische Eroberung abzielen, sich gegen Konkurrenten in Wettkampf oder Wirtschaft bzw. gegen Prozessgegner richten. Gemäß der neueren Literatur[10] hat man jene Texte, die auf verübte Diebstahlsdelikte reagieren, hingegen dem deutlich weiter gefassten Begriff[11] der sog. Gebete für Gerechtigkeit (prayers for justice) zu unterstellen, die von den Bindezaubern als eigenständige Kategorie abzugrenzen seien.[12]

Obwohl sich viele Fluchtafeln derartigen Klassifizierungen entziehen, sei es weil sie nur Namen oder Zauberworte beinhalten, oder weil sich die uns überlieferten Texte angesichts ihrer individuellen Ausgestaltung nicht klar in eine derartige Dichotomie einfügen (border area curses),[13] werden doch signifikante Kriterien für eine idealtypische Abgrenzung von prayers for justice und sonstigen defixiones hervorgehoben; sie sollen im Sinn eines Modells die Endpunkte eines Spektrums hybrider Formen charakterisieren:[14] Besonders angeführt wird dabei zum einen die unterwürfige Sprache der Verfasser, die sich zumeist namentlich zu erkennen geben und sich bittend an anerkannte Götter wenden, anstatt anonym eine Bindung der Verfluchten durch Unterweltdämonen ins Auge zu fassen. Zum anderen stellten solche Gebete für Gerechtigkeit eine Reaktion auf subjektiv empfundenes Unrecht dar, sie beziehen sich insofern auf Vergangenes, wobei die explizite Bezugnahme hierauf zugleich als Rechtfertigungsgrund dient, während defixiones i. e.S. auf die Zukunft gerichtet seien und das Opfer mit Hilfe des vollzogenen magischen Rituals beeinträchtigen (neutralisieren) oder lenken wollen.[15] Aus juristischer Sicht enthält allerdings das zuletzt genannte Kriterium für die defixiones in fures einen darüber hinausweisenden Aspekt: Bei ihnen berufen sich Betroffene nämlich auf ein von ihnen – eben im objektiven Sinn – erlittenes Delikt, nämlich furtum (Diebstahl), das sich (rein theoretisch) auch im Prozessweg verfolgen ließe. Dennoch behilft sich das Tatopfer hier – gestützt auf das zugleich vollzogene „magische“ Ritual[16] – mit einer Fluchtafel gegen den Täter.

2 Zwei Ausgangsfragen

1. Diese abschließende Feststellung führt zu zwei Fragen, die auch in der bestehenden Literatur bereits thematisiert wurden: In einem ersten Schritt bleibt zu überlegen, warum sich Bestohlene statt des Prozesses überhaupt für ein derartiges Vorgehen mittels defixio entscheiden.[17] In vielen Fällen liegt das wohl daran, dass die Einleitung eines römischen Zivilprozesses vom Tatopfer initiiert werden muss, was bis auf die XII-Tafel-Zeit zurückgeht: Als potentieller Kläger hat man den Prozessgegner in einem privaten Akt zu laden (in ius vocare) und ihm dann in entwickelter Zeit, also im Zuge des später etablierten Formularprozesses, noch zusätzlich die beabsichtigte Klage sowie die im Verfahren heranzuziehenden Beweismittel anzukündigen,[18] wie etwa der spätklassische Jurist Ulpian ausführt.

Ulpianus (4 ad edictum) D. 2.13.1 pr. und 3.

Quisque actione agere volet, eam edere debet: nam aequissimum videtur …, ut proinde sciat reus, utrum cedere an contendere ultra debeat, et … veniat instructus ad agendum cognita actione qua conveniatur. / edenda sunt omnia, quae quis apud iudicem editurus est:

Wer eine Klage erheben will, muss diese (im Zuge der Ladung) bekannt geben: Denn das ist offensichtlich höchst angemessen …, damit der Beklagte dadurch weiß, ob er nachgeben oder weiter bestreiten soll und … durch die Kenntnis der Klage, mit der er belangt wird, vorbereitet zur Verhandlung kommt. / Bekannt zu geben ist (dabei auch) alles, was man beim Richter (als Beweismittel) vorlegen will. …

Bei einem heimlich verübten Diebstahl müsste der Bestohlene also den unbekannten Dieb ausfindig machen, bevor er eine Klage einbringen kann. Er hätte zudem Beweise beizubringen und allenfalls die Kosten der Rechtsdurchsetzung am fernen Gerichtsort auf sich zu nehmen. Ist ihm der Täter hingegen bekannt, könnten soziale Faktoren eine relevante Rolle spielen: So wird ein Tatopfer vielleicht schon von vornherein daran zweifeln, ob es de facto überhaupt Sinn macht, eine Person von höherem gesellschaftlichem Status vor den Gerichtsbeamten zu laden. Aber selbst für den Fall einer erfolgreichen Verfahrenseinleitung mag die Chance auf einen Prozessgewinn angesichts des sozialen Ungleichgewichts unrealistisch erscheinen,[19] noch dazu wenn etwa der einzusetzende Richter derselben Schicht angehört oder in genau jenen Kreisen verkehren sollte, aus denen der Täter stammt.

In diesem Sinn vertraut ein Mann namens Solinus mittels Fluchtafel, einem Tempelfund aus Bath, der auf das dritte bzw. vierte Jh. n. Chr. zu datieren ist,[20] lieber darauf, dass die Göttin Sulis Minerva den unbekannten Täter, sei es nun ein Mann oder eine Frau, ein Sklave oder eine freie Person, durch indirekte Zwangsmaßnahmen, insbesondere durch Schlafentzug und Krankheit, zur Selbstanzeige sowie letztlich zur Ausfolgung des Diebsguts bringt.

Deae Suli MinervaeSoli/nus dono numini tuo ma/iestati pex{s}ambalnearem et [pal]/lium [nec p]ermitta[s so]mnum / nec san[ita]tem {—} ei qui mihi frau/dem [f]ecit si vir si femi[na] si servus s[i] l[ib]er nis{s}i [s{s}]e retegens istas / s[p]ecies ad [te]mplum tuum detulerit. / [– li]beri sui vel son[‐‐] sua … / … / [– so]mnum ne[c sanitate] / … [-p]al{u}lium / et reli{n]q[ua]s nis{s}i ad [te]mplum tu/um istas res retulerint.

Solinus an die Göttin Sulis Minerva. Ich überlasse (schenke) deiner Macht und Hoheit die Badetunika und den Mantel. Gewähre weder Schlaf noch Gesundheit demjenigen, der mir diesen Frevel angetan hat, sei es Mann oder Frau, sei es Sklave oder Freier, bis die Person sich zeigt und diese Objekte zu deinem Tempel gebracht haben wird. … seine Kinder oder seine(?) … (weder) Schlaf noch Gesundheit …den Mantel und das Übrige, wenn sie diese Objekte nicht zu deinem Tempel zurückgebracht haben werden.

