Startseite Wirtschaftswissenschaften 4. Die libertäre Kritik: Kollektivgüter und der Staat
Kapitel
Lizenziert
Nicht lizenziert Erfordert eine Authentifizierung

4. Die libertäre Kritik: Kollektivgüter und der Staat

Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill
Freiheit ohne Staat?
Ein Kapitel aus dem Buch Freiheit ohne Staat?
4 Die libertäre Kritik: Kollektivgüter und der Staat 4.1 Vorbemerkung Zu Beginn des letzten Kapitels haben wir die Wünschbarkeit libertärer Eigentums-normen unterstellt und gefragt, ob eine Durchsetzung dieser Normen im Rahmen eines privaten Sicherheitsmarktes plausibel und möglich erscheint. Wir wenden uns daher der Frage zu, ob die Individuen in der geordneten Anarchie auch in der Lage sind, Kollektivgüter bereitzustellen. Ist dies nicht der Fall, so könnte die Bereitstellung von Kollektivgütern auch ein Argument für die Notwendigkeit des Staates darstellen.397 In der folgenden Diskussion geht es dabei zunächst einmal um eine grundlegende Betrach-tung der Kollektivgutproblematik an sich. Wir beginnen mit der Analyse der Kriterien, nach denen ein Gut als Kollektivgut gelten kann und wenden uns dann als nächstes der kritischen Diskussion der Marktversagenstheorie seitens libertärer Theoretiker zu. Dem folgt eine Verallgemeinerung der libertären Kritik am Staat. Diese wird jedoch am Ende des Kapitels selbst hinterfragt. Wenn die Individuen - so die These - dem Staat und seinen Institutionen grundsätzlich ihre Zustimmung erteilt haben, wäre die legiti-mationstheoretische Kritik der Libertären am Staat hinfällig. 4.2 Kollektivgüter als ein Aspekt des Marktversagens Während Güter im Allgemeinen privat produziert, gehandelt und konsumiert werden, scheint es Kollektivgüter zu geben, bei denen der Zusammenhang zwischen individu-ellen Kosten und individuellem Nutzen aufgehoben ist, dann nämlich, wenn man in den Genuss eines Gutes kommen kann, ohne dafür bezahlen zu müssen. Auf welche Güter sich dies erstreckt, oder welche genaueren Spezifikationen nötig sind, um diese Güter von privaten Gütern zu unterscheiden, ist für die momentane Problemexposition sekundär. Wir können zu Beginn vor allem konstatieren, dass sich dieses Problem als das bereits diskutierte Gefangenendilemma (auch in Form wiederholter Spiele mit n Spielern) darstellen lässt.358 Unter der Annahme eines gemeinsamen Interesses der In-dividuen an einer Bereitstellung eines Kollektivgutes X können wir vermuten, dass es für jedes einzelne Individuum rational ist, sich den Kosten zur Bereitstellung des Gutes zu entziehen, wenn andere zur Finanzierung beitragen. Solange die Individuen in den Genuss des Gutes kommen, haben sie einen Anreiz, sich als Trittbrettfahrer der eigenen Kostenbeteiligung zu entziehen. Die Vorhersage des Gefangenendilemmas ist nun, dass alle Individuen, die rational handeln, auf die Erbringung von Beiträgen verzichten, und 397 Kollektivgüter werden in der ökonomischen Literatur auch als „Öffentliche Güter" bezeich-net. Siehe Blankart (1998), Kapitel 4 sowie Samuelson (1954) und Bator (1958) und Blümel u.a. (1986). Wir verwenden den Begriff der Kollektivgüter, da bei „öffentlichen Gütern" der Eindruck einer notwendigerweise staatlichen Bereitstellung mitschwingt: Was ein öffentliches Gut sein soll, wird öffentlich entschieden. Dieser Aspekt wird zwar noch eine Rolle spielen, aber die Idee der Kollektivgüter (und allgemein des kollektiven Handelns) ist zunächst einmal eine in der Rationalität eigeninteressierter Akteure begründete Problematik fernab des Staates. 398 So zum Beispiel auch Sugden (1986), S. 132 ff. oder Hardin (1985).
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

