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Das Maß der Dinge Zur Funktion der Homöopathie in »Unwiederbringlich«

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Das Maß der Dinge Zur Funktion der Homöopathie in »Unwiederbringlich« Sophia Wege Homöopathie ist der Gegenstand einer Unterhaltung zwischen Graf Hel-muth Holk, seiner Frau Christine, deren Bruder Baron Arne von Arnewiek und Seminardirektor Schwarzkoppen im zweiten Kapitel des späten Ehe-bruchromans Unwiederbringlich (1891).1 Auf den ersten Blick scheint das Thema Homöopathie in der Veterinärmedizin als willkürlich gewählter ta-gesaktueller Konversationsgegenstand zu fungieren, mittels dessen Fontane die Meinungsverschiedenheiten der Eheleute zum Auftakt des Romans exemplarisch zu Tage treten lässt. Dementsprechend hat die Fontane-For-schung der Textstelle kaum Beachtung geschenkt. Ziel der folgenden Dar-stellung wird es sein zu zeigen, dass sich die Bedeutung der Homöopathie-Szene nicht auf die Charakterisierungsfunktion beschränkt, sondern als konstitutiv für die Handlung des gesamten Romans erweist: Aus dem Nar-rativ der Homöopathie – insbesondere deren zentralem Wirkprinzip similia similibus – speisen sich Figurenkonstellation, Motive und Struktur. Vor dem Hintergrund der homöopathischen Heillehre lässt sich somit das zentrale Thema des Romans – Ursachen und Folgen des Ehebruchs – neu verste-hen. 1. Homöopathie als Konversationsgegenstand Erstmals erwähnt wird die Homöopathie im Rahmen einer nachmittägli-chen Plauderei, in der Arne seinen Schwager warnt, dass nicht nur der soeben gereichte Kaffee die durch den Umzug ins neue Schloss am Meer hinzugewonnene Lebenszeit reduzieren könnte – auch die »philiströse, wenn auch höchst bemerkenswerte Homöopathie« werde, so Arne, von Holks Lebensjahren »subtrahieren« (U, S. 13). Von hieraus kommt man auf den neuen, Homöopathie praktizierenden Tierarzt zu sprechen. Arnes bei-läufige Bemerkung, die Homöopathie wirke ebenso lebensverkürzend wie –––––––––––– 1 Theodor Fontane, Unwiederbringlich, GBA, Das erzählerische Werk 7. Im Folgenden mit Sigle U abgekürzt. https://doi.org/10.1515/9783110666984-010
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Das Maß der Dinge Zur Funktion der Homöopathie in »Unwiederbringlich« Sophia Wege Homöopathie ist der Gegenstand einer Unterhaltung zwischen Graf Hel-muth Holk, seiner Frau Christine, deren Bruder Baron Arne von Arnewiek und Seminardirektor Schwarzkoppen im zweiten Kapitel des späten Ehe-bruchromans Unwiederbringlich (1891).1 Auf den ersten Blick scheint das Thema Homöopathie in der Veterinärmedizin als willkürlich gewählter ta-gesaktueller Konversationsgegenstand zu fungieren, mittels dessen Fontane die Meinungsverschiedenheiten der Eheleute zum Auftakt des Romans exemplarisch zu Tage treten lässt. Dementsprechend hat die Fontane-For-schung der Textstelle kaum Beachtung geschenkt. Ziel der folgenden Dar-stellung wird es sein zu zeigen, dass sich die Bedeutung der Homöopathie-Szene nicht auf die Charakterisierungsfunktion beschränkt, sondern als konstitutiv für die Handlung des gesamten Romans erweist: Aus dem Nar-rativ der Homöopathie – insbesondere deren zentralem Wirkprinzip similia similibus – speisen sich Figurenkonstellation, Motive und Struktur. Vor dem Hintergrund der homöopathischen Heillehre lässt sich somit das zentrale Thema des Romans – Ursachen und Folgen des Ehebruchs – neu verste-hen. 1. Homöopathie als Konversationsgegenstand Erstmals erwähnt wird die Homöopathie im Rahmen einer nachmittägli-chen Plauderei, in der Arne seinen Schwager warnt, dass nicht nur der soeben gereichte Kaffee die durch den Umzug ins neue Schloss am Meer hinzugewonnene Lebenszeit reduzieren könnte – auch die »philiströse, wenn auch höchst bemerkenswerte Homöopathie« werde, so Arne, von Holks Lebensjahren »subtrahieren« (U, S. 13). Von hieraus kommt man auf den neuen, Homöopathie praktizierenden Tierarzt zu sprechen. Arnes bei-läufige Bemerkung, die Homöopathie wirke ebenso lebensverkürzend wie –––––––––––– 1 Theodor Fontane, Unwiederbringlich, GBA, Das erzählerische Werk 7. Im Folgenden mit Sigle U abgekürzt. https://doi.org/10.1515/9783110666984-010
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