Eine weitere Fluchtafel, erneut ein Tempelfund aus Großbritannien (Lydney Park), der sich auf das vierte Jh. n. Chr. datieren lässt,[21] könnte sich gemäß den vorangegangenen Überlegungen gegen ein Familienoberhaupt namens Senicianus richten (arg. nomen Seniciani), der für das Tatopfer wohl sozial unerreichbar ist. Da der wertvolle Ring des Verfassers Silvianus offenbar von Seiten eines dem Verfluchten Nahestehenden entwendet wurde, soll mit Hilfe des keltischen Gottes Nodens die letztverantwortliche Person durch Krankheiten, die sie selbst, aber zudem ihre Angehörigen treffen, zur Rückerstattung des Verlusts veranlasst werden.

Divo / Nodenti Silvianus / anellum perdedit(!) / dimidiam partem / donavit Nodenti / inter (eos) quibus nomen / Senicianinon illis/ permittas sanita/tem donec perfera(t) / usque templum [No]/dentis.

Silvianus an den Gott Nodens. Er hat einen Ring eingebüßt und die Hälfte dem Nodens überlassen (geschenkt). Gewähre währenddessen denjenigen, die den Namen des Senicianus tragen, nämlich keinem von ihnen Gesundheit, bis er (ihn) zum Tempel des Nodens hinbringt.

Keine große Relevanz dürfte in diesem Zusammenhang, wie manchmal vermutet wird,[22] hingegen dem Umstand zukommen, ob es sich bei den Verfassern von derartigen defixiones, die eventell auch zur Klageerhebung wegen Diebstahls führen könnten, um Sklaven, Freigelassene, Nichtrömer oder Frauen handelt. Denn alle diese Personen wären in der Lage, ihr Anliegen mittels ihrer „Repräsentanten“ vor dem Gerichtsmagistrat geltend zu machen, also etwa durch den Eigentümer des nicht parteifähigen Unfreien, den Vormund der nicht prozessfähigen Frau oder den Patron als Prozessvertreter des libertus, sofern letzteres aus sozialen Gründen bevorzugt wird.[23] Demgegenüber sind Ausländer den Römern sowieso mittels Fiktion gleichgestellt, wie etwa das Institutionenlehrbuch des hochklassischen Juristen Gaius (Gai inst. 4.37) belegt:

Item civitas Romana peregrino fingitur, si eo nomine agat aut cum eo agatur, quo nomine nostris legibus actio constituta est, si modo iustum sit eam actionem etiam ad peregrinum extendi. velut si furti agat peregrinus aut cum eo agatur, …

Ferner wird für einen Nichtbürger das römische Bürgerrecht mittels Fiktion angenommen, wenn er aus einem solchen Grund klagt oder beklagt wird, weswegen nach unseren Gesetzen eine Klage festgelegt wurde, immer vorausgesetzt, es ist gerecht, diese Klage auch auf den Nichtrömer zu erstrecken. Zum Beispiel, wenn ein Nichtbürger wegen Diebstahls klagt oder beklagt wird, …

2. Wenn also defixiones in fures, jedenfalls in einem Teil der Fälle, einen rechtsrelevanten Akt ersetzen (oder ergänzen) sollen, so stellt sich im zweiten Schritt die Frage, womit sich derartige Fluchtafeln aus der Sicht des denkbaren Diebstahlsverfahrens am ehesten vergleichen lassen. Diesbezüglich spricht etwa Henk Versnel von einer Parallele zu „Anklageschriften zur Eröffnung eines Prozesses“, die freilich die Besonderheit aufweist, die angerufene Gottheit sowohl zur beteiligten Partei als auch zum Richter über das bereits vorformulierte Urteil zu erklären.[24] Einer so umfassenden Sichtweise steht jedoch – wie das schon Gerhard Thür betont[25] – entgegen, dass es sich bei der defixio bloß um einen einseitigen Akt handelt; insofern fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für den Richterspruch, wenn der als schuldig angesehene, also bereits „vorverurteilte“ Beklagte gar nicht zu Wort kommt. Aus demselben Grund lässt sich hier aber auch nur schwer an einen Vollstreckungsakt denken, denn diesem mangelt es gleichermaßen am entsprechenden Urteil, und zwar unabhängig davon, ob man ihn nun auf das Privat- oder, mit Martin Dreher,[26] auf das Strafrecht beziehen will.[27]

Näher liegt demgegenüber wohl der Vergleich mit Petitionen an eine Behörde, wie das etwa Chrysi Kotsifou anhand ägyptischer Papyri in Betracht zieht,[28] wobei hier wie dort die Briefform Anwendung findet. Allerdings enthalten solche Vorbringen üblicherweise detaillierte Angaben, weisen eine klare inhaltliche Struktur auf und decken ein sehr weites Feld von Ersuchen an die Obrigkeit ab,[29] weshalb es angesichts der knappen Angaben und dem spezifisch deliktischen Inhalt bei defixiones in fures doch naheliegender erscheint, zwar von einer Eingabe an überirdische Instanzen auszugehen, die aber im Speziellen die Funktion der Klageerhebung hat. Sie ist damit jedenfalls im Vorfeld eines Urteils oder eines Vollstreckungsaktes anzusiedeln: Die Rolle der angerufenen Gottheit lässt sich insofern am ehesten mit der des Jurisdiktionsbeamten vergleichen; sie hat wie ein Provinzstatthalter oder wie ein Prätor in Rom die vom defigiens geforderte Reaktion auf erlittenes Unrecht auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen und in entsprechender Weise für eine Konfliktlösung zu sorgen. Zudem beinhalten prayers für justice jedoch häufig, wie etwa in den bisher betrachteten Texten (Drittel der Leinenwäsche, Badetunika und Mantel, Hälfte des Ringes),[30] die Auslobung von Gaben, die die Gottheit noch zusätzlich zur Hilfestellung bei der Ausforschung des Täters bzw. bei der Durchsetzung des Anspruchs motivieren soll.[31]

3 Übereinstimmungen mit dem römischen Diebstahlsrecht

Wenn man also – wie hier – davon ausgeht, dass sich manche defixio in furem sozusagen als funktionales Äquivalent zu einer Anklage(schrift) vor dem zuständigen Gerichtsmagistrat sehen lässt, erscheint es freilich naheliegend, die Inhalte der betreffenden Texte auch anhand des römischen Diebstahlsrechts zu überprüfen.

1. Zuerst bietet es sich vielleicht an, auf den soeben angeschnittenen Punkt einzugehen, nämlich auf donationes, die der angerufenen Gottheit ausgesetzt werden, um ihre Hilfe und Mitwirkung zu erlangen. Da die Initiative der Diebstahlsverfolgung – wie bereits im vorigen Abschnitt angesprochen – beim Bestohlenen selbst liegt und es in der Prinzipatszeit weiterhin weitgehend an Polizeibehörden fehlt, die sich für die Ausforschung solcher Delikte eignen, ist das Tatopfer – jedenfalls bei unbekannten Akteuren – auf die Unterstützung seines sozialen Umfeldes angewiesen. Das belegt etwa das Graffito an einer Außenwand in Pompeji (FIRA III2, 399 f, Nr. 127a; CIL IV 64):

Urna aenia pereit de taberna. / Sei quis rettulerit, dabantur / HS LXV ?; sei furem / dabit, unde r(e)m servari po(ssit) HS XX C IIII ?

