Abstract
Teleological thinking dominates in the early modern period. According to Aristotle, man’s goal is happiness in the community. For Hobbes, who sees man as a wolf, there is no such goal. Whereas in antiquity Xenophon had spoken of a universal purposefulness in which the goal of all things is usefulness to man, the goal cause pre-exists as thought in the consciousness of man, whereby idleness is to be rejected. The merchant pursues the goal of supplying the community with goods that are not locally available. In money lending, the main goal can be charity and the hope of profit is only the secondary goal. The military’s objective is to prevent peace and to restore the disturbed order in a just war. If, according to Perez de Moya, the multitude of stars have the purpose of serving illumination at night, decorating the sky, or influencing things on earth, for example, by causing disease in humans, then they are also relevant to medical activity. Since the soul is purpose for the body, diseases are reactions to negative affects of the soul, such as anger or fear.
Das teleologische Denken, das Phänomene, Tätigkeiten und Wissensgebiete mit Blick auf ihr Ziel und ihren Zweck sieht, kennzeichnet ganz allgemein die Frühe Neuzeit. Es folgt dem Modell des Handelns, das auf ein Ziel bezogen ist. Für die Vorstellung von der Gesellschaft ist es von Bedeutung, ob ein Denkmodell vorherrscht, das analog dem Handeln teleologisch ist, oder eins, in dem naturwissenschaftliche Kausalität und Zufall dominieren. Im Folgenden sollen einleitend Definitionen und Begriffe vorgeführt werden, die die Art und die Bedeutung dieser Denkform erklären. Dann wird systematisch die Theorie des ziel- bzw. zweckorientierten Denkens dargelegt, wie es in der Antike von Platon und Aristoteles und im Mittelalter von Thomas von Aquin entwickelt wurde. In dieser Tradition ist es nämlich in der spanischen Spätscholastik des Siglo de Oro überliefert und präsent. Der Hauptteil schließlich beschäftigt sich mit der Tätigkeit im Allgemeinen, bevor einige praktische und theoretische Tätigkeiten mit ihren Wissensgebieten und ihren Ziel- und Zweckorientierungen vorgestellt werden.
Wie konstitutiv das teleologische Denken für das Menschenbild und die Gesellschaft ist, wird deutlich, wenn man es mit seinem Gegenstück, dem naturwissenschaftlich kausalen und positivistischen Denken des 19. Jahrhunderts oder dem Historischen Materialismus des Marxismus vergleicht. Friedrich Engels (1978) beispielsweise begrüßt, dass die Dezendenztheorie Darwins die Teleologie kaputt gemacht hat. Die Natur schreite nicht zielstrebig und zweckmäßig fort, sondern durch ungeheure Vergeudung von Lebenskeimen, wobei das Fehlschlagen des Begonnenen die Regel und der Erfolg die Ausnahme seien. Letztere bewundere die Teleologie allzu kurzsichtig. Die Konsequenzen der Abkehr von der Teleologie werden beim Mediziner und Biologen Ernst Haeckel deutlich, wenn er den Menschen im Darwin’schen Evolutionismus als natürliches Evolutionsprodukt mit so vielen Rechten wie jedes andere Evolutionsprodukt, z. B. ein Pflasterstein, sieht. Würde und Achtung sind für ihn nur menschliche Erfindungen, Moralität und Schönheit Resultate von Urknall, Materie und Naturgesetzen, sie dienen bestenfalls als Überlebensvorteile mit Illusionscharakter (Löw 1994, 118).
Zunächst also seien ein paar Begriffe geklärt. Im 19. Jahrhundert, als ein Kampf zwischen Verfechtern und Gegnern der Zielursache wütete, schrieb der an der Faculté des Lettres de Paris lehrende Paul Janet im Jahr 1876 ein 748-seitiges Standardwerk zum Thema der Zielursachen. Gleich zu Beginn definiert er die Zielursache unter Rückgriff auf Aristoteles als eine Ursache, bei der, um ein Ziel zu erreichen, eine Handlung vollzogen wird. Wenn z. B. das Ziel, die Gesundheit, Ursache eines Spaziergangs ist, dann kann je nach Betrachtungsweise die Gesundheit die Ursache oder die Wirkung sein. Sie lässt sich also betrachten als „cause de sa propre cause“ (Janet 1876, 2), als Idee einer beabsichtigten Wirkung. Wenn das Auge Ursache des Sehvermögens ist, dann ist das Sehvermögen Zielursache des Auges. Die Kette der finalen Ursachen ist also die Umkehrung der identischen Kette der Wirkursachen.
Fragt man nach den Konsequenzen der Zielursache für die Gesellschaft, ist es am besten, gleich auf deren Grundlagen zu blicken. Nach Aristoteles ist das Ziel des Menschen die eudaimonia (Glückseligkeit), die nur im Stadtstaat erreicht werden kann. Deshalb, so folgert er, ist der Mensch von seinem Ziel her, d. h. von seiner Natur aus, ein Gemeinschaftswesen. (Aristoteles 1995 d, 4) Juan Luis Vives betont in De causis corruptarum artium (1531), dass der Mensch zwar für die Gemeinschaft geschaffen sei, aber aufgrund seiner Eigenliebe
gegen andere streng und hart ist, was der Grund für die größten Unruhen im Leben wäre, da ja jeder soviel, wie er entweder durch sein Ingenium oder seine körperlichen Kräfte ausrichten könnte, für sich selbst und für seinen eigenen Vorteil zusammenraffen würde. (Vives 1990, 553–555).
Dafür, dass diese Situation überwunden ist, macht Vives die Einführung der Gerechtigkeit verantwortlich, die das Ziel hat, den gierigen Händen Einhalt zu gebieten und Unrecht vom Zusammenleben fernzuhalten. Hier deutet sich eine Position an, die die Überwindung eines durch antagonistische Interessen geprägten gefährlichen Naturzustandes durch Einführung gesellschaftlich verbürgter Gerechtigkeit wünscht. Prominentester Vertreter dieser Position ist im 17. Jahrhundert Thomas Hobbes, dessen negative Bewertung des Naturzustandes daher kurz vorgestellt werden soll. Hobbes kritisiert die aristotelische Vorstellung vom Menschen, dessen Ziel die Gemeinschaft sei (Wolfers 1991, 61). Vielmehr sorgen Ruhmsucht, Konkurrenz und Güterknappheit dafür, dass jeder für den anderen ein Wolf sei (Hobbes 1996, 104). Bei Hobbes erweist sich also der Naturzustand als unnatürlich und als etwas zu Überwindendes. Auch hat Hobbes eine andere Vorstellung von der Glückseligkeit als Aristoteles. Für ihn besteht sie nicht in der Ruhe eines zufriedenen Gemüts.
Denn es gibt kein solches finis ultimus (letztes Ziel) oder summum bonum (höchstes Gut), wie es in den Büchern der alten Moralphilosophen erwähnt wird [gemeint ist Aristoteles]. Glück ist ein ständiges Fortschreiten des Verlangens von einem Objekt zum anderen, wobei das Erreichen des einen immer nur der Weg zum nächsten ist. (Hobbes 1996, 80).
Hobbes (1966, 82–83) geht also nicht vom guten Leben, sondern vom nackten Überleben aus. Die Menschen seien Pilzen vergleichbar, die aus der Erde geschossen sind, ohne dass einer dem anderen verpflichtet wäre. Es zeigt sich hier eine zu Aristoteles völlig gegensätzliche Konzeption, bei der die Glückseligkeit nicht im Menschen als Ziel angelegt ist, sondern nur durch Vertrag oder Staatsgewalt erreicht werden kann.
