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I. Modernisierungstheorie und Geschichte

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Die Bielefelder Sozialgeschichte
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* Hans-Ulrich Wehler, Modernisierungstheorie und Geschichte, in: ders., Die Ge-genwart als Geschichte. Essays, München: C . H . Beck 1995, S. 13-59, S. 266-284.I. Modernisierungstheorie und Geschichte* HANS-ULRICH WEHLERWer die Forderung ernst nimmt, daß Geschichte heute auch als Historische Sozialwissenschaft betrieben werden sollte, sieht sich seit geraumer Zeit dem Anspruch der Modernisierungstheorien gegenüber, daß sie auch dem Historiker spezifische Theorien des sozialen Wandels zur Verfügung stellen oder doch zumindest für die Neuzeit ein Interpretationsangebot machen können. Da inzwischen die nicht zuletzt von der Systemtheorie angeregte Modernisierungsdiskussion auch in der Bundesrepublik intensiver geworden ist und zu einem sichtbaren Bodengewinn der System- und Modernisie-rungstheorien geführt hat, ist es noch dringender erforderlich, daß einmal der Versuch gemacht wird, einige Probleme der internationalen Modernisie-rungsforschung unter dem Gesichtspunkt ihrer Impulse für die moderne Ge-schichtswissenschaft zu prüfen. Zugegeben, es handelt sich dabei nur um eine Auswahl von Problemen, aber immerhin um einen Anlauf, die Diskus-sion streckenweise zu rekonstruieren und eine kritische Überprüfung der Modernisierungstheorien anzuregen. Zur Vorklärung des hier behandelten Themas nur das Folgende: 1. Man kann gegenwärtig davon ausgehen, daß die Modernisierungsthe-orien „kein geschlossenes theoretisches System“, sondern einen „Bereich von Problemen und Lösungsvorstellungen“ darstellen, „zu dem die ver-schiedenen Sozialwissenschaften beitragen“. Da die älteren Ziele, Hoffnun-gen und Entwicklungsstufen der Modernisierungstheorien an dieser Stelle nicht beschrieben zu werden brauchen, mag die Frage nach ihrem Inhalt vorläufig mit einer bewußt sparsamen Definition beantwortet werden, die mit guten Gründen bevorzugt werden kann. Danach befaßt sich die Theorie der Modernisierung „mit einer epochalen, langfristigen, nicht selten gewalt-samen Transformation, die in Westeuropa begonnen, dann aber die ganze Welt in ihre Dynamik einbezogen hat“. Modernisierung wird dabei verstan-den als „ein systematischer Prozeß, in dem sich generelle Probleme stellen“,
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* Hans-Ulrich Wehler, Modernisierungstheorie und Geschichte, in: ders., Die Ge-genwart als Geschichte. Essays, München: C . H . Beck 1995, S. 13-59, S. 266-284.I. Modernisierungstheorie und Geschichte* HANS-ULRICH WEHLERWer die Forderung ernst nimmt, daß Geschichte heute auch als Historische Sozialwissenschaft betrieben werden sollte, sieht sich seit geraumer Zeit dem Anspruch der Modernisierungstheorien gegenüber, daß sie auch dem Historiker spezifische Theorien des sozialen Wandels zur Verfügung stellen oder doch zumindest für die Neuzeit ein Interpretationsangebot machen können. Da inzwischen die nicht zuletzt von der Systemtheorie angeregte Modernisierungsdiskussion auch in der Bundesrepublik intensiver geworden ist und zu einem sichtbaren Bodengewinn der System- und Modernisie-rungstheorien geführt hat, ist es noch dringender erforderlich, daß einmal der Versuch gemacht wird, einige Probleme der internationalen Modernisie-rungsforschung unter dem Gesichtspunkt ihrer Impulse für die moderne Ge-schichtswissenschaft zu prüfen. Zugegeben, es handelt sich dabei nur um eine Auswahl von Problemen, aber immerhin um einen Anlauf, die Diskus-sion streckenweise zu rekonstruieren und eine kritische Überprüfung der Modernisierungstheorien anzuregen. Zur Vorklärung des hier behandelten Themas nur das Folgende: 1. Man kann gegenwärtig davon ausgehen, daß die Modernisierungsthe-orien „kein geschlossenes theoretisches System“, sondern einen „Bereich von Problemen und Lösungsvorstellungen“ darstellen, „zu dem die ver-schiedenen Sozialwissenschaften beitragen“. Da die älteren Ziele, Hoffnun-gen und Entwicklungsstufen der Modernisierungstheorien an dieser Stelle nicht beschrieben zu werden brauchen, mag die Frage nach ihrem Inhalt vorläufig mit einer bewußt sparsamen Definition beantwortet werden, die mit guten Gründen bevorzugt werden kann. Danach befaßt sich die Theorie der Modernisierung „mit einer epochalen, langfristigen, nicht selten gewalt-samen Transformation, die in Westeuropa begonnen, dann aber die ganze Welt in ihre Dynamik einbezogen hat“. Modernisierung wird dabei verstan-den als „ein systematischer Prozeß, in dem sich generelle Probleme stellen“,
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