4 Die libertäre Kritik: Kollektivgüter und der Staat 4.1 Vorbemerkung Zu Beginn des letzten Kapitels haben wir die Wünschbarkeit libertärer Eigentums-normen unterstellt und gefragt, ob eine Durchsetzung dieser Normen im Rahmen eines privaten Sicherheitsmarktes plausibel und möglich erscheint. Wir wenden uns daher der Frage zu, ob die Individuen in der geordneten Anarchie auch in der Lage sind, Kollektivgüter bereitzustellen. Ist dies nicht der Fall, so könnte die Bereitstellung von Kollektivgütern auch ein Argument für die Notwendigkeit des Staates darstellen.397 In der folgenden Diskussion geht es dabei zunächst einmal um eine grundlegende Betrach-tung der Kollektivgutproblematik an sich. Wir beginnen mit der Analyse der Kriterien, nach denen ein Gut als Kollektivgut gelten kann und wenden uns dann als nächstes der kritischen Diskussion der Marktversagenstheorie seitens libertärer Theoretiker zu. Dem folgt eine Verallgemeinerung der libertären Kritik am Staat. Diese wird jedoch am Ende des Kapitels selbst hinterfragt. Wenn die Individuen - so die These - dem Staat und seinen Institutionen grundsätzlich ihre Zustimmung erteilt haben, wäre die legiti-mationstheoretische Kritik der Libertären am Staat hinfällig. 4.2 Kollektivgüter als ein Aspekt des Marktversagens Während Güter im Allgemeinen privat produziert, gehandelt und konsumiert werden, scheint es Kollektivgüter zu geben, bei denen der Zusammenhang zwischen individu-ellen Kosten und individuellem Nutzen aufgehoben ist, dann nämlich, wenn man in den Genuss eines Gutes kommen kann, ohne dafür bezahlen zu müssen. Auf welche Güter sich dies erstreckt, oder welche genaueren Spezifikationen nötig sind, um diese Güter von privaten Gütern zu unterscheiden, ist für die momentane Problemexposition sekundär. Wir können zu Beginn vor allem konstatieren, dass sich dieses Problem als das bereits diskutierte Gefangenendilemma (auch in Form wiederholter Spiele mit n Spielern) darstellen lässt.358 Unter der Annahme eines gemeinsamen Interesses der In-dividuen an einer Bereitstellung eines Kollektivgutes X können wir vermuten, dass es für jedes einzelne Individuum rational ist, sich den Kosten zur Bereitstellung des Gutes zu entziehen, wenn andere zur Finanzierung beitragen. Solange die Individuen in den Genuss des Gutes kommen, haben sie einen Anreiz, sich als Trittbrettfahrer der eigenen Kostenbeteiligung zu entziehen. Die Vorhersage des Gefangenendilemmas ist nun, dass alle Individuen, die rational handeln, auf die Erbringung von Beiträgen verzichten, und 397 Kollektivgüter werden in der ökonomischen Literatur auch als „Öffentliche Güter" bezeich-net. Siehe Blankart (1998), Kapitel 4 sowie Samuelson (1954) und Bator (1958) und Blümel u.a. (1986). Wir verwenden den Begriff der Kollektivgüter, da bei „öffentlichen Gütern" der Eindruck einer notwendigerweise staatlichen Bereitstellung mitschwingt: Was ein öffentliches Gut sein soll, wird öffentlich entschieden. Dieser Aspekt wird zwar noch eine Rolle spielen, aber die Idee der Kollektivgüter (und allgemein des kollektiven Handelns) ist zunächst einmal eine in der Rationalität eigeninteressierter Akteure begründete Problematik fernab des Staates. 398 So zum Beispiel auch Sugden (1986), S. 132 ff. oder Hardin (1985).
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston
Heruntergeladen am 10.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110505108-004/html?lang=de&srsltid=AfmBOoqjrFSECS3W6chAAHwhZkKl-juiF411ZzJn27c3iAhMA-ifez1O
Button zum nach oben scrollen