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Deontologische und teleologische Moralbegründung

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Feminismus und Gerechtigkeit
This chapter is in the book Feminismus und Gerechtigkeit
Deontologische und teleologische Moralbegründung Die Unterscheidung zwischen der Gerechtigkeits- und der Fürsorgeethik ähnelt der zwischen einer deontologisch (von griech. déon - das Erforderliche, die Pflicht) und einer teleologisch (von griech. telos - Ziel, Zweck) begründeten Ethik. Deontologische Normen-Ethiken fragen nach dem, was intersubjektiv verbindlich ist, d.h. nach einem Sollen (Prinzip), das von allen gleichermaßen anerkannt werden kann. Wert- und Stre-bens-Ethiken, einschließlich des Utilitarismus, suchen zu bestimmen, was gut ist, d.h. sie fragen nach deijenigen Lebensform, die wir für uns (oder andere für sich) realisieren wollen. Sollensethiken beanspruchen normative Verbindlichkeit. Wertethiken hingegen haben nur Empfehlungscharakter, da die Werte tendenziell empirisch, nämlich in Ab-hängigkeit vom kontingenten Wollen einer Gruppe bzw. der Menschheit als ganzer, begründet werden. Die Fürsorgeethik wird dem Typus einer teleologischen und die Gerechtigkeitsethik dem einer deontologischen Ethik zugeordnet. So begründen bei-spielsweise Anette Baier, Martha Nußbaum und Herlinde Pauer-Studer die in ihrem Sinne feministische Ethik durch das telos des guten, nämlich bindungsorientierten und verantwortungsbewußten Lebens.1 Die vorliegende Untersuchung hingegen stützt - in Übereinstimmung mit der Ge-rechtigkeitsethik Kohlbergs - die Sollgeltung moralischer Normen auf die vernunft-explikative Begründung der Ethik durch Kant (und Rawls)2. Den Begriff Ethik verwen-de ich im Sinne einer Theorie über den Gegenstandsbereich der Moral. In diesem Ver-wendungszusammenhang bezeichnet Ethik die Meta- bzw. Reflexionsebene der Moral. Sie untersucht die Angemessenheit moralischer Begriffe und begründet Kriterien nor-mativer Gültigkeit. Zentrale Begriffe der teleologischen Ethik sind Wohlwollen, Tu-gend, Menschenliebe und jüngst auch Verantwortung (Jonas); zentrale Begriffe der deontologischen Ethik sind Menschenwürde, Autonomie, Gerechtigkeit und ebenfalls Verantwortung (Apel). Der von beiden Ethiken gebrauchte Begriff der Verantwortung verweist auf die auch in der vorliegenden Untersuchung angestrebte Vermittlung der beiden Ethiken unter dem gemeinsamen Dach der Verantwortung. Baier 1994, Pauer-Studer 1996, Nußbaum 1999 Während sich Kohlberg noch mit dem Anspruch der Begründung einer universalistischen Moral auf Rawls beruft, hat dieser den universalistischen Anspruch seiner Theorie der Gerechtigkeit mittlerweile zurückgenommen. (Vgl. Rawls 1985, 225)

