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Anmerkungen zu dem Buch von Stefan Kooths
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Published/Copyright: October 30, 2025
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Rezensierte Publikation:

Stefan Kooths, Marktwirtschaft. Wohlstand, Wachstum, Wettbewerb. Kohlhammer, Stuttgart 2025, 546 Seiten


Stefan Kooths, Marktwirtschaft. Wohlstand, Wachstum, Wettbewerb. Kohlhammer, Stuttgart 2025, 546 Seiten

Stephan Kooths ist Forschungsdirektor für Konjunktur und Wachstum am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, lehrt außerdem an der BSP Business and Law School in Berlin und Hamburg und ist Vorsitzender der Friedrich August von Hayek Gesellschaft. Sein Buch soll kein klassisches Lehrbuch sein, sondern einen Überblick über die Marktwirtschaft und Verständnis für deren Funktionieren vermitteln. Dabei lässt der Autor offen, ob man es eher am Anfang der Beschäftigung mit dem Gegenstand bzw. eines Studiums oder in einem fortgeschrittenerem Stadium lesen sollte. Im ersten Teil geht es um eine theoretische Perspektive, im zweiten darauf aufbauend um Wirtschaftspolitik.

Vorgelagert sind einige epistemologische Überlegungen, wobei sich Kooths an Popper, Kuhn und Lakatos orientiert. Das ist für einen Anhänger der Österreichischen Schule nicht selbstverständlich. Denn Vertreter der Praxeologie würden das nicht tun und sich oft auch scharf gegen die Mathematisierung der Ökonomik wenden. Kooths tut das nicht, verwendet aber in diesem Buch die Alltagssprache. Er kann das tun, weil sein Menschenbild und die darauf aufbauende Perspektive dem sog. gesunden Menschenverstand recht nah ist. Das ist eher positiv als kritisch gemeint. Man muss Unverständlichkeit oder Schwierigkeiten beim Zugang nicht für einen Vorzug der Wissenschaft halten.

Die Berufung auf Popper hat allerdings beim Rezensenten die falsche Erwartung geweckt, dass es in dem Buch stärker um die Falsifizierbarkeit von Theorie als um deren Aufbau und Darstellung geht, um das Wie und Warum Marktwirtschaft funktioniert. Bei Kuhn steht das Problemlösen im Vordergrund. Das passt besser zu Kooths’ Buch. Für ihn hat es die Ökonomik und deshalb auch sein Buch mit der Koordination menschlichen Handelns zwecks Bedürfnisbefriedigung unter Knappheitsbedingungen zu tun. Besser als Popper passt auch Lakatos’ Perspektive zu dem Buch. Denn ein harter Kern von Überzeugungen lässt sich leicht identifizieren: Freiheit ist produktiv. Sie ist Voraussetzung dafür, dass der Mensch sein Wissen nutzen und mehren kann, damit auch möglichst gut zur Befriedigung der Bedürfnisse seiner Mitmenschen beitragen kann. Kooths Buch ist in weiten Teilen auch ein Plädoyer für wirtschaftliche Freiheit.

Die Vielzahl der behandelten Probleme und die Länge des Werkes machen nur eine sehr grobe und lückenhafte Skizze des Dargestellten möglich. Nach Kooths handelt der Mensch nach eigenen subjektiven Präferenzen zukunftsorientiert, wobei er spekulativ kausale Zusammenhänge von Mitteln (etwa Gütern) und Zielen (Bedürfnisbefriedigung) unterstellt, die natürlich nicht immer richtig sind, sondern korrigierbar. Manche Güter dienen nicht unmittelbar dem Konsum, sondern nur indirekt als Produktionsfaktoren. Sofern die Produktionsfaktoren im Gegensatz zum Boden selbst erst produziert worden sind, handelt es sich um Kapitalgüter. Der Kapitalgüterbestand unterliegt dabei immer dem Wandel. Bei allen Gütern ergibt sich der Wert subjektiv aus menschlicher Beurteilung. Wert ist immer relativ, weil wir etwas für wertvoller als etwas anderes halten. Intersubjektive Nutzenvergleiche sind dabei unmöglich. Mit steigender Verfügbarkeit von Gütern nimmt die Wertschätzung ab. Wertschöpfung ist ein Prozess, bei dem man sich der Konsumfähigkeit nähert. Soweit das Menschenbild.

