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§ 184i Sexuelle Belästigung

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Band 10 §§ 174-210
Ein Kapitel aus dem Buch Band 10 §§ 174-210
§ 184i Sexuelle Belästigung(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurchbelästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft,wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafebedroht ist.(2)1In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünfJahren.2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehre-ren gemeinschaftlich begangen wird.(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehördewegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschrei-ten von Amts wegen für geboten hält.SchrifttumAdelmannDie Straflosigkeit des „Busengrapschens“, Jura200924;BertramDie Grenzen des Rechts im Schutz vorsexueller Belästigung, in Foblets/Hanschel/Höland (Hrsg.) Grenzen des Rechts (2018) 187;Burghardt/SteinlAnmer-kung (zu BGHSt 63, 98), JZ20181110;Corrêa CamargoDie Strafbarkeit der sexuellen Belästigung durch körperlicheBerührung, ZStW131(2019) 595; Eggert-WeyandBelästigung am Arbeitsplatz (2010); EiselePraxiskommentar (zuBGHSt 63, 98), NStZ201925;LembkeSexuelle Belästigung: Recht und Rechtsprechung,APuZ201435;dies.SexuelleÜbergriffe im öffentlichen Raum, KJ20163;LinSexuelle Belästigung im Strafrecht (2019); MitschSexuelle Belästi-gung (§ 184i StGB) und Straftaten aus Gruppen (§ 184j StGB), KriPoZ2019355;PörnerDas sog. Catcalling – Strafwür-diges Unrecht oder bloße Bagatelle? NStZ2021336;PohlreichDie Strafbarkeit des „Grapschens“ als sexuelle Belästi-gung im Sinne von § 184i StGB? HRRS201916;RenzikowskiAnmerkung (zu BGHSt 63, 98), StV2019555;Schaefer/WolfStrafbarkeitslücke sexuelle Belästigung – regelungsbedürftig oder politisch gewollt? ZRP200127;K. SchumannÜberlegungen zum Anwendungsbereich des § 184i StGB, Festgabe Faria Costa (2020) 373;SickDie Rechtsprechungzur Sexualbeleidigung, JZ1991330.S. auch das Schrifttum Vor § 174.EntstehungsgeschichteDas50. StÄG v. 4.11.20161hat einenneuen Straftatbestandzum Schutz vor sexueller Belästigung eingeführt;s. ausführlich zur Vorgeschichte des 50. StÄG und zum Gesetzgebungsverfahren § 177 Entstehungsgeschichte. ImReferentenentwurf aus dem Jahr 2015, der zum Regierungsentwurf v. 25.4.2016 (BTDrucks. 18/8210) wurde und lautTagesordnung der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss v. 1.6.2016 dort hätte beraten werden sollen, warnoch kein solcher Tatbestand vorgesehen. Erst im folgenden, mit großer Geschwindigkeit abgeschlossenen parla-mentarischen Verfahren wurde § 184i konzipiert und in die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 6.7.2016(BTDrucks. 18/9097) aufgenommen.§ 184i soll Strafbarkeitslücken schließen, die zuvor bei der Anwendung von § 177 a.F. einerseits, § 185 anderer-seits im Fall von sexuellen Handlungen mit vergleichsweise geringer Intensität bestanden. Bei sexuellen Berührun-gen fehlten entweder, etwa bei Überraschungsangriffen, die tatbestandlichen Voraussetzungen für sexuelle Nöti-gung (s. dazu § 177 Entstehungsgeschichte) oder es wurde dieErheblichkeit der sexuellen Handlung(§ 184h Nr. 1)verneint. Verletzungen sexueller Selbstbestimmung, etwa in der Form von Busengrapschen,2konnten deshalb nichtals Sexualdelikt verfolgt werden. S. zu den Strafbarkeitslücken BTDrucks. 18/9097 S. 29f. Angesichts der hohenMindeststrafe in § 177 Abs. 1 a.F. (mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe) war es zwar nachvollziehbar, dass die Erheb-lichkeitsschwelle für diesen Tatbestand hoch angesetzt war, aber es fehlte ein ergänzender Tatbestand mit niedrige-rem Strafrahmen für die weniger gravierenden Fälle der Missachtung sexueller Selbstbestimmung.Hinzu kam, dass manche ältere Urteile den Tatbestand derBeleidigungsehr restriktiv ausgelegt hatten. DerBGH vertrat, dass § 185 „kein Auffangtatbestand“ sei, der bei Taten unterhalb der für § 177 erforderlichen Erheblich-keitsschwelle eingreife (BGHSt36145, 148 ff).3Andere Urteile bejahten eine Beleidigung bei sexuellen Berührungendurch unbekannte Personen (BGH NStZ199233; OLG Bamberg NStZ200796; OLG Karlsruhe NJW20031263, 1264 f).1BGBl. I S. 2460.2BGH NStZ1983553; BGH bei Miebach NStZ1994226; BGH BeckRS199930055608.3Für eine enge Auslegung auch BGH NStZ1993182; NStZ2007218; OLG Zweibrücken NJW19862960. Andersnoch BGHSt3576.Hörnle479https://doi.org/10.1515/9783110490121-030