Deontologische und teleologische Moralbegründung Die Unterscheidung zwischen der Gerechtigkeits- und der Fürsorgeethik ähnelt der zwischen einer deontologisch (von griech. déon - das Erforderliche, die Pflicht) und einer teleologisch (von griech. telos - Ziel, Zweck) begründeten Ethik. Deontologische Normen-Ethiken fragen nach dem, was intersubjektiv verbindlich ist, d.h. nach einem Sollen (Prinzip), das von allen gleichermaßen anerkannt werden kann. Wert- und Stre-bens-Ethiken, einschließlich des Utilitarismus, suchen zu bestimmen, was gut ist, d.h. sie fragen nach deijenigen Lebensform, die wir für uns (oder andere für sich) realisieren wollen. Sollensethiken beanspruchen normative Verbindlichkeit. Wertethiken hingegen haben nur Empfehlungscharakter, da die Werte tendenziell empirisch, nämlich in Ab-hängigkeit vom kontingenten Wollen einer Gruppe bzw. der Menschheit als ganzer, begründet werden. Die Fürsorgeethik wird dem Typus einer teleologischen und die Gerechtigkeitsethik dem einer deontologischen Ethik zugeordnet. So begründen bei-spielsweise Anette Baier, Martha Nußbaum und Herlinde Pauer-Studer die in ihrem Sinne feministische Ethik durch das telos des guten, nämlich bindungsorientierten und verantwortungsbewußten Lebens.1 Die vorliegende Untersuchung hingegen stützt - in Übereinstimmung mit der Ge-rechtigkeitsethik Kohlbergs - die Sollgeltung moralischer Normen auf die vernunft-explikative Begründung der Ethik durch Kant (und Rawls)2. Den Begriff Ethik verwen-de ich im Sinne einer Theorie über den Gegenstandsbereich der Moral. In diesem Ver-wendungszusammenhang bezeichnet Ethik die Meta- bzw. Reflexionsebene der Moral. Sie untersucht die Angemessenheit moralischer Begriffe und begründet Kriterien nor-mativer Gültigkeit. Zentrale Begriffe der teleologischen Ethik sind Wohlwollen, Tu-gend, Menschenliebe und jüngst auch Verantwortung (Jonas); zentrale Begriffe der deontologischen Ethik sind Menschenwürde, Autonomie, Gerechtigkeit und ebenfalls Verantwortung (Apel). Der von beiden Ethiken gebrauchte Begriff der Verantwortung verweist auf die auch in der vorliegenden Untersuchung angestrebte Vermittlung der beiden Ethiken unter dem gemeinsamen Dach der Verantwortung. Baier 1994, Pauer-Studer 1996, Nußbaum 1999 Während sich Kohlberg noch mit dem Anspruch der Begründung einer universalistischen Moral auf Rawls beruft, hat dieser den universalistischen Anspruch seiner Theorie der Gerechtigkeit mittlerweile zurückgenommen. (Vgl. Rawls 1985, 225)

Chapters in this book

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt 5
  3. Vorwort 9
  4. Einleitung 11
  5. Deontologische und teleologische Moralbegründung 13
  6. Problemaufriss und Gang der Untersuchung 19
  7. TEIL I: VERGLEICH DER ENTWICKLUNGSTHEORIEN KOHLBERGS UND GILLIGANS
  8. 1. Lawrence Kohlberg: Stufentheorie der Gerechtigkeitsethik 27
  9. 2. Carol Gilligan: Care-Ethik 44
  10. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Fürsorge- und Gerechtigkeitsethik 61
  11. 4. Überprüfung der Zwei-Moralen-These 74
  12. 5. Universalistische Ethik der Gerechtigkeit und Fürsorge 89
  13. TEIL II: ETHISCHE URTEILS KOMPETENZ: PSYCHOLOGISCHE ERKLÄRUNG - PHILOSOPHISCHE BEGRÜNDUNG
  14. 6. Von der Identitäts- zur Komplementaritätsthese 93
  15. 7. Reichweite und Grenzen rekonstruktiver Wissenschaft 101
  16. 8. Letztbegründung oder faktische Alternativenlosigkeit? Zum Verhältnis von Formal- und Transzendentalpragmatik 103
  17. 9. Die Notwendigkeit transzendentaler Normenbegründung1 108
  18. 10. Argumentieren: Metapraxis des Denkens und Forschens 112
  19. TEIL III: ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE UND HERMENEUTIK
  20. 11. Methodenwahl in Abhängigkeit vom Vorverständnis 119
  21. 12. Transzendentalpragmatische Interpretation der Hermeneutik 123
  22. 13. Von der semantischen zur pragmatischen Theorie der Bedeutung 126
  23. 14. Von der Transzendentalpragmatik zur Ethik 134
  24. 15. Objektivität der praktischen und theoretischen Wissenschaften 138
  25. 16. Die kritisch-methodische Funktion des hermeneutischen Zirkels 140
  26. TEIL IV: DISKURSETHISCHE ERWEITERUNG DER GERECHTIGKEITSETHIK
  27. 17. Was leistet die Dilemma-Methode? 143
  28. 18. Vier mögliche Bedeutungen der Fürsorge bei Gilligan 147
  29. 19. Zweistufige Architektonik der Diskursethik 163
  30. 20. Trägt die Diskursethik den vier Fürsorgeaspekten Gilligans Rechnung? 168
  31. 21. Drei Stufen transzendentalpragmatischer Normenbegründung 176
  32. 22. Postkonventioneller Verantwortungsuniversalismus: Stufe 7 und 8 184
  33. 23. Gilligans Fürsorgeethik zwischen postkonventioneller Gesinnungs- und Verantwortungsethik 188
  34. 24. Deontologische und teleologische Sollgeltung der Ethik 190
  35. Literaturverzeichnis 193
  36. Personenregister 209
Downloaded on 24.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783050078632-003/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOoqCpICYtYwtv5gp1O9iu_yKX9peoH51j77wkIVziIemQQD6UdjV
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