Zunächst geht es um Arbeitsteilung und Spezialisierungsvorteile, um die Nutzung komparativer Kostenvorteile und freiwilligen Tausch. Tauschpartner können auch intern hierarchisch strukturierte Organisationen oder Unternehmen sein. Jede Koordinationsform – ob Markt und Tausch oder Hierarchie und Unternehmen – verursacht Transaktionskosten, weil Informationen gesucht, Abmachungen getroffen und durchgehalten bzw. durchgesetzt werden müssen. Grundlage des Tauschens sind Verfügungsrechte, wobei private Eigentumsrechte es ermöglichen, dass die Akteure für die Folgen ihrer Entscheidungen haften. Durch Tausch, der die Partner besserstellt als ohne Arbeitsteilung und Tausch möglich wäre, wird das Wirtschaften zum Positivsummenspiel. Freiwilligkeit garantiert dabei die Wohlstandsmehrung.

Im Tausch zeigen sich die Präferenzen der Akteure. Das ermöglicht die Entstehung von Preisen. Preise enthalten nicht nur Informationen über Knappheiten, sondern vermitteln zugleich Anreize dazu, die Knappheit zu überwinden, ob durch Steigerung des Angebots oder Verschiebung der Nachfrage auf andere Güter. Mit der Verdichtung von Informationen in Preisen wird eine Wirtschaftsrechnung möglich. Beim Tausch entstehen Produzentenrenten und Konsumentenrenten, d. h. Vorteile, die einem zufallen, weil man ein Konsumgut unterhalb der eigenen Zahlungsbereitschaft erwerben kann oder ein Produzent einen seine Abgabebereitschaft übersteigenden Preis erhält. Sofern der Staat entweder Abgaben auf Transaktionen erhebt oder diese subventioniert, verzerrt er die Preissignale. Dann können Präferenzen, Zahlungsbereitschaft und Opportunitätskosten nicht mehr allein die Preise bestimmen. Manche nützlichen Tauschgeschäfte unterbleiben. Aus Positivsummenspielen können Null- oder gar Negativsummenspiele werden. Hier deutet sich die später noch ausführlich behandelte Interventionsskepsis von Kooths an.

Wettbewerb ist für Kooths ein von Unternehmern gestalteter ergebnisoffener und Prozess, der Wissen und Innovation schafft, der nicht nur statisch gesehen werden sollte. Vollständige Konkurrenz kann deshalb keine Leitidee sein. Deren Abwesenheit ist keine Rechtfertigung für Staatseingriffe, schon gar nicht für Preiseingriffe oder Produktionsvorschriften. Wichtig ist das Fehlen von Marktzugangsbarrieren. Das Erschließen bislang unausgeschöpfter Produktions- und Tauschmöglichkeiten muss durch Innovationsrenten und Arbitragegewinne belohnt werden.

Beim Auftreten von externen Effekten werden nicht nur die Tauschpartner, sondern auch andere Akteure von Entscheidungen betroffen. Negative Externalitäten wälzen Kosten auf Dritte ab. Positive Externalitäten entstehen bei der Beschaffung von öffentlichen Gütern. Wegen des aus der Nicht-Ausschließbarkeit folgenden Trittbrettfahrerproblems werden sie allein durch den Markt nicht oder nur ungenügend bereitgestellt. Mit steigender Zahl der durch die Beschaffung eines öffentlichen Gutes Begünstigten steigen die Transaktionskosten, so dass der Staat die Beschaffung übernehmen muss. Nach Kooths ist aber die Nutzerfinanzierung der Steuerfinanzierung vorzuziehen.

Wenn der Markt für die Bereitstellung mancher Güter und der Staat für die Bereitstellung anderer Güter zuständig ist, dann stellt sich die Frage der Abgrenzung von Markt und Staat bzw. die des Wirtschaftssystems. Kooths betont die Komplementarität von Eigentumsordnung und Koordinationsverfahren. Privateigentum passt gut zum Preismechanismus und daraus resultierenden Anreizen zum Handeln, Kollektiveigentum zur zentralen Planung und Lenkung der Wirtschaft durch Anweisungen. Weder die denkbare Kombination sozialistische Marktwirtschaft, noch die denkbare Kombination kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaft dürfte stabil sein und auf Dauer funktionieren. An dieser Stelle vertritt Kooths die offensichtlich falsifizierbare, aber durchaus nicht falsifizierte, sondern gut bestätigte These der Überlegenheit der kapitalistischen Marktwirtschaft. Zwischen Freiheit und Wohlstand herrscht kein Gegensatz, sondern Freiheit trägt sogar zur Sicherung des Wohlstands bei, weil sie Ansprüche an das Produktionsergebnis aus Leistungen für das Produktionsergebnis ableitet. Für Kooths wird Marktwirtschaft nicht durch Umverteilung, sondern durch Minderung von Machtausübung sozial. So wie der Wettbewerb den Markt zum Motor von Entdeckungen macht, kann der globale Standortwettbewerb ein Entdeckungsverfahren für gute Wirtschaftspolitik sein. Davon sollte man sich nicht abwenden.

