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I Agenten der Ansteckung

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Kulturvirologie
Ein Kapitel aus dem Buch Kulturvirologie
IaGEnTEn dERansTEcKUnGBILdER dEs VIRUs Und KOnTExT dEs VIRaLEnEs gibt keine Grenzen in den Dingen: die Gesetze wollen sie festlegen, doch der Geist kann sie nicht dulden.1Von Bildern zu sprechen, heißt zu beachten, dass nur sichtbar wird, was wir uns vorstellen können. Das nie Gesehene taucht nicht völlig unvermutet auf und in welchem Verhältnis Ursache und Wirkung eines Bildes zueinander stehen, ist rückblickend nur selten deutlich zu erkennen. „Imago“ und „Imaginatio“ fallen noch dazu häufig in eins, wenn es um die Herstellung von Bedeutung geht.2 Dies fällt besonders auf dem Gebiet der vermeintlich objektiven Bebilderung wissenschaftlicher Erkenntnis auf: Die Kreativität und technische Versiertheit mancher Naturwissenschaftler bei der Herstellung wissenschaftlicher Bilder vom eigentlich Unsichtbaren erregen Neid und Begeisterung der Künstler und das Erstau-nen des breiten Publikums. Das allzu Offensichtliche erscheint dagegen eher banal und weitaus weniger bedeutsam. Bekanntlich entsteht in Europa die äußerste Lust am Sehen und Erkennen in den bunt gemischten Mirabilien- und Kuriositätenkabinetten des 16. bis 18. Jahrhunderts und findet mit der späteren Öffnung dieser Wunderkammern als „Museen“ ein breites schaulustiges Publikum im neu formierten Bildungsbürgertum (siehe Kap.13).3Das vorangestellte Zitat zeugt im Bewusstsein dieser Tradition vom hybridisierenden Geist des Barock, dem die zeitgenössische Digitalkultur in vielerlei Hinsicht zu ähneln scheint. Mit ähnlich entgrenzter Schaulust „prosumiert“ in der Gegenwart die weltweite 1Pascal, Blaise/Wasmuth, Ewald (Hg.), DiePensées. Gerlingen, 1994 [1670], S. 176, Fragment 380.2„Imago“: Spiegelungen oder Projektionen des wirklich Gesehenen oder Entdeckten, „Imaginatio“: freie Bil-derfindung, Produktion virtueller Realität.3Damit verbunden ist übrigens auch der beginnende Einsatz der Biologie als zunehmend generalisiertes Interpretationsschema exakter Beobachtung und Aufzeichnung. Gerade die Verwissenschaftlichung und kategorisierende Ordnung früher Wunderkammern Ende des 18. Jahrhunderts ist daher ein signifikantes Phänomen auch für die Frage nach den im Kontext des Viralen relevanten Wechselwirkungen von Kunst und Wissenschaft. Vgl. Mauriés, Patrick, Das Kuriositätenkabinett. Köln, 2002, S. 194ff. Vgl. ferner zur Aktualität der Wunderkammer Martin, Jean-Hubert, LeChâteau d ́Oiron et son cabinet des curiosités.Paris, 2000.
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

IaGEnTEn dERansTEcKUnGBILdER dEs VIRUs Und KOnTExT dEs VIRaLEnEs gibt keine Grenzen in den Dingen: die Gesetze wollen sie festlegen, doch der Geist kann sie nicht dulden.1Von Bildern zu sprechen, heißt zu beachten, dass nur sichtbar wird, was wir uns vorstellen können. Das nie Gesehene taucht nicht völlig unvermutet auf und in welchem Verhältnis Ursache und Wirkung eines Bildes zueinander stehen, ist rückblickend nur selten deutlich zu erkennen. „Imago“ und „Imaginatio“ fallen noch dazu häufig in eins, wenn es um die Herstellung von Bedeutung geht.2 Dies fällt besonders auf dem Gebiet der vermeintlich objektiven Bebilderung wissenschaftlicher Erkenntnis auf: Die Kreativität und technische Versiertheit mancher Naturwissenschaftler bei der Herstellung wissenschaftlicher Bilder vom eigentlich Unsichtbaren erregen Neid und Begeisterung der Künstler und das Erstau-nen des breiten Publikums. Das allzu Offensichtliche erscheint dagegen eher banal und weitaus weniger bedeutsam. Bekanntlich entsteht in Europa die äußerste Lust am Sehen und Erkennen in den bunt gemischten Mirabilien- und Kuriositätenkabinetten des 16. bis 18. Jahrhunderts und findet mit der späteren Öffnung dieser Wunderkammern als „Museen“ ein breites schaulustiges Publikum im neu formierten Bildungsbürgertum (siehe Kap.13).3Das vorangestellte Zitat zeugt im Bewusstsein dieser Tradition vom hybridisierenden Geist des Barock, dem die zeitgenössische Digitalkultur in vielerlei Hinsicht zu ähneln scheint. Mit ähnlich entgrenzter Schaulust „prosumiert“ in der Gegenwart die weltweite 1Pascal, Blaise/Wasmuth, Ewald (Hg.), DiePensées. Gerlingen, 1994 [1670], S. 176, Fragment 380.2„Imago“: Spiegelungen oder Projektionen des wirklich Gesehenen oder Entdeckten, „Imaginatio“: freie Bil-derfindung, Produktion virtueller Realität.3Damit verbunden ist übrigens auch der beginnende Einsatz der Biologie als zunehmend generalisiertes Interpretationsschema exakter Beobachtung und Aufzeichnung. Gerade die Verwissenschaftlichung und kategorisierende Ordnung früher Wunderkammern Ende des 18. Jahrhunderts ist daher ein signifikantes Phänomen auch für die Frage nach den im Kontext des Viralen relevanten Wechselwirkungen von Kunst und Wissenschaft. Vgl. Mauriés, Patrick, Das Kuriositätenkabinett. Köln, 2002, S. 194ff. Vgl. ferner zur Aktualität der Wunderkammer Martin, Jean-Hubert, LeChâteau d ́Oiron et son cabinet des curiosités.Paris, 2000.
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