Seit 2007 trifft sich die deutschsprachige Open-Access-Community zu den jährlichen Open-Access-Tagen, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und die Vernetzung der Akteure in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu stärken. Was zunächst als kleine Veranstaltung in Konstanz begann, ist unter der Leitung von Anja Oberländer in mehr als einem Jahrzehnt zu einer Konferenz mit fast vierhundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern angewachsen. 2018 fanden die Open-Access-Tage vom 24. bis 26. September an der Technischen Universität Graz statt und standen unter dem Motto „Vielfalt von Open Access“. Das Programmkomitee, zusammengesetzt aus Vertreterinnen und Vertretern der Projektpartner für die Informationsplattform www.open-access.net und weiteren Akteuren, vor allem aus dem Bibliotheksbereich, hatte zudem die Themenschwerpunkte „Welche Bedeutung hat der grüne Weg heute?“, „Open Educational Resources“ und „Open Access im Kontext von Open Science“ vorgeschlagen.
1 Professionalisierung und Politik
Nur wenige Wochen vor der Konferenz war mit dem europäischen „Plan S“ zur nachhaltigen Implementierung von Open Access ein wichtiges politisches Signal ausgesendet worden: Elf europäische Forschungsförderorganisationen verpflichteten sich auf das Ziel, ab Januar 2020 alle Zeitschriftenartikel Open Access zu publizieren. Auf den Open-Access-Tagen wurde dieser Plan in einer kurzfristig anberaumten Sitzung ausführlich diskutiert, aber auch das langfristig geplante Programm machte deutlich, dass Open Access als strategisches Ziel ein unverzichtbares Element von Wissenschaftspolitik geworden ist.
In der ersten Keynote präsentierte Laurent Romary (Senior Researcher am französischen Forschungszentrum INRIA – Institut national de recherche en informatique et en automatique), wie Open Access in Frankreich strukturiert wird. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern ist durch das zentrale Repositorium HAL (Hyper articles en ligne) in Frankreich die Notwendigkeit des Aufbaus einzelner institutioneller Repositorien nicht gegeben. HAL bietet dabei nicht nur eine technische Infrastruktur, sondern auch eine Reihe von weiteren Services, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Frankreich nutzen können. Als bestimmend für das französische Verständnis der Rolle von Open Access zitierte Laurent Romary den „Jussieu Call for Open Science and Bibliodiversity”, in dem klar verankert ist, dass die Bewegung zu mehr Open Access unterstützt werden soll, ohne gleichzeitig die Monopolstrukturen im Publikationsmarkt unkritisch zu stärken, sondern eine Vielfalt der Veröffentlichungsorte im Sinn einer Bibliodiversität zu erhalten.
Diesem wichtigen Anliegen des Jussieu Calls widmete sich auch eine komplette Session der Konferenz. Neben Beiträgen von Jacques Lafait (Paris Institute of Nanosciences), Daniel Wyler (Universität Zürich) und Peter Kraker (Open Knowledge Maps) erläuterte hier Angela Holzer (Deutsche Forschungsgemeinschaft – DFG) die Komplexität der Förderungsoptionen für Open Access und wie die DFG gezielt versucht, Bibliodiversität zu fördern. Außerdem machte sie deutlich, dass Open Access nicht das einzige Ziel des gegenwärtigen Transformationsprozesses im wissenschaftlichen Publikationswesen sei, sondern dass auch Faktoren wie Qualität, Verlässlichkeit und Kosten berücksichtigt werden müssten.
Einen Gradmesser für die Professionalisierung von Open Access stellt auch das deutsche Verhandlungskonsortium DEAL dar, das Hildegard Schäffler (BSB München) als Mitglied der DEAL-Projektgruppe in einem Keynote-Vortrag analysierte und dessen bisherigen Verhandlungsverlauf sie rekapitulierte. Sie betonte dabei, dass DEAL ein Baustein im Rahmen einer Gesamtstrategie ist und sich als kompatibel mit dem jüngst verabschiedeten „Plan S“ auf europäischer Ebene versteht.
