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Wohin wenden nach den Turns? Eine wissenschaftssoziologische und forschungslogische Betrachtung am Beispiel des „Turn to Practice“

  • Fabian Anicker

    Fabian Anicker, geb. 1986 in Münster, Studium der Sozialwissenschaften in Düsseldorf und der Soziologie in Edinburgh, Promotion in Düsseldorf. Von 2011–2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Düsseldorf, von 2015 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Redakteur der Zeitschrift für Theoretische Soziologie an der Universität Münster. Seit 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt MeMo:KI an der Universität Düsseldorf.

    Forschungsschwerpunkte: Politische Soziologie, Soziologische Theorie, Digitalisierung & KI

    Wichtigste Publikationen: Entwurf einer Soziologie der Deliberation. Weilerswist, 2019; Theorienvergleich als methodologischer Standard der soziologischen Theorie. Zeitschrift für Soziologie 46, 2017: 71–88. Theoriekonstruktion durch Theorievergleich. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2020, 72:567–596. Zuletzt in dieser Zeitschrift: Grundzüge einer empirischen Pragmatik des kommunikativen Handelns. Zeitschrift für Soziologie 2020 49: 28–48.

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Published/Copyright: November 10, 2022
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Zusammenfassung

Spätestens seit den 1990er Jahren verlieren die bis dahin tonangebenden Großtheorien in der deutschsprachigen soziologischen Theorielandschaft an Einfluss. Im Zuge eines Strukturwandels der wissenschaftlichen Öffentlichkeit werden Aufgaben der Gegenstandserschließung zunehmend von Sozialtheorien übernommen, die Grundelemente des Sozialen definieren, ohne damit größere systematische Ansprüche zu verbinden. Am Beispiel des Turn to Practice wird gezeigt, dass sozialtheoretische Konvergenzbehauptungen zwar einige der zeitlichen und sozialen Strukturprobleme der Theorieproduktion lösen, aber sachlich eine zu schmale Basis für kollektive Theorieentwicklung darstellen.

Abstract

No later than the 1990s Grand Theories in German sociology seem to run out of steam. The construction of the object of social science is instead increasingly delegated to social theories that define basic building blocks of ‘the social’ without committing to systematic theory. This development is analyzed as resulting from a structural transformation of the public sphere of science. Using the Turn to Practice as an example, I show that claims for social theoretic convergence do indeed solve some of the challenges regarding the temporal and social conditions of theory production but provide too thin a base for collective theory production.

Die soziologische Theorielandschaft in Deutschland hat sich in den fünfzig Jahren seit der Gründung der Zeitschrift für Soziologie im Jahr 1972 deutlich verändert. Würde man im Zeitraffer aus großer Höhe auf diese Landschaft schauen, sähe man ab etwa den 1970er bis Mitte der 1980er Jahre eine Reihe von Theoriemassiven in die Höhe schießen, deren Ausmaße sich nur mit den mittlerweile abgeschliffenen Gebirgszügen des Marxismus und des Parsonianismus vergleichen ließen. Zuvorderst zu nennen sind die Bourdieu’sche Theorie der Praxis, die Luhmann’sche Systemtheorie, Foucaults genealogische Forschungen und Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns; auch Giddens’ Strukturationstheorie erhebt sich kurzzeitig zu beachtlicher Höhe, fällt aber schnell wieder zusammen. Ausgebreitet über tausende Buchseiten türmen sich diese gewaltigen Syntheseversuche zu Gipfeln auf, von wo sie die gesamte Landschaft der Soziologie zu überblicken trachten; nur gegenseitig verstellen sie sich den Blick ins Weite. Bis in die 90er Jahre hinein thronen sie fast unangefochten über dem Flachland der spezifischen Ansätze. Es gilt: Theorie ist große Theorie.

Unter großer Theorie sollen durchgeführte Versuche verstanden werden, eine kohärente und komprehensive Perspektive zu entwickeln, aus der die Gesamtheit eines disziplinären Gegenstandsbereichs systematisch rekonstruiert und mit deren Hilfe große Teile der relevanten Problemstellungen des Fachs koordiniert werden können. Eine naheliegende Möglichkeit ist, solche Theorien als Theorie der Gesellschaft anzulegen, weil die Gesellschaft die umfassendste Einheit der Beobachtung des Gegenstands ist. Sie können sich aber auch als Theorien der unterschiedlichen Ebenen des Sozialen verstehen, etwa in der handlungstheoretischen Tradition, in der es um die systematische Rekonstruktion des Gegenstandsbereichs der Soziologie über die theoretische Verknüpfung von Handlungen und sozialen Strukturen geht (Sewell 1992; Esser 1993; Turner & Boyns 2001; Lizardo 2010).

Spätestens seit den 1990er Jahren scheint sich jedoch eine Umkehr der Kontinentaldrift zu vollziehen. Weder wachsen die bestehenden Massive weiter noch falten sich neue Gebirgskämme auf. Wollte man die Landschaftsmetapher weiter strapazieren, müsste man eher von Lawinenabgängen und Erosion sprechen. Egal ob wir an die partielle Fragmentierung der Bourdieu- und der Luhmann-Schulen, den Habermas-Exodus in die Philosophie, den völligen Kollaps der Strukturationstheorie oder an neue Tendenzen wie Poststrukturalismus, Feministische Theoriebildung oder Akteur-Netzwerk-Theorie denken: Die Zeit der großen theoretischen Synthesen ist offenbar vorbei. In einem Überblick über die Entwicklung der soziologischen Theorie der letzten zwanzig Jahre macht Wolfgang Ludwig Schneider den wichtigsten theoretischen Trend im Aufstieg von kollaborativen „umbrella enterprises“ aus, und nennt als Beispiele die Analytische Soziologie, den Practice Turn, die Relationale Soziologie, das Weber-Paradigma, und den Kommunikativen Konstruktivismus (Schneider 2021a). Umbrella enterprises zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen eher losen Rahmen für die kollektive Koordination von Forschung bilden. Gemeinsame Bezugspunkte für die Forschungskoordination können wie im Fall der Analytischen Soziologie über einen abstrakten methodologischen und wissenschaftstheoretischen Hintergrund oder wie beim Weber-Paradigma über die Orientierung an den Problemstellungen und Forschungsmethodik eines spezifischen Klassikers laufen. Practice Turn, Kommunikativer Konstruktivismus und relationale Soziologie hingegen suchen diese Koordination über die Proklamation von sozialtheoretischen Festlegungen zu erreichen. Diese Theorieform steht im besonderen Fokus dieses Aufsatzes und wird im Folgenden als Neue Sozialtheoretische Initiative (NSI) analysiert. Bei NSIs handelt es sich um Ansätze, die abstrakte sozialtheoretische Annahmen aus verschiedenen Theorien extrahieren und auf einen geteilten Nenner bringen. Sozialtheoretische Annahmen sind solche, die festlegen, in welchen Kategorien soziologisch relevante Phänomene zu beschreiben sind (z. B. als Handlung/Kommunikation/Praxis) und dadurch bestimmen, was als empirisches Datum erscheinen kann (Lindemann 2009: 21 ff.; Anicker 2017: 83; Reckwitz & Rosa 2021). NSIs beziehen sich auf bestehende Sozialtheorien und proklamieren ein Set geteilter sozialtheoretischer Ausgangspunkte als Basis der Koordination von Forschungsprogrammen (für Programmatiken siehe etwa Keller et al. 2013; Schatzki et al. 2001; Emirbayer 1997). Im Vergleich mit Großtheorien wird in diesen theoretischen Sammelbewegungen kein stark synthetisierender oder systematisierender Anspruch verfolgt. Sie dienen eher als begriffliche Plattformen für die Koordination unterschiedlicher Forschungsbemühungen und Theorieimpulse Da sich NSIs um die Entwicklung einer materialen Perspektive auf das Soziale und eine inhaltliche Bestimmung des Gegenstands bemühen, wird man in Ihnen wohl am ehesten Nachfolgeformate für große, komprehensive Theorieunternehmungen sehen können – es gibt jedoch auffällige Unterschiede.

