Startseite Architektur Leichtes Tragwerk und filigrane Fassade für den Louvre Lens / A Lightweight Structure and Delicate Facades for the Louvre in Lens
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Leichtes Tragwerk und filigrane Fassade für den Louvre Lens / A Lightweight Structure and Delicate Facades for the Louvre in Lens

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best of Detail: Fassaden/Facades
Ein Kapitel aus dem Buch best of Detail: Fassaden/Facades
13123Leichtes Tragwerk und filigrane Fassade für den Louvre LensA Lightweight Structure and Delicate Facades for the Louvre in LensDaniel PfannerManfred GrohmannFür den Neubau einer Louvre-Dependance im nordfranzösischen Lens wurde im Jahr 2005 ein internationaler Wettbewerb aus-gelobt, den die japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa (SANAA) für sich entschieden. Bereits in diesem frü-hen Stadium arbeiteten die Architekten mit den Fachplanern für Tragwerks- und Fassa-denplanung Bollinger + Grohmann Ingeni-eure zusammen. Im Gegensatz zum gängi-gen Wettbewerbsverfahren in Deutschland mit reinen Architekturwettbewerben ist es in Frankreich bei Projekten der öffentlichen Hand üblich, das gesamte Bauvorhaben als Teamwettbewerb auszuschreiben. Bereiche der zu erbringenden Planungsleistung sind Objekt-, Landschafts-, Licht-, Brandschutz- und haustechnische Planung, Ausstellungs-gestaltung, Kostenschätzung, Klimadesign und schließlich die Fassadenplanung. Sie beinhaltet die fassadentechnische Beratung sowie die Tragwerksplanung sämtlicher Dach- und Fassadenunterkonstruktionen. Bereits in den frühen Planungsphasen wur-de deutlich, dass der außergewöhnliche Entwurf von SANAA mit seinen flachen Bau-körpern und der leicht geschwungenen Gebäudehülle höchste Anforderungen an die Ausbildung der Fassadendetails stellt. Eine weitere Herausforderung bei der Um-setzung war die Tatsache, dass im Wett-bewerbsjahr in Frankreich eine neue Ener-gieeinsparverordnung auf Basis der EU- Gebäuderichtlinie (Régulation Thermique 2005) eingeführt wurde und seit den 1990er-Jahren eine Nachhaltigkeitszertifizierung (HQE – Haute Qualité Environnementale) für alle öffentlichen Gebäude vorgeschrieben ist. Somit war es eine der Hauptaufgaben der Tragwerks- und Fassadenplaner, die Filigranität und Entmaterialisierung als archi-tektonische Idee zu verstehen und zu anti-zipieren, um sie anschließend in einen euro-päischen Planungs- und Normenkontext übersetzen zu können und dabei die Identi-tät des Entwurfs zu bewahren.Vorentwurf Schon im Wettbewerbsbeitrag lassen sich die Hauptmerkmale des Bauwerks ablesen: Die langgestreckten, eingeschossigen Bau-körper der Ausstellungsräume gruppieren sich um das zentrale Foyergebäude und verschmelzen aufgrund der diffus reflektie-renden Fassade visuell mit der umgeben-den Landschaft. Viele Lösungen wurden während des siebenjährigen Planungs- und Bauprozesses hinterfragt, optimiert und verworfen. Dies gilt zum Beispiel für den Anteil der verglasten Bereiche im gesamten Ensemble. So hätte sich die Vollverglasung aller vertikalen Fassaden und der Dach-fläche des Foyergebäudes negativ auf das Innenraumklima ausgewirkt. Auch die Voll-verglasung und -verschattung der Dächer der beiden großen Ausstellungssäle wurde aus energetischen und kostentechnischen Gründen verworfen. In allen zu untersuchen-den Varianten kristallisierten sich aber im-mer wieder die gleichen zentralen Anforde-rungen an die Tragwerks- und Fassaden-planung heraus: • Umsetzung des