2 Vielfalt der Perspektiven, Kontinuität der Themen
In Graz wurde deutlich, dass Open Access ein stark ausdifferenziertes Feld geworden ist, in dem auch Detailaspekte mit gebotener Aufmerksamkeit analysiert werden können und müssen. Im Arbeitsalltag vieler Open-Access-Akteure wird zunehmend eine Spezialisierung des Beratungsangebots nach Disziplinen notwendig. Stärker als in vorigen Jahren wurden deswegen auf den Open-Access-Tagen 2018 konkrete fachspezifische Bezüge hergestellt. In einer Session zu Open Access in den Ingenieurwissenschaften wurde unter anderem das BMBF-geförderte Projekt „OpenIng“ (TU Braunschweig, TU Darmstadt, Universität Stuttgart) vorgestellt, das Open Access und Open Educational Resources in den Ingenieurwissenschaften stärken möchte. Eine Session mit Fokus auf Open Access in den Geisteswissenschaften diskutierte den Erfolg des Open-Access-Verlages „Open Library of Humanities“ und dessen Verbreitung in Deutschland mithilfe eines BMBF-Projekts an der Universität Konstanz. Open Access für die Geschlechterforschung wird durch das Projekt „Open Gender Plattform“ (Freie Universität Berlin) beworben und infrastrukturell ausgebaut, das sich mit einem Poster präsentierte und ebenfalls vom BMBF gefördert wird.
In Fortsetzung des Trends vom letzten Jahr zog sich das Thema Open-Access-Bücher als roter Faden durch das Programm. Der „Nationale Open-Access-Kontaktpunkt OA2020-DE“ öffnet in Kooperation mit dem Transcript-Verlag die Publikation von politikwissenschaftlichen Monographien und Sammelbänden für den Open Access. Für das Projekt OGeSoMo kooperieren drei Verlage, um Bücher aus den Geistes- und Sozialwissenschaften im Open Access verfügbar zu machen. Im Kontext der Bibliodiversität wurde ebenfalls nicht nur über Zeitschriften-, sondern auch über Buchpublikationen gesprochen. In einer eigenen Session zum Thema Open-Access-Bücher wurde aus verschiedenen Perspektiven aufgezeigt, dass eine Adaptierung des Prinzips „Article Processing Charges“ als „Book Processing Charges“ nicht der einzige Weg ist, Monographien und Sammelwerke frei verfügbar zu machen. Input gab es hier unter anderem von der OPERAS-Arbeitsgruppe und aus einer Kooperation zwischen Knowledge Unlatched und dem Verlag Peter Lang.
Zur guten Tradition in der Open-Access-Community gehört ein kritischer Blick auf das eigene Feld. In der Session „Kritik/Reflexion“ blickten Michael Wohlgemuth, Michaele Adam und Jutta Musiat (alle drei SLUB Dresden) auf die Potentiale und Probleme des Journal Impact Factor für die Qualitätsbewertung von Open-Access-Zeitschriften. Sie referierten eine Reihe von häufigen Irrtümern über den Impact Factor, wie z. B. die Fehlannahme, dass jeder Artikel in einem High-Impact-Journal von hoher Qualität sei. Trotzdem schlussfolgerten sie, dass in Beratungskontexten zu Open Access der Journal Impact Factor als Thema präsent bleiben wird und die Beratenden entsprechende Expertise aufbauen sollten.
Die Kernaufgabe in der Open-Access-Transformation liegt in neuen Finanzierungsmodellen, um das Subskriptionsprinzip abzulösen. Nach wie vor ist das Konzept „Article Processing Charges“ das dominante Modell, das an vielen Wissenschaftseinrichtungen durch Open-Access-Publikationsfonds finanziert wird, an einigen Standorten mit Unterstützung der DFG. Der Zukunft dieses Förderinstruments wurde eine separate Session gewidmet: „Quo vadis, Publikationsfonds?“ Ulrike Kändler (TIB Hannover) blickte auf die Herausforderungen beim Betrieb von Open-Access-Publikationsfonds – z. B. Qualitätsnachweisfragen, Förderobergrenzen, Aufkommen neuer Publikationsformate – und diskutierte unterschiedliche Herangehensweisen, wie Fondsbetreiber auf diese reagieren. Michael Wohlgemuth (SLUB Dresden) präsentierte Überlegungen zur Fortsetzung der Förderobergrenze von 2 000 Euro aus haushälterischen Gründen und Dagmar Schobert (TU Berlin) stellte das Diskussionspapier der TU9-Bibliotheken zu gemeinsamen Kriterien für Publikationsfonds vor, das ebenfalls auf die Bedeutung der Beibehaltung der Kostenobergrenze in Anlehnung an die DFG-Förderrichtlinien hinweist.
