Home Nietzsche als Kirchenvater des 21. Jahrhunderts?
Article Open Access

Nietzsche als Kirchenvater des 21. Jahrhunderts?

  • Alexander Dietz EMAIL logo
Published/Copyright: May 29, 2025
Nietzsche-Studien
From the journal Nietzsche-Studien

Abstract

Nietzsche as a Twenty-First-Century Church Father? The first section, “Nietzsche as a Theologian,” reflects on whether Nietzsche can be described as a theologian and which theological positions he represented (image of God, ethics, Christology, soteriology). The second section, “Nietzsche’s Influence on Theology,” presents the reception of Nietzsche in twentieth-century theology, particularly with regard to the concept of truth, the image of God, orientation toward this world, secularization, and anthropology. The third section, “What Theology and the Church Can Learn from Nietzsche Today,” argues that Nietzsche can provide important suggestions for twenty-first-century theology, especially with regard to overcoming a purely historicizing approach, regaining competence in the critique of ideology, a necessary critique of moralization, a search for new forms of spirituality, and overcoming trivializing images of God.

1 Nietzsche als Theologe

1.1 Kann Nietzsche als Theologe bezeichnet werden?

Der Beruf Nietzsches war der des Philologen, auch wenn viele seiner damaligen Kollegen bezweifelten, ob man ihn als Philologen betrachten sollte. Die Berufung Nietzsches war die des Philosophen, auch wenn international heute viele Philosophen bezweifeln, ob man ihn als Philosophen betrachten sollte. Und faktisch entsprachen viele seiner thematischen Interessen denen eines Theologen, auch wenn er selbst niemals als Theologe hätte betrachtet werden wollen. Da wir im Blick auf die Themen Aneignung und Vereinnahmung heute sehr sensibel, vielleicht sogar übersensibel sind, empfinden viele die Bezeichnung von Nietzsche als Theologen vermutlich als problematisch. Doch soll hier weder behauptet werden, dass er nur Theologe und nicht noch vieles andere gewesen sei, noch dass diese Einordnung seiner Person angemessener oder wichtiger als andere sei, noch dass man ihn so interpretieren oder bezeichnen müsse. Wenn wir (gegenstandsbezogen) Personen als Theologen bezeichnen, die sich intensiv und auf hohem Reflexionsniveau mit Themen wie Gott, dem Verhältnis von Gott und Mensch, Jesus Christus, der Interpretation biblischer Überlieferung, der Reformation oder christlicher Ethik beschäftigen, dann passt die Bezeichnung nicht weniger auf Nietzsche als auf viele heutige theologische Lehrstuhlinhaber. Wenn wir (funktionsbezogen) Personen als Theologen bezeichnen, deren Reflexionen das Potenzial besitzen, für Kirche und Christen Anregungen und hilfreiche Orientierung zu bieten, dann passt die Bezeichnung auch nicht weniger auf Nietzsche als auf viele heutige theologische Lehrstuhlinhaber. Und wenn wir (perspektivbezogen) Personen als Theologen bezeichnen, die aus der Perspektive des Glaubens heraus reflektieren, dann passt die Bezeichnung ebenfalls nicht unbedingt weniger auf den mit existenzieller Ernsthaftigkeit um Antworten ringenden Nietzsche als auf viele heutige theologische Lehrstuhlinhaber. Jürgen Moltmann bemerkt zu Recht: „Ist nicht auch jeder Ungläubige, der sich bei seinem Atheismus und seiner Entscheidung zum Unglauben etwas denkt, ein Theologe?“[1]