Der folgende Abschnitt über gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist deutlich schwerer lesbar als der vorhergehende. Kooths beginnt mit dem Hinweis, dass sich beide mit derselben Welt befassen. Darauf folgen Warnungen vor Überaggregation, die das Allokationsproblem fast zum Verschwinden bringen kann. Nach Kooths kann es keine allgemeine Überproduktion geben. Allerdings kann das Güterangebot teilweise nicht dem entsprechen, was die Leute kaufen wollen. Er warnt auch davor Aggregate für Akteure zu halten oder Kausalitäten aus Definitionen ableiten zu wollen. Die Ausstattung der Arbeitskräfte mit Kapitalgütern verbessert die Arbeitsproduktivität, aber mit abnehmendem Grenznutzen. Auf Dauer sind Wissensvermehrung und Innovation entscheidend.

Damit nicht jeder Tauschwillige einen Tauschpartner suchen muss, der genau das anbietet, was er erwerben will, benötigt man ein Tauschmittel oder Geld. Aus der allgemeinen Einsetzbarkeit als Tauschmittel leitet sich die Eignung des Geldes zur Wertaufbewahrung ab. Beim herrschenden Geldsystem, wo Geld aus dem Nichts geschaffen werden kann, betont Kooths vor allem die Versuchungen zur übermäßigen Geldschöpfung, denen Banken und Zentralbanken dabei ausgesetzt sind. Dem kann das Haftungsprinzip entgegenwirken, wenn die Banken mit hinreichend Eigenkapital bei unvorsichtiger Kreditvergabe haften müssen, statt gerettet zu werden. Kooths warnt vor Überlastung der Zentralbank mit allzu vielen Aufgaben. Entscheidend ist, dass ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel funktioniert.

Im Zins äußert sich das Ausmaß der Gegenwartspräferenz. Hohe Zinsen zeigen ein starkes Ausmaß an Gegenwartspräferenz. Sie erschweren die Kapitalgüterproduktion, den Kapitalerhalt und erst recht die Verbesserung des Kapitalstocks. Das bedeutet allerdings nicht, das niedrige Zinsen immer gut sind. Wenn etwa durch politischen Druck die Zinsen zu niedrig sind, entsteht bei den Investoren ein falscher Eindruck über das Ausmaß des Verzichts auf baldigen Konsum zugunsten künftigen Konsums und damit über die Finanzierbarkeit der Kapitalgüterbeschaffung. Dann muss die verzerrte Produktionsstruktur früher oder später durch eine Rezession korrigiert werden. In diesem Zusammenhang wäre der Rezensent für eine Besprechung der empirischen Forschung, vor allem auch der ökonometrischen Falsifikationsversuche, zur auf Mises und Hayek zurückgehenden Krisentheorie dankbar gewesen. Kooths warnt auch vor staatlicher Defizitfinanzierung, mit der sich unpopuläre Verteilungskonflikte in die Zukunft verschieben lassen. Soweit die notwendigerweise recht lückenhafte Skizze der makroökonomischen Überlegungen.