Ein bronzener Krug ist aus dem Laden abhandengekommen. Wenn ihn jemand zurückbringt, wird er 65 Sesterze erhalten. Wenn er den Dieb übergibt, von dem sich das Objekt erlangen lässt: 84 Sesterze.

Auch die römischen Rechtsquellen reagieren auf das gesellschaftliche Erfordernis, Belohungen für derartige Unterstützungen vorzunehmen.[32] In einem ersten Schritt erfolgt bei Ulpian in dessen Sabinuskommentar die Klarstellung, dass jemand, der einen Dieb ausliefert, jedenfalls nicht selbst als Dieb zu betrachten ist und dass die Kenntnis von einem erfolgten furtum andererseits noch nicht zur Anzeige verpflichtet:[33]

Ulpianus (42 ad Sabinum) D. 47.2.48.1.

Qui furem novit, sive indicet eum sive non indicet, fur non est,

Wer den Dieb kennt, ob er ihn nun anzeigt oder nicht, ist (jedenfalls) kein Dieb. …

Insofern ist die Auslobung einer Belohnung im Alltagsleben zweifellos üblich und erforderlich, wenn man ein Diebstahlsverfahren anstrebt. Als eine solche lässt sich wohl auch die Schenkung des halben (Wertes des gestohlenen) Rings ansehen, die Solinus zu Gunsten des Gottes Nodens vorsieht (s. Fn. 21), während der Gedanke einer „Zession“ des Anspruchs, die nach römischem Recht in Form eines Prozessmandates durchgeführt werden müsste,[34] bei Verben wie donare nicht so naheliegend erscheint. Auch die als Argument ins Treffen geführte Tatsache, dass die Objekte den Göttern sofort überlassen werden,[35] ist den römischen Juristen, bezogen auf die als rechtmäßig einzustufenden Belohnungen,[36] völlig geläufig, wie ein weiterer Ulpiantext zeigt.[37]

Ulpianus (26 ad edictum) D. 12.5.4.4.

Si tibi indicium dedero, ut fugitivum meum indices vel furem rerum mearum, non poterit repeti quod datum est: nec enim turpiter accepisti.

Wenn ich dir eine Belohnung gegeben habe, damit du meinen flüchtigen Sklaven oder den Dieb meiner Sachen anzeigst, kann ich (im Nachhinein) nicht zurückfordern, was ich dir übereignet habe: Denn du hast es nicht aus einem sittenwidrigen Grund empfangen. …

2. Betrachtet man im Anschluss die von den Verfassern von Fluchtafeln herangezogene „quasi-legale“ Terminologie, so hat man festzuhalten, dass das römische Recht auch noch in der Zeit des Prinzipats von einem sehr weitgefassten Diebstahlsbegriff ausgeht. So weist etwa Gaius in seinen Institutionen (Gai inst. 3.195) darauf hin, dass nicht etwa nur die heimliche Wegnahme einer fremden Sache, sondern jedes An-sich-Nehmen (contrectare) derselben gegen den Willen des Berechtigten und mit der Absicht sich zu bereichern, als furtum zu qualifizieren ist.[38]

Furtum autem fit non solum, cum quis intercipiendi causa rem alienam amovet, sed generaliter, cum quis rem alienam invito domino contrectat.

Diebstahl wird aber nicht nur dann verübt, wenn jemand eine fremde Sache wegnimmt, um sie (jemandem) zu entziehen, sondern auch ganz generell, wenn man eine fremde Sache gegen den Willen ihres Eigentümers ergreift.

Das hat zur Folge, dass etwa die Veruntreuung eines verliehenen oder hinterlegten Objekts, die Unterschlagung eines Fundes oder auch der heimliche zeitweise Gebrauch eines fremden Objekts gleichfalls als zu ahndender Diebstahl gilt. Wenn insofern in Fluchtafeln anstelle von furtum facere[39] etwa von tollere, amittere, rapere oder fraudem facere die Rede ist, so decken sich solche Formulierungen durchaus mit dem römisch-rechtlichen Diebstahlskonzept. Das trifft genauso für das sehr oft anzutreffende, in diesem Kontext aber eher umgangssprachlich gebrauchte[40] involare zu, wie es etwa auch ein Hausfund in Kelvedon, Großbritannien, aus dem dritten Jh. n. Chr. belegt:[41]

Quicumque res Vareni in/volaverit si muli{r}er si mascel / sangu(i)no(!) suo solvat / et pecuniaequam ex{e}solverit / Mercurio donatet Virtuti s(emis).

Wer auch immer die Vermögensgegenstände des Varenus gestohlen hat, sei es Frau oder Mann, soll mit seinem Blut (dafür) bezahlen. Und die Hälfte des Geldes, das er (als Wiedergutmachung) zahlt, überlasse (schenke) ich Merkur und Virtus.

Genauso reicht bei den klassischen Juristen der Hinweis auf den bloßen Sachverlust, also auf ein perdere, vollkommen aus, um einen verübten Diebstahl anzusprechen,[42] wie das etwa auch Silvianus in seiner defixio tut (s. Fn. 21). Noch deutlicher wird der Zusammenhang, wenn ein anonymer Verfasser in einem weiteren Tempelfund aus Bath aus dem 4. Jh. n. Chr. diesen Begriff mit dem soeben angesprochenen involare verknüpft,[43] wobei seinem Gast Deomiorix offenbar etwas aus der Herberge abhanden kam und er selbst als Gastwirt nun diesem schadenersatzpflichtig sein dürfte.[44]

Execro qui involaver/it qui(?) Deomiorix de hos/{i}pitio suo perdiderit qui/cumque re(u)s deus illum / inveniat sanguine et / vitae suae illud redemat.

Ich verfluche denjenigen, der das gestohlen hat, was Deomiorix aus seiner Herberge verloren hat. Wer auch immer der Beschuldigte ist, der Gott soll jenen ausfindig machen. Dieser soll jene Tat mit (seinem) Blut und seinem Leben lösen/loskaufen.