Anhand eines weiteren Beispiels soll die Bedeutung von Zielvorstellungen erläutert werden. Zu welchem Zweck wird etwas Neues erfunden? In der Antike wurde das der Erfindung zugeordnete Postulat der Nützlichkeit zur Vorstellung einer universalen Zweckmäßigkeit verallgemeinert. In den Memorabilien des Xenophon geht die Argumentation davon aus, dass Werke, die Nutzen bringen, nicht Resultate des Zufalls, sondern vernünftiger Überlegungen sind. Das könne man schon am Körperbau des Menschen sehen, bei dem Augen, Ohren, Nase, Zunge und Hände bestimmte Zwecke haben. Mit seinen Händen und mit seinem Verstand übertrifft der Mensch die Tiere. Die Welt ist für ihn eingerichtet, seinetwegen ist von den Göttern alles aufs Beste bestellt. Das Prinzip aller Dinge ist die Nützlichkeit für den Menschen. Eine vergleichbare Zweckorientierung zeigt sich auch noch in der frühen Neuzeit bei der Darstellung und Erklärung technischer Erfindungen in Pedro Juan de Lastanosas Los veintiun libros de los ingenios y máquinas de Juanelo (1564?). Für den Autor haben technische Erfindungen das Ziel, den natürlichen Mangel zu mindern. “De modo que vemos que esto ha sido causa de ir inventanto varios modos de máquinas y nuevas invenciones de instrumentos para la sustentación de la vida.” (García Tapia 1997, 117). Ausführlich wird vorgeführt, welche unterschiedlichen Typen von Mühlen, Brücken, Baumaterialien und Wasserkanälen dem Zweck der Wasserversorgung wie der Bewässerung der Gärten dienen. Die Schwäche menschlicher Muskelkraft führe zu Erfindungen, die das Ziel haben schwere Lasten zu heben. Wenn dann einzelne Wissensdisziplinen vorgestellt werden, geht es immer auch um deren Zweckdienlichkeit. Dies zeigt z. B. der vollständige Titel des Werkes von Bartolome Scarion de Pauia: Doctrina militar, en la qual se trata de los principios y causas porque fue hallada en el mundo la Milicia. (1598). Erfindungen gibt es nicht ohne Grund, d. h. einem vernünftigen Zweck. Was für die Erfindungen gilt, trifft auch für die unterschiedlichen Wissensgebiete zu, die für Gutierrez de los Rios (1600, 16) nichts anderes sind als Sammlungen von aus der Erfahrung gewonnenen und durch die Vernunft geordneten Regeln für einen bestimmten Zweck, „una recopilación, y congregado de preceptos, y reglas, esperimentadas, que ordenadamente, y con cierta razon, y estudio nos encaminan à algun fin y uso bueno.“ Es müssen also durch Erfahrung gewonnene und bewiesene Regeln im Interesse eines Ziels oder Zwecks gesammelt sein. Ziele gibt es also in unterschiedlichen Wissensgebieten, bei Erfindungen sowie für den Menschen und das menschliche Zusammenleben.
Schreibt man der belebten oder der unbelebten Natur Zwecke zu, dann kommt man leicht in metaphysische Gebiete, weshalb gerade hier die Gegner zahlreich sind. Gegen Naturziele und ‑zwecke wenden sich in der Antike Empedokles, Demokrit und Epikur. Lukrez z. B. argumentiert, dass nicht das Auge geschaffen sei, um zu sehen, oder die Zunge, um zu sprechen, sondern umgekehrt bilden die Anlagen, die vorhanden sind, ihren Gebrauch erst aus. Dagegen wiederum führt Laktanz an, dass Fische nicht zufällig schwimmen und Menschen nicht zufällig denken, sondern ein jedes Lebewesen dem Zweck, zu dem es geschaffen ist, dienen muss (Hoffmann 2004, 1492). In der Neuzeit mehren sich die Argumente gegen die Teleologie. Nach Descartes sei die Natur einer Sache nicht zugleich ihr Zweck. Gott Zwecke und Absichten zu unterstellen, sei zudem ein unzulässiger Anthropomorphismus. Spinoza geht noch darüber hinaus, wenn er das Zweckhandeln als Streben nach etwas, dessen der Strebende bedarf, definiert. Auf Gott bezogen würde ein solches Streben den Verlust der Vollkommenheit bedeuten. In Wirklichkeit nämlich, meint er, ersetzen teleologische Erklärungen von Vorgängen nicht erkannte Kausalitäten und seien Resultate der Einbildungskraft.
Doch gibt es ebenso zahlreiche Verfechter wie Gegner der Teleologie. Der Physiker Isaac Newton (1643–1727) argumentiert, dass der Naturforscher gerade in den Finalursachen die Weisheit des Schöpfers erkennen kann. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) fügt hinzu, dass in der Physik mechanische kausale Ursachen immer auch von Zweckursachen abhängen, da es nichts gebe als Tätigkeiten, jede Tätigkeit Selbsttätigkeit sei und so alle Wirklichkeit als Zwecktätigkeit der beteiligten Dinge zu sehen sei, die er Monaden nennt. Und Goethe (1949, 464) gibt zu bedenken: „Als man die teleologische Erklärung verbannte, nahm man der Natur den Verstand; man hatte den Mut nicht, ihr Vernunft zuzuschreiben und sie blieb zuletzt geistlos liegen.“
Bevor wir zur Frühen Neuzeit zurückkehren, sei kurz systematisch die Theorie des ziel- bzw. zweckorientierten Denkens dargelegt, wie es sich in der Antike und im Mittelalter entwickelt hat. Das griechische Wort τέλοςbedeutet Erfüllung oder Erreichung, hat also etwas Normatives. Das entsprechende lateinische finis ist zunächst als Grenzmarkierung gedacht. Zugrundeliegender Gedanke ist, dass alles einen wohlbestimmten Ort, seine Grenzen, aber auch seinen Daseinssinn hat. In Platons Phaidon wird von Sokrates die Frage nach dem Daseinszweck, dem Guten oder Besten, gestellt, wodurch Dinge ihren Sinn erhalten. Handlungen sind für ihn keine Kausalvorgänge, sondern durch ein Worumwillen bestimmt, durch ein Gut also, nach dem der Handelnde strebt. In Platons Staat bestimmt die ἀρετή, also die Bestheit, alles Sein, jenseits der sinnlichen und erkennbaren Dinge. Der zweckhaften Welt stellt Platon einen demiurgischen Schöpfer gegenüber, der will, dass alles gut sei. Das beim Bogenschießen gebräuchliche Wort σκόπος, Skopos, bezieht sich auf das Treffen des Richtigen und wird bei Platon auf das Lebensziel bezogen. Aristoteles bezieht den τέλοςauf das Handeln und die Natur. So baue die Schwalbe nicht zufällig ein Nest, sondern zum Zweck ihrer Selbsterhaltung. Die Pflanzen treiben ihre Wurzeln nicht in der Luft, sondern in der Erde mit dem Ziel, sich zu schützen. Eine innere Tendenz auf die eigene Vervollkommnung bewirke die zielorientierte Tätigkeit, durch die die jeweilige Bestimmtheit und Wesensform erreicht wird. In der Ethik ist das Glück das rechte Ziel, das durch Tugend erreicht wird.
