Startseite Philosophie 6. Die Zweiweltentheorie
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6. Die Zweiweltentheorie

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Platons Ideenlehre
Ein Kapitel aus dem Buch Platons Ideenlehre
§ 6 Die Zweiweltentheorie 85 sonders zu dem Widerspruch zwischen der Politeia und dem Sophistes keine Stellung genommen. Man muß also versuchen, sich eine eigene systematische Auffassung zu bilden und von da aus eine Hypothese zu finden, wie Piaton über diese Diskrepanz gedacht haben könnte. Wenn man zunächst eine systematische Entscheidung versucht, dann sieht man bald, daß es eine oberste Idee nicht geben kann. Wir haben sdion von den Schwierigkeiten gesprochen, die sich ergeben, wenn man alle Zahlen in das Prokrustesbett einer Begriffspyramide pressen will. Noch viel weniger ist es möglich, die Gesamtheit aller Ideen in eine Begriffspyramide zu bekommen. So ist es denn audi verständlich, daß von den im Sophistes genannten fünf obersten Ideen sich zum mindesten drei, nämlich Sein, Identität und Verschiedenheit nicht in eine dichotomische Begriffsgliederung mit einem obersten Begriff brin-gen lassen. Auf der anderen Seite spricht für die Auffassung des Sophistes, daß sidi hier ein ursprünglicher Zusammenhang mit dem für die Geschichte der Philosophie so folgenreichen Transzendentalienproblem eröffnet. Ich glaube daher, daß systematische Gründe entschieden für die Auffassung des Sophistes und ebenso entschieden gegen die Auffassung der Politeia sprechen. Dennoch glaube ich nicht, daß Piaton selbst bis zu einer solchen Entscheidung gekommen ist, und ich will ihm durch-aus nicht eine solche Entscheidung unterstellen. Der Meinung von Piaton selbst wird man wohl am besten gerecht werden, wenn man sich vorstellt, daß er selbst eine endgültige Entscheidung nicht getrof-fen hat, daß er sich vielmehr darauf beschränkt hat, die beiden großen Möglichkeiten aufzuzeigen. § 6 Die Zweiweltentheorie Der terminologisch streng bestimmte Ausdruck „Zweiweltentheorie" stammt in dieser Form von Emil Lask1, wenn er auch in der Sache sehr viel älter ist. Ehe ich midi der Analyse der Zweiweltentheorie bei Piaton zuwende, werfe ich einen kurzen Blick auf den Gang des Problems in der Geschichte der Philosophie. Es ist gewiß Augustin gewesen, der den stärksten Anstoß zur formellen Ausbildung einer Zweiweltentheorie gegeben hat. Sein großes Werk De civitate Dei zielt sdion im Titel darauf, der die

§ 6 Die Zweiweltentheorie 85 sonders zu dem Widerspruch zwischen der Politeia und dem Sophistes keine Stellung genommen. Man muß also versuchen, sich eine eigene systematische Auffassung zu bilden und von da aus eine Hypothese zu finden, wie Piaton über diese Diskrepanz gedacht haben könnte. Wenn man zunächst eine systematische Entscheidung versucht, dann sieht man bald, daß es eine oberste Idee nicht geben kann. Wir haben sdion von den Schwierigkeiten gesprochen, die sich ergeben, wenn man alle Zahlen in das Prokrustesbett einer Begriffspyramide pressen will. Noch viel weniger ist es möglich, die Gesamtheit aller Ideen in eine Begriffspyramide zu bekommen. So ist es denn audi verständlich, daß von den im Sophistes genannten fünf obersten Ideen sich zum mindesten drei, nämlich Sein, Identität und Verschiedenheit nicht in eine dichotomische Begriffsgliederung mit einem obersten Begriff brin-gen lassen. Auf der anderen Seite spricht für die Auffassung des Sophistes, daß sidi hier ein ursprünglicher Zusammenhang mit dem für die Geschichte der Philosophie so folgenreichen Transzendentalienproblem eröffnet. Ich glaube daher, daß systematische Gründe entschieden für die Auffassung des Sophistes und ebenso entschieden gegen die Auffassung der Politeia sprechen. Dennoch glaube ich nicht, daß Piaton selbst bis zu einer solchen Entscheidung gekommen ist, und ich will ihm durch-aus nicht eine solche Entscheidung unterstellen. Der Meinung von Piaton selbst wird man wohl am besten gerecht werden, wenn man sich vorstellt, daß er selbst eine endgültige Entscheidung nicht getrof-fen hat, daß er sich vielmehr darauf beschränkt hat, die beiden großen Möglichkeiten aufzuzeigen. § 6 Die Zweiweltentheorie Der terminologisch streng bestimmte Ausdruck „Zweiweltentheorie" stammt in dieser Form von Emil Lask1, wenn er auch in der Sache sehr viel älter ist. Ehe ich midi der Analyse der Zweiweltentheorie bei Piaton zuwende, werfe ich einen kurzen Blick auf den Gang des Problems in der Geschichte der Philosophie. Es ist gewiß Augustin gewesen, der den stärksten Anstoß zur formellen Ausbildung einer Zweiweltentheorie gegeben hat. Sein großes Werk De civitate Dei zielt sdion im Titel darauf, der die
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