In der Selbstbeschreibung der NSIs dominiert nicht die Rhetorik der geschlossenen theoretischen Leistung, sondern die des offenen Projekts, das gerade wegen seiner Unfertigkeit zu vielfältigen theoretischen Anschlüssen und Weiterentwicklungen einlädt. Gegenüber den begrifflich durchstrukturierten Steilhängen der Großtheorie herrscht hingegen mehr oder weniger offenes Misstrauen. Beispielhaft etwa die Positionierung von Andreas Reckwitz: „An die Stelle eines teutonischen Verständnisses von »Theorie als System« – in das man sich in toto einschreibt oder es verwirft – tritt ein Verständnis von Theorie als (…) eine Heuristik im besten Sinne, an der sich an verschiedenen Enden und durch unterschiedliche Forscher weiterarbeiten lässt.“ (Reckwitz 2016, 11–12). Auf besonders deutliche Art wird die Zeitgebundenheit und Projektförmigkeit der NSIs in sozialtheoretischen „Turns“ akzentuiert. Die Semantik des ‚Turns‘ bringt die Abwendung vom Hergebrachten bei gleichzeitiger Unabgeschlossenheit der angestrebten theoretischen Bewegung auf den Begriff. Auch Turns funktionieren als sozialtheoretische Plattformen der Theorieentwicklung, dementieren aber zusätzlich die klassischerweise mit Theorie verbundenen Ansprüche auf Dauerhaftigkeit, Systematizität und „Größe“ (etwa Latour 1992, 1999).

Wer noch auf altehrwürdigen Gipfel sitzt, mag sich über das bewegte Treiben im Flachlande wohl wundern. Sind nicht viele der in den diversen Turns und Neuansätzen diskutierten, vermeintlich drängenden theoretischen Probleme längst gelöst? Sollte man nicht auf bestehende Theorietraditionen aufbauen, statt sie mit großer Geste zu verabschieden, um dann längst Bekanntes begrifflich umzudekorieren und als neu anzupreisen (vgl. etwa Bongaerts 2007; Keller 2019; Collins & Yearley 1992a, 1992b)? An dieser Stelle lohnt es sich, der Versuchung zu widerstehen, eine allzu einfache Verfalls- oder Fortschrittsgeschichte zu erzählen. Stattdessen soll der Wandel der Theorielandschaft aus einer dualen, nämlich einerseits wissenschaftssoziologischen und andererseits forschungslogischen Perspektive rekonstruiert werden. Nur eine wissenschaftssoziologische Betrachtung zum Strukturwandel der Wissenschaftsöffentlichkeit kann die Hintergründe der Entwicklung verständlich machen, aber nur wenn man darüber hinaus nach dem sachlich-forschungslogischen Unterschied fragt, den die Theorieform für die Koordination soziologischer Forschung macht, wird die fachliche Relevanz der Entwicklung deutlich. Im folgenden Abschnitt gehe ich auf wissenschaftssoziologische Hintergründe ein, das Hauptgewicht des Artikels liegt jedoch auf den folgenden Abschnitten, in denen die Forschungslogik von Grand Theories und NSIs vergleichend analysiert wird. Als Beispiele der Untersuchung dient der bereits erwähnte ‚Turn to Practice‘, einer der in puncto Anspruch und Dauer sicherlich ambitioniertesten und erfolgreichsten Turns.

1 Wissenschaftssoziologische Hintergründe: Strukturwandel der soziologischen Wissenschaftsöffentlichkeit

1.1 Der Niedergang der großen Theorie

Welche Art von Beiträgen in der soziologischen Wissenschaftsöffentlichkeit sachlichen Einfluss gewinnen kann, entscheidet sich trivialerweise daran, welche Beiträge produziert und welche Publikationen gelesen und zitiert werden. Aus wissenschaftssoziologischer Sicht lässt sich die Frage nach dem augenscheinlichen Formwandel soziologischer Theorie deshalb relativ leicht konkretisieren: Warum erzielt eine bestimmte Textsorte mehr Anschlüsse als eine andere? Warum gibt es eine Genreverschiebung weg von den großen Theorien hin zu Sozialtheorien bzw. NSIs? Welche Ursachen lassen sich in den disziplinären Produktions- und Rezeptionsbedingungen ausmachen, die den Erfolg der NSIs zulasten der vormals dominanten Grand Theories in den letzten Jahrzehnten, erklären könnten?

Wenn man so fragt, fällt ein parallellaufender Trend ins Auge. Die Wissenschafts- und Hochschulforschung dokumentiert einen seit Jahrzehnten laufenden Strukturwandel, den man über Prozesse der Bildungsexpansion, Internationalisierung, die Beschleunigung des akademischen Wettbewerbs, gestiegene Bedeutung von Drittmitteln, und die fortlaufende Binnendifferenzierung der Soziologie kennzeichnen kann (Münch 2015; Krücken 2021; Krücken et al. 2013; Schmitz et al. 2019). Die „feudal[e] Tradition der Lehrstuhlstrukturen (Münch 2016: 413)“ wird dadurch teilweise ausgehebelt; ein System, in dem die Besetzung von Stellen und die Vergabe von Geldern stark vom Urteil statushoher und persönlich miteinander bekannter Personen abhängt, wird sukzessive (aber nicht vollständig) von einem anderen Modell verdrängt, in dem organisationale und daher zwangsläufig überpersönliche Kriterien für die Förderung von Themen, Forschungsformaten und Personen entscheidend werden (Hamann 2019; Brankovic et al. 2018; Alberth et al. 2018). Während für John Nash noch die Ein-Satz-Empfehlung seines Mentors Richard Duffin „He is a mathematical genius“ reichte, um seine wissenschaftliche Laufbahn in Princeton zu beginnen (Fragnelli & Gambarelli 2015: 923), sehen sich kontemporäre Wissenschaftler:innen einem Netz an Evaluationskriterien gegenüber, die wissenschaftliche Eignung weniger an subjektiven Eignungseinschätzungen durch Lehrstuhlinhaber:innen und stärker am objektiven „track record“ mess- und zählbarer Leistungen festmacht (vgl. Hamann & Kaltenbrunner 2022). Die standardisierte Messung wissenschaftlicher Leistungen wird essenziell; Kriterien wissenschaftlicher Exzellenz müssen objektiv messbaren Größen entsprechen und für jede Karrierephase ausdefiniert und operationalisiert werden. Kriterial diffuse und intersubjektiv fluktuierende Beurteilungen der Eignung von Kandidat:innen oder der inhaltlichen Qualität von Publikationen geraten durch eine Bewertung der wissenschaftlichen Produktivität unter Druck, die sich an messbaren Größen wie der Anzahl der veröffentlichten Publikationen, Prestige des Publikationsorts und messbarem ‚impact‘ orientiert. Der Selektionsmodus wird dadurch zunehmend, wenn auch nie völlig, auf organisationsgünstige Kriterien umgestellt. Absehbare und weithin diskutierte Effekte dieser Restrukturierung des wissenschaftlichen Systems der Allokation von Ressourcen sind die Beschleunigung der Publikationstätigkeit, die Fokussierung von schnell produzierbaren Formaten zulasten von aufwändigen Monographien und eine Präferenz für sichtbare, „CV-fähige“ Leistungen zulasten unsichtbarer Leistungen (wie etwa ‚unproduktivem‘ Lesen und Exzerpieren von nicht unmittelbar für ein Projekt einschlägiger Fachliteratur). Wegen der gewollten Reaktivität der „soziokalkulativen“ Leistungsmessung (Vormbusch 2012), die auf eine Veränderung der Handlungslogiken und insbesondere die Institutionalisierung von Konkurrenz abzielt, ist dieses Selektionssystem auch als „akademischer Kapitalismus“ analysiert worden (Slaughter & Rhoades 2010; Slaughter 2014; Slaughter & Leslie 1997; Welsh et al. 2008; Münch 2014; Gonzales et al. 2014).[1] Wir behaupten, dass vor dem Hintergrund des Strukturwandels des Wissenschaftssystems die Produktions- und Distributionsschancen von Grand Theories deutlich ungünstiger geworden sind.