Da Thomas von Aquin die mittelalterliche Scholastik geprägt hat und dadurch Referenzphilosoph für die zweite Scholastik im Spanien des Siglo de Oro ist, stellen wir ihn etwas ausführlicher vor. Natur und Mensch sieht Thomas von Aquin auf einen höchsten Zweck hin orientiert. „Der Zweck ist die allgemeine Kategorie, unter der das gesamte Universum sowohl wie das Leben des einzelnen betrachtet wird.“ (Steinbüchel 1912, 1). Da sich Thomas bekanntlich an Aristoteles orientiert, sieht er auch die Willenshandlung auf ein Ziel gerichtet, auf ein „das weswegen“. Wie gesagt: Man macht einen Spaziergang, um gesund zu werden. Das Haus, das der Architekt bauen will, ist Ziel seiner Willensbetätigung, dem er anderes unterordnet. Alles, was wegen eines Ziels geschieht, wird von diesem beeinflusst. Dem Ziel kommt als causa finalis eine Ursächlichkeit zu. Zur Verwirklichung einer Möglichkeit ist ein Akt, ein tätiges Prinzip erforderlich. Wie bei Aristoteles wird bei Thomas nicht immer genau unterschieden zwischen Prinzip und Ursache, also arche und aitia. Das Prinzip, arche, wird definiert als ersteres in einer Ordnung, ohne dass dieses tatsächlich einen Einfluss ausüben müsste. Die Zielursache, aitia, dagegen präexistiert als Gedanke im Bewusstsein des Menschen und steht am Anfang bei der Überlegung, ob etwas getan werden soll, dann erst kommen die Mittel. Den Willen kann als Ziel nur beeinflussen, was wertvoll oder angenehm, also als gut erscheint. Definiert wird das Gute bei Aristoteles und Thomas als dasjenige, wonach alles strebt (Steinbüchel 1912, 27). Das, weswegen etwas geschieht, soll das Beste und der Zweck des übrigen sein. Daher kann das Übel nicht Ziel sein. Allerdings kann etwas, was objektiv ein Übel ist, subjektiv als gut erscheinen.
Thomas folgt wiederum Aristoteles, bei dem die formale und die finale Ursache oft übereinstimmen. Die Seele im organischen Körper ist für ihn Formalursache, bewegendes Prinzip und Zweck des Körpers. Die Zweckursache steht an erster Stelle im System der Ursachen als causa causarum. Da die Natur nichts ohne Ziel tut, genügt bei einer Definition nicht die Angabe des Gegebenen, es müssen auch die Ziele angegeben werden, die diese bedingen (Steinbüchel 1912, 37). Die Theorie der Formen lässt eine Entwicklung der Arten aus einer oder mehreren ursprünglicheren Arten nicht zu. Wie der Pfeil zum Ziel strebt, ohne es zu kennen, so strebt nach Thomas auch die bewusstlose Natur ihrem Ziel zu, gelenkt und geleitet vom Schöpfer (Steinbüchel 1912, 48). Die Tätigkeit der Tiere bleibt immer dieselbe: die Schwalbe baut ihr Nest, die Spinne webt ein Netz. Zielstrebigkeit im Tierreich ist Instinkt. Dem Nahrungs- und Geschlechtstrieb verdankt das Tier die Erhaltung seines Lebens und das seiner Art. Alles Seiende trägt einen immanenten Zweck in sich: Es soll sich vervollkommnen und die in ihm angelegten Möglichkeiten zur vollen Entfaltung bringen.
Die Vorstellung vom Ziel hat Konsequenzen für die Konzeption der Gesellschaft und des Kosmos. Der Mensch als soziales Wesen ist auf andere angewiesen. Grundbedingung ist die Unterordnung der Vielen unter einen Herrscher, der das Gemeinwohl im Staat als Ziel hat (Steinbüchel 1912, 104). Weitere Zwecke des Staats sind die Aufrechterhaltung der Ordnung im Inneren und Äußeren, materielles Wohl seiner Bürger sowie die Pflege der intellektuellen und ethischen Güter. Wenn Thomas das Universum teleologisch konzipiert, ist der Mensch Kulminationspunkt, da das weniger Entwickelte nämlich immer einem höher stehenden Ziel dient. Der Ordnung und Zielstrebigkeit der Welt kann man übrigens nach Thomas den Beweis für die Existenz Gottes entnehmen. Die Norm des sittlichen Handelns zeigt sich für den Menschen in einem Naturgesetz, einer lex aeterna, als göttlicher Weltplan (Steinbüchel 1912, 126–147). Das Böse ist in diesem Zusammenhang nur Mangel an Gutheit. Es zeigt sich, dass bei Thomas von Aquin die Lehre vom Ziel und Zweck an zentraler Stelle steht, nicht nur für die vernunftlose Natur und den vernünftigen Menschen, sondern auch für den Staat und den Kosmos. Er stellt damit die Grundannahmen zur Verfügung, die im Siglo de Oro präsent waren.
Wenn Tätigkeiten Ziele verfolgen, stellt sich die Frage nach den Zielen der Untätigkeit. Hat der Müßiggang überhaupt Ziele? Hat derjenige, der sich dem Glücksspiel verschreibt, keine oder die falschen Ziele? In Luque Faxardos Fiel desengaño contra la ociosidad y los juegos (1603) wird in Dialogform die Welt des Spielers mit der des Weisen konfrontiert. Bei den Spielen seien die gewerbsmäßigen, bei denen es auf Geschicklichkeit ankommt, von denen zu unterscheiden, bei denen der Ausgang vom Zufall abhängt. Da erstere durch Habgier und Gewinnsucht motiviert den Zweck des Geldgewinns auf Kosten anderer verfolgen, seien sie nicht nur Ausdruck von Müßiggang, sondern als Krankheit und Vergehen zu betrachten. Zum Verlust des Geldes geselle sich der der Freundschaft und des Respekts. Gelten lassen will der Autor Spiele mit sinnvollen Zielen, wie die Olympischen Spiele, die den Zweck haben, bei den Jugendlichen die Kräfte zu stärken, und das Schachspiel, das das Ziel verfolgt, Kriegstaktiken einzuüben (Luque Faxardo 1955, 746). In seinem Tratado contra los juegos públicos stellt Juan de Mariana (1950, 413) die unterschiedlichen Arten von sinn- und ziellosem Zeitvertreib auf eine Ebene, so dass Stierkampf, Theaterspiel und Prostitution als Schaden für das Land gesehen, als „oficina de deshonestidad“, und Gegenstück zur lobenswerten Arbeit betrachtet werden. Juan de Pineda (1963, 239–241) verschärft in seinen Diálogos familiares de la agricultura cristiana (1589) die Argumentation, indem er das Nichtstun nicht als etwas Neutrales, sondern als etwas Schlechtes betrachtet. So sei es falsch zu meinen, dass der Müßiggänger, der nichts tut, weder Gutes noch Schlechtes tut. Er tut Schlechtes. Gegen den Müßiggang des Adels richtet sich Hernando de Talavera Hernando de Talavera (1911, 95) in seiner Schrift De cómo se ha de ordenar el tiempo para que sea bien expendido (ca. 1500), in der er die Bedeutung der Zeit in ihrer zweckmäßigen Verwendung sieht. Wer sie zielstrebig gebrauche, könne es zu Wohlstand und Besitz bringen. Unter Berufung auf Seneca stellt er fest, dass es keinen größeren und schlimmeren Verlust als den der Zeit gebe. Nach Adrian de Castro (1599, 6v) steht das Spiel dem Müßiggang näher als der Muße. In seinem Libro de los daños que resultan del juego (1599) erscheint als Motiv die Habsucht mit dem Ziel des Gelderwerbs.