3. Wenn der Verfasser der zuletzt betrachteten Fluchtafel ebenso wie der bestohlene Veranus (s. Fn. 41) in ohnmächtiger Wut Blut und Leben des Täters fordern, und der Gastwirt noch hinzufügt, dass sich der Dieb beim angerufenen Gott ausschließlich damit freikaufen (redimere) dürfe, während es in anderen defixiones in fures vor allem um die Rückgabe des gestohlenen Gutes geht, so decken sich die beiden so unterschiedlichen Forderungen doch grundsätzlich mit den Klagezielen im römischen Diebstahlsverfahren. Denn ein Tatopfer kann in solchen Fällen schon im Rahmen des Formularprozesses zwei Klagen kumulativ gegen den Dieb erheben, zum einen die actio furti zum Zweck der Bestrafung sowie zum anderen (und zusätzlich) die condictio furtiva auf den Wert des Diebsguts; letztere Klage ist insbesondere dann von großem Nutzen, wenn entwendete Objekte unauffindbar, verbraucht oder zerstört sind, weshalb ein betroffener Eigentümer sein absolutes (d. h. gegen jedermann bestehendes) Recht auf Rückerstattung der abhanden gekommenen (und vielleicht längst in dritten Händen befindlichen) res furtivae nicht länger geltend machen kann. Dieser Umstand, dass sich gegen Diebe jedenfalls eine ganze Reihe von Rechtsbehelfen (etwa auch Besitzstörungsklagen) erheben lassen, wird von Gaius in seinen Institutionen (Gai inst. 4.4) besonders betont und mit der grundsätzlichen Abscheu gegen solche Übeltäter erklärt.

… Plane odio furum, quo magis pluribus actionibus teneantur, receptum est, ut extra poenam dupli aut quadrupli rei recipiendae nomine fures ex hac actione teneantur: si paret eos dare oportere, quamvis sit etiam adversus eos haec actio, qua rem nostram esse petimus.

… Freilich hat sich aus Abscheu gegen Diebe, um sie noch mehr Klagen auszusetzen, die Auffassung durchgesetzt, dass Diebe ungeachtet der Geldstrafe auf das Doppelte oder Vierfache zudem aus einer sachverfolgenden Klage auf den Geldwert haften, mit der Formel: „wenn es sich erweist, dass sie rückübereignen müssen“, obwohl ja gegen sie auch jene Klage zusteht, mit der man eine Sache „als eigene“ fordern kann.

Mit anderen Worten wird den Betroffenen nach römischem Recht sowohl ein Anspruch auf Entschädigung bzw. Wiedergutmachung als auch das Recht auf Strafe bzw. Rache zugebilligt. Wie der hochklassische Jurist ausführt, lässt sich also nicht nur der Wert gestohlener Objekte mit der bereicherungsrechtlichen condictio einfordern, vielmehr kann auch ein Strafbetrag, also eine Geldbuße, eingeklagt werden, die sich bei heimlichem An-sich-Nehmen durch den Dieb auf den doppelten Wert, bei dessen (für Bestohlene nicht ungefährlichem) Ertappen auf frischer Tat auf den vierfachen Wert beläuft.[45]

Man könnte nun freilich einwenden, dass Varenus oder der Herbergswirt des Deomiorix von der Gottheit im Wege der Fluchtafel ja schriftlich Blut und Leben der ihnen unbekannten Täter fordern, während nach den bisherigen Ausführungen zum römischen Formularprozess bloß eine, noch dazu im mündlichen Verfahren zu verhängende, Geldbuße vorgesehen ist. Aber natürlich war der römischen Rechtsordnung durchaus bewusst, dass Diebe zumeist arme Gesellen sind und dass das Eintreiben von Geldbußen somit nicht selten an den faktischen Gegebenheiten scheitern wird.[46] Insofern hat sich neben dem bislang beschriebenen Formularprozess im Wege der sog. extraordinaria cognitio von Seiten des Jurisdiktionsmagistrats ein außerordentliches, durch schriftliche Eingabe einzuleitendes Vorgehen gegen die Diebe etabliert,[47] wie Ulpian in seinem Kommentar zum prätorischen Edikt anmerkt.

Ulpianus (38 ad edictum) D. 47.2.93.

Meminisse oportebit nunc furti plerumque criminaliter agi et eum qui agit in crimen subscribere, non quasi publicum sit iudicium, sed quia visum est temeritatem agentium etiam extraordinaria animadversione coercendam. non ideo tamen minus, si qui velit, poterit civiliter agere.

Man hat in Erinnerung zu rufen, dass Diebstahl heute zumeist strafrechtlich verfolgt wird und dass der Kläger eine schriftliche Anschuldigung erhebt, nicht im Sinn eines eigentlichen Strafprozesses, sondern weil es passend erschien, den Mutwillen solcher Täter auch aufgrund außerordentlicher Untersuchung zu bestrafen. Nichtdestoweniger kann aber derjenige, der das will, weiterhin mit der privatrechtlichen Klage vorgehen.

In Anlehung an den sog. Kognitionsprozess, der seit jeher in den Provinzen zur Anwendung kommt, tritt im entwickelten Recht also eine kriminelle Ahndung des furtum an die Seite seiner Verfolgung als bloßes delictum privatum. Die Entwicklung wird schon zu Beginn des Prinzipats von qualifizierten Fällen der Tatbegehung den Ausgang genommen haben, zu denen etwa auch die des Nachts tätigen Delinquenten (fures nocturni) und die Bäderdiebe (fures balnearii) zählen, doch dürfte der Spätklassiker Ulpian für die Periode, ab der uns der Großteil der lateinischen prayers for justice überliefert ist, auf ein Wahlrecht des Bestohlenen verweisen: Jedenfalls lässt sich im Rahmen eines solchen dem Strafrecht angenäherten, summarischen Verfahrens vom Gerichtsmagistrat, statt der sonst zu verhängenden Geldbuße, die adäquate körperliche Bestrafung des Übeltäters fordern.[48] Die Art und Weise der Durchführung sowie Ausmaß und Vollzug einer Strafe liegen in solchen Fällen zwar im Ermessen der Behörde, doch werden wohl auch die Verfasser von defixiones in fures von einem ähnlich großen Entscheidungsspielraum der angerufenen Gottheit ausgehen.

4. Im Übrigen lässt sich die Diebstahlsbuße beim heimlich verübten Delikt mittels actio furti nicht nur vom unmittelbaren Täter eintreiben, der das relevante contrectare vornimmt (s. Fn. 38), vielmehr kann die zu verhängende Buße auch mehrfach verfallen, sofern an der Tat Komplizen, also insbesondere Beihelfer oder Anstifter, beteiligt sind.[49] Darauf nimmt etwa erneut Gaius in seinen Institutionen (Gai inst. 3.202) Bezug:

Interdum furti tenetur, cum ipse furtum non fecerit, qualis est, cuius ope consilio furtum factum est. in quo numero est, qui nummos tibi excussit, ut eos alius subriperet, …

Bisweilen haftet (auch) jemand für Diebstahl, obwohl er die Untat nicht selbst verübt hat, etwa derjenige, mit dessen Beihilfe oder Ratschlag der Diebstahl begangen wurde. Unter diese fällt etwa jemand, der dir die Münzen aus der Hand geschlagen hat, damit sie ein anderer wegnimmt, …

Insofern erscheint es im Sinn des römischen Rechts durchaus folgerichtig, dass in einer Fluchtafel, die bei der Mündung des River Hamble, Großbritannien, gefunden wurde und auf das vierte Jh. n.Chr zu datieren ist,[50] dieselbe blutige Strafe für den unbekannten Täter und den conscius verlangt wird, der zudem als animus hinter dieser Untat, also wohl als deren Anstifter genannt wird. Diese defixio in fures ist entweder vom bestohlenen Muconus oder eventuell auch von seinem Repräsentanten verfasst und wendet sich bittend an Neptun sowie den örtlichen Flußgott Niskus:

Domine Neptune / tibidonohominem qui / [so]liduminvolav[it] Mu/coni et argente[olo]s / sex dieodono nomina / qui decepit si mascel si / femina si pu{u}er si pu{u}e/lla ideo dono tibi Niske / et Neptuno vitam vali/tudinem sanguinem eius / qui conscius fueriteius / deceptionis animus qui hoc involavit et / qui——conscius fuerit ut / eum decipias furem / qui hoc involavit sanguinem / ei{i}us consumas et de/cipias domin[e] Ne[p]/tune.