1.2 Zeitliche Synchronisationsprobleme und sozialstrukturelle Reproduktionsprobleme großer Theorie

In Bezug auf die zeitliche Rhythmik der Produktion großer Theorie ist zunächst festzustellen, dass systematische Grundlagentheorie vergleichsweise lange Einarbeitungszeiten in eine historisch und sachlich weitverzweigte Theoriegeschichte erfordert. Zudem zeichnen sich praktisch alle Grand Theories durch eine abstrakte Denkweise eher philosophischen Stils aus, der mit der immer weiter voranschreitenden disziplinären Differenzierung von Soziologie und Philosophie wohl nur noch autodidaktisch, durch ausgedehnte ‚unproduktive‘ Lektüren, zu erwerben ist – ein unter der Bedingung flexibilisierter Beschäftigungsverhältnisse mit engmaschiger Leistungsevaluation und der Professur als erster unbefristeter Stelle äußerst riskantes Unterfangen. Dabei kollidiert auch die Projektförmigkeit der zunehmend wichtigen Drittmittelfinanzierung mit der Offenheit, Unplanbarkeit und Praxisferne grundlagentheoretischer Fragestellungen. Zu vermuten steht: Die Reproduktionszyklen ‚großer‘ Theorieformate sind tendenziell nicht mehr mit den zeitlichen Rhythmen einer erfolgreichen Karriere in der Wissenschaft kompatibel.

Auch in sozialer Hinsicht beruht große Theorie auf Voraussetzungen, die unter den gewandelten wissenschaftsstrukturellen Bedingungen systematisch unwahrscheinlicher werden. Große Theorie scheint fast unweigerlich eine Theorie der Wenigen zu sein. Nicht zufällig sind Theorieentwurf und der Name ihres Autors im Fall der Grand Theories annähernd synonym zu gebrauchen. Dies liegt fraglos auch an der Bedeutung von Einzelleistungen; der nicht wegzuleugnenden Brillanz der Schöpfer von Großtheorien. Praktisch ermöglicht wird die sachliche Integrationsleistung und die daraus folgende soziale Koordinationsleistung von Großtheorien für das Fach aber nicht zuletzt dadurch, dass die Autorität über die Bedeutung zentraler Theoriebegriffe, die ‚richtige‘ Anwendung und Entwicklung einer Perspektive, wesentlich beim Schöpfer der Großtheorie und einem engen Kreis anerkannter Expert:innen liegt. Die typische informelle soziale Konstellation zur fachlichen Verankerung großer Theorien ist die „Schule“, worunter ich in Anschluss an Osrecki und Schneider Kommunikationszusammenhänge verstehen möchte, „die typisch auf lokal verankerten Kontakten, direkter Interaktion und einer hierarchisch differenzierten sowie stark personalisierten Lehrer/Schüler-Beziehung gründen“ (Osrecki & Schneider 2020: 131; vgl. Stichweh 1999). Clemens Albrecht spricht wissenschaftlichen Schulen im Vergleich zu anderen Sozialformen von Wissenschaft das „größte Denkstrukturen fixierende Potenzial“ zu (Albrecht 2019: 16; ähnlich auch Klausnitzer 2014: 11). Um die intellektuelle Führungsfigur kristallisiert sich ein Kern eng assoziierter Wissenschaftler:innen heraus, der die häufig schwer interpretierbaren Primärtexte großer Autor:innen in zugängliche Vereinfachungen überführt, und bei weiterer Verbreitung der guten Nachricht über die korrekte Anwendung in der paradigm community (Kuhn 1970) wacht. Andere, nur lose assoziierte Wissenschaftler:innen, die sich auf den Ansatz berufen wollen, können dies tun, bleiben aber entscheidend darauf angewiesen, dass ihr Beitrag von Schulenmitgliedern des engeren Kreises als solcher anerkannt wird (vgl. Tiryakian 1981; Dayé 2017: 70).[2]

Diese Disziplinierung des Begriffsgebrauchs ist bei den großen Theorien dringend erforderlich. Grundbegriffe von fachuniversellen Großtheorien sind wegen der intendierten universalen Reichweite notwendig hochgradig abstrakt. Bespielweise ist ein „soziales System“ nach Luhmann kein Ding und auch kein Name für ein konkretes, in der sozialen Welt auffindbares Phänomen, sondern das, was nicht Umwelt ist und sich gegenüber dieser Umwelt abschließt, indem Kommunikationen aneinander anschließen (Luhmann 1984: 21–24). Ein Habitus nach Bourdieu ist keine beobachtbare Tatsache, sondern ein Konzept, zur Verknüpfung von sozialer Praxis und sozialen Strukturen (Kapitalverteilungen) und was wiederum Kapital ist, ist nicht unabhängig vom Begriff der Praxis und dem des Habitus verständlich (Bourdieu 1976, 1998; Lenger et al. 2013). Die Grundbegriffe sind also nicht in erster Linie über Referenzen zu alltagsweltlich identifizierbaren Gegenständen, sondern über Relationen zu anderen Grundbegriffen definiert (Cassirer 1910). Deshalb besteht eine Kluft zwischen den theoretischen Grundbegriffen der Großtheorien zu den Dingen der alltäglichen, umgangssprachlich vorstrukturierten Wahrnehmung und auch zu vielen Entitäten der empirischen Sozialforschung.[3] Es besteht deshalb in der Schule und der assoziierten Paradigm-Community ein ständiger Bedarf nach verbindlicher Festlegung der Anwendungsbedingungen von Begriffen – etwa der Frage, ob „Soziale Hilfe“ wirklich ein „Funktionssystem“ ist, oder ob „erotisches Kapital“ tatsächlich ein „soziales Feld“ konstituiert. Wegen des holistischen und systematischen Charakters von Großtheorien ist es zwar nicht unmöglich, bestimmte Theorieentscheidungen ihrer Urheber anzufechten, dies erfordert allerdings erheblichen interpretatorischen Aufwand und reproduziert indirekt die Personalisierung der Theoriediskussion, weil man Luhmann im Rahmen schulinterner Auseinandersetzungen nur mit Luhmann korrigieren kann.

