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4 Zur Konzeption: Handelnde Personifikationen als ästhetische Reflexionsfigur

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https://doi.org/10.1515/9783111162027-0044 Zur Konzeption: Handelnde Personifikationen als ästhetische ReflexionsfigurDie Beispiele des personifizierten Glücks bei Reinmar von Zweter oder Frauenlob zeigen, dass das Handeln und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten eine Scharnier-stelle sind, über die Personifikationsdarstellungen variiert werden können und gleich-zeitig in die Reflexion geraten. Um diese Stellen herausarbeiten zu können, verlangt die Arbeit nach einem induktiven Zugriff, der es ermöglicht, eine Poetik der Personifika-tion, die in ihrer Verwendung implizit (mit-)erzählt wird, greifbar zu machen.Handeln legt demnach die Art und Weise, wie Personifikationen gedacht werden, offen und steht im Fokus des Forschungsinteresses der vorliegenden Arbeit. Handeln erfordert auf basaler Ebene einen Körper1 oder auch eine Präsenz.2 Diese Präsenz fin-det ihre Ursache in der agency,3 der Handlungsmacht, die den Begriffen verliehen wird und sie als vermenschlicht kennzeichnet. Paxson und Escobedo sprechen von poweroder energy und damit von einer Macht oder vielmehr einer Kraft, die die Verlebendi-gung generiert und in der Rezeption wahrnehmbar ist.4 Diese agency lässt sich auf textlicher Ebene ganz konkret am Umfeld der Personifikation festmachen: Verben, Adjektive oder Eigennamen,5 die beispielsweise eine Tätigkeitsbeschreibung beinhal-ten, markieren die Belebung eines Abstraktums und lassen sich sprachlich greifen. Die agency führt jedoch nicht zu einem fixierten Zustand, sondern ist vielmehr eine vorübergehende Momentaufnahme, weshalb Gombrichs These für die bildlichen Dar-1 Vgl. exemplarisch den Beitrag von Philipowski 2001, die die Frage nach der „Bedeutung des Körpers, seiner Materialität und Performativität“ stellt. Für Philipowski ist die Allegorie „eine eigentümliche Zwischenexistenz zwischen Ding und Person, Begriff und Körper, weil ihre Bedeu-tung darin besteht, die beiden Ebenen von Abstraktion und Konkretion, von Unsichtbarem und Sichtbarem zu vermitteln“ (S. 367).2 Vgl. zu Überlegungen zur Präsenz Lechtermann 2005.3 Anregungen zu diesen Überlegungen gibt der Ansatz von Kohl zur Metapher. Sie sieht die Meta-pher und die mit ihr verwandten Figuren wie die Personifikation als Phänomene, die eine gewisse Handlungsmacht generieren, indem sie zwischen Produzierende und Rezipierende treten, vgl. Kohl 2007, S. 18.4 Vgl. Paxson 1994, S. 14, der seine Überlegungen präzisiert: „The sense of the trope as a latent but powerful force – as a figure telling something about figuration – does unconsciously creep into theoretical poetics.“ Demnach ist die Personifikation eine latente und zugleich (handlungs-)mächtige Trope, die etwas über ihre Figuration aussagt und damit selbstbezüglich zu verstehen ist. Escobedo 2017, S. 15, nimmt diesen Gedanken in gewisser Weise auf und spricht von der Per-sonifikation als „trope as a kind of energy“.5 Vgl. Dorst 2011, S. 120, die auf sprachwissenschaftlicher Basis beobachtet, dass Personifikationen dabei eher durch Verben und Adjektive als durch Substantive realisiert werden.
© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

https://doi.org/10.1515/9783111162027-0044 Zur Konzeption: Handelnde Personifikationen als ästhetische ReflexionsfigurDie Beispiele des personifizierten Glücks bei Reinmar von Zweter oder Frauenlob zeigen, dass das Handeln und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten eine Scharnier-stelle sind, über die Personifikationsdarstellungen variiert werden können und gleich-zeitig in die Reflexion geraten. Um diese Stellen herausarbeiten zu können, verlangt die Arbeit nach einem induktiven Zugriff, der es ermöglicht, eine Poetik der Personifika-tion, die in ihrer Verwendung implizit (mit-)erzählt wird, greifbar zu machen.Handeln legt demnach die Art und Weise, wie Personifikationen gedacht werden, offen und steht im Fokus des Forschungsinteresses der vorliegenden Arbeit. Handeln erfordert auf basaler Ebene einen Körper1 oder auch eine Präsenz.2 Diese Präsenz fin-det ihre Ursache in der agency,3 der Handlungsmacht, die den Begriffen verliehen wird und sie als vermenschlicht kennzeichnet. Paxson und Escobedo sprechen von poweroder energy und damit von einer Macht oder vielmehr einer Kraft, die die Verlebendi-gung generiert und in der Rezeption wahrnehmbar ist.4 Diese agency lässt sich auf textlicher Ebene ganz konkret am Umfeld der Personifikation festmachen: Verben, Adjektive oder Eigennamen,5 die beispielsweise eine Tätigkeitsbeschreibung beinhal-ten, markieren die Belebung eines Abstraktums und lassen sich sprachlich greifen. Die agency führt jedoch nicht zu einem fixierten Zustand, sondern ist vielmehr eine vorübergehende Momentaufnahme, weshalb Gombrichs These für die bildlichen Dar-1 Vgl. exemplarisch den Beitrag von Philipowski 2001, die die Frage nach der „Bedeutung des Körpers, seiner Materialität und Performativität“ stellt. Für Philipowski ist die Allegorie „eine eigentümliche Zwischenexistenz zwischen Ding und Person, Begriff und Körper, weil ihre Bedeu-tung darin besteht, die beiden Ebenen von Abstraktion und Konkretion, von Unsichtbarem und Sichtbarem zu vermitteln“ (S. 367).2 Vgl. zu Überlegungen zur Präsenz Lechtermann 2005.3 Anregungen zu diesen Überlegungen gibt der Ansatz von Kohl zur Metapher. Sie sieht die Meta-pher und die mit ihr verwandten Figuren wie die Personifikation als Phänomene, die eine gewisse Handlungsmacht generieren, indem sie zwischen Produzierende und Rezipierende treten, vgl. Kohl 2007, S. 18.4 Vgl. Paxson 1994, S. 14, der seine Überlegungen präzisiert: „The sense of the trope as a latent but powerful force – as a figure telling something about figuration – does unconsciously creep into theoretical poetics.“ Demnach ist die Personifikation eine latente und zugleich (handlungs-)mächtige Trope, die etwas über ihre Figuration aussagt und damit selbstbezüglich zu verstehen ist. Escobedo 2017, S. 15, nimmt diesen Gedanken in gewisser Weise auf und spricht von der Per-sonifikation als „trope as a kind of energy“.5 Vgl. Dorst 2011, S. 120, die auf sprachwissenschaftlicher Basis beobachtet, dass Personifikationen dabei eher durch Verben und Adjektive als durch Substantive realisiert werden.
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