Herr Neptun, ich schenke (überlasse) dir den Menschen, der die Goldmünze des Muconus entwendet hat und sechs Silbermünzen. Deshalb schenke (überlasse) ich dir die Namen (derer), wer (mich) betrogen hat, sei es Mann, sei es Frau, sei es Knabe, sei es Mädchen, deshalb schenke (überlasse) ich dir, (Gott) Niskus, und dem (Gott) Neptun (auch) das Leben, die Gesundheit und das Blut desjenigen, der mitwissender Geist dieses Betrugs war, (also) wer das gestohlen hat und wer Mitwisser war, damit du ihn als Dieb irreleitest, und das Blut dessen, der das entwendet hat, sollst du verzehren und irreleiten, Herr Neptun.

Anders als in den bislang betrachteten Beispielen werden hier die Person(en) der Täter bzw. deren Namen den angerufenen Göttern überlassen (geschenkt), doch dürfte das m. E. weniger als „Zession“ des Prozesses aufzufassen sein (s. Fn. 34). Eher wird hier wohl der Strafanspruch, der dem Betroffenen zusteht und dem ebenfalls ein gewisser Wert zukommt, den Göttern als Gabe überlassen, während dann – wie im vorigen Punkt ausgeführt – beim Bestohlenen weiterhin das Recht verbleibt, die Wiedergutmachung des Verlustes geltend zu machen.[51] Vice versa könnte Ähnliches gemeint sein, wenn der Gottheit das Diebsgut oder ein Teil davon geschenkt (überlassen) wird, damit sie den Täter dazu bringt, sich zu zeigen bzw. die gesuchten Objekte zum Heiligtum zu bringen. Denn dann dürfte der Verfasser wohl für sich in Anspruch nehmen, die Deliktsbuße oder die körperliche Bestrafung des nunmehr bekannten Täters zu fordern.

5. Schließlich erscheint aus römisch-rechtlichter Sicht noch die Bestimmung von Interesse, wonach es die Gottheit keinesfalls zulassen soll, dass sich der anonyme Dieb bei ihr von der für ihn vorgesehenen Strafe freikauft. Die Klausel, der Täter dürfe sich nur mit dem eigenen Blut lösen, ist etwa vom Herbergswirt anlässlich des Diebstahls gegenüber dem Gast Deomiorix formuliert worden (s. Fn. 44), solche Untersagungen eines redimere finden sich aber in einer Reihe von defixiones in fures, etwa bei einem weiteren Tempelfund aus Bath,[52] bei dem der anonyme Dieb der Göttin erneut als Gabe überlassen wird:

Minervae / deaeSuli donavi / furem qui / caracallam / meam invo/lavit si servus / si liber si ba/ro si mulier / hoc donum non / redemat(!) nis{s}i / sanguine suo.

An die Göttin Minerva Sulis. Ich habe (ihr) den Dieb überlassen (geschenkt), der meinen Kapuzenmantel gestohlen hat, sei es ein Sklave oder ein Freier, sei es ein (Land‐)Mann oder eine Frau. Er darf diese Gabe nicht lösen/sich (davon) loskaufen, nur mit seinem Blut.

Es wird also auch hier vorsorglich angefügt, dass sich der Verfluchte nicht etwa von der ihm zugedachten Strafe loskaufen darf, sei es durch eine Gegengabe an dieselbe Gottheit, ein Opfer oder etwa durch sonstige Akte der Wiedergutmachung. Erstaunlicherweise findet selbst diese Bestimmung eine gewisse Entsprechung im römischen Diebstahlsrecht, wie eine Entscheidung des Spätklassikers Ulpian zeigt.[53]

Ulpianus, (1 ad edictum aedilium curulium) D. 47.2.66.

Qui ea mente alienum quid contrectavit, ut lucrifaceret, tametsi mutato consilio id domino postea reddidit, fur est: nemo enim tali peccato paenitentia sua nocens esse desinit.

Wer fremdes Gut mit der Absicht entzogen hat, sich dadurch zu bereichern, ist ein Dieb, selbst wenn er es nach einer Meinungsänderung dem Eigentümer zurückgegeben hat: Denn niemand hört nach einem derartigen Fehltritt aufgrund seiner Reue auf, ein Schadensstifter zu sein.

Erneut kommt die das klassische Diebstahlsrecht prägende, strikte Unterscheidung zwischen Strafe und Wiedergutmachung des angerichteten Schadens deutlich zur Sprache. Selbst wenn der Täter das heimlich entzogene Gut später (freiwillig) wieder zurückbringen sollte und damit nach modernem Verständnis „tätige Reue“ zeigt, soll er nach Auffassung des entwickelten römischen Rechts keinesfalls der Deliktsbuße entgehen.

4 Überlegungen zur Strafbarkeit von defixiones in fures

Als erstes Fazit lässt sich somit festhalten, dass eine Reihe von Fluchtafeln gegen Diebe nicht nur aufgrund ihrer „quasi-legalen“ Terminologie, sondern auch aufgrund ihres Inhalts durchaus an eine Klageerhebung nach römischem Recht erinnern[54] und insofern eventuell sogar als Akt der Selbsthilfe gegen anonyme oder nicht greifbare Täter zu deuten sind. Damit stellen sich ein weiteres Mal zwei Fragen: Handelt es sich wegen der offensichtlichen Ausübung eines Rituals im Sinn „dunkler Magie“ einfach um kriminelles Verhalten im Sinn des römischen Strafrechts, das schwerste Konsequenzen nach sich ziehen muss? Sollte eine solche Betrachtung etwa ergeben, dass diese Frage zu bejahen ist, so bleibt freilich zu überlegen, warum ein Bestohlener etwa wegen verlorener Kleidungsstücke oder einiger weniger entwendeter Münzen ein solches Risiko eingeht. In diesem Kontext ist ja, wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, noch zusätzlich zu berücksichtigen, dass dabei das Diebsgut oft zur Gänze oder immerhin zu einem beträchtlichen Teil der Gottheit für ihre Hilfestellung als Gabe überlassen wird.