Von seinem Selbstverständnis her war Nietzsche zweifellos weder Theologe noch Christ. Er polemisierte vielmehr scharf gegen Theologen und gegen das Christentum, wobei ihm gleichzeitig die Furcht vor christlicher Heiligsprechung bezeichnenderweise als nicht abwegig erschien.[2] Denn er wusste, dass seine Polemik frömmer ist, als es scheint,[3] dass sie Ausdruck einer besonderen Verbundenheit mit dem Angegriffenen ist[4] und dass er als „Teufel“ mitunter zum „Advokat Gottes“ (Nachlass 1882, 3[1], KSA 10.55) wird. Nietzsche gestand sich selbst sein „nicht-fertig-werden mit dem Christenthum“ (Nachlass 1885/86, 2[208], KSA 12.169) ein sowie seinen Wunsch, dass sich herausstellen möge, er könnte in allen Punkten Unrecht gehabt haben.[5] Immer wieder wurde zurecht darauf verwiesen, dass sich die Intensität von Nietzsches Hass auf das Christentum nur als Resultat eines biographisch bedingten inneren Kampfes bzw. im Sinne „enttäuschter und umgeschlagener Liebe“[6] erklären lasse. Der bibelfeste Pfarrerssohn wurde von seiner Mutter und seinen Tanten pietistisch-engstirnig erzogen. „Der kleine Pastor“,[7] wie er von seinen Mitschülern aufgrund seines Auftretens genannt wurde, schrieb als Jugendlicher noch fromme Abhandlungen und Gedichte und begann sogar noch ein Theologiestudium. Seinen Glauben verlor er in einem längeren Prozess, in dem die Lektüre Ludwig Feuerbachs und Arthur Schopenhauers ebenso eine Rolle spielten wie die als intellektuell unredlich empfundene zeitgenössische Schultheologie. Nachdem die Beschäftigung mit religiösen Fragen in Nietzsches Baseler Zeit für zehn Jahre vollkommen in den Hintergrund getreten war, brach sie sich in seiner Zeit als freier Philosoph wieder umso stärker Bahn und steigerte sich „bis zur Besessenheit“.[8] Nietzsche stand während seines Lebens im Dialog mit mehreren Theologen, aber am meisten beeinflusste ihn sein langjähriger Freund und Zimmernachbar, der Neutestamentler Franz Overbeck. Durch die Gespräche mit diesem wurde Nietzsches Interesse an theologischen Fragen neu entfacht, und Nietzsches Christentumskritik lässt deutlich die Handschrift Overbecks erkennen. Der später von Karl Barth geschätzte Overbeck übte scharfe Kritik an der Theologie seiner Zeit, die er als selbstgefällig und zeitgeisthörig empfand und die seines Erachtens nichts mehr mit dem neutestamentlichen Christentum zu tun hatte.[9]

Nach seiner Vertrauten Lou Andreas-Salomé war Nietzsche ein tiefreligiöser Mensch, der seit dem Verlust seines Jugendglaubens seine religiöse Sehnsucht zeitlebens in seiner Philosophie zu befriedigen suchte.[10] In diesem Sinne blieb er stets der von seinem religiösen Elternhaus geprägte, „in theologischen Bahnen denkende Atheist“ mit „theologischem Koordinatensystem“.[11] Nietzsche redete nur selten explizit „als Theologe“ (EH, JGB 2), dafür umso öfter als Verkündiger eines neuen Evangeliums[12] bzw. einer „neuen atheistischen Religion“,[13] als Verfasser eines „neue[n] „heilige[n] Buch[es]““ (Brief an Malwida von Meysenbug, 20. April 1883, Nr. 404, KSB 6.363) mit dem Anspruch, in Form und Sprache die „Heilsbotschaft Jesu gleichzeitig zu parodieren und imitatorisch zu überbieten.“[14] Nietzsche war von seinem Selbstverständnis her sicherlich kein heimlicher Christ. Aber er dürfte in seinem Denken stärker vom Christentum und vor allem auch von Martin Luther geprägt gewesen sein, als ihm bewusst war. Der hohe ethische Anspruch, die Deutung von Härte als Liebe, die Vorstellung vom verborgenen Gott, das pessimistische Menschenbild, die Möglichkeit einer weltgeschichtlichen Totalvision und der Wille zur unbedingten Wahrhaftigkeit sind nur einige Belege für die Thesen, dass Nietzsche „nur auf dem Boden der deutschen Reformation erwachsen konnte“[15] und dass sein Kampf gegen das Christentum aus letztlich christlichen Antrieben erfolgte.[16] Karl Jaspers trägt in diesem Zusammenhang diverse positive Aussagen Nietzsches zu aufrichtig gelebtem Christentum, Bibelfrömmigkeit, durchgeistigten Priestern und der kirchlichen Institution zusammen, die eine differenzierte Wahrnehmung der widerspruchsvollen und sich wandelnden Position Nietzsches unumgänglich machen.[17] Von daher ist es nachvollziehbar, dass Nietzsche immer wieder aus christlicher Perspektive etwas einseitig (gegen dessen Selbstverständnis) interpretiert werden konnte als Wiederentdecker der eigentlichen christlichen Botschaft, der zugleich berechtigte Kritik an Missständen der pervertierten Kirche des 19. Jahrhunderts übte. In diesem Sinne wurde Nietzsche als „Erzieher zum Christentum“ (Hans Gallwitz), „Lehrer einer imitatio Christi“ (Ernst Benz), „letzter großer Prophet der christlichen Welt“ (Georg Picht), „frommer Atheist“ (Martin Teske) oder „verborgener Erneuerer“ (Eugen Biser) bezeichnet.[18] Nietzsches Philosophie war natürlich kein Ausdruck christlichen Glaubens, gleichwohl kann christliche Theologie von ihr lernen, so wie sie in der gesamten Kirchengeschichte stets ihr Profil am Widerspruch ihrer Kritiker geschärft hat, von der Kanonbildung als Reaktion auf Marcion über die Dogmenbildung als Reaktion auf neuplatonische Lehren bis zur Entwicklung der historisch-kritischen Methode als Reaktion auf die Aufklärung.[19]

