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In memoriam Felix Höffler (1970–2019)

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Published/Copyright: May 7, 2019
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Am 4. Februar 2019 starb Felix Höffler, einer der Herausgeber dieser Zeitschrift, im Alter von 48 Jahren nach langer schwerer Krankheit. Felix Höffler war ein außergewöhnlicher Ökonom. Sein wissenschaftliches Interesse galt wirtschaftspolitischen Fragen, vor allem im Bereich der Netzindustrien. Dabei war er tief in der Wirtschaftstheorie verwurzelt. Diese verstand er nicht als Corpus von allgemeingültigen Aussagen, sondern als ein Instrument zur Analyse von wirtschaftlichen Zusammenhängen, das immer wieder neu der jeweiligen Situation angepasst werden muss. Dabei stand für ihn fest, dass man der Realität nur gerecht werden kann, wenn man sie genau erfasst, in ihren institutionellen Details ebenso wie in ihren quantitiven Dimensionen.

Bildungsweg und beruflicher Werdegang von Felix Höffler waren außergewöhnlich. An der Universität Tübingen absolvierte er gleich zwei Studiengänge, in Volkswirtschaftslehre und in Geschichte. Seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung beruhte auf seiner Magisterarbeit in Geschichte, einer Arbeit zur „Kriegserfahrung in der Heimat … in württembergischen Stimmungsberichten“ aus der Zeit des Ersten Weltkriegs (Höffler 1997). Die Arbeit an der wirtschaftswissenschaftliche Promotion begann Felix Höffler zunächst im Rahmen des European Doctoral Programme in Economics an der Universität Bonn und der London School of Economics, folgte dann aber Georg Nöldeke an die Universität Basel und schloss dort 1999 die Promotion mit einer Sammlung von Aufsätzen über Anreizprobleme in Unternehmen ab (dazu siehe Höffler 1999, Sliwka und Höffler 2003).

Es folgten einige Jahre außerhalb der Wissenschaft, anderthalb Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Monopolkommission, zwei Jahre bei einer Unternehmensberatung und zwei Jahre in der Strategieabteilung der Deutschen Telekom AG. 2004 entschied sich Felix Höffler, wieder in die Wissenschaft zurückzukehren und kam an das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. 2007 bekam er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Regulierungsökonomik an der WHU – Otto Beisheim School of Management; 2011 wurde er Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts, 2016 auch Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik, an der Universität zu Köln.

Aufgrund seiner Erfahrungen außerhalb der Wissenschaft hatte Felix Höffler ein ausgeprägtes Interesse für die Netzindustrien, vor allem für Telekommunikation und Stromwirtschaft. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit in diesen Wirtschaftszweigen waren in den 1990er Jahren radikal geändert worden – durch Privatisierungen von Staatsunternehmen, durch die Öffnung der Märkte für neue Unternehmen und durch eine neuartige Regulierung, die die Inhaber von Netzen und anderen Infrastruktureinrichtungen verpflichtete, anderen Unternehmen die Nutzung dieser Einrichtungen zu ermöglichen, so dass diese in den nachgelagerten Märkten als Wettbewerber tätig sein könnten. Der Umgang mit den neuen Regeln warf in der Praxis vielfältige Fragen auf. Bei seiner Rückkehr in die Wissenschaft hatte Felix Höffler sich vorgenommen, zu einem tieferen Verständnis der zugrunde liegenden Probleme beizutragen. Im Internetauftritt seines Lehrstuhls an der WHU formulierte er die programmatische Frage, „wie Industrien reguliert werden müssen, in denen sich ohne staatlichen Eingriff kein hinreichender Wettbewerb einstellt. Ziel der Regulierung ist … kein ‚planwirtschaftlicher‘ Eingriff, sondern vielmehr die Ermöglichung von Wettbewerb.“

Felix Höfflers Oeuvre seit 2004 macht deutlich, wie anspruchsvoll dieses Programm ist und wie viel unsere Wissenschaft zur Klärung der Probleme beitragen kann. In Höffler (2009) zeigt er mit spieltheoretischen Methoden, dass eine unregulierte Festlegung von Zusammenschaltungsgebühren im Mobilfunk den Spielraum für Kollusion, d. h. Beschränkungen des Wettbewerbs um die Endkunden bewirkt und das nicht nur in besonderen Konstellationen, sondern ganz allgemein. Höffler und Schmidt (2008) zeigen, dass eine Regel, wonach Netzinhaber etwaigen Konkurrenten die Möglichkeit geben müssen, genau die Endprodukte anzubieten, die sie selbst auch anbieten („Resale“), entgegen den Vorstellungen der Gesetzgeber in Brüssel und Berlin sich schädlich auf den Wettbewerb und auf die Endkunden auswirken kann; die Netzinhaber können nämlich ihre Strategie so ändern, dass sie ihre Gewinne vor allem aus den Verkäufen von Vorleistungen an die anderen Unternehmen beziehen und dabei ihre Monopolmacht voll ausspielen. Höffler und Kranz (2011 a, b) zeigen, dass eine unternehmerische Entflechtung von Netzbetrieb und nachgelagerten Aktivitäten, wie sie aus wettbewerbspolitischen Erwägungen vielfach vorgeschlagen wurde, vielfältige Koordinationsprobleme aufwirft, so dass möglicherweise eine Rechtsform-Entflechtung innerhalb eines Gesamtkonzerns einer auch materiellen Entflechtung vorzuziehen ist. Bechtold und Höffler (2011) zeigen, dass das Rechtsprinzip des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen neu durchdacht werden muss, wenn die Geschäftsgeheimnisse nicht die Beziehung des Unternehmens zu Wettbewerbern, sondern um die Beziehungen zu Abnehmern betreffen, einschließlich der Funktionsfähigkeit der Märkte, auf denen die Produkte des Unternehmens gehandelt werden. Anlass zu dieser Untersuchung gab die Klage eines Stromerzeugers gegen einen Investor, der mit Hilfe von Detektoren beobachtete, wann ein Kraftwerk aktiv war, um mit dieser Information auf der Leipziger Strombörse zu handeln.

