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Religion und das konvivialistische Manifest

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Konvivialismus. Eine Debatte
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Religion und das konvivialistische ManifestMicha Brumlikre l i g i o na k t u e l lReligion ist wieder ein Thema – nicht nur im konvivialistischen Manifest. Das hat sich nicht zuletzt an den intensiven Debatten nach den mörderischen At-tentaten von Paris gegen fünf jüdische Menschen und gegen die Redaktion von Charlie Hebdo gezeigt. Zu verzeichnen ist mithin nicht nur die Einsicht, dass das Zeitalter eines weltanschaulichen Säkularismus politisch seinen Ze-nit überschritten hat, sich also die globalisierte Welt in einem »postsäkularen Zeitalter« (Jürgen Habermas) befindet, sondern auch ein erneutes Interesse an Religionsphilosophie – etwa bei dem kürzlich verstorbenen amerikanischen Rechts- und Sozialphilosophen Ronald Dworkin sowie den Schriften des ana-lytischen Philosophen Thomas Nagel. Dass dieses neue Interesse andererseits mit steigenden Austritten aus Kirchen sowie der Bildung neuer religiöser Ge-meinschaften einhergeht, erscheint nur an der Oberfläche paradox.Gemessen an dieser Lage können die Aussagen, die sich im konvivialisti-schen Manifest zu Fragen der Religion finden, dem Anspruch, den das Mani-fest selbst erhebt, in keiner Weise genügen. Bei genauer Lektüre finden sich drei Textpassagen, in denen »Religion« erwähnt wird. Zunächst auf Seite 49, wo die Suche nach einer neuen Grundlage für global ethisches Handeln be-schworen wird und es u.a. heißt: »Gesucht wird sie [die neue Grundlage, M.B.] unter Berufung auf das Heilige, sowohl in den ursprünglichen Religionen als auch in den großen Weltreligionen oder den Quasireligionen: Taoismus, Hin-duismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Judentum, Christentum, Islam.« (S. 49)Im Folgenden präzisieren die Autoren ihre Forderung nach einer mini-malen Doktrin dadurch, dass sie vier Fragen beantwortet sehen wollen: die moralische, die politische, die ökologische sowie die ökonomische Frage, also Fragen nach den Normen individuellen und kollektiven Zusammenlebens, der Legitimität politischer Gemeinwesen, der Rücksicht auf die natürlichen Res-sourcen sowie der gerechten Verteilung der Güter. In diesem Kontext glauben die Autorinnen und Autoren feststellen zu müssen: »dass keine der herkömm-
© 2015 transcript Verlag

Religion und das konvivialistische ManifestMicha Brumlikre l i g i o na k t u e l lReligion ist wieder ein Thema – nicht nur im konvivialistischen Manifest. Das hat sich nicht zuletzt an den intensiven Debatten nach den mörderischen At-tentaten von Paris gegen fünf jüdische Menschen und gegen die Redaktion von Charlie Hebdo gezeigt. Zu verzeichnen ist mithin nicht nur die Einsicht, dass das Zeitalter eines weltanschaulichen Säkularismus politisch seinen Ze-nit überschritten hat, sich also die globalisierte Welt in einem »postsäkularen Zeitalter« (Jürgen Habermas) befindet, sondern auch ein erneutes Interesse an Religionsphilosophie – etwa bei dem kürzlich verstorbenen amerikanischen Rechts- und Sozialphilosophen Ronald Dworkin sowie den Schriften des ana-lytischen Philosophen Thomas Nagel. Dass dieses neue Interesse andererseits mit steigenden Austritten aus Kirchen sowie der Bildung neuer religiöser Ge-meinschaften einhergeht, erscheint nur an der Oberfläche paradox.Gemessen an dieser Lage können die Aussagen, die sich im konvivialisti-schen Manifest zu Fragen der Religion finden, dem Anspruch, den das Mani-fest selbst erhebt, in keiner Weise genügen. Bei genauer Lektüre finden sich drei Textpassagen, in denen »Religion« erwähnt wird. Zunächst auf Seite 49, wo die Suche nach einer neuen Grundlage für global ethisches Handeln be-schworen wird und es u.a. heißt: »Gesucht wird sie [die neue Grundlage, M.B.] unter Berufung auf das Heilige, sowohl in den ursprünglichen Religionen als auch in den großen Weltreligionen oder den Quasireligionen: Taoismus, Hin-duismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Judentum, Christentum, Islam.« (S. 49)Im Folgenden präzisieren die Autoren ihre Forderung nach einer mini-malen Doktrin dadurch, dass sie vier Fragen beantwortet sehen wollen: die moralische, die politische, die ökologische sowie die ökonomische Frage, also Fragen nach den Normen individuellen und kollektiven Zusammenlebens, der Legitimität politischer Gemeinwesen, der Rücksicht auf die natürlichen Res-sourcen sowie der gerechten Verteilung der Güter. In diesem Kontext glauben die Autorinnen und Autoren feststellen zu müssen: »dass keine der herkömm-
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