Minima
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Edited by:
Anke te Heesen
, Maren Jäger , Ethel Matala de Mazza and Joseph Vogl
Die Buchreihe stellt die Funktion kleiner Textsorten in publizistischen, wissenschaftlichen und administrativen Kontexten in den Mittelpunkt. Sie reagiert damit auf die Aktualität und Schlagkraft kurzer Formen vor dem Hintergrund medialer Mobilitätsschübe, knapper Aufmerksamkeitsressourcen und neuer Kommunikationsökonomien. Die Einzeluntersuchungen sind zudem von der Frage geleitet, welche Wirksamkeit eine Vielfalt von unscheinbaren Genres wie Skizze, Abstract, Notiz, Aphorismus, Protokoll, Exzerpt, Essay, Artikel, Glosse etc. in der Organisation und Vermittlung von Wissen auf diversen Praxisfeldern entfaltet haben – von der Antike bis zur Gegenwart.
In der deutschsprachigen Prager Presse erschienen von 1926 bis 1929 Porträt- und Nachrufgedichte des Schweizer Autors Robert Walser. Sie werden auf den Gestaltungsrahmen einer Zeitung bezogen, die als Sprachrohr der tschechoslowakischen Regierung und als europäische Stimme des Friedens galt. Die quellenbasierte literatur- und pressehistorische Arbeit fragt zum einen nach der redaktionellen Funktion von Zeitungslyrik in der Prager Literaturbeilage „Dichtung und Welt"; zum anderen nach der poetischen Hyperbanalisierung eines Jubel- und Abschiedsjournalismus der Zwischenkriegszeit. Neben Detailstudien zu Gedichten u. a. über Rilke, Trakl, Stifter, Brandes, Harden und Hamsun bietet die Arbeit eine Geschichte der journalistischen Ruhmkritik seit der Jahrhundertwende und eröffnet neue Perspektiven auf feuilletonistische Kleinstformen des Reimens und Rühmens. Damit geraten nicht nur Walsers zeitgenössische Lektüren in den Blick, sondern auch die weitgespannten redaktionellen Netzwerke mit ihren einflussreichen Protagonisten – u. a. Franz Blei, Paul Eisner, Alfred Kerr, Eduard Korrodi, Karl Kraus, Otto Pick, Alfred Polgar und Max Rychner. Ein Exkurs widmet sich den Grabreden und Nekrologen in Walsers mikrographischen Entwürfen 1924–1926.
Die Studie analysiert den Einfluss der Rechtskasuistik auf eine entstehende Poetik der Prosa zwischen 1650 und 1750. Ihre Grundthese lautet, dass das Erzählarchiv der Juristen wegweisend für die Entstehung der literarischen Fallprosa war. Der Untersuchung liegt die Annahme zugrunde, dass dem rhetorischen Begriff der Umstände (circumstantiae) für die Bestimmung dieses Verhältnisses eine Schlüsselrolle zukommt. Poetologische und juristische Erkenntnisinteressen konvergierten in der Frage danach, wie Umstände dargestellt werden können Die historisch-empirischen Disziplinen der Frühen Neuzeit wiederum griffen die Umstandstechnik auf und machten aus ihr die Grundlage einer Einzelfallwissenschaft. Entlang dreier paradigmatischer Autoren – Harsdörffer, Thomasius und Gayot de Pitaval – schreibt die Studie eine Geschichte derjenigen Verfahren, die die rhetorischen circumstantiae zu einem Erkenntnisinstrument, einer konjekturalen Urteilsform und einer Technik prosaischer Bindung haben werden lassen. Sie ergänzt damit die Studien zu literarischen Fallgeschichten um eine Vorgeschichte, in der ,Fälle‘ noch nicht gleichbedeutend mit devianten oder kranken Individuen waren. Vielmehr wurden sie als ,Casus‘ diskutiert, die durch die spezifische Konstellation ihrer Umstände allererst zum Einzelfall wurden. ,Umstände erzählen‘ legt somit den Grundstein für eine Literaturgeschichte kasuistischer Prosaformen in der Frühen Neuzeit.