Im Siglo de Oro ist die Ethik die Basis einer jeden Wissenschaft. Deshalb wird Wissenschaft in erster Linie als Handlung betrachtet und das Ziel der Handlung steht im Zentrum. Trennt man, wie später im 19. Jahrhundert, die Wissenschaft von ihren Handlungskontexten, dann geht der Blick für ihre Ziele verloren. In der Frühen Neuzeit wird daher bei der Darstellung der einzelnen Wissensdisziplinen gemäß der aristotelischen Doktrin von den vier Ursachen gern die Erfindung als kausale Ursache und der Zweck als finale Ursache angegeben.
Der Kaufmann und der Soldat seien im Folgenden mit ihren standesbezogenen und individuellen Zielen und Zwecken als Beispiele vorgeführt. Den Ursprung der Kaufmannstätigkeit situiert der Ökonom und Theologe des 16. Jahrhunderts Tomás de Mercado in die Zeit nach der biblischen Sintflut, nach der bestimmte Gegenstände in ganzen Regionen fehlten oder Mangelware waren. In dieser Situation entstand der Tauschhandel und mit ihm das Geld: „inventaron el mercar y vender por su precio, apreciando y evaluando cada cosa por sí, según que podía servir al hombre, e hicieron precio común y general de todas la plata y el oro.“ (Mercado 1977, 46). Kaufleute waren nach Mercado in früheren Zeiten angesehene Leute. Zu den legitimen Zielen der Kaufmannstätigkeit zählt Mercado die Versorgung des Gemeinwesens mit Waren. Ein moderater Gewinn als Entgelt erscheint dabei durchaus legitim. Azpilcueta (1965, 30–31) rechtfertigt pauschal den Lohn des Kaufmanns, den er nicht wegen eines konkreten Tauschgeschäfts verdiene, sondern für die gesamte Arbeit, die im Hintergrund steht. Ebenso werde der Richter nicht für ein Urteil und der Priester nicht für eine Predigt entlohnt, sondern für die gesamte Tätigkeit.
Schon der Referenzphilosoph der Spätscholastik Aristoteles definiert die Ziele des Kaufmanns. Wie beim Künstler sei Übermaß wie Mangel zu vermeiden und die Mitte einzuhalten, weil das Schlechte zum Unbegrenzten und das Gute zum Begrenzten gehört. Die in der Ethik gewünschte mittlere Position ist es, die auch der Kaufmann durch Gegensteuern zu erstreben hat. So heißt es bei Aristoteles (1995b, 70): „Der Mäßige hält in diesen Dingen die Mitte ein. An den Ausschweifungen, die den Unmäßigen zuhöchst erfreuen, erfreut er sich nicht, eher ekeln sie ihn; sodann erfreut er sich an unerlaubten Dingen überhaupt nicht und an erlaubten nicht übermäßig.“
Das erstrebenswerte Ziel der Gerechtigkeit äußert sich im gerechten Preis, dem pretium iustum, den für das Siglo de Oro Ludovicus de Alcalá (1546, VIIr) erläutert: „Muchas son las leyes civiles que constantemente afirman que tanto vale la cosa, por quanto se puede vender.“ Der Gewinn des Verkäufers kann allerdings steigen, wenn die Zahl potentieller Käufer und der Bedarf groß sind, wenn die Herstellung arbeitsreich und das Angebot gering sind, wie er im entgegengesetzten Fall sinken kann, wenn die Herstellung leicht, die Zeiten günstig, die Waren zahlreich und die Käufer wenige sind. Diese Regeln sind auch auf den Verleih von Geld zu übertragen, bei dem zwei Ziele zu unterscheiden sind. Wenn das Hauptziel des Geldverleihs Wohltätigkeit und nur eine zweite, ein Nebenziel Hoffnungen hat auf Gewinn oder Gegenleistung „sin pedirlo ni mostrar señal alguna que quiere o espera esto“ (Ludovicus de Alcalá 1546, XIIIIr), besteht keine Schuld und liegt kein Wucher vor. Auch wenn ein verliehener Geldbetrag nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückgegeben wird, sondern später, dann kann als Entschädigung die Summe gefordert werden, die mit dem Geldbetrag hätte erwirtschaftet werden können. (Ludovicus de Alcalá 1546, XIXr) Wenn aber jemand Geld mit dem Hauptziel verleiht, übermäßige Zinsen zu bekommen, mach er sich der Todsünde des Wuchers schuldig, „peca mortalmente porque comete verdadera usura.“ (Ludovicus de Alcalá 1546, XLIr) Die Bewertung des Kaufmanns hängt also von den Zielen seines Handelns ab.
Wir kommen zum zweiten Beispiel. Was ist der Zweck des Miliärs, was sind die Ziele des Soldaten? Das richtige Ziel, d. h. das Gute zu fördern und das Böse zu verhindern, nennt Thomas von Aquin als wichtige Voraussetzung für den gerechten Krieg. Rache, Streit und Zerstörung sind keine gerechten Ziele. Eine Fortsetzung findet der thomistische Ansatz in Francisco de Vitorias Schrift Sobre el derecho de la guerra.[7] Vitoria formuliert seine Thesen über die Ziele des gerechten Krieges im Jahr 1539[8]. Dass Kriegsdienst und Krieg überhaupt für einen Christen erlaubt sind, belegt Vitoria mit mehreren Argumenten: Man könne das Schwert ziehen und zu den Waffen greifen gegen die Übeltäter und Aufständischen im eigenen Land ebenso wie gegen die Feinde im Äußeren. Zur Untermauerung zitiert er den Psalm 82,4 „Librad al débil y al pobre, sacadle de las garras del impío.“ (Vitoria 1998, 164). Der Verteidigungskrieg sei erlaubt, „puesto que es lícito repeler la fuerza con la fuerza“ (Vitoria 1998, 164).
Francisco de Vitoria legitimiert den Krieg also mit dem Ziel, eine Ordnung wiederherzustellen, die gestört wurde. Dies ist der Fall nach einer Beleidigung,[9] wo durch Gegenangriff die Ehre wiederhergestellt wird. Wenn aber die Beleidigung nur geringfügig ist, dann sei es nicht erlaubt, den Beleidiger mit einem Krieg zu überziehen, der Tötung, Brand und Verwüstung mit sich bringt. Die Schwere der Bestrafung soll verhältnismäßig sein zur Bedeutung des Delikts.[10] Des Weiteren sei die Ordnung gestört durch den Raub von Eigentum. Hier sei das Ziel des gerechten Kriegs „recuperar todas las cosas perdidas o su valor“ (Vitoria 1998, 177). Ziel des gerechten Krieges kann es auch sein, offensichtliches Unrecht zu beseitigen, was der Fall ist bei der Unterdrückung der Guten und Unschuldigen durch Gewaltherrscher, Verbrecher und Übeltäter. Letztere, fügt Francisco de Vitoria (1998, 165) hinzu, müssten im Interesse des Wohls des Erdkreises verfolgt und bestraft werden. Schließlich habe der Krieg das Ziel der Bestrafung und der Einschüchterung. Wenn immer wieder hervorgehoben wird, dass eigentliches Ziel des Krieges die dauerhafte Herstellung von Frieden sei, dann ist es klar, dass vor allem mit Blick auf das Ziel des Friedens Krieg geführt werden kann und gegen jede Bedrohung von Frieden und Sicherheit vorgegangen werden muss. Francisco de Vitoria (1998, 178) sagt: „Se prueba porque, como se ha dicho antes, el fin de la guerra es la paz y la seguridad.“ Wenn nun der Fürst einen Krieg mit ungerechten Zielen beginnt, dann ist der Soldat nach Garcia de Palacio (1583, 18r) seiner Gehorsamspflicht entbunden, da über dem Fürsten die höhere Autorität Gottes stehe, dem zunächst Gehorsam gebühre und der den Tod von Unschuldigen nicht wolle.
