Selbstsubversive Gerechtigkeit: Kontingenz- oder Transzendenzformel des Rechts? / Self-subversive Justice: Contingency or Transcendency Formula of Law?
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Gunther Teubner
Zusammenfassung
In Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann und Jacques Derrida verfolgt der Beitrag die Frage, ob die Rechtssoziologie zur Formulierung eines heute plausiblen und sozialadäquaten Gerechtigkeitskonzeptes beizutragen vermag. Unter Bedingungen der Polykontexturalität, so lautet die These, ist Gerechtigkeit nicht nur als Kontingenzformel, sondern als Transzendenzformel des Rechtes zu verstehen. Gerechtigkeit kann nicht mehr als rechtliches Entscheidungskriterium oder als oberstes Rechtsprinzip dienen, sondern ist selbst der Prozess juridischer Selbstbeschreibung, der das Rechtssystem zu seiner Selbsttranszendierung zwingt, der es aber sogleich wieder unter den Fortsetzungszwang setzt, weitere rechtsimmanente Operationen zu produzieren. Doch erzeugen die restriktiven Bedingungen des Rechtssystems - Entscheidungszwang, Normierungszwang, Begründungszwang - zwangsläufig neue Ungerechtigkeit, gegen welche die Gerechtigkeit dann erneut protestieren muss, um sich dann wieder den Zwängen des Rechtssystems aussetzen zu müssen.
Summary
The article deals with Niklas Luhmann’s and Jacques Derrida’s theories of law and asks the question whether legal sociology is capable of contributing to a contemporary and socially acceptable concept of justice. The main thesis is that justice not only aims for contingency but for transcendency of law. Accordingly, justice is neither a decision criterion nor the supreme principle of law but a judicial self-description which coerces the legal system to its self-transcendency but simultaneously coerces it to continue producing further operations immanent to law. Thereby justice sabotages legal decisions by internally affecting the legal system as a subversive force, with which the law protests against itself. For law being dependent on rational decisions, reasons and norms, it ever creates new injustice.
© 2008 by Lucius & Lucius, Stuttgart
Articles in the same Issue
- Inhalt
- Editorial: Die Erblast
- Positivität der Gerechtigkeit
- Selbstsubversive Gerechtigkeit: Kontingenz- oder Transzendenzformel des Rechts? / Self-subversive Justice: Contingency or Transcendency Formula of Law?
- Wie dicht sind Opfer? Zur Entscheidung der Frage nach dem Ort der Transzendenz in heutiger Gesellschaft / How Dense are Victims? Deciding the Question of the Site of Transcendence in Today’s Society
- Von einem neuerdings erhobenen gerechten Ton in der autopoietischen Jurisprudenz / On a recently raised tone of righteousness in autopoietic legal theory
- Rechtssubjektivität und subjektives Recht
- Subjektive Rechte: Zur Paradoxie der Form / Subjective Rights. The Paradox of Form
- Das subjektive Recht und der Wunsch nach Gerechtigkeit als sein Parasit / The Subjective Right as a Medium of the Self-Transformation of Society and Justice as its Parasite
- Recht, Politik, Rhetorik
- Rechtsgenesis: Ursprungsparadox und supplément / The Genesis of Law: On the Paradoxical Origin of Law and its supplément
- Das Welttheater des Pardons: Zum Verhältnis von Recht, Vergebung und Gedächtnis / The World Theater of Pardon: On Law, Forgiveness, and Memory
- Derrida, Luhmann, Steinhauer: Über eine aktuelle Rhetorik / Derrida, Luhmann, Steinhauer: On Contemporary Rhetorics
- Das Irrsal des Rechts
- Gesetze / Laws
- Tagungsbericht: Sektionstagung „Individualisierung sozialer Konflikte und Integration durch Recht“ am 29. und 30. November 2007 in Frankfurt am Main
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