Wie bereits während der Open-Access-Tage 2017 konnten sich auch 2018 in Graz die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Tool-Marktplatz über neue Software-Lösungen rund um das Open-Access-Publizieren informieren oder im Rahmen der begleitenden Posterausstellung aktuelle Projekte mit Open-Access-Bezug kennenlernen und direkt bei den Mitwirkenden Einblicke in Forschungs- oder Projektergebnisse erhalten.
3 Open Access im Kontext von Open Science
Bereits in der Eröffnungsrede von Ministerialrat Peter Seitz (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung, Österreich) war die Verbindung von Open Access und Open Science zentrales Thema. Das österreichische Open-Access-Netzwerk OANA zum Beispiel hat sich bereits zu einem Open-Science-Network gewandelt. Die entsprechende Transformation wurde auch durch den Launch der neuen OANA-Webseite[1] während der Tagung signalisiert. Peter Seitz identifizierte als ein Symptom dieser Veränderung eine spürbare Verschiebung der Rolle von wissenschaftlichen Bibliotheken, die sich immer stärker in die Scientific Communities hineinbewegen und mit ihnen zusammenwachsen.
Open Science soll nicht nur größere Transparenz von wissenschaftlichen Prozessen, sondern idealerweise auch breitere Partizipation ermöglichen. Die Aufnahmekapazitäten sind jedoch sehr standort- und ressourcenabhängig (Training und Skills, Infrastrukturen, politischer Wille usw.), sodass das gegenwärtige Aufgreifen von Open Science unter Umständen die alten Stratifikationen der Forschungswelt aufs Neue hervorbringen könnte. Diese Gefahren diskutierten Tony Ross-Hellauer (Know-Center, Graz) und Bernhard Wieser (TU Graz) in ihrem Beitrag „The Matthew Effect in Open Science“ vor dem Hintergrund des Merton’schen Konzepts der kumulativen Vorteile in den Wissenschaften: „The rich get richer.“
In der abschließenden Keynote öffnete Katja Mayer (Zentrum für soziale Innovation, Wien) die Perspektive der Tagung unter dem Titel „Open Science: Where do we go from here?“ und präsentierte Denk- und Lösungsansätze, um die Entwicklungen im Bereich Open Access und Open Science nachhaltig aufzustellen. Einen wichtigen Anstoß stellte dabei ihr Hinweis dar, dass alle Prozesse im Bereich Controlling und Monitoring immer auch Machtstrukturen reflektieren. Aus diesem Grund sollte die Forderung nach und die Implementierung von Monitoring-Prozessen immer von der Frage begleitet sein, wem diese Erhebungen nützen und schaden können. Dies geschah mit einem deutlich kritischen Blick auf den geplanten europäischen Open Science Monitor. Als abschließende Botschaft an die Open-Access-Community kommentierte Katja Mayer die zunehmende Verfestigung von Open Access im Rahmen von Policies und politischen Vorgaben. Sie erhob die Forderung, dass die Personen, deren Alltag aus der Umsetzung von Open-Access-Aktivitäten besteht und die sich schon seit geraumer Zeit mit dem Thema befassen, sich aktiv in die Policy-Prozesse einbringen. Auch wenn der Sprung von der operativen auf die politische Ebene nicht allen leichtfällt, sei es wichtig, dass die Expertise der Community in die politischen Prozesse sichtbar eingebracht wird.
Das Programm und die Dokumentation der Tagungsbeiträge sind einsehbar unter: https://open-access.net/community/open-access-tage/open-access-tage-2018-graz/programm/.
Die nächsten Open-Access-Tage werden vom 30. September bis 2. Oktober 2019 in Hannover stattfinden.
About the authors

Dr. Christina Riesenweber

Dr. Agnieszka Wenninger
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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