Wenn Ziele wie Sieg, Verteidigung und Frieden oder Schutz der Menschen und der Gesetze genannt werden, greift man gern auf die Entstehung des Militärs zurück. Geht die Begründung der Notwendigkeit des Kriegshandwerks von moralischen Argumenten aus, dann sind es auch in erster Linie moralische Qualitäten, die vom Soldaten gefordert werden. Den Feldherrn sollen die Kardinaltugenden auszeichnen. Hinzukommen sollen beim Feldherrn breite Kenntnisse in unterschiedlichsten Wissensgebieten und rhetorische Fähigkeiten. Allgemein ist der Sieg Ziel des Krieges. Dieses Ziel beinhaltet die Verteidigung der eigenen Personen und Güter, die Wiedererlangung des Gestohlenen, die Vergeltung der Beleidigungen und schließlich Frieden und Sicherheit des Landes. Deshalb sei es erforderlich, die Soldaten über Ziel und Zweck des jeweiligen Krieges aufzuklären. Die Frage stellt sich, wie die Kriege gegen die Mauren zu rechtfertigen sind, denen doch keine Beleidigung vorausgegangen ist. Hier argumentiert Garcia de Palacio (1583, 17r), dass diese zahlreichen Gebiete des dem Christentum zugehörigen Römischen Reiches und Konstantinopels an sich gerissen hätten, was einen gerechten Krieg erlaube. Zur Klugheit gehöre es, wie Garcia de Palacio mit Bezug auf Aristoteles ausführt, die jeweils geeigneten Mittel zu finden, um ein beliebiges Ziel zu erreichen, die nützlichen von den nutzlosen zu unterscheiden und die besten, dem Ort und der Zeit angemessensten auszuwählen. Die hier einzusetzende „prudencia militar“ sei durchaus mit der „prudencia economica“ eines Familienvaters zu vergleichen. (Garcia de Palacio 1583, 25) Ist beim Soldaten wie beim Kaufmann der Bezugsrahmen die Gesellschaft, gehen Astronom und Arzt darüber hinaus.
Beschäftigt sich der Astronom mit dem Makrokosmos des Universums, ist der Mikrokosmos des Menschen der Gegenstand des Arztes, wobei beide miteinander korrespondieren. Die Tätigkeiten des Astronomen und des Arztes lassen sich daher nur vor dem Hintergrund des Universums verstehen, das im scholastischen Verständnis, das in die Spätscholastik des Siglo de Oro eingegangen ist, zunächst vorgestellt werden soll. Die Geschöpfe künden vom Schöpfer, und – so sagt schon der Scholastiker Thomas (2001, 11):
deswegen droht die Schrift denen, die in Bezug auf die Geschöpfe irren, Strafen wie den Ungläubigen an [gemäß PS 28,5]: ‚Da sie die Werke des Herrn und die Werke seiner Hände nicht verstanden haben, wirst du sie vernichten und wirst sie nicht wiederaufrichten.‘
An anderer Stelle wird der Schöpfer als das höchste Gute und Ursache des Seins genannt und mit Joh. 1, 3 belegt: „Alles ist durch ihn geworden, und nichts ist ohne ihn geworden.“ (Thomas 2001, 35, 147). Vollkommenheit bedeutet Übereinstimmung von Sein und Sollen, was in ontologischer, ethischer und ästhetischer Hinsicht gemeint sein kann. Bei Platon ist die Idee des Guten das Maß allen Seins. Das sinnliche Seiende hat zwar nie die Vollkommenheit der Idee, aber immerhin ein Streben nach Vervollkommnung. Schon bei Aristoteles (1995a) wurde das Vollkommene erstens definiert als das, außerhalb dessen sich auch nicht ein einziger Teil finden lässt; zweitens als das, was hinsichtlich seiner Fähigkeit (ἀρετή) nicht übertroffen werden kann (z. B. ein Arzt oder ein Sophist); drittens als das, was sein gutes Ziel oder seinen guten Zweck erreicht hat und damit abgeschlossen ist. Daran anknüpfend sieht im Hochmittelalter Thomas von Aquin die perfectio prima gegeben, wenn eine Sache in ihrer Substanz unter Vollständigkeit der Teile vollkommen ist. Eine zweite Vollkommenheit bezieht sich auf das Ziel, eine dritte bezieht auch die Akzidentien ein. Bei Gott als esse perfectissimum sind Weisheit oder Macht nicht Akzidentien, sondern Wesensmerkmale, und das Ziel hat er nicht außer seiner selbst, sondern ist selbst „ultimus finis omnium rerum“.[11]
In Deutschland geht es dem bereits erwähnten G. W. Leibniz in seinen in Amsterdam erschienenen Essais de Théodicée (1710) um eine Theorie der Rechtfertigung Gottes angesichts des physischen und moralischen Übels in der Welt. Zwar sei Gottes Ziel das Glück der vernünftigen Geschöpfe, dieses könne aber nur in dem Maß erreicht werden, wie es im Weltzusammenhang möglich sei. Nach Leibniz (1980) ist das Übel von Gott nicht gewollt, sondern nur zugelassen, da die von ihm unter den möglichen Welten ausgewählte beste Welt Unvollkommenheiten enthält und er dem Menschen einen freien Willen gegeben hat. Er hatte seine Theodizee als Antwort auf Pierre Bayle konzipiert, der in seinem Dictionnaire historique et critique unter Hinweis auf die Existenz des Übels die Vereinbarkeit von Vernunft und Glaube abgelehnt hatte (Hermanni 2002). Gegen Leibniz richtet sich Voltaires Candide ou l’optimisme (1759), wo zu Anfang die Welt in Westfalen friedlich erscheint. Hier bringt Pangloss seinem Schüler Candide die Leibniz’sche Theorie von der besten aller Welten bei: Alles sei zweckmäßig ausgerichtet, und zwar auf den besten Zweck hin, wie man an den Nasen sehe, die so gestaltet seien, dass sie Brillen tragen können, und an den Füßen, deren Form für das Tragen von Schuhen geeignet sei.[12]
Zu den Schwierigkeiten der Astronomie gehört es, Erkenntnisse über die Himmelskörper zu gewinnen, da diese wegen ihrer Entfernung den menschlichen Sinnen nicht zugänglich sind. Ist nicht Skepsis gegenüber den Sinnen geboten, da man die Sphärenmusik nicht hört und der Himmel nicht blau ist? Zu welchem Zweck gibt es eine Vielzahl von Sternen? Drei Zweckursachen führt Perez de Moya an. Erstens dienen sie nachts der Beleuchtung. Insbesondere wenn es einmal eine Mondfinsternis gibt oder nur ein kleiner Teil vom Mond leuchtet, verringern sie die Dunkelheit. Zweitens dienen sie dem Schmuck des Himmels, der mit ihnen wie gemalt aussieht, und auf den Schöpfer verweist, „porque por la hermosura corporal de la criatura, conociessemos la hermosura espiritual del criador.“ (Perez de Moya 1573, 41). Drittens sind sie mit dem Zweck geschaffen worden, die Dinge auf der Erde zu beeinflussen. Obwohl sie der einen Gattung der Sterne angehören, sind sie individuell so unterschiedlich wie die Menschen, die ihrerseits einer einzigen Gattung angehören. Aufgrund ihrer Vielzahl und ihrer Unterschiedlichkeit haben sie die Möglichkeit, die verschiedensten Einflüsse auszuüben. Gäbe es weniger Sterne, dann würden auf der Erde manche ihrer Wirkungen fehlen.
