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Der Centralverein in neuer Perspektive? Zur »ideengeschichtlichen« Monographie des Sozialhistorikers Avraham Barkai

  • Trude Maurer
Veröffentlicht/Copyright: 21. Dezember 2007
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Aschkenas
Aus der Zeitschrift Band 13 Heft 2

Als die Rezensentin dieses Buch auspackte, war sie befremdet. Und der markante Schutzumschlag (für den niemand namentlich verantwortlich zeichnet) ließ sie noch lange ratlos. Erst spät begriff sie den Grund ihrer Verwirrung: Durch die Farben und den Keil mit integriertem Schriftzug »Wehr Dich!« weckt der Umschlag Assoziationen an El Lissitzkys berühmtes Plakat aus dem russischen Bürgerkrieg: »Mit dem roten Keil schlage die Weißen!« Aber diese Farben sind, besonders durch die hier gewählte Proportion (von dominierendem Rot, schwarzem flachen Keil und dessen schmalem, weißen Hintergrund), zugleich die der Hakenkreuzfahne! Auf diesem Hintergrund läßt die an eine Landsknechtlegende aus dem dreißigjährigen Krieg anküpfende Parole »Hundsfott, wehr Dich« von 1895 in erster Linie an den Kampf des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gegen den Nationalsozialismus denken. Insofern spannt der Umschlag zwar die Gründungszeit des Vereins und den Höhepunkt seines Kampfes gegen den Antisemitismus und Rechtsextremismus zusammen – spiegelt aber nicht den Inhalt des Buches, das im wesentlichen die Diskussion über das jüdische Selbstverständnis innerhalb des Centralvereins und in Auseinandersetzung mit seinen jüdischen Gegnern nachzeichnet: eine Diskussion, der die klaren Linien des Umschlages fehlen, ein »unaufhörliches Ringen um eine neue deutsch-jüdische Identitätsbestimmung« (10), das mehr die Bedrängnis der Juden als einen Erfolg im Kampf gegen den Antisemitismus zeigt. Der Keil ist flach und stumpf: Es fehlt ihm die Spitze.

Online erschienen: 2007-12-21
Erschienen im Druck: 2004-July-03

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Postfach 2140, D–72011 Tübingen, 2003

Artikel in diesem Heft

  1. Überleben durch Kooperation mit dem »Feind«? Deutungen von Krieg und Frieden in der Gründungslegende des rabbinischen Judentums
  2. Zur sozialen Hierarchie der Judenheit in Spätantike und Frühmittelalter
  3. Die Judensteuerliste Markgraf Albrechts von Brandenburg aus dem Jahr 1461
  4. Juden in Paris und Berlin. Zur Berichterstattung über die Französische Revolution in Berliner Zeitungen und Zeitschriften (1789–1791)
  5. Salomon Formstechers »Religion des Geistes« – Versuch einer Neulektüre
  6. Der frühe Hermann Cohen und die Völkerpsychologie
  7. Von Parodien deutscher Dichtung, dem Nachleben von Isaak Euchels ›Reb Henoch‹ und anderen Lesestoffen der Berliner Juden: Die Kolportagereihe ›Gedichte und Scherze in jüdischer Mundart‹
  8. Das Tagebuch der Šejna Gram – ein historisches Dokument und Zeugnis eines menschlichen Schicksals
  9. Henry Wassermann, die deutsche Kollektivschuld und das Ausbleiben des Messias
  10. Die Welt der »Jüdischen Studien« – von außen betrachtet
  11. Der Centralverein in neuer Perspektive? Zur »ideengeschichtlichen« Monographie des Sozialhistorikers Avraham Barkai
  12. »Mährischen Volkes Weisen«. Das Olmützer »Lexikon deutschmährischer Autoren«
  13. »Die Schauspieler haben es wohl in der Emigration am schwersten«. Anmerkungen zu einem Standardwerk über Verfolgung und Exil deutschsprachiger Theaterkünstler
  14. »Polemisch mäandrierende Prosa«. Zu Anton Kuhs geistiger Signatur aus Anlaß einer Neuausgabe seines Buchs »Juden und Deutsche«
  15. »und alles war ihm Opfertod: Erinnern«. Eine Rezension und ein Nachruf – Armin A. Wallas in memoriam
  16. Rezensionen
  17. Zur Dokumentation jüdischer Ritualbauten in Brandenburg
  18. Namen- und Ortsregister
Heruntergeladen am 4.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/ASCH.2003.519/html?lang=de
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