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

§ 184i Sexuelle Belästigung(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurchbelästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft,wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafebedroht ist.(2)1In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünfJahren.2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehre-ren gemeinschaftlich begangen wird.(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehördewegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschrei-ten von Amts wegen für geboten hält.SchrifttumAdelmannDie Straflosigkeit des „Busengrapschens“, Jura200924;BertramDie Grenzen des Rechts im Schutz vorsexueller Belästigung, in Foblets/Hanschel/Höland (Hrsg.) Grenzen des Rechts (2018) 187;Burghardt/SteinlAnmer-kung (zu BGHSt 63, 98), JZ20181110;Corrêa CamargoDie Strafbarkeit der sexuellen Belästigung durch körperlicheBerührung, ZStW131(2019) 595; Eggert-WeyandBelästigung am Arbeitsplatz (2010); EiselePraxiskommentar (zuBGHSt 63, 98), NStZ201925;LembkeSexuelle Belästigung: Recht und Rechtsprechung,APuZ201435;dies.SexuelleÜbergriffe im öffentlichen Raum, KJ20163;LinSexuelle Belästigung im Strafrecht (2019); MitschSexuelle Belästi-gung (§ 184i StGB) und Straftaten aus Gruppen (§ 184j StGB), KriPoZ2019355;PörnerDas sog. Catcalling – Strafwür-diges Unrecht oder bloße Bagatelle? NStZ2021336;PohlreichDie Strafbarkeit des „Grapschens“ als sexuelle Belästi-gung im Sinne von § 184i StGB? HRRS201916;RenzikowskiAnmerkung (zu BGHSt 63, 98), StV2019555;Schaefer/WolfStrafbarkeitslücke sexuelle Belästigung – regelungsbedürftig oder politisch gewollt? ZRP200127;K. SchumannÜberlegungen zum Anwendungsbereich des § 184i StGB, Festgabe Faria Costa (2020) 373;SickDie Rechtsprechungzur Sexualbeleidigung, JZ1991330.S. auch das Schrifttum Vor § 174.EntstehungsgeschichteDas50. StÄG v. 4.11.20161hat einenneuen Straftatbestandzum Schutz vor sexueller Belästigung eingeführt;s. ausführlich zur Vorgeschichte des 50. StÄG und zum Gesetzgebungsverfahren § 177 Entstehungsgeschichte. ImReferentenentwurf aus dem Jahr 2015, der zum Regierungsentwurf v. 25.4.2016 (BTDrucks. 18/8210) wurde und lautTagesordnung der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss v. 1.6.2016 dort hätte beraten werden sollen, warnoch kein solcher Tatbestand vorgesehen. Erst im folgenden, mit großer Geschwindigkeit abgeschlossenen parla-mentarischen Verfahren wurde § 184i konzipiert und in die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 6.7.2016(BTDrucks. 18/9097) aufgenommen.§ 184i soll Strafbarkeitslücken schließen, die zuvor bei der Anwendung von § 177 a.F. einerseits, § 185 anderer-seits im Fall von sexuellen Handlungen mit vergleichsweise geringer Intensität bestanden. Bei sexuellen Berührun-gen fehlten entweder, etwa bei Überraschungsangriffen, die tatbestandlichen Voraussetzungen für sexuelle Nöti-gung (s. dazu § 177 Entstehungsgeschichte) oder es wurde dieErheblichkeit der sexuellen Handlung(§ 184h Nr. 1)verneint. Verletzungen sexueller Selbstbestimmung, etwa in der Form von Busengrapschen,2konnten deshalb nichtals Sexualdelikt verfolgt werden. S. zu den Strafbarkeitslücken BTDrucks. 18/9097 S. 29f. Angesichts der hohenMindeststrafe in § 177 Abs. 1 a.F. (mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe) war es zwar nachvollziehbar, dass die Erheb-lichkeitsschwelle für diesen Tatbestand hoch angesetzt war, aber es fehlte ein ergänzender Tatbestand mit niedrige-rem Strafrahmen für die weniger gravierenden Fälle der Missachtung sexueller Selbstbestimmung.Hinzu kam, dass manche ältere Urteile den Tatbestand derBeleidigungsehr restriktiv ausgelegt hatten. DerBGH vertrat, dass § 185 „kein Auffangtatbestand“ sei, der bei Taten unterhalb der für § 177 erforderlichen Erheblich-keitsschwelle eingreife (BGHSt36145, 148 ff).3Andere Urteile bejahten eine Beleidigung bei sexuellen Berührungendurch unbekannte Personen (BGH NStZ199233; OLG Bamberg NStZ200796; OLG Karlsruhe NJW20031263, 1264 f).1BGBl. I S. 2460.2BGH NStZ1983553; BGH bei Miebach NStZ1994226; BGH BeckRS199930055608.3Für eine enge Auslegung auch BGH NStZ1993182; NStZ2007218; OLG Zweibrücken NJW19862960. Andersnoch BGHSt3576.Hörnle479https://doi.org/10.1515/9783110490121-030