Welche Himmelskörper üben welche Wirkungen auf Menschen aus? Die kosmologischen und astronomischen Ausführungen gehen in Valentin de la Hera y de la Varras Repertorio del mundo particular, de las Spheras del Cielo y Orbes elementales, y de las significaciones, y tiempos correspondientes a su luz, y movimiento: con los Eclipses, y Lunario, desde este año de mil y quinientos y ochenta y tres, hasta el de mil y seixcientos y quatro, añadido el Prognostico temporal, de las mudanzas y passiones del Aire (1584) von theologischen Vorgaben aus. Der höchste Teil des Himmels über der Erde, das Empyreum, ist der Ort der geistigen Substanzen, wo die Erzengel den Cherubinen und Seraphimen hierarchisch übergeordnet sind. (Valentin 1548, 3v) Darunter stehen die materiellen Substanzen der wahrnehmbaren Sonne und Erde. Der Mensch schließlich besteht aus dem materiellen Körper und der geistigen Seele. Die Zeit wurde mit dem Ziel der Unterstützung des Menschen zugleich mit dem Himmel geschaffen. Die Sonne, „criado para distinguir y medir los dias y los años“ (Valentin 1548, 6r), hat den Zweck, die Zeit in Tag und Nacht, Vormittag und Nachmittag einzuteilen und die übrigen Sterne zu beleuchten. Unterschiedliche Sternzeichen üben Wirkungen auf jeweils andere menschliche Körperteile aus. Unter „Dominio de los signos sobre las partes del cuerpo“ werden einige Wirkungen aufgeführt: Der Widder wirkt auf Kopf und Gesicht, der Stier auf Hals und Rachen, Zwillinge wirken auf Schulter, Arme und Hände, das Sternzeichen des Krebses wirkt auf Brust, Schultern, Magen und Lunge, der Löwe auf das Herz und die Seiten und die Jungfrau schließlich auf Bauch, Leber und Eingeweide. (Valentin 1548 15 r,v). So haben Sterne nicht zuletzt den Zweck, vom Menschen gedeutet zu werden.
Im Kapitel „Del poder y virtud de los Planetas“, in dem zunächst auf die Wirkungen der Sterne auf verschiedene Altersstufen des Menschen eingegangen wird, verhindern Schwärzungen der Zensur die Lektüre weiterer Wirkungen. Sitten und Gewohnheiten hat man von Natur aus, durch Annahme von Belehrungen und durch Gewöhnung. Nur die ersteren stehen in Verbindung mit Sternen wie Merkur und Mond, „porque las otras son tan libres que no tienen que ver con ellas.“ (Valentin 1548, 18r). Der Saturn ist „patron del cielo, adonde el calor del dia excede a la frialdad.“ (Valentin 1548, 31v). Er wird verantwortlich gemacht für die Krankheit der Melancholie, aber auch für Gicht, Krätze, Lepra, Krebs und Wassersucht. Schließlich sind auch Mühsal, Schiffbrüche, Stürme, Kummer und Tod auf ihn zurückzuführen. Der heiße, trockene, nächtliche und hitzköpfige Planet Mars steht für alles Kraftvolle und Mutige. Er ist aber auch verantwortlich für Krankheiten wie Pest, Fleckfieber und das Tertianafieber. Bei diesen wie bei den anderen Planeten gilt die Regel, dass je größer sie am Himmel erscheinen, desto größer sind ihre Wirkungen. Der Planet der Venus ist feucht und warm. Er steht für die Liebe, die Feste und Unterhaltungen (Valentin 1548, 33r).
Nach einem längeren Exkurs zur Geschichte der Erde beginnend mit der Sintflut und der Arche Noah, die etwa 2000 Jahre nach der Schöpfung stattfand, und zu den Kontinenten und einzelnen Ländern wird auf die Wirkungen der Kometen eingegangen, die als Abspaltungen von Sternen beschrieben werden. In der Antike seien sie gefürchtet gewesen als Vorboten von Stürmen, Kriegen, Pest, Todesfällen von Fürsten und Umbrüchen in Ländern. Zu beachten seien zunächst der Ort, wo sie in Erscheinung treten, am Morgen-, Mittags- oder Abendhimmel, ihre Größe und Höhe, ihre Dauer und ihre Bewegung, mit der sie ein Sternzeichen kreuzt oder sich mit einem Planeten verbindet. Wenn seine Form die Gestalt eines Schwerts oder einer Lanze hat, dann bedeutet das Krieg. Je größer der Komet ist, desto größer ist auch seine Wirkung. Der Komet, der Anfang Oktober 1580 mittags im Sternzeichen Wassermann gesichtet wurde, war klein und hatte nur einen kurzen Schweif. Seine Wirkungen folgten im Herbst und im Winter mit heftigen Regenfällen und dadurch zerstörten Häusern, dem Tod der Frau des Königs Filipp II., Königin Anna, und der letzten Niederlage der Truppen des Antonio de Portugal. Im Kapitel „Del poder que tiene el cielo, y de la verdad que tiene la Astrologia“ (Valentin 1548, 70r) werden die Sterne als Zeichen natürlicher Veränderungen der Luft und der Dinge, Temperamente, Neigungen und Tätigkeiten, auf die sie wirken, gesehen. Als Chiffren zum Zweck ihrer Deutung und nicht als bloßer Schmuck seien sie geschaffen worden. Es zeigt sich also, dass Medizin nicht ohne Astrologie betrieben werden kann.
Welchen Stellenwert hat das teleologische Denken in der Medizin des Siglo de Oro? Hier spielt das Verhältnis von Leib und Seele eine große Rolle. Noch galt in Spanien nicht die strikte Trennung des Körpers als res extensa von der Seele als res cogitans, die Descartes im Frankreich des 17. Jahrhunderts vorgenommen hatte, wobei er beide als voneinander unabhängige Systeme sieht. Vielmehr dominiert die neuplatonische Vorstellung von der Natur als Produkt des Geistes und von den Korrespondenzen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, woraus sich zahlreiche Abhängigkeiten und Harmonien zwischen Leib und Seele bzw. Körper und Geist ergeben. Hatte schon Platon von der Weltseele als der Kraft gesprochen, die sich selbst und alles andere bewegt, und ihr die Einzelseele gegenübergestellt, so ist für Aristoteles die Seele der Pflanzen das Ernährungsvermögen, bei den Seelen der Tiere kommen die Empfindungen von Lust und Unlust hinzu, während der Mensch zu den seelischen Vermögen von Pflanze und Tier noch die Vernunft besitzt, die göttlichen Ursprungs sei. Da die menschliche Seele also die Kräfte aller anderen Wesen und des Göttlichen in sich vereinigt, kann sie nach Aristoteles (1995c, 195) als Mikrokosmos gesehen werden. Mit dem Humanismus verbreitet sich die neuplatonische Auffassung, nach der die Natur ein Produkt des Geistes ist, sich also einerseits die Gottheit in der Natur entfaltet und andererseits die Gottheit der höchste Einheitspunkt der unterschiedlichen Wissenschaften ist. Vor diesem Hintergrund wird die Naturwissenschaft theosophisch. Wenn Plotin von der Schönheit des Makrokosmos spricht, wird in dieser Schönheit auch die Erscheinung der göttlichen Idee gesehen. Wenn alles eine Ursache hat und die letzte formale und wirkende Zweckursache Gott ist, dann ist das Weltall die zur Kreatur gewordene Wesenheit Gottes und pantheistisch zu betrachten. Gott wird zur Einheit, in der alle Gegensätze aufgehoben sind, zur coincidentia oppositorum und wirkt dabei als natura naturans, die die natura naturata, das Universum und alle Kreaturen, gestaltet und expliziert. Der Gedanke der Schöpfung führt zur Vorstellung von Intention und Zweck. Wo Zwecke zugrunde liegen, wird teleologisch gedacht.
Francisco Diaz, der Arzt und Chirurg des Königs Philipp II., lässt daher in seinem Compendio de cirurgia y anatomia, en el qual se trata de todas las cosas tocantes a la theorica y pratica della, y de la anatomia del cuerpo humano, con otro breve tratado de las quatro enfermedades (1575) einen Praktikanten fragen, zu welchem Zweck die neben der Leber liegende Galle geschaffen wurde. Nach Ausführungen zum Magen und zu den Nieren wird deutlich, dass jegliche Fehlfunktion eines Organs das Funktionieren der anderen Organe beeinträchtigt. Die Knochen bilden als Skelett das Fundament, das den Zweck hat, die übrigen Körperteile zu tragen. Sie seien wie das Element der Erde kalt und trocken. Wenn man von den Zähnen absieht, haben sie keine Empfindungen. (Diaz 1575, 58v) Bei den Augen wird der besondere Zweck, den sie haben, hervorgehoben, „la excelencia de su oficio para lo fueron constituydos.“ (Diaz 1575, 67r). So seien sie deshalb rund, damit man nach überall hinblicken kann, und die Pupille spiegle die Dinge, damit die Augen die Dinge so sehen können, wie sie sind. (Diaz 1585, 67v). Neben den weiteren Bestandteilen werden auch die sieben Muskeln beschrieben, die dazu dienen, das Auge in alle Richtungen zu bewegen.
In der Antike ist es Thales, der im Magneten, der aus sich heraus die Kraft hat zu bewegen, ohne bewegt zu werden, ein Modell für die Seele sieht. Bei Platon wird der Leib eine Prüfung, ein Kerker für die unsterbliche Seele. Für Aristoteles ist die Seele Zweck, Form und Bewegungsursache für den Körper, von dem sie nicht zu trennen ist. Aristoteles (1995e, 37) definiert die Seele wie folgt:
Die Seele ist Ursache und Prinzip des lebenden Körpers. Dies wird aber in mehrfacher Bedeutung verstanden. Entsprechend den drei unterschiedenen Arten von Ursachen (Prinzipien) ist gleicherweise die Seele (dreifache) Ursache: Sie ist nämlich sowohl Ursprung der Bewegung als auch Zweck, und auch als Wesen der beseelten Körper ist die Seele Ursache. [...] Alle natürlichen Körper nämlich sind Organe der Seele, und wie die (Körper) der Lebewesen, so sind auch die der Pflanzen um der Seele willen. Von zweifacher Bedeutung ist der Zweck, der eine als Worum-willen, der andere als Wofür.
Wenn also die Seele als Ursache, Zweck und Wesen (Form) auf den Körper wirkt, dann kann dies für ihn zur Gesundheit oder zur Krankheit führen. Körper und Seele bilden ein System, in dem die Seele als Zweckursache und der Körper als Wirkung tätig sind. Die ganzheitliche Sicht mit einer Dominanz der Seele über den Körper teilt auch Juan Luis Vives (1492–1540). Auch er spricht von der Seele als Form und Zweck des Körpers (Vives 1945, 53) und sieht sie als aktives Prinzip, da wenn sie etwas mit den Werkzeugen des Körpers unternimmt, die Aktivität von ihr ausgeht: „Así, en el pintor está la facultad de pintar, y en mí la de escribir.” (Vives 1945, 49). Das Bild von den Werkzeugen veranschaulicht Vives an anderer Stelle. Während ein Handwerker, der nur einen einzigen Gegenstand anfertigt, mit einem Werkzeug auskommt, benötigt die Seele viele, Glieder für die äußeren Aktivitäten, Flüssigkeiten für die inneren, die schwarze und die gelbe Galle mit ihren Willens- und Gefühlsqualitäten. Da also die körperlichen Organe als Instrumente der Seele fungieren, scheint die Gesundheit der Seele Voraussetzung für die Gesundheit des Körpers zu sein.
An Aristoteles anknüpfend definiert der Spätscholastiker und Vertreter der Schule von Salamanca Francisco Suárez (1548–1617) die Seele erstens als rational, „una entidad espiritual independiente en su ser de la materia, inteligente y volente“ und zweitens als Formursache des Körpers, „forma del cuerpo, principio de las operaciones materiales, y que entiende con dependencia de los sentidos.“ (Suárez 1978, 19). Für den Körper ist sie das aktive Element, „acto y perfección“. (Suárez 1978, 55). Auch bei Suárez also wird die vernünftige Seele zur Formursache für den Körper und seine Bewegungen, wobei unter Form nichts anderes als Ziel und Zweck zu verstehen ist.
Juan de Cabriada löste mit seiner 1687 erschienenen Carta filosófica, médico-chymica, en que se demuestra que de los tiempos, y experiencias se han aprendido los mejores remedios contra las enfermedades Polemiken zwischen Traditionalisten und Neuerern aus. Er selbst gehörte zu letzteren, mit denen er 1697 dann die den modernen Tendenzen zugeneigte Sociedad de medicina y otras ciencias de Sevilla gründete (López Piñero 1979, 429). Bei der Klassifizierung der Krankheiten nach Arten und Ursachen geht er auf die unterschiedlichen Schulen ein. Für Paracelsus, so referiert er, gibt es Krankheiten, die Gott als Strafe für Sünden zuteilt, solche, die durch den Verlauf der Sterne bedingt sind, andere, die einen Fehler in der Natur als Ursachen haben, solche, die durch Vorstellungen und Leidenschaften der Seele hervorgerufen werden, und wieder andere, die durch Einnehmen eines Giftes entstehen (Cabriada 1686, 105–106).
In der Nueva filosofía de la naturaleza del hombre (1587) der Oliva Sabuco de Nantes ist Voraussetzung für körperliche Gesundheit seelisches Glück, das auf Weltkenntnis und der Wahl des rechten Maßes beruht. Die meisten Ratschläge, die Sabuco für die Erhaltung der Gesundheit gibt, betreffen die Seele, die sich von negativen Affekten freihalten soll. Der Ärger z. B. wird verglichen mit einem bösen und gefährlichen Tier, dem man sich entgegenzustellen hat, um nicht mit dem Schaden, über den man sich ärgert, einen noch viel grösseren, nämlich den des Verlustes der Gesundheit, zu erleiden (Sabuco 1981, 90, 88). Entsprechendes gilt für die Angst oder die Sorge um die Zukunft, die ihrerseits gesundheitliche Schäden hervorrufen oder tödlich sein kann. Die Furcht sei meist gefährlicher das dasjenige, dessen Eintreten man fürchtet, da sie die schädliche Melancholie hervorruft.
