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5.3.9.2 St. Benno-Verlag

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Teil 2 Verlage 2
Ein Kapitel aus dem Buch Teil 2 Verlage 2
Katrin Löffler5.3.9.2 St. Benno-VerlagRahmenbedingungen und GründungEin Verlag für katholisches Schrifttum in der DDR – das bedeutete nicht nur, unter denspezifischen Bedingungen des zentralistisch gesteuerten DDR-Buchhandels zu arbeitenwie alle anderen Verlage auch, sondern zugleich, für potentielle Adressaten zu produzie-ren, deren Selbstverständnis als Katholiken massiv angefochten wurde. Zum einen pro-pagierte der Staat eine materialistisch-atheistische Weltanschauung und verfolgte einenkirchenpolitisch taktierenden Kurs, der den Einfluss der Kirchen mit mehr oder wenigerrepressiven Maßnahmen zurückzudrängen suchte,1und zum anderen befanden sich dieKatholiken in einer doppelten Diasporasituation, da sie innerhalb der christlichen Bevöl-kerungsminderheit zahlenmäßig gegenüber den evangelischen Christen deutlich zurück-standen. Das Gebiet der SBZ bzw. DDR umfasste Territorien, die seit der Reformationweitgehend protestantisch waren. Ausnahmen bildeten zwei Enklaven: der thüringischeTeil des Eichsfelds2und die sächsischen Oberlausitz mit den katholischen Sorben.3Erstaufgrund der arbeitsbedingten Migration im 19. Jahrhundert waren katholische Gemein-den in nennenswerter Größe entstanden. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten auf späteremDDR-Gebiet geschätzt etwas mehr als eine Million Katholiken, danach waren es durchden Zustrom an Flüchtlingen und Vertriebenen fast 2,8 Millionen.4Diese Zahl nahm inden folgenden Jahrzehnten kontinuierlich ab, weil viele Christen – auch aufgrund derrestriktiven Kirchenpolitik – die DDR gen Westen verließen, die Menschen ihren Glau-ben nicht praktizierten, um keine Nachteile zu erleiden, oder ihn ganz aufgaben, demallgemeinen Trend zur Säkularisation folgend. Im Jahr 1988 gehörten zu den katholi-schen Gemeinden nach offiziellen Angaben noch 1.090.300 Mitglieder.5Bereits im 19. Jahrhundert hatte sich in der mittel- und ostdeutschen Diaspora einkatholisches Verlagswesen entwickelt, dessen Geschichte noch nicht ausreichend er-forscht ist.6Nach dem totalitären Zugriff des nationalsozialistischen Staates auf den1 Vgl. Schäfer: Staat und katholische Kirche in der DDR; Haese: Katholische Kirche in der DDR.2 Vgl. Klenke: Das Eichsfeld unter den deutschen Diktaturen; Behrens: Regionale Identität undRegionalkultur in Demokratie und Diktatur. Die SED suchte verstärkt ab den späten 1950erJahren den kirchlichen Einfluss zurückzudrängen, was durch den Zuzug von Industriearbeiternerleichtert wurde, vor allem in Leinefelde (vgl. Behrens, S. 232–241). Im Kreis Heiligenstadtwaren hingegen 1986 noch 85,1 % der Einwohner katholisch (Klenke, S. 13).3 Im katholisch-sorbischen Kerngebiet zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda bildetendie Sorben bereits im späten 19. Jahrhundert ein stabiles katholisches Milieu aus, das langenachwirkte; vgl. Walde: Katholisches versus evangelisches Milieu bei den Sorben.4 Vgl. Schäfer: Staat und katholische Kirche in der DDR, S. 57. Für das Jahr 1950 bezifferte dieoffizielle Statistik den evangelischen Bevölkerungsanteil mit rund 13,9 Mio., den katholischenmit rund 1,9 Mio. Personen (Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik1955, S. 33).5 Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1990, S. 451. Die Zahl derevangelischen Christen wird für 1986 mit 5.104.000 angegeben (ebenda).6 Vgl. Fritzsch: Die »andere Kanzel«.https://doi.org/10.1515/9783110673982-023
© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Katrin Löffler5.3.9.2 St. Benno-VerlagRahmenbedingungen und GründungEin Verlag für katholisches Schrifttum in der DDR – das bedeutete nicht nur, unter denspezifischen Bedingungen des zentralistisch gesteuerten DDR-Buchhandels zu arbeitenwie alle anderen Verlage auch, sondern zugleich, für potentielle Adressaten zu produzie-ren, deren Selbstverständnis als Katholiken massiv angefochten wurde. Zum einen pro-pagierte der Staat eine materialistisch-atheistische Weltanschauung und verfolgte einenkirchenpolitisch taktierenden Kurs, der den Einfluss der Kirchen mit mehr oder wenigerrepressiven Maßnahmen zurückzudrängen suchte,1und zum anderen befanden sich dieKatholiken in einer doppelten Diasporasituation, da sie innerhalb der christlichen Bevöl-kerungsminderheit zahlenmäßig gegenüber den evangelischen Christen deutlich zurück-standen. Das Gebiet der SBZ bzw. DDR umfasste Territorien, die seit der Reformationweitgehend protestantisch waren. Ausnahmen bildeten zwei Enklaven: der thüringischeTeil des Eichsfelds2und die sächsischen Oberlausitz mit den katholischen Sorben.3Erstaufgrund der arbeitsbedingten Migration im 19. Jahrhundert waren katholische Gemein-den in nennenswerter Größe entstanden. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten auf späteremDDR-Gebiet geschätzt etwas mehr als eine Million Katholiken, danach waren es durchden Zustrom an Flüchtlingen und Vertriebenen fast 2,8 Millionen.4Diese Zahl nahm inden folgenden Jahrzehnten kontinuierlich ab, weil viele Christen – auch aufgrund derrestriktiven Kirchenpolitik – die DDR gen Westen verließen, die Menschen ihren Glau-ben nicht praktizierten, um keine Nachteile zu erleiden, oder ihn ganz aufgaben, demallgemeinen Trend zur Säkularisation folgend. Im Jahr 1988 gehörten zu den katholi-schen Gemeinden nach offiziellen Angaben noch 1.090.300 Mitglieder.5Bereits im 19. Jahrhundert hatte sich in der mittel- und ostdeutschen Diaspora einkatholisches Verlagswesen entwickelt, dessen Geschichte noch nicht ausreichend er-forscht ist.6Nach dem totalitären Zugriff des nationalsozialistischen Staates auf den1 Vgl. Schäfer: Staat und katholische Kirche in der DDR; Haese: Katholische Kirche in der DDR.2 Vgl. Klenke: Das Eichsfeld unter den deutschen Diktaturen; Behrens: Regionale Identität undRegionalkultur in Demokratie und Diktatur. Die SED suchte verstärkt ab den späten 1950erJahren den kirchlichen Einfluss zurückzudrängen, was durch den Zuzug von Industriearbeiternerleichtert wurde, vor allem in Leinefelde (vgl. Behrens, S. 232–241). Im Kreis Heiligenstadtwaren hingegen 1986 noch 85,1 % der Einwohner katholisch (Klenke, S. 13).3 Im katholisch-sorbischen Kerngebiet zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda bildetendie Sorben bereits im späten 19. Jahrhundert ein stabiles katholisches Milieu aus, das langenachwirkte; vgl. Walde: Katholisches versus evangelisches Milieu bei den Sorben.4 Vgl. Schäfer: Staat und katholische Kirche in der DDR, S. 57. Für das Jahr 1950 bezifferte dieoffizielle Statistik den evangelischen Bevölkerungsanteil mit rund 13,9 Mio., den katholischenmit rund 1,9 Mio. Personen (Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik1955, S. 33).5 Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1990, S. 451. Die Zahl derevangelischen Christen wird für 1986 mit 5.104.000 angegeben (ebenda).6 Vgl. Fritzsch: Die »andere Kanzel«.https://doi.org/10.1515/9783110673982-023
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Heruntergeladen am 24.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110673982-023/html?lang=de&srsltid=AfmBOoobEFOWqDG1PTnU8BRMnIjFaLLXfXCRh76FEUZ9FLG91OzcAPDL
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