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3 Sprachfunktionen

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Sprachliche Interaktion
Ein Kapitel aus dem Buch Sprachliche Interaktion
3 SprachfunktionenRoman JakobsonRoman Jakobson (1896–1982) wurde in Moskau geboren und studierte dort undin St. Petersburg Linguistik, Literaturwissenschaft, Volkskunde und Psycholo-gie. Er war im russischen Formalismus aktiv, bevor er 1920 nach Prag übersie-delte. Dort wurde er (neben Mathesius, Trubetzkoy, etc.) zu einem der Begrün-der des sog. Prager Linguistenkreises, der unter dem Einfluss Saussures wieauch der russischen Formalisten eine spezifische, funktional orientierte Artdes europäischen Strukturalismus entwickelte. Schwerpunkt seiner Arbeitwaren zu dieser Zeit neben der Metrik vor allem die Phonologie und die slavi-sche Morphologie. Nach sechs Jahren als Professor in Brünn musste Jakobson1939 vor den Nazis fliehen. Nach zwei unsteten Jahren in Skandinavien siedelteer 1941 in die U.S.A. über, wo er 1946 Professor für slavische Studien an derColumbia University, 1949 Professor an der Harvard University und seit 1957parallel dazu auch Professor für Sprachwissenschaft am MIT wurde.Jakobson ist geradezu die Verkörperung der Verbindungslinie zwischeneuropäisch-funktionalem Strukturalismus und amerikanischer Linguistik derNachkriegszeit. Durch seine Zusammenarbeit mit MIT-Phonologen wie MorrisHalle hat er die amerikanische Linguistik generativer Richtung geprägt. Aller-dings ist Jakobsons Sprachtheorie nie den Verengungen des generativen Pro-gramms erlegen; so verwundert es nicht, dass seine Kontexttheorie später auchein wichtiger Bezugspunkt der ‚Metapragmatiker‘ um Michael Silversteinwurde, die eine stark anti-chomskianische Richtung vertreten.1Für JakobsonsEinfluss auf die europäische Linguistik ist neben dem Prager Zirkel auch dieZusammenarbeit mit Claude Lévi-Strauss (in den frühen 1940er Jahren an derfranco-belgischen UniversitätEcole Libre des Hautes Etudesin New York) ver-antwortlich; über Lévi-Strauss vermittelt, entfaltete Jakobson seinen Einflussauf die französischen strukturalistischen und post-strukturalistischen Denkerund von dort aus auf die neuere Literaturwissenschaft (auch in Deutschland).Jakobson war immer zugleich Literaturwissenschaftler und Linguist (vgl.Fludernik 2013); man hat sogar behauptet, die Linguistik sei für ihn nur ein(Um-)Weg zur Poetik gewesen. Die Verbindung zur Literaturwissenschaft wirdauch in vielen eigentlich sprachwissenschaftlichen Schriften deutlich, nichtzuletzt in dem berühmten „Closing Statement: Linguistics and Poetics“, das indem BandStyle in Language(Hg. v. Th. Sebeok), New York, 1960, S. 350–377erschien [dt. als „Linguistik und Poetik“, in H. Blumensatz (Hg.),Strukturalis-1Vgl. z. B. Silverstein (1976).

3 SprachfunktionenRoman JakobsonRoman Jakobson (1896–1982) wurde in Moskau geboren und studierte dort undin St. Petersburg Linguistik, Literaturwissenschaft, Volkskunde und Psycholo-gie. Er war im russischen Formalismus aktiv, bevor er 1920 nach Prag übersie-delte. Dort wurde er (neben Mathesius, Trubetzkoy, etc.) zu einem der Begrün-der des sog. Prager Linguistenkreises, der unter dem Einfluss Saussures wieauch der russischen Formalisten eine spezifische, funktional orientierte Artdes europäischen Strukturalismus entwickelte. Schwerpunkt seiner Arbeitwaren zu dieser Zeit neben der Metrik vor allem die Phonologie und die slavi-sche Morphologie. Nach sechs Jahren als Professor in Brünn musste Jakobson1939 vor den Nazis fliehen. Nach zwei unsteten Jahren in Skandinavien siedelteer 1941 in die U.S.A. über, wo er 1946 Professor für slavische Studien an derColumbia University, 1949 Professor an der Harvard University und seit 1957parallel dazu auch Professor für Sprachwissenschaft am MIT wurde.Jakobson ist geradezu die Verkörperung der Verbindungslinie zwischeneuropäisch-funktionalem Strukturalismus und amerikanischer Linguistik derNachkriegszeit. Durch seine Zusammenarbeit mit MIT-Phonologen wie MorrisHalle hat er die amerikanische Linguistik generativer Richtung geprägt. Aller-dings ist Jakobsons Sprachtheorie nie den Verengungen des generativen Pro-gramms erlegen; so verwundert es nicht, dass seine Kontexttheorie später auchein wichtiger Bezugspunkt der ‚Metapragmatiker‘ um Michael Silversteinwurde, die eine stark anti-chomskianische Richtung vertreten.1Für JakobsonsEinfluss auf die europäische Linguistik ist neben dem Prager Zirkel auch dieZusammenarbeit mit Claude Lévi-Strauss (in den frühen 1940er Jahren an derfranco-belgischen UniversitätEcole Libre des Hautes Etudesin New York) ver-antwortlich; über Lévi-Strauss vermittelt, entfaltete Jakobson seinen Einflussauf die französischen strukturalistischen und post-strukturalistischen Denkerund von dort aus auf die neuere Literaturwissenschaft (auch in Deutschland).Jakobson war immer zugleich Literaturwissenschaftler und Linguist (vgl.Fludernik 2013); man hat sogar behauptet, die Linguistik sei für ihn nur ein(Um-)Weg zur Poetik gewesen. Die Verbindung zur Literaturwissenschaft wirdauch in vielen eigentlich sprachwissenschaftlichen Schriften deutlich, nichtzuletzt in dem berühmten „Closing Statement: Linguistics and Poetics“, das indem BandStyle in Language(Hg. v. Th. Sebeok), New York, 1960, S. 350–377erschien [dt. als „Linguistik und Poetik“, in H. Blumensatz (Hg.),Strukturalis-1Vgl. z. B. Silverstein (1976).
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