Volume 68, Issue 4

Gegenwärtig ist es so, dass einerseits die Archäologie kaum Interesse am Neuen Testament bzw. an Jesus zeigt und andererseits die Veröffentlichungen über Jesus bzw. die Artikel aus dem Umfeld der Jesus-Forschung der Archäologie nur wenig abgewinnen können. Es stellt sich die Frage: Hat die Archäologie überhaupt eine Bedeutung für die Jesus-Forschung? Der vorliegende Beitrag versucht sich dem mit Hilfe des Rekurses auf die Ausgrabungserfolge der letzten Jahre und Jahrzehnte zu nähern. Dabei kommen archäologische Funde an bekannten neutestamentlichen Schauplätzen mit den biblischen Texten ins Gespräch und bieten auf diese Weise die Möglichkeit eines neuen Blickwinkels auf den historischen Jesus

Schon in den Paulusbriefen wird Jesus als göttlich verehrt. Der Beitrag zeigt, dass diese Verehrung sich weder langsam aus allen möglichen religiösen Strömungen entwickelt hat, noch dass man sie auf Impulse heidnischer religiöser Vorstellungen und Riten zurückführen darf. Die Verehrung Jesu erfolgt vielmehr »explosionsartig« aus dem jüdischen Monotheismus zur Zeit des zweiten Tempels. In dieser neuen religiösen Praxis findet sich eine neue Art von Monotheismus, die sich in einer entsprechenden Frömmigkeitspraxis ausdrückt. Der neue Monotheismus bildet die Grundlage für die Entwicklung der Christologie und Trinitätslehre der darauf folgenden Jahrhunderte.

Die »dritte Frage« nach dem historischen Jesus kann mit profanen Methoden zur Erhellung des zentralen theologischen Problems der Jesusforschung beitragen: Wie verhält sich der historische Jesus zum kerygmatischen Gottessohn? Eine sozialgeschichtliche Rollenanalyse fasst christologische Titel als Rollenerwartungen auf, die in soziale Interaktionen eingebunden sind. Die »implizite Christologie« ist eine Implikation der Rolle des Lehrers mit seinem didaktischen Charisma und des Propheten mit seinem prophetischen Stigma. Die »evozierte Christologie« erklärt den Messiastitel als durch JesuWirken geweckte Erwartung anderer an Jesus und verbindet ihn so mit dem historischen Jesus, auch wenn er dessen Selbstverständnis nicht entsprach. Die Unsicherheit in der »expliziten Christologie« - wir wissen nicht, welchen Titel Jesus auf sich bezogen hat und wie er ihn verstanden hat - beruht darauf, dass Jesus und seine Anhänger entsprechend antiker Mentalität Status als von einem Überlegenen verliehenen und offenbarten Status verstanden. Diese »Statuskontingenz« unterscheidet antikes Rollenverständnis von modernen Rollentheorien. Sie führt bei Jesus zum Vertrauen auf Gott, der ihm, dem »Menschensohn,« seine Rolle zuteilen wird, die Jesus selbst nicht für sich beanspruchen und die er auch nicht offenbaren will. Dem entspricht heute die ganz anders begründete Unsicherheit moderner Forschung in der Rekonstruktion seines Selbstverständnisses.