Der letzte Teil des Buches besteht aus überarbeiteten Aufsätzen oder Vorträgen. Er ist jeder Beziehung recht heterogen. Inhaltlich geht es mal um Wachstum, mal um das Klima und die Energiepolitik, mal um Geldpolitik oder Staatsfinanzierung, mal um die Coronakrise oder Target2-Salden, mal um Handelskonflikte oder Interventionismus, mal um Online-Journalismus oder Industriepolitik. Weil manche Beiträge für Publikumzeitschriften, andere für Fachzeitschriften verfasst worden sind, unterscheiden sich die Beiträge auch im Ausmaß der beim Leser vorausgesetzten Sachkenntnis. Natürlich unterscheiden sie sich auch in der Länge. Es gibt auch mehrfach wiederkehrende Themen, nämlich den Zusammenhang von Kreditexpansion, daraus entstehenden falschen Erwartungen über Gegenwarts- und Zukunftskonsum und Fehler bei der Allokation von Produktionsfaktoren. Kooths sieht einen kausalen Zusammenhang zwischen dem bestehenden Teilreservesystem der Banken, den Möglichkeiten der Geldschöpfung aus dem Nichts durch Banken und Zentralbanken einerseits und der wiederkehrenden Versuchung durch Kreditexpansion Probleme zu verschleiern oder vor sich her zu schieben. Deshalb sympathisiert er mit Ausweichreaktionen der Geldbenutzer auf ein nicht-staatliches Geld, am besten mit mehreren Geldanbietern, vielleicht aus dem Bereich der global agierenden Informationstechnologie, vielleicht mit Golddeckung, um das Vertrauensproblem zu lösen. Das ist zwar spekulativ, weil zumindest einige Staaten privates Geld zulassen müssten, aber diese Vision deutet an, für wie unbefriedigend und fragil Kooths das gegenwärtige Geldsystem hält. Der Staat neigt dazu Geldpolitik und Zentralbanken mit immer neuen Aufgaben zu belasten, statt es bei der Bereitstellung eines nützlichen Tauschmittels zu belassen. So lange der Staat das Monopol der Bereitstellung eines gesetzlichen Zahlungsmittels beansprucht, besteht Kooths’ Ideal darin, dass ein Träger, die Zentralbank, nur ein Ziel hat, nämlich das Tauschmittel bereit zu stellen, und mit einem Mittel ausgestattet ist, der Geldmengensteuerung.

Seit Trumps zweiter Präsidentschaft ist die wirtschaftliche Freiheit in keinem Bereich so bedroht wie im Außenhandel. Das liegt daran, dass Trump übersieht, dass Freihandel und freier Kapitalverkehr allen Beteiligten die Chance zur Verbesserung ihrer Lage vermittelt, also kein Nullsummenspiel und schon gar kein Negativsummenspiel ist. Auch Exportüberschüsse anderer Länder schaden Defizitländern, wie den USA, nicht. Die Defizite wären ohne Kapitalzuflüsse gar nicht möglich. Die Kapitalzuflüsse und Importe erlauben den Defizitländern erhöhten Konsum, was vermutlich viele Konsumenten wollen, oder erhöhte Investitionen oder erhöhte Staatdefizite. Trump will mehr Investitionen in den USA. Zum Abbau der Defizite unternimmt er nichts. Nach Kooths schadet sch jedes Land selbst mit Merkantilismus und Protektionismus. Dabei wird der eigene Staat allzu leicht Beute von einheimischen Partikularinteressen. Es ist auch nicht im eigenen Interesse, auf Zollerhöhungen und andere protektionistische Fehler damit zu reagieren, dass man selbst ähnliche Fehler zwecks Vergeltung macht. Stattdessen hebt er hervor, dass auch unilateraler Freihandel Chancen eröffnet.

Kooths geht es darum, dass individuelle Entscheidungen unter Berücksichtigung der Opportunitätskosten und damit des Knappheitsproblems nicht durch Kollektiventscheidungen verdängt werden. Auch in der Demokratie lässt sich Zwangsausübung nicht vermeiden. Wenn Kollektiventscheidungen individuelle Entscheidungen auf dem Markt verdrängen, dann werden Macht und Beziehungen immer bedeutsamer, dann besteht die Versuchung der Umwandlung der Gesellschaft in eine ‚Rent-Seeking Society‘. Kooths verwendet zwar nicht den Ausdruck der rationalen Ignoranz, worin viele ‚Public Choice‘-Theoretiker ein zentrales Einfallstor für Staatsversagen in Demokratien sehen, aber seine Ausführungen decken sich mit deren Einsichten.

Auf den Versuch, alle Einzelbeiträge zu diskutieren, muss hier verzichtet werden. Aber es kann den Lesern mit wenig ökonomischen Vorkenntnissen empfohlen werden, zuerst die kürzeren Beiträge aus Publikumszeitschriften zu lesen und dann die systematischen Teile des Buches. Das wird den Zugang erleichtern.

Online erschienen: 2025-10-30

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 17.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/ordo-2025-2039/html
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