Faktisch führte dieser Modus der stark personenzentrierten Theorieproduktion dazu, das Feld der Theorie zu einer Spielwiese weniger Superstars mit einer kleinen Schar anerkannter Manager und Pressesprecher zu machen. Wissenschaftler:innen, denen Platz an zentralen Punkten der begehrten „Klassikerindustrien“ (Kieserling 2000) verwehrt wird, sehen sich in eine Publikumsrolle mit gelegentlicher Kommentarfunktion gedrängt; ihr Werk ist dem schnellen Vergessen anheimgestellt (was wissenschaftssoziologisch betrachtet allerdings kein ungewöhnliches Muster ist, vgl. Solla Price 1965; Merton 1973; Callaway 2016).

Die von Schulen vorausgesetzte und wiederum reproduzierte starke Hierarchisierung nach Lehrer/Schüler im Zentrum einerseits und Zentrum/Peripherie (Schule/Paradigm-Community) andererseits wird durch den oben beschriebenen Strukturwandel der Wissenschaft unterminiert. In Bezug auf die schuleninterne Koordination erschwert die Flexibilisierung des akademischen Arbeitsmarkts, in dem Stellen unabhängig von Schulenzugehörigkeit vergeben werden, die langfristige Bindung von jungen Wissenschaftler:innen an das Werk intellektueller Führungsfiguren. In Bezug auf die Differenz von Schule/Paradigm-Community gilt Ähnliches. Wegen des oben skizzierten holistischen Charakters von großer Theorie ist die Bedeutung anspruchsvoller theoretischer Aussagen von ihrem theoretischen Kontext abhängig. Großtheorien zwingen stärker als andere wissenschaftliche Formen zur Wahl zwischen oberflächlicher aber erkennbar sinnverfälschender Anknüpfung und zeitintensiver Totalrezeption. Dies erschwert niederschwellige Anschlüsse durch eklektizistische Zitation, was typischerweise die Masse der Zitationen ausmacht. Gerade Großtheorien mit ihrem voraussetzungsvollen Fachvokabular wirkten unter Bedingungen, unter denen die Güte wissenschaftlicher Beiträge vor allem an ihrer Anschlussfähigkeit bemessen wird, deshalb eher als Kooperations- und Kommunikationshindernis (vgl. Schneider 2021a, S. 476; siehe auch Davis 2008).

Zusammengenommen ergibt sich die starke Vermutung, dass der Strukturwandel des Wissenschaftssystems und das Verschwinden großer Theorie nicht nur zufällig nebeneinander herlaufen, sondern letzteres durch ersteres bedingt wird: Große Theorie passt schlecht zu den Bedingungen des (frühen) akademischen Kapitalismus (vgl. auch Lizardo 2014).[4] Wenn dem so ist, können wir das Warten auf Foucault (bzw. seine Reinkarnation in neuer Gestalt) einstellen. Der Niedergang der großen Theorie ist kein vorrübergehendes Krisenphänomen, sondern eine wissenschaftsstrukturell bedingte Tatsache.

2 Sozialtheoretische Initiativen als strukturkonformer Theorietypus

Unter der bisher entwickelten Perspektive wird es nun möglich, die neuen sozialtheoretischen Initiativen (NSIs) als eine Mischung aus Sach- und Sozialform zu analysieren, die auf genau diese strukturellen Probleme der bis dahin tonangebenden Großtheorie reagiert.

Grand Theories und NSIs erheben vergleichbare Ansprüche: Erstens erheben sie einen Anspruch auf universelle Relevanz (alle Forschungsthemen und Gegenstandsbereiche sollen prinzipiell unter der Perspektive der Sozialtheorie, des Turns bzw. der Grand Theory betrachtet werden können). Zweitens sind sie typischerweise mit dem Anspruch verbunden, theoretische Syntheseleistungen zu erbringen und also wichtige theoretische Ideen unterschiedlicher Provenienz im Rahmen desselben theoretischen Vokabulars zu behandeln. Bei ähnlichen Zielen unterscheidet sich jedoch das Vorgehen erheblich. NSIs sind Theorieformen, die der zeitlichen Rhythmik von Karrieren und der sozialen Enthierarchisierung der Bedingung der Theorieproduktion entgegenkommen. Wo große Theorie auf „geistesaristokratischer“ Abschließung (Weber 1992: 79), langen Einarbeitungszeiten und steilen sozialen Hierarchien beruht, präsentieren sich NSIs als das genaue Gegenteil. In sozialer Hinsicht streben NSIs gemäß ihrer Selbstbeschreibung die Demokratisierung der Theorieentwicklung durch breite Beteiligung in der Frühphase der Theorieentwicklung an. Theoriearbeit wird als laufendes Projekt eines Forscherkollektivs verstanden, zu dem kleinteilige und dem Anspruch nach bedeutend niederschwelligere Beiträge willkommen sind. NSIs kennen zwar nach wie vor Führungsfiguren, aber die sozialen Hierarchien zwischen Meister und Schüler werden zu bloßen Statusunterschieden im Rahmen einer kollaborativen Forschungsgemeinschaft verflacht. Als Subjekt einer neuen Sozialtheorie oder eines Turns tritt nicht das trotzige ‚ich‘ des Theorieschülers auf, der mit dem eigenen Entwurf zum Angriff auf „Alteuropa“, die „theoretische Theorie“ oder die „performative Selbstwidersprüchlichkeit der Postmoderne“ bläst, sondern das einladende ‚wir‘ einer im Entstehen begriffenen Gruppe, die gemeinsam Vieles anders und Einiges besser machen will.

Selbstverständlich fällt es bei aller Betonung von Kollaboration und Offenheit bei genauerer Betrachtung nicht schwer, auch bei NSIs klare Reputationsdifferenzen und steil abfallende Raten in der Zitationswahrscheinlichkeit, meist zugunsten der Begründer einer NSI, festzustellen. Der Modus der Bezugnahme ist dennoch ein anderer. Anders als bei Großtheorien ist es für diejenigen, die mit dem Ansatz arbeiten wollen, nicht nötig, sich sachlich durch extensive Auseinandersetzung mit den Argumenten der Primärautoren zu legitimieren und eigene Positionierungen daraus abzuleiten. Zitiert werden die Gründungstexte nicht für ihre sachliche Autorität über die Bedeutung zentraler Konzepte, sondern als routinemäßig zu zitierende Diskurseröffner.[5] Auch die Abgrenzung nach Außen, die für die Festigung der Identität der NSIs wichtig ist, nimmt normalerweise nicht den Charakter einer extensiven Auseinandersetzung mit Bestehendem an, sondern besteht zumeist einfach darin, einem selten genauer lokalisierten ‚Mainstream‘ der Soziologie sozialtheoretische Defizite zuzuschreiben. Die Kritik nimmt dann im einfachsten Fall die Form von pauschalisierenden Etikettierungen an (etwa Essentialismus, Atomismus, Rationalismus, Individualismus, Eurozentrismus …), die routinemäßig für Abgrenzung und Selbstlegitimation in Anspruch genommen werden. NSIs steigen aus dem Deutungskampf aus, in dem die Überlegenheit des einen Theoriegebäudes über das andere gezeigt werden soll. Stattdessen reduzieren sie sowohl die von ihnen favorisierten als auch die von ihnen abgelehnten Ansätze auf wenige sachliche Grundthesen und behaupten eine Konvergenz, mit der im Folgenden weitergearbeitet werden kann.

