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Antemurale christianitatis

Polen als Vormauer des christlichen Europa
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Band 2 2001
Ein Kapitel aus dem Buch Band 2 2001
Antemurale christianitatis Polen als Vormauer des christlichen Europa* Von Malgorzata Morawiec Die feste Überzeugung der Polen von der jahrhundertealten Zugehörigkeit ihres Staates zum Idealkonstrukt Europa, zu seinen politischen und religiösen Grundsätzen sowie zu seinem Kulturkreis gehört zu den festen Konstanten des politischen Lebens in der Republik Polen. Diese Zugehörigkeit begründet man in den zur Zeit aktuellen Diskussionen über Polens Weg in die europäi-sche Gemeinschaft mit den - wenn auch nicht immer wortwörtlich formu-lierten - Argumenten einer mehrere Jahrhunderte andauernden Verteidigung der - zugegebenermaßen sehr breit verstandenen - europäischen Werte gegen die „fremde", das heißt: nichteuropäische Gefahr. Relativ früh benutzte man als Begründung dafür konfessionelle Motive. Polen - und die Beweisführung ergab sich aus dem freiwilligen Beitritt zur christlichen Gemeinschaft im Jahr 966 - sei eben schon immer die Vormauer des christlichen Europa gewesen, sein Schlachtfeld und seine Brücke zum Osten. Eben diese Begrifflichkeit: Polen als Vormauer des christlichen Europa, als antemurale christianitatis - wie es in den Quellen und in der Literatur for-muliert ist - steht hier stellvertretend für ein Moment des kollektiven Ge-dächtnisses, das in diesem Land tatsächlich über Jahrhunderte hinweg aufge-baut und bewahrt, erweitert und modifiziert wurde, nur mit dem einen Ziel: der für die Nation lebenswichtigen Begründung ihrer Existenz durch die Tatsache, dass sie dort und damals genauso wie hier und heute eine wichtige politische und kulturelle (auch im religiösen Sinn verstanden) Funktion für die europäische Gemeinschaft ausübe. Idealtypisch betrachtet, beruhte diese Funktion seit dem Mittelalter auf der Abwehr der der christianitas drohenden Türkengefahr, in der Frühen Neuzeit auf der Verteidigung des Christentums gegen schismatische Tendenzen und den Islam. Im 18. und 19. Jahrhundert verstand sich Polen als eine Schutzmauer gegen russische Eroberungspläne, als Verteidiger der Französischen und der Belgischen Revolution, letztend-lich auch als eine sich gegen Germanisierung und Russifizierung zur Wehr setzende slawische Insel, und es schloss diese - durch die polnischen Ro-Der Beitrag entstand in Anlehnung an die 1987 erschienene Abhandlung von Janusz TAZBIR, Polskie przedmurze chrzeácijañskiej Europy. Mity a rzeczywistoáé historyczna, Warszawa 1987. Die meisten faktographischen Angaben wurden diesem Buch entnommen. Entsprechende Verweise finden sich in den Anmerkungen.
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Antemurale christianitatis Polen als Vormauer des christlichen Europa* Von Malgorzata Morawiec Die feste Überzeugung der Polen von der jahrhundertealten Zugehörigkeit ihres Staates zum Idealkonstrukt Europa, zu seinen politischen und religiösen Grundsätzen sowie zu seinem Kulturkreis gehört zu den festen Konstanten des politischen Lebens in der Republik Polen. Diese Zugehörigkeit begründet man in den zur Zeit aktuellen Diskussionen über Polens Weg in die europäi-sche Gemeinschaft mit den - wenn auch nicht immer wortwörtlich formu-lierten - Argumenten einer mehrere Jahrhunderte andauernden Verteidigung der - zugegebenermaßen sehr breit verstandenen - europäischen Werte gegen die „fremde", das heißt: nichteuropäische Gefahr. Relativ früh benutzte man als Begründung dafür konfessionelle Motive. Polen - und die Beweisführung ergab sich aus dem freiwilligen Beitritt zur christlichen Gemeinschaft im Jahr 966 - sei eben schon immer die Vormauer des christlichen Europa gewesen, sein Schlachtfeld und seine Brücke zum Osten. Eben diese Begrifflichkeit: Polen als Vormauer des christlichen Europa, als antemurale christianitatis - wie es in den Quellen und in der Literatur for-muliert ist - steht hier stellvertretend für ein Moment des kollektiven Ge-dächtnisses, das in diesem Land tatsächlich über Jahrhunderte hinweg aufge-baut und bewahrt, erweitert und modifiziert wurde, nur mit dem einen Ziel: der für die Nation lebenswichtigen Begründung ihrer Existenz durch die Tatsache, dass sie dort und damals genauso wie hier und heute eine wichtige politische und kulturelle (auch im religiösen Sinn verstanden) Funktion für die europäische Gemeinschaft ausübe. Idealtypisch betrachtet, beruhte diese Funktion seit dem Mittelalter auf der Abwehr der der christianitas drohenden Türkengefahr, in der Frühen Neuzeit auf der Verteidigung des Christentums gegen schismatische Tendenzen und den Islam. Im 18. und 19. Jahrhundert verstand sich Polen als eine Schutzmauer gegen russische Eroberungspläne, als Verteidiger der Französischen und der Belgischen Revolution, letztend-lich auch als eine sich gegen Germanisierung und Russifizierung zur Wehr setzende slawische Insel, und es schloss diese - durch die polnischen Ro-Der Beitrag entstand in Anlehnung an die 1987 erschienene Abhandlung von Janusz TAZBIR, Polskie przedmurze chrzeácijañskiej Europy. Mity a rzeczywistoáé historyczna, Warszawa 1987. Die meisten faktographischen Angaben wurden diesem Buch entnommen. Entsprechende Verweise finden sich in den Anmerkungen.
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