1. Damit hat man zuerst die Strafbarkeit eines derartigen Verhaltens zu prüfen, wobei die Rechtslage in altrömischer sowie republikanischer Zeit eine wichtige Voraussetzung für die Untersuchung darstellt: Denn in der romanistischen Lehre geht man heute überwiegend davon aus, dass die Anwendung dunkler Magie schon seit der Zwölftafelzeit als Verbrechen nach römischem Straf- bzw. Sakralrecht galt,[55] doch ist die Bedeutung der einschlägigen Normen XII tab. 8.1 a+b diesbezüglich nicht ganz eindeutig.[56]

Qui malum carmen incantassit …quiveoccentassit carmenvecondissit

Wer einen üblen Sprechgesang unheilbringend angestimmt hat … ⟨oder wer⟩ ein solches Lied bezogen auf jemanden (oder etwas) gesungen oder verfasst hat …

Unter Strafe gestellt wird hier offenbar die Vornahme eines rhythmischen Sprechgesangs, der unheilvolle Wirkungen mit sich bringen soll oder sich unmittelbar auf bestimmte Personen bzw. Objekte bezieht,[57] wobei in letzterem Fall auch das bloße Verfassen eines derartigen carmen als sanktionswürdig anzusehen ist.[58] Aber da hier auf formgebundene Gesänge abgestellt wird, wie das auch Plinius d.Ä. betont (nat. 28.17 – 18), und diese wohl nur verfolgbar sind, wenn eine gewisse Öffentlichkeit gegeben ist, erfassen die Normen des Zwölftafelgesetzes jedenfalls nicht die Durchführung magischer Rituale aller Art.[59] Derartige Rituale finden nämlich häufig des Nachts und/oder heimlich statt,[60] was dann erst in der Gesetzgebung des Prinzipats, aber gleichfalls nur für rechtlich genau definierte Aspekte magischen Handelns Berücksichtigung finden wird.[61]

Aus der Sicht der ausgehenden Republik lassen sich die öffentlich ausgeführten Gesänge, die gemäß XII tab. 8.1 b gegen bestimmte Personen angestimmt werden, jedoch auch anders interpretieren[62] und mit einem entwickelten Begriff der Persönlichkeitsverletzung verbinden. Dieser bezieht das hierauf bezogene Delikt iniuria anders als noch im altrömischen Recht, nicht ausschließlich auf zugefügte körperliche Verletzungen, wofür die Talionstrafe oder Geldbußen vorgesehen waren,[63] sondern versteht darunter nun gleichfalls gegen Ruf und Ehre gerichtete Angriffe. Das erklärt wohl, warum etwa Cicero (Tusc. 4,4), Horaz (serm. 2.1.82 – 83) oder Festus (s.v. ‚occentassint’ 190/192 L.) im Hinblick auf solche carmina auf das convicium (Spottrede) anspielen, ohne dass man deshalb von einem Irrtum oder Missverständnis der fachlich zweifellos versierten Autoren auszugehen bräuchte.[64]

Im Lauf der Republik scheinen die Strafbestimmungen der XII tabulae zwar weitgehend außer Übung gekommen zu sein,[65] doch weisen dann ab dem frühen Prinzipat Ankläger in Strafprozessen, etwa wegen Majestätsverbrechen und Giftmord, zunehmend unterstützend darauf hin, dass hier ebenfalls Verfluchungen und sonstige magische Riten vollführt wurden.[66] In der weiteren Entwicklung bietet vor allem die republikanische lex Cornelia de siccariis et veneficis einen tauglichen Anknüpfungspunkt, um spezielle strafrechtliche Normen zu schaffen, die sich direkt gegen die so angesprochenen Formen dunkler Magie und Zauberei richten.[67]

Ursprünglich wendet sich das unter Sulla erlassene Gesetz freilich – neben der Ahndung von Gangster-Unwesen und Waffengewalt[68] – in seinem fünften Kapitel nur gegen Zubereitung, Handel und Anwendung von Gift, wenn dabei oder damit vorsätzlich auf die Ermordung von (freien) Menschen abgezielt wird (arg. homini necandi causa). Das wird etwa beim Spätklassiker Marcian in seinem Institutionenlehrbuch betont:

Marcianus (14 institutionum) D. 48.8.1.1/3 pr.

Praeterea tenetur, qui hominis necandi causa venenum confecerit dederit; … / Eiusdem legis Corneliae de sicariis et veneficis capite quinto, qui venenum necandi hominis causa fecerit vel vendiderit vel habuerit, plectitur.

Außerdem wird in Anspruch genommen, wer Gift zubereitet oder verabreicht hat, um einen Menschen zu töten; … / Nach dem fünften Kapitel desselben cornelischen Gesetzes über bewaffnete Verbrecher und Giftanwender wird bestraft, wer Gift hergestellt, verkauft oder bei sich gehabt hat, um einen Menschen zu töten.

Allen diesen Tätern, die mit Gift hantieren (venefici), droht vor dem ständigen Gerichtshof, einer quaestio perpetua, die Kapitalstrafe (z. B. Cic. Cluent. 148; Ulp. Coll. 1.3.1), doch können sich die Angeklagten dem durch freiwilligen Gang ins Exil entziehen:[69] Aus der Sicht ex post berichten die Paulussentenzen (Pauli sent. 5.23.1), eine Juristenschrift aus dem späten dritten Jh. n. Chr.,[70] deshalb rückblickend von einer poena deportationis, die in der Folge durch die nunmehr zu vollziehenden Kapitalstrafen ersetzt ist. Zugleich wurde im Verlauf des Prinzipats aber auch der Anwendungsbereich der lex Cornlia durch Kaisergesetze und Senatsbeschlüsse erweitert, was in unserem Kontext von besonderer Relvanz ist.

Heikel erscheint in diesem Zusammenhang hingegen eine These, die von einem Teil der Lehre vertreten wird,[71] wonach sich magische Verfluchungen bereits unmittelbar unter den Begriff des Giftes (venenum) und somit unter die lex Cornelia selbst subsumieren ließen, auch wenn eine derartige Argumentation in der rhetorischen Literatur durchaus zu finden ist, aber eben nur zu Lehrzwecken (s. etwa Quint. inst. 7.3.7). Denn eine solche extensive, d. h. erweiternde Auslegung des Gesetzestextes würde in einem Rechtsstaat, den das römische Imperium zweifellos bildet, gerade bei Strafbestimmungen, die präzise zu fassen und dementsprechend strikt anzuwenden sind, einen höchst problematischen Vorgang darstellen.[72] Zudem bleibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass nicht alle magischen Handlungen oder Flüche das Ziel haben, den Tod eines Menschen herbeizuführen, wie das die lex Cornelia für eine Bestrafung nach dem fünften Kapitel ja voraussetzt.[73] Eigens betont wird das vom bereits oben zitierten Spätklassiker Marcian, wenn er sich die Frage stellt, ob ein Liebestrank zur gesetzlich vorgesehenen Kapitalstrafe führen kann.