Gegen diese Überwindung der Autorenfixierung des Theoriediskurses, in der man auch eine Demokratisierung der Sozialform soziologischer Theorie sehen könnte, kann es auf Basis wissenschaftlicher Werte kaum legitime Einwände geben. Die entscheidende Frage ist freilich, ob dieser wünschenswerten sozialen Verflachung nicht notwendig eine sachliche korrespondieren muss. Für eine demokratisierte Theorieentwicklung entstehen nämlich Probleme, die im aristokratischen Modell über die Autorität der Zentralautoren über Ihre Ideen immer schon gelöst waren. Wenn Luhmann sagt, dass Protestbewegungen ein eigenständiger Systemtypus sind oder die Inklusions/Exklusions-Unterscheidung alle anderen Unterscheidungen supercodiert, werden neue, werkimmanent nicht ableitbare Aussagen in die Theorie eingeführt, die dennoch auf eine hohe Annahmebereitschaft in der Community der Systemtheorie rechnen können. Nicht die Akzeptanz, sondern die Ablehnung der Theorieentscheidung muss in diesem Fall (theorieimmanent) gerechtfertigt werden – etwa indem man den ‚frühen‘ gegen den ‚späten‘ Luhmann ins Feld führt oder umgekehrt. Dieses autoritätszentrierte System der Koordination von Forschungsperspektiven hat neben den offensichtlichen sozialen Nachteilen den sachlichen Vorteil, auch unwahrscheinliche Aussagen anschlussfähig zu machen. Die Theorie kann substanziell geändert und erweitert werden und bewahrt auf dem heimlichen Umweg über die Sozialdimension dennoch ihre Identität. Zu vermuten steht daher, dass alle Versuche des ‚Crowdsourcing‘ soziologischer Theorieentwicklung vor Abstimmungsproblemen stehen, die wegen fehlender Abstützung in der Sozialdimension vornehmlich in der Sachdimension ausgetragen werden müssen.

3 Der „Practice Turn in Social Theory“ als Crowdsourcing von Theoriearbeit?

Ich möchte die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen der Überführung von Theoriearbeit in eine projektförmig-offene und postheroische Form im Folgenden an einem konkreten Beispiel diskutieren: Dem Practice Turn in Social Theory. Dabei handelt es sich sicherlich um einen der, gemessen an der fachinternen Aufmerksamkeit, erfolgreichsten und langlebigsten sozialtheoretischen Turns in der Soziologie. Laut Google Scholar wurde der begründende Sammelband aus dem Jahr 2001 über 5000 mal zitiert (Schatzki et al. 2001) ein Beitrag von Andreas Reckwitz zu Grundelementen einer Theorie sozialer Praktiken bringt es auf über 7000 Zitationen (Reckwitz 2002). Seitdem wird der Practice Turn regelmäßig zum Gegenstand von Monographien und Artikeln; ein wichtiges Verbreitungsmuster ist dabei die Übertragung auf weitere sachliche Spezialgebiete und die dadurch ermöglichte Mehrfach-Ausrufung: Mittlerweile ist der Practice Turn unter anderem in der Theorie der internationalen Beziehungen (Cornut 2017), der Archäologie (Stockhammer 2012), den EU-Studies (Adler-Nissen 2016), der Strategieforschung (Whittington 2006), der Lehrerausbildung (Reid 2011) und den Musikwissenschaften (Born 2010) verkündet worden.

Theoriestrukturell handelt es sich beim Practice Turn zunächst um eine Konvergenzbehauptung bezüglich sozialtheoretischer Grundkategorien in unterschiedlichen theoretischen Ansätzen: In seiner Einleitung zum Gründungsband wird „Practice“ von Schatzki als ein basales Konzept eingeführt, das unter anderem Wittgenstein, Dreyfus, Taylor, Bourdieu, Giddens, ethnomethodologische Ansätze, STS, Michel Foucault, J.F. Lyotard, Karin Knorr-Cetina und eine Reihe weiterer Autor:innen miteinander verbinde (Schatzki et al. 2001). Was auch immer diverse Autorinnen und Autoren mit dem Begriff der „Praxis“ angefangen haben: Darin dass sie diesen Begriff oder zumindest doch einen sehr ähnlichen an theoretisch zentraler Stelle verwenden, bestehe Einigkeit. Der Band besteht aus drei größeren Abschnitten. Im ersten Abschnitt zu Praxis und sozialer Ordnung werden sehr unterschiedliche Ansätze dazu präsentiert, wie Praxis und Makro-Stabilitäten zusammenhängen, im folgenden Abschnitt, „Inside Practices“ werden einige Texte präsentiert, die vor allem um implizites Wissen und Regelfolge kreisen, im Schlusskapitel, „Posthumanist Challenges“ finden sich wiederum sehr heterogene Beiträge, die von Heideggers Theorie naturwissenschaftlichen Wissens bis zu „posthumanistischen“ Versuchen im Gefolge der STS reichen, den Begriff der Agency auf Objekte auszudehnen. Was ist der gemeinsame Nenner? Es gibt ihn nicht; es handelt sich, auch aus der Sichtweise seiner Vertreter schlicht um ein „Bündel von Theorien mit ‚Familienähnlichkeit‘“ (Reckwitz 2003: 283; siehe auch Hillebrandt 2014).

Weil Phänomene nicht einfach gegeben sind, sondern sprachlich konstituiert werden (Sellars 1956; siehe zuletzt Fuhse 2022), und die Bestimmungen dessen, was eine „Praktik“ ist, deutlich divergieren, gibt es also eigentlich auch keinen geteilten Gegenstand des Practice Turn. Deshalb ist auf Ebene des Turns selbst keine theoretische Arbeit möglich; es wäre unsinnig, zu behaupten, dass der Practice Turn irgendetwas zeigt oder erklären kann, denn es ist auf dieser Ebene ja gar nicht klar, was man eigentlich sagt, wenn man eine Phänomengruppe ‚X‘ als Praktik bezeichnet und was daraus für Forschung resultiert. Alle Theoriearbeit, die nicht der bloßen Kanonisierung von Literatur (worin man natürlich auch die primäre Funktion von Turns sehen könnte, vgl. Osrecki & Schneider 2020), sondern der Lösung soziologischer Probleme dient, muss deshalb die Begriffe mit einer genaueren Bedeutung versehen. In der Tat kann man auch genau dies feststellen: Theoretisch ehrgeizigere Versuche grenzen das Konzept der sozialen Praxis wesentlich deutlicher ein, um damit arbeiten zu können. Reckwitz macht es sich beispielsweise zur Aufgabe, einen „konzeptuellen Idealtypus“ (2003, S. 284) der Praxistheorie (im Singular) zu konstruieren und Materialität, implizites Wissen, Routinisiertheit und Unberechenbarkeit sowie eine Frontstellung gegen rationalistische Sozial- und Gesellschaftstheorien als „Grundelemente“ einer solchen Theorie zu bestimmen (2003, S. 289–297) – die Form der Theorie ist also zunächst über die Benennung der theoretischen ‚Bausteine‘ vorgegeben. Ein zweiter einflussreicher Konkretisierungsversuch ‚der‘ Praxistheorie kommt von Theodore Schatzki. Er bezeichnet Praktiken als „organized nexuses of actions“ und führt weiter aus:

“[…]the doings and sayings that compose a given practice are linked through (1) practical understandings (2) rules, 3) a teleoaffective structure, and (4) general understandings. Together, the understandings, rules, and teleoaffective structure that link the doings and sayings of a practice form its organization. (Schatzki 2002: 77)