So wie negative Affekte der Seele die Gesundheit des Körpers schädigen, so fördern positive Affekte sie. So negativ sich die Hoffnungslosigkeit auswirkt, so positiv die Hoffnung (Sabuco 1981, 129). Hoffnung und Freude beleben, Eintracht und Freundschaft lassen Seele und Körper gedeihen. Auf eine knappe Formel gebracht lautet Sabucos (1981, 123) Rat: „El placer, contento y alegría, son la principal causa porque vive el hombre, y tiene salud.” Bei ihren die Gesundheit fördernden Verhaltensmaßregeln, rät Sabuco, die Seele möge die Tugend der Mäßigung und damit die goldene Mitte einhalten. So rät Sabuco zu Maß und Mäßigung, vor allem bei der Nahrungsaufnahme. Von den antiken Ärzten sei der Satz überliefert: „Más mata la gula, que la espada.“ (Sabuco 1981, 115)
Hieronymo Merolas 1587 erschienene Republica original sacada del cuerpo humano bezieht den Aufbau des Staates sowie die menschlichen Tätigkeiten und Wissenschaften auf den Menschen als Mikrokosmos. Die Beziehungen, die Merola als Doktor der Philosophie und der Medizin herstellt, sind vielfältig. So korrespondieren die Sterne mit den fünf Sinnen und die vier Elemente mit den vier Temperamenten (Merola 1587, 118a). Es seien die „sciencias contemplativas” für die Seele und die „sciencias activas” für den Körper da (Merola 1587, 6b). Diejenigen, die sich auf die Kontemplation beschränken, seien für Regierungsgeschäfte ungeeignet. Es sollen sich alle nach dem Gemeinwohl richten, die einen als Befehlende, die anderen als Gehorchende. Analog gilt für den Mikrokosmos Mensch, der Zweckursache des Makrokosmos ist:
Que el mundo pequeño que es el hombre, es final causa a la qual se refiere el grande: y Dios es fin del grande y del pequeño. Porque lo que pretende el hombre es hazer una circulación y volverse a Dios de quien tiene su origen, y esto mediante la virtud, con la qual viene a hazerse tan virtuoso, tan perfecto, y semejante a Dios, que por la similitud es atrahido por el summo bien. (Merola 1587, 20 b, 21).
Die Tugend ist bei Merola Ursprung und Ziel im Mikrokosmos wie im Makrokosmos. Hier zeigt sich erneut ein neuplatonischer, pantheistischer Hintergrund. Die Nichtbefolgung der Tugenden würde den Zweck verfehlen.
Als Strafe für die Untugend, also die Verfehlung des Zwecks des Menschen, wurde die Pest gesehen. Die Dimension dessen, was sie für eine Stadt oder ein Land bedeutet, evoziert Miguel Martinez de Leyua zu Beginn des Vorworts seiner Remedios preservativos y curativos, para en tiempo de la peste, y otras curiosas experiencias (1597). Er erinnert an die Strafen, die in der Bibel Gottes Zorn für schwere Sünden verhängt: Hunger, Tierplagen, Krieg und Pest. Der biblische David wird angeführt, der die eigenen Verfehlungen und die seines Volkes sühnen sollte. Als er die Auswahl zwischen drei Tagen Pest, sieben Jahren Hunger und drei Monaten Krieg hatte, wählte er die Pest, da sie die härteste und gründlichste Buße sei und keinen verschone, woraus Martinez de Leyua schließt, dass diese die größte Plage der Menschheit sei. Mit seinem Buch will er Leiden mindern, indem er im Interesse des Gemeinwohls Krankheitsursachen und Medikamente vorstellt „por el bien comun y humana necessidad.“ (Martinez de Leyua 1597, 168v). Staaten, die von der Pest heimgesucht werden, seien im Vorteil, wenn sie Regierungen haben, die sich von Fachleuten beraten lassen. Gut sei es, in Zeiten der Pest Krankenhäuser einzurichten. Er selbst beziehe eigene Erfahrungen nicht zuletzt aus seiner Tätigkeit in einem Krankenhaus in Sevilla. Schließlich sei es Zweck der Medizin, allen Krankheiten entgegenzuwirken. Daher empfiehlt das Sprichwort, den Arzt zu ehren: „Honora medicum, propter necessitatem creavit eum altissimus.“ (Martinez de Leyua 159, prologo).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das teleologische Denken in der frühen Neuzeit ebenso verbreitet wie dominant ist. Gesundheit gilt als Zielursache des Spaziergangs. Ziel des Menschen ist nach Aristoteles die Glückseligkeit in der Gemeinschaft. Für Hobbes, der den Menschen als Wolf sieht, dessen Verlangen von einem Objekt zum anderen fortschreitet, gibt es ein solches Ziel nicht. Hatte in der Antike Xenophon von einer universalen Zweckmäßigkeit gesprochen, bei der das Ziel aller Dinge die Nützlichkeit für den Menschen ist, haben technische Erfindungen für Lastanosa das Ziel, Mängel des Menschen auszugleichen, also z. B. die Schwäche menschlicher Muskelkraft durch Lastenheber zu kompensieren. Umstritten war, ob Natur und Mensch auf einen höchsten Zweck hin orientiert sind, ob die Würde der Schöpfung und die höchste Vollkommenheit des Geschaffenen die Weisheit des Schöpfers erkennen lassen oder ob die Welt nur die beste aller möglichen ist. Unbestritten dagegen war, dass Handlungen keine Kausalvorgänge sind, sondern durch ein Ziel oder ein Gut bestimmt sind, nach dem der Handelnde strebt. Die Zielursache präexistiert als Gedanke im Bewusstsein des Menschen, wobei Untätigkeit und Müßiggang keine oder falsche Ziele wie Habgier und Gewinnsucht haben. Der Kaufmann hingegen verfolgt das Ziel, das Gemeinwesen mit Waren zu versorgen, die nicht vor Ort sind. Da er Übermaß wie Mangel zu vermeiden hat und beim pretium iustum Mäßigung walten lassen soll, möge für ihn beim Geldverleih das Hauptziel Wohltätigkeit und nur das Nebenziel Hoffnung auf Gewinn sein. Das Militär hat ganz allgemein die Ziele, das Gute zu fördern, das Böse zu verhindern und in einem gerechten Krieg die durch Beleidigung oder Raub gestörte Ordnung wiederherzustellen. Hauptziel der Soldaten aber ist der Sieg und die dauerhafte Herstellung von Frieden, weshalb sie sich auch durch die Kardinaltugenden auszeichnen sollen.
Während Kaufmann und Soldat als Berufsgruppe oder als Individuum betrachtet werden, stehen der Astronom und der Arzt im Spannungsfeld von Mikrokosmos und Makrokosmos. Wenn nach Perez de Moya die vielen Sterne den Zweck haben, nachts der Beleuchtung zu dienen, den Himmel zu schmücken oder die Dinge auf der Erde zu beeinflussen, indem sie z. B. beim Menschen Krankheiten hervorrufen, dann sind sie auch für die ärztliche Tätigkeit relevant. Man braucht gar nicht von Platons Weltseele auszugehen, die bewirkt, dass Natur ein Produkt des Geistes ist, um den zweckmäßigen und zielgerichteten Aufbau des Menschen zu erfassen. Beispiele dafür sind schon die Knochen, die den Zweck haben, die übrigen Körperteile zu tragen, oder die Augen, die rund sind, damit man überall hinblicken kann. Da die Seele aber Zweckursache für den Körper ist, sind Krankheiten wie die Pest als Gottes Strafe für Sünden denkbar oder Krankheiten als Reaktionen auf negative Affekte der Seele, wie Ärger oder Angst. Wenn die Sterne mit den fünf Sinnen und die vier Elemente der Erde mit den vier Temperamenten des Menschen korrespondieren, dann gilt für Merola, dass der Mikrokosmos des Menschen Ziel und Zweck des Makrokosmos, also des Universums, ist – eine These, die so heute nicht mehr vertreten werden würde.
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