Kleine Formen sind jüngst in das Blickfeld literatur-, medien- und kulturwissenschaftlicher Untersuchungen geraten. Dabei wird oft das politische Potenzial kleiner Formen verkannt. Eingebettet in fluide Publikationsorgane und insbesondere im digitalen Kontext können sie unterschwellig kollektive Dynamiken bündeln, kritisch-subversiv den gesellschaftspolitischen Status quo infrage stellen und alternative Gemeinschaftsbildung entwerfen – auch in gattungspolitischer Hinsicht: So lenkt das Prekäre und Randständige kleiner Formen den Blick auf die Unabgeschlossenheit von Gattungen und lässt die dynamischen Wechselwirkungen zwischen Genres, Schreibweisen und Medien hervortreten. In drei Sektionen behandelt der Band die politische Kommunikation kleiner Formen: als Teil einer digitalen Streit- und Protestkultur; als diskursive Plattform für Zeitgeschichte sowie als kreative Ausdrucksregime, die – etwa als Paratexte – auch formalästhetisch hegemoniale Sichtweisen und Wahrnehmungsmodi entthronen können. Es sind Fragen von ästhetischer und politischer Gemeinschaftsbildung, die der Sammelband epochen- und medienübergreifend behandeln möchte und die interdisziplinäre Anschlüsse für die Forschung bilden.
Gerade in Krisenmomenten treten kleine Formen und Formate in stabilisierender oder mobilisierender Funktion auf. In der Zwischenkriegszeit erscheinen sie innerhalb verschiedener medialer Konstellationen – wie etwa in Zeitungen, Flugschriften oder Lehrmaterialien – und eröffnen politische sowie ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten, die der Band in fokussierten Materialanalysen und Fallstudien praxeologisch sowie interdisziplinär untersucht.
Zeitungsnachrufe sind Gelegenheitstexte, die anlässlich von Sterbefällen und Todestagen entstehen. Wen würdigt der Abschieds-Journalismus mit solchem Totenlob? Wie lässt er die Verstorbenen aufleben, wie steuert er ihren Nachruhm? Nach dem Ersten Weltkrieg, angesichts des Epochenbruchs, stellt sich diese Frage auf neue Weise. Gegen rhetorische Trauerkonventionen anschreibend, spielt das literarische Feuilleton mit der Freiheit eigener Kleinformen.
Entlang von Einzelstudien zeigen die Beiträge des Sammelbands, wie das Kasualgenre das Spektrum von Porträt, Kurzbiographie, Reverenz und Zeitdiagnostik nutzt und zum Experimentierfeld für Autoren wie Hermann Bahr, Alfred Kerr, Karl Kraus, Robert Musil, Alfred Polgar, Gabriele Tergit und Robert Walser wird. Außerdem behandeln sie Nachrufe auf berühmte Tote der Zeit – darunter Hugo Ball, Eleonora Duse, Anatole France, Emmy Hennings, Rudyard Kipling, Edgar Wallace und Virginia Woolf, auch später Vergessene wie Victor Auburtin und Richard Weiner. Die Beiträge erörtern die Ambivalenzen dieses Echos, das Changieren der Gedenkartikel zwischen Huldigung und Schmähung. Für die Feuilletonforschung erschließen sie damit ein bisher kaum bearbeitetes Themenfeld.
During the general mobilization of August 1914, diaries became the medium of the hour: as miniature notebooks in front soldiers’ kit bags, as preprinted war calendars, or as collections of newspapers in school lessons. This study looks at previously overlooked diaries to show how a wealth of war impressions were processed in war diaries and how a private historiography began to take shape all over Germany and France.
This volume addresses the poetics, narratology, epistemology, cultural theory, and praxeology of the anecdotal in various national literatures, genres, and epochs, from antiquity to today. The contributions reveal how anecdotal narrative forms create narrative links between the case or event being presented and general contexts, and how they produce affirmative, evidential as well as subversive, critical effects.
Kaum ein Egodokument ist heute verbreiteter und selbstverständlicher als der Lebenslauf. Unter welchen Bedingungen aber ist diese Form der Selbstbuchhaltung entstanden? Ihre Geschichte reicht, wie diese Studie zeigt, bis ins Preußen des 18. Jahrhunderts zurück. In der preußischen Verwaltung macht der Lebenslauf nicht nur vergangene Lebensereignisse schreib- und lesbar; fortan bahnt er als „Bewerbungsunterlage" auch Karrieren an und erweist sich damit als elementares Werkzeug im Wettstreit um soziale Ränge.
This volume examines the history of short literary forms between Baroque and modernist literature. The essays look at how the license of short literary forms was negotiated within and beyond the codified poetics of the Baroque period. Against the backdrop of historical upheaval, they identify the potential and the attractiveness of these works for literary modernism, which takes the Baroque era as its defining object of reflection.
Small forms are rarely “naturally” small, but rather come into being as “small forms” through processes of condensation and abbreviation. The collected volume focuses on such operations of miniaturization. It includes procedures for selecting, reducing, concentrating, and transposing, allowing for systematic access to heterogeneous types of small textual forms.