Wir interessieren uns im Folgenden für den logischen Aufbau und die forschungspraktischen Implikationen einer auf sozialtheoretische Grundbausteine abstellenden Theorieanlage. Auffällig an beiden Definitionen ist die aufzählende, auf sozialtheoretische Elemente abstellende Art der Definition; als würde man ein Picknick als eine bestimmte Zahl von Personen, eine Decke, eine Landschaft und eine Reihe von Speisen und Getränken definieren. Es fehlen Angaben dazu, wie die einzelnen Elemente genau zusammenhängen, wozu sie dienen und warum es sich lohnen sollte, sie unter einem geteilten Begriff zu versammeln. Schatzki reagiert auf die Problematik, die Art der Relationen zwischen Praxiselementen zu bestimmen, nicht durch Festlegung, sondern durch maximale Offenheit:

“(…) practices and arrangements are linked by relations such as causality (e. g. activities effecting and responding to objects and arrangements), constitution (activities and objects/arrangements being essential for each other),intentionality (e. g. the directedness of activities and mental conditions toward objects and arrangements),intelligibility (practices making the entities that compose arrangements meaningful) and prefiguration (the bearing of arrangements on future courses of action).” (Schatzki 2017: 134)

Das ist in etwa so, als würde man sagen, dass Landschaften entweder kausal zu Picknicks führen, oder für Picknicks konstitutiv sind, oder Landschaften und Speisen durch intentional handelnde Akteure für Picknicks ausgewählt werden, oder dass man erst verstehen kann, was die Zusammenstellung von Decke, Landschaft und Speisen bedeutet, wenn man das Ess- und Trinkverhalten von Personen beim Picknicken beobachtet hat – und dann dieses Knäuel möglicher logischer Relationen als eine Theorie des Picknicks präsentiert. Der offene Charakter der Praxistheorie als Plattform für eine Vielzahl möglicher Anschlüsse soll offensichtlich nicht durch sachliche Einschränkungen in Frage gestellt werden. Hier fällt die Differenz der logischen Form und der praktisch resultierenden Forschungslogik der ‚offenen‘ NSIs zu den ‚geschlossenen‘ Grand Theories am deutlichsten ins Auge.

Um die forschungslogischen Implikationen einer theoretischen Konvergenzthese, die sich über „Grundelemente“ definiert, herauszubringen, ist insbesondere der Kontrast zu Parsons interessant, dem vielleicht berühmtesten Fall von „großer“ Theoriebildung auf Basis einer Konvergenzbehauptung. Auch Parsons behautet in The Structure of Social Action eine sozialtheoretische Konvergenz der Theorien ganz unterschiedlicher Autoren wie Max Weber, Emile Durkheim, Vilfredo Pareto und Alfred Marshall (Parsons 1937). Parsons will aus der Interpretation und Relationierung ihrer jeweiligen Theorien eine geteilte Handlungstheorie gewinnen – die voluntaristic theory of action – ganz ähnlich wie Proponenten des Practice Turn nach Konvergenzen zwischen Wittgenstein, Heidegger, Bourdieu, Giddens, Butler, Foucault, Latour, Knorr-Cetina usw. in Bezug auf die Rolle von Praxis suchen. Der entscheidende Unterschied, der hier ein Unterschied ums Ganze ist, liegt aber in Erkenntnisinteresse und Methode der theorienvergleichenden Untersuchung: Es geht Parsons zwar auch darum, geteilte Elemente einer Handlung („Unit Act“) zu explizieren, aber diese Explikation misst sich nicht daran, ob Weber & Co in ihren Theorien ähnliche Konzepte verwenden, sondern daran, ob sich zeigen lässt, dass sie eine geteilte Lösung für ein geteiltes Problem vorschlagen. Das übergreifende Problem bestimmt Parsons als das Problem sozialer Ordnung und also die Frage, wie es sein kann, dass (bedingt) freie Akteure relativ stabile soziale Ordnungen reproduzieren (Parsons 1968: 92–93). Dieses abstrakte Problem hat sich meines Wissens keiner der von Parsons untersuchten Autoren explizit gestellt; es dient als Suchscheinwerfer, um theoriefunktionale Konvergenzen zu Tage zu fördern (Wenzel 1994). Ein wichtiger Vorteil von Parsons‘ problemorientierter Konvergenzthese ist ihre intersubjektive Überprüfbarkeit. Sie ist erstens an ihrer Fähigkeit zu bemessen, ihr selbstgewähltes Problem zu lösen: Die Voluntaristic Theory of Action muss klären können, wie bedingt freie Akteure soziale Ordnungen reproduzieren. Zweitens bemisst sie sich daran, dass man mit Parsons’ theoretischem Vokabular all das ausdrücken können muss, was Durkheim, Weber & Co mit ihren handlungstheoretischen Konzepten bezweckten. Die „Elemente“ des Unit Act sind keine einfache Schnittmengenkonvergenz aus den untersuchten Theorien, sondern werden in einem Mix aus Exegese, Systematisierung und kreativer Nachkonstruktion aus den Theorien heauspräpariert, die nur durch eine scharfe Orientierung am Problem möglich ist.[6] Unterschiedliche sozialtheoretische Vokabulare lassen sich so als Teilartikulationen eines übergreifenden Schemas verstehen– das Konvergenzschema ist also dem Anspruch nach eine komprimierte und allgemeinere Version der Ausgangstheorien (siehe das Vorwort zur zweiten Auflage, Parsons 1968). Beim Practice Turn und bei anderen NSIs hat Konvergenz hingegen einen anderen Sinn: Sie meint eine Ähnlichkeit der „kleinsten Einheiten“ des Sozialen, auf die verschiedene theoretische Analysen Bezug nehmen. Die Reduktion auf Grundthesen dient zwar wie bei Parsons der Reduktion von Komplexität durch Theorieintegration; im Gegensatz zur Frage, ob ein theoretisches Problem gelöst wurde, oder nicht, gibt es aber keine klaren Kriterien für die „Ähnlichkeit“ der kleinsten Einheiten des Sozialen (zur Abgrenzungsproblematik siehe Bongaerts 2007). Die Organisation von Konvergenz über einen Problembezug hat darüber hinaus den Vorzug, dass die methodologische Rolle von Theorie wesentlich klarer bestimmbar ist: Theorie dient der systematischen Verknüpfung soziologischen Wissens und der Koordination von Erkenntnisinteressen, Problemstellungen und forschungsleitender Annahmen. Demgegenüber findet sich im Practice Turn ein Verständnis von Theorie entweder als „Heuristik“ (Reckwitz) oder als „Generalization“ (Schatzki). Beides hat den Effekt, den Theoriebegriff forschungslogisch zu entleeren: Es gibt keine allgemeinen Kriterien für den richtigen Gebrauch von Heuristiken oder die Angemessenheit von Generalisierungen; Heuristiken sind nützlich oder auch nicht (Abbott 2004) und Generalisierungen sind immer so oder auch anders möglich, sie können nicht „falsch“ sein. Dieses minimalistische Verständnis der Rolle von Theorie wird teilweise, u.A. im Fahrwasser der Bourdieu’schen Kritik an intellektualistischer, nicht durch empirische Forschungen gewonnener ‚theoretischer Theorie‘, offensiv vertreten. Das Ansinnen, die Theorieentwicklung an die empirische Theorieanwendung zu delegieren, führt jedoch in ein Dilemma: Einerseits wird eine stringente begriffliche Konstruktion von Theorien abgelehnt, weil Theorien sich erst in Kontakt mit der empirischen Forschungspraxis entwickeln sollen, andererseits lässt sich eine Theorie kaum in der empirischen Forschungspraxis weiterentwickeln, wenn unklar bleibt, was ihre zentralen Annahmen sind und wie diese gegebenenfalls bestätigt, revidiert oder ergänzt werden könnten. Aus dem Practice Turn resultiert deshalb keine übereinstimmende Forschungslogik. Es droht ein Koordinationsverlust, weil die Ziele der Verwendung eines praktikentheoretischen Vokabulars im Dunkeln bleiben. Es liegen zwar individuelle Weiterentwicklungen vor, die den Begriff stärker eingrenzen und sich um eine Stärkung bzw. Schaffung theoretischer Problembezüge bemühen (z. B. Schäfer 2020; Wagenknecht 2020), aber da geteilte Zielsetzungen und Kriterien fehlen, an denen diese Vorstöße zu bewerten wären, wurden kaum kollektiv zustimmungsfähige theoretischen Fortschritte erzielt (vgl. die ungebrochene Heterogenität der Ansätze in Schäfer 2016; Dietz et al. 2017; Hui et al. 2017). Nicht nur die sozialtheoretische, auch die forschungslogische Bedeutung des Praktikenkonzepts fluktuiert deshalb erheblich und es kann nicht verwundern, dass auch nach jahrzehntelanger Bewirtschaftung des Turns selbst aus Sicht seiner Verfechter:innen unklar bleibt, was unter Praktiken zu verstehen ist und welche explanative Rolle dem Konzept zukommt – „Sometimes it means process. Sometimes it refers to a particular type of knowledge and related action. And sometimes it is used as a quasi-synonym for institution.“ (Kustermans 2016: 175).[7]