In all diesen Arbeiten geht es um Fragen aus der laufenden wirtschaftspolitischen oder rechtlichen Diskussion, bei denen man mit Pauschalaussagen nicht weit kommt, wo man sich vielmehr auf die Details des Zusammenspiels von Unternehmen oder Unternehmensteilen in einem Wirtschaftszweig mit verschiedenen Wertschöpfungsstufen einlassen muss, wobei die Marktmacht des Inhabers eines Netzes oder einer anderen Infrastruktur nicht infrage steht. Felix Höffler hat sich dieser Herausforderung immer wieder gestellt. Ihm war bewusst, dass diese Fragestellungen zum Teil sehr speziell waren und vielleicht nur wenige Leute interessieren würden, aber er fand sie im jeweiligen wirtschaftspolitischen Kontext wichtig genug, um sie ernst zu nehmen, gleichzeitig auch so komplex, dass man eine anspruchsvolle theoretische Analyse brauchte, um verlässliche Antworten zu finden. Wobei er sich nicht auf Theorie beschränkte: In Gebhardt und Höffler (2013) dient ein theoretisches Modell der Zusammenhänge zwischen den Strompreisen in zwei Ländern und den Preisen für die Stromdurchleitung an der Grenze (Inanspruchnahme von Kuppelkapazitäten) als Grundlage für eine empirische Untersuchung der Frage, welche Rolle Wettbewerb beim grenzüberschreitenden Stromhandel spielt (nach dem Befund des Papiers nur eine geringe).

In seiner Arbeit – und im Gespräch – zeigte Felix Höffler immer wieder eine bemerkenswerte Kombination von Selbstbewusstsein und Bescheidenheit. Das Selbstbewusstsein gründete sich auf seine Kenntnis der Sachverhalte, auch auf die Einschätzung, dass die Wissenschaft etwas zum Verständnis der Sachverhalte beizutragen hat. Die Bescheidenheit gründete sich auf eine gewisse Skepsis, ob wir die Sachverhalte auch wirklich richtig verstehen. Aufgrund dieser Skepsis, auch aufgrund seiner Neugier und mit dem Wunsch, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen, war er immer offen für Gespräche, für das Verfolgen von neuen Ideen zu den Fragen, mit denen er sich beschäftigte. Dass viele seiner Arbeiten mit Koautoren verfasst wurden, geht auf diese Offenheit zurück.

Besonders trieb ihn die Frage um, wie man dafür sorgen kann, dass die beteiligten Unternehmen angemessene Anreize für Investitionen haben – trotz Wettbewerb und trotz dem Zwang zur Gewährung von Zugang zu Infrastrukturleistungen. So untersuchten Höffler (2007) die massiven (Über?-)Investitionen in Mobilfunkinfrastrukturen, Höffler und Kübler (2007) die Investitionserfordernisse und –anreize für Gasspeicher. Höffler und Wambach (2013) sowie Höffler und Kranz (2015) entwickelten Vorschläge für die Stromwirtschaft, um zu verhindern, dass die unternehmerische Trennung von Übertragungsnetzen und Stromerzeugung zu völlig unkoordinierten Investitionsentscheidungen und letztlich hohen Kosten führen würden.

Die hier genannten Arbeiten sind durchweg als Beiträge zur Diskussion innerhalb der Wissenschaft veröffentlicht worden. Daneben hat sich Felix Höffler regelmäßig auch in der Politikberatung engagiert. Zu erwähnen ist insbesondere eine für das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur erstellte umfangreiche Studie zu den Wettbewerbsverhältnissen auf den Märkten für Regelenergie (siehe Growitsch et al. 2010). Er hat sich auch immer wieder zu den Herausforderungen der „Energiewende“ geäußert. Für ihn gehörte es zur Aufgabe des Wissenschaftlers dazu, die Erkenntnisse, die er selbst gewonnen hatte, auch in die wirtschaftspolitische Diskussion einzubringen.

