Argumentative Leitbegriffe: Ein Experiment in computergestützter Analyse juristischer Urteilstexte aus den Jahren 1950 bis 1992
-
Roland Wagner-Döbler
and Lothar Philipps
Zusammenfassung
Eines der Probleme der empirischen Untersuchung des Argumentationsverhaltens von Richtern ist die Erstellung einer geeigneten Datenbasis. Die analytische Nutzung von Datenbanken – wie beispielsweise des Online-Hosts „Juris“ – kann hier Verbesserungen herbeiführen. Die Rechtsprechungsdatenbank von „Juris“ enthält alle wesentlichen deutschen publizierten Gerichtsentscheidungen, zum Teil einschließlich des gesamten Urteilstextes, in elektronischer Form. Dies erlaubt die Anwendung computergestützter Inhaltsanalysen, für die Beispiele gebracht werden. Eine einfache Form ist die Erstellung von Zeitreihen für Begriffshäufigkeiten. Hierbei zeigten sich für 1950 bis 1992 vor allem drei Verlaufs typen: konstantes Niveau z.B. beim allgemeinen Bezug in Leit- und Orientierungssätzen auf den „Gesetzgeber“; steigendes Niveau z.B. beim allgemeinen Verweis auf „Rechtsprechung“ seit den 80er Jahren; fluktuierendes Niveau z.B. bei der Häufigkeit der Begriffe Lebenserfahrung, Rechtssicherheit und Gemeinwohl. Ferner zeigte sich, daß die Häufigkeit einzelner Rechtsbegriffe die Urteile verschiedener Rechtsgebiete charakterisiert, deren diesbezügliche Affinität zueinander beispielsweise mit Hilfe multidimensionaler Skalierungen graphisch dargestellt werden kann. Die Ergebnisse sprechen insgesamt für die Nutzung von Rechtsprechungsdatenbanken als Materialbasis der Rechtssoziologie.
Summary
One of the main problems in empirical investigations of the argumentative behavior of judges is the compilation of a suitable databasis. Here the analytical use of electronic databases (for example of the German Host „Juris“) may lead to an improvement. The jurisdiction databasis of „Juris“ contains in an electronic form all important publicated German legal decisions, partly with the whole text of the decision. This permits the application of computer-assisted analyses of their contents. A simple example is the computation of time series of term frequencies. In the German jurisdiction for the years 1950 until 1992 we detected mainly three patterns of term frequencies: constant level for example for general reference to the lawmaker; increasing level for example for the general reference to jurisdiction since the eithies; fluctuating level for the frequencies of terms like Lebenserfahrung (experience of life), Rechtssicherheit (security of law), and Gemeinwohl (public weal). The different areas of law can be characterized by the frequencies of certain legal terms; the affinity of those areas can be shown graphically for example by multidimensional scaling (MDS). In all, the results of the investigation point to the utilization of legal decision databases for the sociology of law.
© 1993 by Lucius & Lucius, Stuttgart
Articles in the same Issue
- Abhandlungen
- Die Rechtssoziologie und der unbekannte Kontinent Europa
- Zwischen „Gemeinsamkeitsglaube“ und „solidarité sociale“. Partikulare Identitäten und die Grenzen der Gemeinschaftsbildung in Europa
- The European Court of Justice: A Question of Legitimacy
- Transnationale Integration und institutionelle Differenzierung. Tendenzen der europäischen Staatswerdung
- Die Rezeption des Europäischen Arbeitsumweltrechts in das deutsche Arbeitsschutzsystem – Mißverständnisse und Defizite
- Argumentative Leitbegriffe: Ein Experiment in computergestützter Analyse juristischer Urteilstexte aus den Jahren 1950 bis 1992
- Rezensionen
- Berichte und Ankündigungen
Articles in the same Issue
- Abhandlungen
- Die Rechtssoziologie und der unbekannte Kontinent Europa
- Zwischen „Gemeinsamkeitsglaube“ und „solidarité sociale“. Partikulare Identitäten und die Grenzen der Gemeinschaftsbildung in Europa
- The European Court of Justice: A Question of Legitimacy
- Transnationale Integration und institutionelle Differenzierung. Tendenzen der europäischen Staatswerdung
- Die Rezeption des Europäischen Arbeitsumweltrechts in das deutsche Arbeitsschutzsystem – Mißverständnisse und Defizite
- Argumentative Leitbegriffe: Ein Experiment in computergestützter Analyse juristischer Urteilstexte aus den Jahren 1950 bis 1992
- Rezensionen
- Berichte und Ankündigungen