Tabelle 1:

Parsons’ Konvergenzthese im Vergleich zur Konvergenzthese des Practice Turn

Parsons’ Structure of Social Action

Practice Turn

Art der Konvergenz

Rückführbarkeit ‚ähnlicher‘ sozialtheoretischer Vokabulare auf ein einziges Theorieschema

Ähnlichkeit sozialtheoretischer Vokabulare

Konvergenz in Bezug auf

Problemstellungen & sozialtheoretische Vokabulare

Sozialtheoretische Vokabulare

Zielrichtung der Konvergenz

Theoretische Grundlagen der Disziplin

Ontologische Grundlagen des Sozialen

Bewährung an:

Lösung ausgewiesener Probleme; Rekonstruierbarkeit der Referenzautoren

?

4 Wohin wenden nach den Turns? Aspekte einer postheroischen Theoriepraxis

Ob sich unter den gegenwärtigen strukturellen Bedingungen ambitioniertere Formen soziologischer Theorie realisieren lassen, wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, Theorieentwicklung mit den zeitlichen Anforderungen der Projektförmigkeit und den sozialen Anforderungen kollektiver Theorieproduktion zu versöhnen, ohne die sachliche Funktion von Theorie für die Organisation von Wissen und Forschung zu kompromittieren. Die beispielhafte Untersuchung der Forschungslogik des Practice Turns lässt vermuten, dass NSIs zwar in sozialer und zeitlicher Hinsicht befriedigende Anpassungen des Theorieformats an die kontemporäre Wissenschaftsstrukturen sind, aber keine ausreichenden Ressourcen zur Verfügung stellen, um eine hinreichend gleichsinnige Theorieinterpretation, -anwendung und -weiterentwicklung zu ermöglichen. Eine sachliche Basis, die lediglich aus geteilten sozialtheoretischen Annahmen besteht, ist zu schmal, um neue theoretische Entwicklungen stringent daraus abzuleiten. Bei den Weiterentwicklungen kommt deshalb Willkür ins Spiel, die nicht durch sozial generalisierte Folgebereitschaft kompensiert werden kann. Deshalb können die Funktionen großer Theorien für die Systematisierung und Motivation von Forschung, bei der Definition übergreifender fachlicher Relevanzen und der Kontextualisierung partikularer Befunde von den neuen Theorieformaten bisher nicht übernommen werden. Statt des sachlichen und sozialen Zwangs einer geschlossenen Theorieschule drohen Anomie und Stagnation in Form eines additiven Aufeinanderstapelns unterschiedlicher Weiterentwicklungsversuche und Theorievarianten innerhalb eines Turns oder Ansatzes.

Aktuell ist unklar, ob eine Form der kollektiven Theoriearbeit gefunden werden kann, die einen eigenständigen und systematischen Theoriediskurs auch unter den kontemporären strukturellen Restriktionen ermöglicht. Höchstwahrscheinlich sind jedoch sozialtheoretische Konvergenzbehauptungen nicht die beste Möglichkeit, um systematische Theorie auf Basis einer Konvergenzvermutung zu entwickeln. Wie oben herausgearbeitet, ist der wichtigste Unterschied zwischen Parsons’ Konvergenzthese und der Konvergenzthese des Practice Turn die An- oder Abwesenheit eines Problembezugs. Parsons fragt nicht einfach nach Schnittmengen zwischen Theorien, sondern untersucht Theorien mit Blick auf ähnliche Lösungen eines geteilten Problems. Das Problem funktioniert wie ein Suchscheinwerfer, mit dem relevante von irrelevanten Aspekten unterschieden werden können und in Bezug auf das die untersuchten Theorien rekonstruiert werden (Merton 1987: 8; Luhmann 1992: 424; Gadamer 1975: 348 ff.; Schneider 1991). Zu vermuten wäre deshalb, dass auch die kollektive Arbeit an der Ausarbeitung eines theoretischen Ansatzes stark von einem Raster geteilter Problemstellungen profitieren würde. Der Vorteil problemzentrierten Arbeitens liegt darin, dass man sich nicht von vornherein auf eine bestimmte Version ‚der‘ Sozialtheorie verständigen müsste, für die es unabhängig von bestimmten theoretischen Zielen ohnehin keinerlei Kriterien gibt.

Man mag vielleicht einwenden, dass die Einigung auf die Relevanz bestimmter Problemstellungen zu voraussetzungsreich und deswegen unwahrscheinlich ist. In Structure of Social Action benötigt Parsons immerhin über hundert Seiten dichte Analyse, um die Unzulänglichkeit utilitaristischer Handlungstheorien nachzuweisen und dadurch seine Problemstellung zu gewinnen. Aber das würde übersehen, dass die kollektive Koordination theoretischer Arbeit auf Basis von Problemen keine neue Idee und auch keine Ausnahme ist, sondern vielmehr den Standardfall sachlicher disziplinärer Arbeitsteilung darstellt (siehe die große Untersuchung von Toulmin 1983). Ein wichtiges Beispiel für die Ordnung durch Probleme sind etwa das Hilbert-Programm in der Mathematik oder die Cartesianische oder die transzendentalphilosophische Wende der Philosophie, die allesamt um die Frage nach den richtigen, für eine Disziplin relevanten Fragen kreisen. Auch die Mutter aller Turns, der Linguistic Turn, ist kein Turn hin zu einem bestimmten Gegenstand („Sprache“), sondern eine methodische Verschiebung der Art, wie Probleme in der Philosophie betrachtet werden. In seinem einschlägigen Aufsatz definiert Rorty:

I shall mean by ‘linguistic philosophy’ the view that philosophical problems are problems which may be solved (or dissolved) either by reforming language, or by understanding more about the language we presently use.” (3) (Rorty 1992 [1967]: 3).