Marcianus (14 institutionum) D. 48.8.3.1 – 2.

Eiusdem legis poena adficitur, qui in publicum mala medicamenta ven-diderit vel hominis necandi causa habuerit. / … ergo nomen (venenum) medium est et tam id, quod ad sanandum, quam id, quod ad occiden-dum paratum est, continet, sed et id quod amatorium appellatur: sed hoc solum notatur in ea lege, quod hominis necandi causa habet. sed ex senatus consulto relegari iussa est ea, quae non quidem malo animo, sed malo exemplo medicamentum ad conceptionem dedit, ex quo ea quae acceperat decesserit.

Nach diesem Gesetz wird zudem bestraft, wer öffentlich böse Medikamente verkauft oder sie zur Tötung von Menschen besessen hat. / … Der Begriff Gift/Medikament ist daher zweideutig und beinhaltet sowohl das, was zur Heilung als auch was zum Mord zubereitet wird, aber ferner das, was als Liebestrank bezeichnet wird: Jedoch geht es in diesem Gesetz nur darum, was jemand hat, um einen Menschen zu töten. Aber durch Senatsbeschluss wurde festgelegt, eine Frau zu verbannen, die zwar nicht aus böser Absicht, aber als abzulehnendes Beispiel eine Arznei zur Förderung der Schwangerschaft verabreicht hat, weshalb deren Empfängerin verstorben ist.

Zwar dient ein solches amatorium nicht der Heilung der Menschen, weshalb es jedenfalls nicht zu den venena bona im Sinn gesundheitsfördernder Medikamente zählt, doch handelt es sich auch um kein venenum malum, also um Gift nach dem Wortlaut des Gesetzes, da der Trank zweifellos nicht dazu verabreicht wird, um einen (sexuell) begehrten Menschen zu töten.[74] Gleiches würde natürlich auch mutatis mutandis für Liebeszauber bzw. defixiones amatoriae gelten. Aus dem letzten Satz des Juristentextes geht aber zugleich hervor, dass man die Tatbestände der ursprünglichen lex Cornelia später durch Senatsbeschlüsse, also durch eigenständige gesetzgeberische Akte, erweitert hat. So wird etwa in der Verschreibung von Präparaten, die der Förderung der Empfängnis dienen, obwohl hier eine Tötungsabsicht ebenfalls ohne jeden Zweifel auszuschließen ist, dennoch ein potentieller Gefahrenherd erblickt. Aus diesem Grund wird, wohl in der Periode vom frühen bis zum mittleren Prinzipat,[75] durch das bei Marcian erwähnte senatus consultum eine Spezialnorm erlassen, die einen neuen, die lex Cornelia erweiternden Tatbestand schafft: Man ordnet nun insoweit explizit die Strafe der Relegation an, sofern das medicamentum/venenum letztlich den Tod der Hilfesuchenden verursacht hat.

Im hier zu besprechenden Kontext erscheint aber vor allem ein weiteres senatus consultum, das beim Spätklassiker Modestinus überliefert wird und bereits aus der Zeit des frühen Prinzipats stammen dürfte, von besonderem Interesse:[76]

Modestinus (12 pandectarum) D. 48.8.13.

Ex senatus consulto eius legis poena damnari iubetur, qui mala sacrificia fecerit habuerit.

Aufgrund eines Senatsbeschlusses wird angeordnet, auch denjenigen mit der Strafe dieses Gesetzes zu belegen, der frevelhafte Opfer(handlungen) vorgenommen hat.

Mit dieser Norm wird die Durchführung von mala sacrificia der Kapitalstrafe der lex Cornelia unterstellt, womit die Gesetzgebung einer Tendenz folgt, die etwa bereits im ersten Jh. n. Chr. bei Quintilian (inst. 7.3.7) oder Plinius d.Ä. (nat. 30.17) erkennbar ist, nämlich die rhetorische und literarische Diskussion magischer Praktiken in Zusammenhang mit dem gesetzlichen Terminus veneficia zu bringen.[77] Zwar führt der spätklassische Jurist an dieser Stelle nicht näher aus, was unter solchen unheilvollen Opferhandlungen zu verstehen ist, doch dürfte den bereits erwähnten Paulussentenzen Näheres hierzu zu entnehmen sein:[78] Denn gemäß dem Beleg Pauli sent. 5.23.16,[79] werden darunter insbesondere Menschenopfer (s. Plin. nat. 30.13; 16) sowie das Vergießen menschlichen Blutes oder sonstige Entweihungen von Tempeln und Heiligtümern fallen, die nunmehr abgestuft nach dem sozialen Stand kapital bestraft werden.[80] Aber nicht nur die erwähnten mala sacrificia sind den verbotenen magischen Praktiken zuzurechnen, ganz ähnlich verhält es sich offenbar auch mit der in der Rechtssammlung unmittelbar davor überlieferten Norm, die auch das Titelzitat für diesen Beitrag bildet, nämlich Pauli sent. 5.23.15 (FIRA II2, 409):

Qui sacra impia nocturnave, ut quem obcantarent defigerent obligarent, fecerint faciendave curaverint, aut cruci suffiguntur aut bestiis obiciuntur.

Wer frevelhafte oder nächtliche Rituale ausführt oder abhalten lässt, um jemanden zu verzaubern, in Bann zu halten sowie festzubinden, wird entweder ans Kreuz geschlagen oder den wilden Tieren vorgeworfen.

Es ist durchaus denkbar, dass die hier erwähnten und näher qualifizierten sacra, d. h. magischen Rituale, explizit neben den mala sacrificia im Text ein und desselben Senatsbeschlusses geregelt waren,[81] was mit der antiken Gesetzestechnik im Einklang stehen würde, doch sprechen die unterschiedlich ausgestalteten Sanktionen hier wohl eher für das Bestehen einer weiteren Spezialnorm. Jedenfalls wird angeordnet, dass jeder, der frevelhafte oder nächtliche sacra selbst vornimmt oder durchführen lässt, um jemanden zu verzaubern oder zu binden, was die Nutzung von Fluchtafeln zweifellos miteinschließt, mit schwersten Kapitalstrafen zu belegen ist. In diesem Zusammenhang erscheint es bezeichnend, dass sich auch Apuleius in seiner Verteidigungsrede einerseits von carmina distanziert, die angeblich andere Personen seinem Willen unterworfen hätten (apol. 25.2; 44.1; 69.4 etc.) und schon gestützt auf die Zwölftafelgesetzgebung als frevelhafte Rituale gedeutet werden könnten, und dass er sich andererseits in einem weiteren Abschnitt seiner Rede (apol. 57 – 60, insbes. 57.2; 58.2; 58.8) explizit dagegen verwahrt, im Geheimen nocturna sacra abgehalten zu haben: Letzteres dürfte also gleichfalls auf eine während der Prinzipatszeit in Geltung stehende Norm hindeuten, wie sie dann in den Paulussentenzen überliefert ist.[82]