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Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter I
  2. Verzeichnis der Bearbeiter der 13. Auflage V
  3. Vorwort IX
  4. Inhaltsverzeichnis XI
  5. Abkürzungsverzeichnis XIII
  6. Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur XXXVII
  7. Strafgesetzbuch
  8. BESONDERER TEIL
  9. DREIZEHNTER ABSCHNITT Sraftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
  10. Vorbemerkungen zu den §§ 174 ff. 1
  11. § 174 Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen 34
  12. § 174a Sexueller Mißbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen 63
  13. § 174b Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung 80
  14. § 174c Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses 87
  15. § 175 Homosexuelle Handlungen 101
  16. § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern 101
  17. § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind 129
  18. § 176b Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern 140
  19. § 176c Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern 147
  20. § 176d Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge 169
  21. § 176e Verbreitung und Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern 173
  22. § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung 180
  23. § 178 Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge 291
  24. § 179 (weggefallen) 297
  25. § 180 Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger 297
  26. § 180a Ausbeutung von Prostituierten 313
  27. §§ 180b und 181 (weggefallen) 327
  28. § 181a Zuhälterei 327
  29. § 181b Führungsaufsicht 337
  30. § 181c (aufgehoben) 338
  31. § 182 Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen 338
  32. § 183 Exhibitionistische Handlungen 361
  33. § 183a Erregung öffentlichen Ärgernisses 369
  34. § 184 Verbreitung pornographischer Inhalte 375
  35. § 184a Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Inhalte 419
  36. § 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte 426
  37. § 184c Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Inalte 447
  38. § 184d Zugänglichmachen pornographischer Inhalte mittels Rundfunk oder Telemedien; Abruf kinder- und jugendpornographischer Inhalte mittels Telemedien (aufgehoben) 457
  39. § 184e Veranstaltung und Besuch kinder- und jugendpornographischer Darbietungen 458
  40. § 184f Ausübung der verbotenen Prostitution 463
  41. § 184g Jugendgefährdende Prostitution 468
  42. § 184h Begriffsbestimmungen 471
  43. § 184i Sexuelle Belästigung 479
  44. § 184j Straftaten aus Gruppen 489
  45. § 184k Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen 523
  46. § 184l Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild 551
  47. VIERZEHNTER ABSCHNITT Beleidigung
  48. Vorbemerkungen zu den §§ 185 ff. 575
  49. § 185 Beleidigung 606
  50. § 186 Üble Nachrede 634
  51. § 187 Verleumdung 644
  52. § 188 Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung 648
  53. § 189 Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 652
  54. § 190 Wahrheitsbeweis durch Strafurteil 656
  55. § 191 (weggefallen) 661
  56. § 192 Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises 661
  57. § 192a Verhetzende Beleidigung 665
  58. § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen 681
  59. § 194 Strafantrag 708
  60. § 195 (weggefallen) 716
  61. §§ 196 bis 198 (weggefallen) 716
  62. § 199 Wechselseitig begangene Beleidigungen 716
  63. § 200 Bekanntgabe der Verurteilung 720
  64. FÜNFZEHNTER ABSCHNITT Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs
  65. Vorbemerkungen zu den §§ 201 ff 723
  66. § 201 Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes 736
  67. § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen 764
  68. § 202 Verletzung des Briefgeheimnisses 824
  69. § 202a Ausspähen von Daten 843
  70. § 202b Abfangen von Daten 861
  71. § 202c Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten 868
  72. § 202d Datenhehlerei 879
  73. § 203 Verletzung von Privatgeheimnissen 890
  74. § 204 Verwertung fremder Geheimnisse 985
  75. § 205 Strafantrag 989
  76. § 206 Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses 992
  77. §§ 207 bis 210 (weggefallen) 1032
  78. Sachregister 1033
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