Vor über dreißig Jahren hörte ich Reinhard Selten einmal sagen, in der Biologie gebe es die Regel, dass man nicht nur allgemeine Evolutionsbiologie betreiben könne, sondern dass jeder Wissenschaftler Experte für wenigstens eine Art sein müsse; diese müsse er immer wieder empirisch beobachten, so dass er alle Besonderheiten „seiner“ Art genau kenne und seine allgemeinen Theorien immer auch darauf beziehen könne. Reinhard Selten fügte damals hinzu, es würde den Ökonomen gut tun, wenn sie auch eine solche Regel hätten, so dass z. B. jeder Wissenschaftler „seinen“ Wirtschaftszweig haben müsse, den er genau kennt. Solche Kenntnis, so Selten, würde auch den allgemeinen Diskurs über wirtschaftstheoretische Fragen verbessern.

In seiner Forschung zu Wettbewerb und Regulierung in den Netzindustrien, vor allem Telekommunikation und Stromwirtschaft, kam Felix Höffler diesem Ideal nahe. Es wäre zu wünschen, dass sein Beispiel viele Nachahmer findet, auch wenn es mühsam sein mag, sich jeweils auf die Details der konkreten Gegebenheiten einzulassen und bei neu auftretenden Fragen die erforderlichen theoretischen und empirischen Analysen durchzuführen, ohne auf „Konserven“ aus dem Regal zurückzugreifen.

Ausgewählte Veröffentlichungen von Felix Höffler

„Kriegserfahrung in der Heimat: Kriegsschuld, -verlauf und -ende in württembergischen Stimmungsberichten“, in: Hirschfeld, Krumeich, Langewiesche, Ullmann (Hg.): Kriegserfahrungen: Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs, Essen 1997, 267–286.Search in Google Scholar

„Some Play Fair, Some Don’t: Reciprocal Fairness in a Stylized Principal-Agent Problem“, Journal of Economic Behavior and Organization 38 (1999), 113–131.10.1016/S0167-2681(98)00124-3Search in Google Scholar

„Do New Brooms Sweep Clean? Why and When Dismissing Managers Can Increase Form Performance” (mit Dirk Sliwka), European Economic Review 47 (2003), 877–890.10.1016/S0014-2921(02)00272-6Search in Google Scholar

„Costs and Benefits of Infrastructure Competition: Estimating Welfare Effects from Broadband Access Competition“, Telecommunications Policy 31 (2007), 401–418.10.1016/j.telpol.2007.05.004Search in Google Scholar

„Demand for Storage of Natural Gas in Northwestern Europe: Trends 2005–2030“ (mit Majid Kübler), Energy Policy 35 (2007), 5206–5219.10.1016/j.enpol.2007.04.039Search in Google Scholar

„Two Tales on Resale“ (mit Klaus Schmidt), International Journal of Industrial Organization 26 (2008), 1448–1460.10.1016/j.ijindorg.2008.02.004Search in Google Scholar

„Mobile Terminations and Collusion Revisited“, Journal of Regulatory Economics 35 (2009), 246–274.10.1007/s11149-009-9087-2Search in Google Scholar

„Marktkonzentration und Marktmachtanalyse für den deutschen Regelenergiemarkt“ (mit Christian Growitsch und Matthias Wissner), Zeitschrift für Energiewirtschaft 34 (2010), 209–222.10.1007/s12398-010-0022-0Search in Google Scholar

„An Economic Analysis of Trade Secret Protection in Buyer-Seller Relationships“ (mit Stefan Bechtold), Journal of Law, Economics and Organization 27 (2011), 137–158.10.1093/jleo/ewp020Search in Google Scholar

„Legal Unbundling Can Be a ‘Golden Mean’ between Vertical Integration and Ownership Separation” (mit Sebastian Kranz), International Journal of Industrial Organization 29 (2011a), 576–588.10.1016/j.ijindorg.2011.01.001Search in Google Scholar

„Imperfect Legal Unbundling of Monopolistic Bottlenecks” (mit Sebastian Kranz), Journal of Regulatory Economics 39 (2011b), 273–292.10.1007/s11149-011-9144-5Search in Google Scholar

„How Competitive is Cross-Border Trade of Electricity? Theory and Evidence from European Electricity Markets” (mit Georg Gebhardt), The Energy Journal 34 (2013), 125–154.10.5547/01956574.34.1.6Search in Google Scholar

„Investment Coordination in Network Industries: The Case of Electricity Grid and Electricity” (mit Achim Wambach), Journal of Regulatory Economics 44, 287–307.10.1007/s11149-013-9227-6Search in Google Scholar

„Using Forward Contracts to Reduce Regulatory Capture” (mit Sebastian Kranz), Journal of Industrial Economics 63 (2015), 598–624.10.1111/joie.12086Search in Google Scholar

Published Online: 2019-05-07
Published in Print: 2019-05-27

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 22.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zfwp-2019-2006/html?lang=en
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