Tageslichtkonzepts in den Ausstellungssälen• Ausbildung der vertikalen Glas- undBlechfassaden• Konstruktion der EingangshalleLichtdächer AusstellungssäleIn den beiden direkt an das Foyer anschlie-ßenden Sälen befinden sich die »Galerie du Temps« sowie weitere Ausstellungen. Für beide Galerien mit einer Breite von 25 bis 26 m und einer Länge von bis zu 120 m sind Stützenfreiheit und variable, steuerbare Ta-geslichtnutzung über das Dach in sechs bis sieben Metern Höhe von Anfang an Haupt-ziele. Beide Forderungen waren mit einer möglichst geringen Bauhöhe in Einklang zu bringen. Bauhöhe bedeutet hier zweierlei: Dachaufbau und möglichst geringe Dach-neigung. Es soll eine harmonische diffuse Einheit aus filigraner Struktur und Licht ent-stehen, kein mehrschichtiger voluminöser Dachaufbau mit abgehängten Flächen und Funktionen in jeweils eigenen Lagen.In der Vorentwurfsphase war die Dachstruk-tur der Galerien als unterspannte Träger konzipiert, deren Unterspannung ein feines Seilnetz bildet. Dieses sollte dem Dach anstelle eines Hightech-Charakters einen schwebenden textilen Eindruck verleihen. Wäre das Dach als vollverglaste Fläche rea-lisiert worden, hätte dies als Konsequenz eine Dreifachverglasung für den winterlichen Wärmeschutz sowie einen außenliegenden Sonnenschutz für den sommerlichen Wär-meschutz erfordert. Um den Architekten die möglichen technischen Varianten und deren visuelle Eigenheiten aufzuzeigen, wurden diese nicht nur in 2D detailliert, sondern zusätzlich auch in 3D visualisiert. Auf diese Weise konnten relativ schnell die zentralen Probleme identifiziert werden. Eines davon ist die nicht vorhandene Isolierglas-Zerti-fizierung CEKAL für die meisten Dreifach- Architekten • Architects:Kazuyo Sejima + Ryue NishizawaSANAA, TokioTragwerks- und Fassadenplanung • Structural engineering and facade planning:Bollinger + Grohmann, Frankfurt/Paris

13123Leichtes Tragwerk und filigrane Fassade für den Louvre LensA Lightweight Structure and Delicate Facades for the Louvre in LensDaniel PfannerManfred GrohmannFür den Neubau einer Louvre-Dependance im nordfranzösischen Lens wurde im Jahr 2005 ein internationaler Wettbewerb aus-gelobt, den die japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa (SANAA) für sich entschieden. Bereits in diesem frü-hen Stadium arbeiteten die Architekten mit den Fachplanern für Tragwerks- und Fassa-denplanung Bollinger + Grohmann Ingeni-eure zusammen. Im Gegensatz zum gängi-gen Wettbewerbsverfahren in Deutschland mit reinen Architekturwettbewerben ist es in Frankreich bei Projekten der öffentlichen Hand üblich, das gesamte Bauvorhaben als Teamwettbewerb auszuschreiben. Bereiche der zu erbringenden Planungsleistung sind Objekt-, Landschafts-, Licht-, Brandschutz- und haustechnische Planung, Ausstellungs-gestaltung, Kostenschätzung, Klimadesign und schließlich die Fassadenplanung. Sie beinhaltet die fassadentechnische Beratung sowie die Tragwerksplanung sämtlicher Dach- und Fassadenunterkonstruktionen. Bereits in den frühen Planungsphasen wur-de deutlich, dass der außergewöhnliche Entwurf von SANAA mit seinen flachen Bau-körpern und der leicht geschwungenen Gebäudehülle höchste Anforderungen an die Ausbildung der Fassadendetails stellt. Eine weitere Herausforderung bei der Um-setzung war die Tatsache, dass im Wett-bewerbsjahr in Frankreich eine neue Ener-gieeinsparverordnung auf Basis der EU- Gebäuderichtlinie (Régulation Thermique 2005) eingeführt wurde und seit den 1990er-Jahren eine Nachhaltigkeitszertifizierung (HQE – Haute Qualité Environnementale) für alle öffentlichen Gebäude vorgeschrieben ist. Somit war es eine der Hauptaufgaben der Tragwerks- und Fassadenplaner, die Filigranität und Entmaterialisierung als archi-tektonische Idee zu verstehen und zu anti-zipieren, um sie anschließend in einen euro-päischen Planungs- und Normenkontext übersetzen zu können und dabei die Identi-tät des Entwurfs zu bewahren.Vorentwurf Schon im Wettbewerbsbeitrag lassen sich die Hauptmerkmale des Bauwerks ablesen: Die langgestreckten, eingeschossigen Bau-körper der Ausstellungsräume gruppieren sich um das zentrale Foyergebäude und verschmelzen aufgrund der diffus reflektie-renden Fassade visuell mit der umgeben-den Landschaft. Viele Lösungen wurden während des siebenjährigen Planungs- und Bauprozesses hinterfragt, optimiert und verworfen. Dies gilt zum Beispiel für den Anteil der verglasten Bereiche im gesamten Ensemble. So hätte sich die Vollverglasung aller vertikalen Fassaden und der Dach-fläche des Foyergebäudes negativ auf das Innenraumklima ausgewirkt. Auch die Voll-verglasung und -verschattung der Dächer der beiden großen Ausstellungssäle wurde aus energetischen und kostentechnischen Gründen verworfen. In allen zu untersuchen-den Varianten kristallisierten sich aber im-mer wieder die gleichen zentralen Anforde-rungen an die Tragwerks- und Fassaden-planung heraus: • Umsetzung des Tageslichtkonzepts in den Ausstellungssälen• Ausbildung der vertikalen Glas- undBlechfassaden• Konstruktion der EingangshalleLichtdächer AusstellungssäleIn den beiden direkt an das Foyer anschlie-ßenden Sälen befinden sich die »Galerie du Temps« sowie weitere Ausstellungen. Für beide Galerien mit einer Breite von 25 bis 26 m und einer Länge von bis zu 120 m sind Stützenfreiheit und variable, steuerbare Ta-geslichtnutzung über das Dach in sechs bis sieben Metern Höhe von Anfang an Haupt-ziele. Beide Forderungen waren mit einer möglichst geringen Bauhöhe in Einklang zu bringen. Bauhöhe bedeutet hier zweierlei: Dachaufbau und möglichst geringe Dach-neigung. Es soll eine harmonische diffuse Einheit aus filigraner Struktur und Licht ent-stehen, kein mehrschichtiger voluminöser Dachaufbau mit abgehängten Flächen und Funktionen in jeweils eigenen Lagen.In der Vorentwurfsphase war die Dachstruk-tur der Galerien als unterspannte Träger konzipiert, deren Unterspannung ein feines Seilnetz bildet. Dieses sollte dem Dach anstelle eines Hightech-Charakters einen schwebenden textilen Eindruck verleihen. Wäre das Dach als vollverglaste Fläche rea-lisiert worden, hätte dies als Konsequenz eine Dreifachverglasung für den winterlichen Wärmeschutz sowie einen außenliegenden Sonnenschutz für den sommerlichen Wär-meschutz erfordert. Um den Architekten die möglichen technischen Varianten und deren visuelle Eigenheiten aufzuzeigen, wurden diese nicht nur in 2D detailliert, sondern zusätzlich auch in 3D visualisiert. Auf diese Weise konnten relativ schnell die zentralen Probleme identifiziert werden. Eines davon ist die nicht vorhandene Isolierglas-Zerti-fizierung CEKAL für die meisten Dreifach- Architekten • Architects:Kazuyo Sejima + Ryue NishizawaSANAA, TokioTragwerks- und Fassadenplanung • Structural engineering and facade planning:Bollinger + Grohmann, Frankfurt/Paris

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter 1
  2. Impressum / Credits 2
  3. Inhalt / Contents 3
  4. theorie + wissen / theory + knowledge
