Zusammenfassung
Kaum Beachtung fanden bisher zahlreiche Objekte der Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit in der westlichen Germania magna, die als Amulette gedeutet werden können und denen eine Bedeutung im Volksglauben oder der Volksmedizin zukam. Aus einer Vielzahl an infrage kommenden Exemplaren werden Fossilien (Echiniten, Belemniten und weitere), prismatische Knochenanhänger („Donaramulette“), durchbohrte Hartteile von Tieren (Zähne, Krallen und Knochen), Geweihrosenringe, verzierte Ringe und Scheiben aus Bein, Ringbrünnen (Kettengeflechte) sowie gebundene Anhänger untersucht. Im Vordergrund stehen die Fragen nach Gruppenzuordnungen, räumlichen und zeitlichem Vorkommen. Dabei stellt sich heraus, dass all diese Objekte überwiegend in Gräbern von Frauen und subadulten Individuen vorkommen, einzelne Objekttypen bedeutend seltener, aber gesichert auch in Männergräbern. Während eine Reihe von Amuletten, wie Fossilien, durchbohrte Hartteile von Tieren und wohl auch Geweihrosenringe, bereits zu Beginn der älteren Römischen Kaiserzeit vorkommen und in einer längeren Tradition stehen, erscheinen gebundene Anhänger, Cypraea-Schnecken, Kettengeflechte und prismatische Knochenanhänger sukzessive als neue Amulette im Untersuchungszeitraum. Sie alle fanden wenigstens bis ins frühe Mittelalter weiter Verwendung.
Für eine Reihe von Objekten ist anzunehmen, dass ihnen einen Amulettcharakter zugesprochen wurden. Die bislang geringe Fundanzahl von Geweihstangen, Quarzobjekten, durchbohrten Terra sigillata-Scherben, Glas- und Bernsteinanhänger, Archaika sowie unterschiedlichen, als besonders anzusehenden Steinen, wie „Krähensteine“, „Adlersteine“ oder „Hühnergötter“, lässt es allerdings fraglich erscheinen, ob sie regelhaft Verwendung fanden, sie nur lokal oder individuell genutzt wurden oder es sich bei ihnen lediglich um Schmuckstücke handelte.
Abstract
Hardly any attention has been paid so far to numerous objects of the Roman Imperial Period and Migration Period in western Germania magna, which can be interpreted as amulets and which had a significance in folk belief or folk medicine. Fossils (echinites, belemnites and others), prismatic bone pendants (donar amulets), perforated hard parts of animals (teeth, claws and bones), antler rose rings, decorated rings and discs of bone, chain mails as well as bound pendants („gebundene Anhänger“) are examined from a large number of possible specimens. In the foreground are the questions of group assignments, spatial and temporal occurrence. It turns out that all these objects occur predominantly in graves of women and subadult individuals, individual object types significantly less frequently, but secured also in male graves. While a number of amulets, such as fossils, pierced hard parts of animals, and probably also antler rose rings, occur already at the beginning of the older roman period and are part of a longer tradition, bound pendants, cypraea snails, chain mails, and prismatic bone pendants appear successively as new amulets in the period during the investigation period. They all continued to be used at least into the early Middle Ages.
For a number of objects, it can be assumed that they are attributed an amulet character. The small number of antler rods, quartz objects, pierced terra sigillata sherds, glass and amber pendants, archaica, as well as various stones that are considered special, such as „crow stones“ (smooth polished stones), eagle stones (aetites), or adder stones (with a naturally occurring hole through it), however, makes it questionable whether they were used regularly, whether they were used only locally or individually, or whether they were merely pieces of jewelry.
Anmerkung
Für Hinweise und Anregungen zu diesem Thema danke ich Dr. Heino Neumayer, Dr. Uwe Fiedler und Dr. Morten Hegewisch (alle Berlin) herzlich. Ganz besonders danke ich Herrn Kai Schirmer M.A. (ALTUM, Berlin), der mir erlaubt, die von ihm 2023 ausgegrabene Cypraea-Schnecke (Liste 4,7) und den gebundenen Anhänger (Liste 20, 5) aus Linthe (KER 2022: PM/046/BG) zu publizieren.
© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston