Abstract
Die Haftungsverantwortung des Abschlussprüfers für fehlerhafte Finanzberichterstattung bildet einen Grundpfeiler des gesellschaftsrechtlichen Informationsmodells. Dadurch wird sie zugleich zum Seismografen tektonischer Spannungen im Wirtschaftssystem insgesamt, wie insbesondere die weltweiten Bilanzskandale der letzten Jahre belegen. Der vorliegende Beitrag widmet sich dem Mitverschuldenseinwand des Abschlussprüfers, also der Frage, ob und mit welcher Rechtsfolge er gegenüber der eigenen Verschuldenshaftung Sorgfaltswidrigkeiten der Prüfklientin einwenden kann. Eine historisch-rechtsvergleichende Rekonstruktion der dogmatischen Figuren ‚Abschlussprüferhaftung‘ und ‚Mitverschuldenseinwand‘ bietet dabei die Folie für eine ökonomische Analyse. Danach erweist sich eine Schadensteilung zwischen Abschlussprüfer und Prüfklientin als vorzugswürdig, die sich proportional zum pflichtwidrig unterlassenen Vorsorgeaufwand verhält. Gleichzeitig bietet diese sonderprivatrechtliche Studie die Grundlage für eine fundamentale Neuorientierung des Mitverschuldenseinwands überhaupt: Dessen klassisch-naturrechtliche Ausrichtung an der Idee proportionalen Verschuldens ex post erlaubt keine kohärenten Maßstäbe der Schadensteilung. Deshalb sollten der Mitverschuldenseinwand und die in seinem Sinne vollzogene Schadensteilung konsequent an den durch sie ex ante erzielten Handlungsanreizen orientiert werden.
Abstract
Accountant liability for damages resulting from incorrect financial reporting is a keystone of modern business law’s information model. At the same time, it is an alarm system for larger tensions inside the economy as recent reporting scandals show. Within that framework of private accountant liability, this article investigates the accountant’s defence of contributory negligence on the part of the client company and its management. To this end, a historical comparative reconstruction of both ‘accountant liability’ and ‘contributory negligence’ sets the stage for an economic analysis. The analysis shows that sharing the damages in between accountant and client proportionately to the individual shortcoming with regard to the respective due care obligation incentivizes optimal party behavior. Further, this study argues for a radical paradigm change in the continental European understanding of contributory negligence: The classical European natural law approach of comparing degrees of fault after the fact gives no reliable guidance whatsoever in distributing damages and largely ignores the deterrence aspect of liability. Rather, damage distribution has to focus on ex ante incentives to exercise due care.
Danksagung
131 Für Recherchen und Mithilfe bei früheren Teilentwürfen ist Mario Hössl-Neumann zu danken. Für Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge danke ich den anonymen Gutachtern sowie (alphabetisch, ohne Titel): Marietta Auer, Walter Doralt, Wolfgang Schön, Julia Told und Gerhard Wagner. Weiterer Dank gilt Stephan Schmid, Leonard Soldo und Xaver Zimmermann-Meinzingen für die Durchsicht des Manuskripts. Der Beitrag ist Prof. Dr. Werner Ebke hochachtungsvoll gewidmet.132
© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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- Der Mitverschuldenseinwand des Abschlussprüfers – Eine historische, rechtsvergleichende und ökonomische Analyse
- Die Rechtsnatur elektronischer Wertpapiere
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- Mitbestimmungssicherung bei der SE-Gründung durch Umwandlung – EuGH v. 18.Oktober 2022, C-677/20 (IG Metall und ver.di)
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