  5. Betonblüten am Vorarlberg Museum – Umsetzung einer künstlerischen Idee / Concrete Flowers along the Vorarlberg Museum – Realising an Aesthetic Idea 6
  6. Leichtes Tragwerk und filigrane Fassade für den Louvre Lens / A Lightweight Structure and Delicate Facades for the Louvre in Lens 13
  7. Kleben von hinterlüfteten Fassadenelementen / Adhesive Bonding in Ventilated-Cavity Facade Elements 18
  8. Vorhang aus geklebtem Acrylglas – Die Vitra-Produktionshalle / An Acrylic-Glass Curtain Secured with Adhesives – Vitra’s Factory 22
  9. Atmende Fassaden: Technologien zur dezentralen und natürlichen Lüftung / Breathing Facades: Technologies for Decentralised Natural Ventilation 29
  10. Konzerthaus und Konferenzzentrum Harpa in Reykjavík / The Harpa Concert Hall and Conference Centre in Reykjavík 36
  11. in der praxis / in practice
  12. Busbahnhof mit Park+Ride-Gebäude in Nördlingen / Bus Station with Park-and-Ride Building in Nördlingen 40
  13. Erweiterung der Bocconi-Universität in Mailand / Extension to Bocconi University in Milan 52
  14. Neue Ortsmitte Wettstetten / New Civic Centre in Wettstetten 66
  15. projektbeispiele / case studies
  16. Museum in San Sebastián / Museum in San Sebastián 78
  17. Nationalbibliothek in Riad / National Library in Riyadh 85
  18. Freiluftbibliothek in Magdeburg / Open-Air Library in Magdeburg 90
  19. Observations- und Forschungszentrum am Furnas-See, São Miguel / Observation and Research Centre on Furnas Lake, São Miguel 95
  20. Kunstmuseum in Wakefield / The Hepworth Wakefield 100
  21. Kunstmuseum Ahrenshoop / Art Museum in Ahrenshoop 104
  22. Jüdisches Gemeindezentrum in Mainz / Jewish Community Centre in Mainz 108
  23. Umbau und Erweiterung Gemeindesaal in Männedorf / Renovation and Extension of Community Centre in Männedorf 114
  24. Schulerweiterung in Marburg / School Expansion in Marburg 119
  25. Schule in Berlin / School in Berlin 123
  26. Geschäftshaus in Lausanne / Commercial Building in Lausanne 126
  27. Restaurant in Kayl-Tétange / Restaurant in Kayl-Tétange 130
  28. Kongresszentrum in Cartagena / Conference Centre in Cartagena 133
  29. Besucherzentrum in Tibet / Visitor Centre in Tibet 138
  30. Produktions- und Bürogebäude in München / Production and Office Building in Munich 142
  31. Gartenpavillon in Basel / Garden Pavilion in Basel 146
  32. Cité du Design in Saint-Étienne / Cité du Design in Saint-Étienne 149
  33. Pavillon in New Orleans / Pavilion in New Orleans 154
  34. Kapelle in Tarnów / Chapel in Tarnów 157
  35. Zentrum für zeitgenössische Kunst in Córdoba / Centre for Contemporary Art in Córdoba 160
  36. Verwaltungsgebäude in Wallisellen / Office Building in Wallisellen 165
  37. Ladenfassade in London / Shop Facade in London 168
  38. Forschungs- und Entwicklungszentrum in Dogern / Research and Development Centre in Dogern 172
  39. Pharmazeutischer Betrieb in León / Pharmaceutical Plant in León 176
  40. Sozialwohnungen in London / Social Housing in London 180
  41. Sozialwohnungen in Badajoz / Social Housing in Badajoz 184
  42. Wohnhaus in London / Flats in London 188
  43. Wohnhaus in Ávila / Residential House in Ávila 192
  44. anhang / appendices
  45. Projektbeteiligte und Hersteller / Design and Construction Teams 196
  46. Bildnachweis / Picture Credits 200
  47. Backmatter 202
Heruntergeladen am 10.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.11129/9783955532482-003/html?lang=de&srsltid=AfmBOopLClQaek3V80GVD6yz4C_P8Yze3XonbM0Fie574OgnofNqfgjL
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