2. Vor diesem strafrechtlichen Hintergrund bietet sich nun die Möglichkeit, auf die vorhin zu den defixiones in fures aufgeworfenen Fragen einzugehen. Wie sich gezeigt hat, rufen der Gebrauch dunkler Künste und die Anwendung magischer Rituale schon in der frühen Prinzipatszeit den Gesetzgeber auf den Plan, der nun auch das damit einhergehende Abfassen von defixiones explizit unter schwerwiegende Sanktionen stellt. Selbst ohne Tötungsabsicht droht für solches Agieren die Kreuzesstrafe oder die Preisgabe an wilde Bestien. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass sich jeder, der im nächtlichen oder heimlichen Ritual eine Fluchtafel verfasst und deponiert bzw. ein solches Ritual aus unlauteren Motiven vollzieht, dem Verdacht und Vorwurf aussetzt, ein crimen im nun deutlich erweitereten Sinn der lex Cornelia de siccariis et veneficis verübt zu haben.

Damit bleibt freilich noch zu überlegen, wie unter solchen rechtlichen Rahmenbedingungen nun die Verfluchung eines Diebes zu bewerten ist. Es fragt sich also, ob ein Tatopfer unweigerlich das Risiko einer Verurteilung zur Kapitalstrafe auf sich nimmt, wenn es erzürnt und hilflos den Beistand der Gottheit sucht und insofern mittels prayer for justice zur Selbsthilfe greift. Obwohl in diesem Fall wohl keine schematische Bejahung oder Vereinung möglich scheint, fallen doch zwei Aspekte ins Auge: Voraussetzung für eine strafrechtliche Ahndung gemäß der überlieferten einschlägigen Spezialnorm ist es zum einen, dass man eine konkrete Person verflucht (… ut quem obcantarent). Wer den Gott hingegen um Hilfestellung oder auch blutige Rache gegen einen unbekannten Täter bittet, etwa in Form der Klausel: si vir si mulier si servus si liber, wie sie in den defixiones in fures ja häufig anzutreffen ist (s. Fn. 6; Fn. 20; Fn. 41 etc.), verwirklicht diesen Tatbestand wohl noch nicht. Allerdings richten sich manche Fluchtafeln auch gegen konkret Beschuldigte, wie etwa gegen das Familien- oder Clan-Oberhaupt namens Senicianus und sein Gefolge (s. Fn. 21): Wenn der Verantwortliche aber in solchen Fällen von der angerufenen Gottheit, wenn auch durch harsche Zwangsmaßnahmen, nur dazu gebracht werden soll, das Diebsgut beim Tempel zu hinterlegen oder sich öffentlich zu seiner Untat zu bekennen, so erscheint es zum anderen doch diskutabel, ob sich solche Bitten an eine überirdische Macht als impia sacra, also als frevelhafte Magie einstufen lassen.

5 Ausblick

Eine solche rechtliche Perspektive könnte eventuell erklären, warum sich die Verfasser solcher defixiones explizit mit ihrem Namen zu Wort melden. Zieht man außerdem in Betracht, dass bei der Durchführung des Rituals der Verfluchungstext mitgesprochen wird, die Bleitäfelchen sehr oft bei oder in einem Tempel deponiert werden und es davor bzw. danach hierauf bezogen wohl regelmäßig zu sozialen Kontakten kommen wird,[83] liegt die Vermutung nahe, dass in vielen dieser Fälle gar nicht heimlich oder nächtens agiert wird, sondern dass eine entsprechende Öffentlichkeit und Außenwirkung beabsichtigt ist. Freilich werden Todesflüche gegen bekannte Täter rechtlich jedenfalls anders zu beurteilen sein. Aber insgesamt könnte eine derartige Fluchpraxis von Provinzstatthaltern, etwa in Britannien, durchaus als ein akzeptabler Akt der Selbsthilfe oder, anders formuliert, als ein Ventil angesehen worden sein, um das unausweichliche Unbehagen in der Bevölkerung angesichts unaufgeklärter und unaufklärbarer Diebstähle zu kanalisieren.

Angesichts dieses Fazits könnte sich auch eine Ergänzung zur Systematisierung von Fluchtafeln nach ihrem sozialen Kontext anbieten, auf die bereits einleitend Bezug zu nehmen war, sowie auf die zusätzlich vertretene Gegenüberstellung zweier eigenständiger Kategorien (oder genus), nämlich prayers for justice auf der einen und „eigentliche“ Bindezauber, also defixiones im engeren Sinn auf der anderen Seite. Wendet man sich nämlich aus juristischer Sicht der Gruppe der defixiones in fures zu, so verhilft eine inhaltliche Untersuchung der überlieferten Texte vielleicht noch zusätzlich dazu, rechtlich tolerierbare und behördlich geduldete Fluchtafeln von strafrechtlich zu ahndenden „magischen“ defixiones abzugrenzen.

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Online erschienen: 2024-11-18
Erschienen im Druck: 2024-11-18

© 2024 by the author

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Articles in the same Issue

  1. Contents
  2. Titelei
  3. Titlepages
  4. Titlepages
  5. Contents
  6. Contents
  7. I. Personal Names and Religion in Antiquity
  8. I.   Personal Names and Religion in Antiquity
  9. Introduction
  10. L’onomastique des soldats de l’armée romaine tardive dans les provinces balkano-danubiennes
  11. Names and religious categories among the Jews of Asia Minor from the 3rd to the 6th centuries CE
  12. Onomastics as Indicators of Conversion to Islam in Egypt: A Survey of Seventh-to-Ninth-Century Papyri
  13. Magical Names: Tracing Religious Changes in Egyptian Magical Texts from Roman and Early Islamic Egypt
  14. II. Carved words: Material Aspects of Curse Tablets and the Literature of the New Testament World
  15. II.   Carved words: Material Aspects of Curse Tablets and the Literature of the New Testament World
  16. Introduction
  17. Defixiones in sepulkralen Kontexten
  18. „Eros hat mir ins Herz geritzt“.
  19. Haptic Storytelling: Body Markings and Destroyed Bodies in the Book of Revelation through the Lens of Amulets and Curse Tablets
  20. „Verkehrt sollst du leben, so wie dies verkehrt geschrieben ist.“
  21. Qui sacra impia nocturnave, ut quem obcantarent defigerent obligarent, fecerint
  22. III. Miscellaneous Studies in Magical Language and Ritual Expression
  23. III.   Miscellaneous Studies in Magical Language and Ritual Expression
  24. Inscribed Lead Tablets in Small Animal Bodies: An Intersection of Greek and Egyptian Cursing in Late-Roman Egypt?
  25. Historiolae in the Hebrew Bible
  26. Trimming the Text: Reading Ritual and Narrative Healing in the Babylonian Talmud
Downloaded on 19.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/arege-2024-0011/html
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