Es ist also gerade der Witz des Linguistic Turn, dass es keine übereinstimmende Theorie der „Grundelemente“ einer Sprache gibt; mehr noch, es gibt sogar Dissens darüber, ob man überhaupt eine Theorie braucht, oder ob es einfach reicht normale Alltagssprache zu sprechen (Bergmann 1964: 172).

Auch der practice turn ließe sich möglicherweise sachlich stärker integrieren, wenn von Grundelementen auf Problemzentrierung umgestellt würde. Ein geteilter Fokus könnte möglicherweise am spezifisch praxistheoretischen Zugang zum Problem sozialer Ordnung gewonnen werden. In der Ahnengalerie des Practice Turn könnte insbesondere Garfinkels Transformation des Problems sozialer Ordnung (Garfinkel 1967; zu problemzentrierten Rekonstruktion siehe Schneider 2021b; Heritage 2013; 76 ff.), wonach soziale Ordnung durch kontextuelle Adaption und normalitätsbewahrende Improvisationen reproduziert werden, als Klammer für die problembezogene Integration verschiedener Ansätze (Bourdieu’sche Praxistheorie, Wittgenstein’s Sprachspielkonzept usw.) dienen.

Allgemein empfiehlt es sich, Konvergenzthesen, die für die kollektive Organisation theoretischer Strömungen zwingend nötig sein werden, nicht in Bezug auf das sozialtheoretische Vokabular, sondern an Problemen auszurichten. Dadurch gewinnt man einerseits zusätzliche Bezugspunkte für die Bewertung von Theorievorschlägen. Andererseits ist es ein wichtiger methodischer Vorteil bei der problembezogenen Suche nach Konvergenzen, dass Theorien nicht nur über die Ähnlichkeit ihrer Grundbegriffe oder auch nur geteilte Bezugsprobleme vermittelt werden können (Theorien als Antworten auf dieselbe Frage), sondern auch über abstraktere Integration ihrer Bezugsprobleme vermittelt werden können – Theorien als Antworten auf verschiedene Fragen, die sich aber auf ein übergreifendes Erkenntnisinteresse beziehen (siehe dazu Anicker 2017). So lassen sich Konvergenzen und Ergänzungsverhältnisse zwischen verschiedenen soziologischen Theorien herausarbeiten, die auf der Ebene ihres Vokabulars nicht ineinander übersetzt werden können. Dabei reicht allerdings die bloße Problemförmigkeit der Forschungsorganisation nicht aus. Vielmehr kommt es auf den spezifischen Zuschnitt der Probleme an, um kollektiv lernfähige wissenschaftliche Forschungsprogramme zu organisieren (Popper 1935; Popper 1952; Toulmin 1983). Generell gilt, dass abstrakter formulierte Probleme mehr Anschlüsse erlauben und daher stärker integrieren, es aber mit zunehmendem Abstraktionsgrad schwieriger wird, objektive Kriterien zu finden, nach denen die Vorzüge und Nachteile verschiedener theoretischer Problembearbeitungen gegeneinander abgewogen werden können. In der Analytischen Soziologie dient etwa ein wissenschaftstheoretisch begründeter Begriff von Erklärung und empirischer Testbarkeit für die Bereitstellung von relativ allgemeinen aber respezifizierbaren Kriterien für die Güte von Theorien (Akademie für Soziologie; Esser 2018), während verschiedene handlungstheoretische Teilprobleme über die „Colemann-Badewanne“ koordiniert werden (Coleman 1991; Esser 1993).

Doch auch in anderen Strömungen wird die Frage erörtert, ob es gelingen kann, die soziologische Theoriepraxis stärker zu methodisieren. Ein allgemeiner Diskurs um die Methoden soziologischer Theoriebildung wird mittlerweile vor allem unter dem Stichwort des Theorizing geführt. Der für diesen Diskurs einflussreichste Autor, Richard Swedberg, lehnt systematische Theoriearbeit allerdings dezidiert ab (2014: 24), da er das Hauptziel der Explikation von Techniken der Theoriebildung darin sieht, eigene Forschung durch innovative Konzeptbildung „interessanter“ zu machen (2016: 6). Mittlerweile wird jedoch zunehmend auf die Verengungen eines kreativitäts- und erklärungszentrierten Theorizing hingewiesen und auf Techniken systematischer Theoriebildung aufmerksam gemacht (Krause 2016; Carleheden 2016, 2019; Anicker 2019, 2020). Neben dem Anschluss an ein Verständnis von Theorie, das Theorien als Lösungen von Problemen begreift (etwa Schneider 2008a, 2009; Kron 2005; Anicker 2017, 2020; Abend 2020) dürfte die Bestimmung unterschiedlicher Arten bzw. ‚Genres‘ von Theorie und ihrer jeweiligen forschungslogischen Funktionen in diesem Kontext eine wichtige Rolle zukommen (Lindemann 2009, 2008; Opp & Wippler 1990; Schmid 2009, 2010; Schneider 2008b; Osrecki 2011; Stinchcombe 1987; Martindale 2013). Ebenso könnte Wissen über die Funktionsweise von Begriffen für die Strukturierung von Theorien (Klüver 1991; Goertz & Mahoney 2006; Brandom 2008) eine stützende Rolle übernehmen. Für den Empiriebezug wäre zu klären, wie nicht-falsifikationistische Kriterien der empirischen Bewährung von Theorien aussehen könnten und wie diese in der Theoriekonstruktion berücksichtigt werden können (Strübing et al. 2018). Dieser Diskurs steht allerdings noch am Anfang und ob es gelingen wird, entgegen aller zentrifugaler Tendenzen Standards der Theoriebildung und der Theorieevaluation nicht nur zu proklamieren, sondern auch disziplinär zu etablieren, ist völlig offen. Auch im Erfolgsfall wäre eine stärkere Methodisierung der Theoriepraxis sicherlich kein Allheilmittel, aber eine derart koordinierte Forschungslandschaft dürfte sicherlich über einen höheren kognitiven Gehalt verfügen, als eine, in der argumentativ unkorrigierbare Behauptungen über die Substanzen, aus denen angeblich das Soziale gemacht ist, zirkulieren. Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden zeigen, ob die Soziologie noch neue und kohärente Perspektiven auf die Gesellschaft entwickeln wird, oder ob minimalistisch ausstaffierte Theorieplattformen mit wechselndem Inhalt eine Bewegung des Gedankens simulieren, wo lediglich eine der Worte ist.

About the author

Fabian Anicker

Fabian Anicker, geb. 1986 in Münster, Studium der Sozialwissenschaften in Düsseldorf und der Soziologie in Edinburgh, Promotion in Düsseldorf. Von 2011–2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Düsseldorf, von 2015 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Redakteur der Zeitschrift für Theoretische Soziologie an der Universität Münster. Seit 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt MeMo:KI an der Universität Düsseldorf.

Forschungsschwerpunkte: Politische Soziologie, Soziologische Theorie, Digitalisierung & KI

Wichtigste Publikationen: Entwurf einer Soziologie der Deliberation. Weilerswist, 2019; Theorienvergleich als methodologischer Standard der soziologischen Theorie. Zeitschrift für Soziologie 46, 2017: 71–88. Theoriekonstruktion durch Theorievergleich. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2020, 72:567–596. Zuletzt in dieser Zeitschrift: Grundzüge einer empirischen Pragmatik des kommunikativen Handelns. Zeitschrift für Soziologie 2020 49: 28–48.

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Published Online: 2022-11-10
Published in Print: 2022-11-03

© 2022 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

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