1.2 Was steckt hinter der Rede vom Tod Gottes?

Bereits bei Luther spielte das ursprünglich genuin theologische Motiv des Todes Gottes eine wichtige Rolle. In seiner Kreuzestheologie betonte er, dass, da Jesus Christus nicht nur als wahrer Mensch, sondern auch als wahrer Gott betrachtet werden müsse, das Kreuzesgeschehen als Tod Gottes zu verstehen sei. Davon, dass nicht nur ein Mensch, sondern Gott gestorben ist, hängt in Luthers christologisch begründeter Soteriologie das Heil des Menschen ab.[20] Hegel griff diesen Gedanken auf und stellte ihn in den Mittelpunkt seiner christlich-metaphysischen Geschichtsphilosophie. Der Tod Gottes am Kreuz wurde bei Hegel zum spekulativen Moment der Selbstentäußerung Gottes als absolutem Geist in die Endlichkeit.[21] In Anlehnung an Hegel bezog sich die Gott-ist-tot-Theologie in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in verschiedenen inkarnationstheologischen Varianten wieder auf das Motiv des Todes Gottes. Damit wurde eine Abkehr des Glaubens von transzendenten Bindungen zugunsten einer Konzentration auf sich selbst, auf das Diesseits und auf die Ethik begründet. In ihrem Ansatz der Gott-ist-tot-Theologie interpretierte Dorothee Sölle die Abwesenheit Gottes als eine Weise seines Seins-für-uns. Gott müsse durch Jesus Christus bzw. durch uns vertreten werden.[22] Im Rückgriff auf Luther betonte auch Eberhard Jüngel, dass das Wesen Gottes ohne die Rede vom Tod Gottes nicht verstanden werden könne.[23]

Nietzsches Rede vom Tod Gottes folgte einer grundsätzlich anderen Intention. Er wollte weder theologisch Gottes Wesen beschreiben noch philosophisch Gottes Existenz bestreiten, sondern er wollte schonungslos den Zustand der europäischen Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts beschreiben. Für ihn lag offen zutage, dass die modernen Menschen auf Gott verzichteten, ohne Gott lebten, ihn nicht mehr brauchten, die Welt in ihre eigenen Hände genommen und dadurch Gott faktisch getötet hatten. Entsprechend ist der Gottesgedanke nun leer, das Christentum ist zu Bürgerlichkeit und Moralismus verkümmert und die Kirchen sind zu Grabmälern Gottes geworden.[24] Nietzsches Bewertung dieses Zustandes ist keineswegs eindeutig. Der bekannte Aphorismus Der tolle Mensch wurde im Blick auf seine Grundstimmung mitunter verglichen mit Texten religiöser Autoren, wie Martin Bubers „Gottesfinsternis“ oder alttestamentlichen Klagepsalmen.[25] Aus dem Verlust Gottes folgen zunächst einmal weitreichende Konsequenzen, die Nietzsche klar benennt und in denen sowohl Gefahren als auch Chancen für die Menschen liegen. Ohne Gott steigen die Anforderungen an die Menschen, die nun dazu gezwungen sind, Gottes Stelle einzunehmen, d.h. selbstdiszipliniert einen neuen Menschen hervorzubringen, Werte zu setzen und Sinn zu stiften. Werden die Menschen diesen Anforderungen (noch) nicht gerecht, stürzen sie in Orientierungslosigkeit, Sinnlosigkeit und Verlorenheit, in Nihilismus (wie der tolle Mensch), in kulturellen Zusammenbruch und Barbarei. Mit dieser Risikoanalyse schätzte Nietzsche die Relevanz des christlichen Glaubens für den einzelnen und die Gesellschaft wahrscheinlich höher ein als viele heutige Theologen. Als eigentlichen Zweck verfolgte Nietzsche mit seiner Rede vom Tod Gottes jedoch, die Bahn für eine neue Anthropologie sowie die Erneuerung der Menschheit freizumachen. Es ging ihm um die Chancen, die in der genannten Situationsanalyse liegen, im Sinne eines „heuristischen Prinzips zur Veränderung, Entfesselung und Überwindung des Menschen“[26] bzw. eines „Hoffnungssymbols“.[27] Wenn die Menschen, die bisher alles Gute auf Gott projiziert und sich selbst dadurch abgewertet und zur Passivität verurteilt hätten, sich nun zu ihrem Mord an Gott bekennen und dessen Platz bewusst einnehmen würden, könne ihre Selbstverwirklichung, Lebensbejahung und notwendige Neuausrichtung beginnen.

Ein weiteres, damit zusammenhängendes Motiv für Nietzsches Aussagen zum Tod Gottes stellte sein Kampf gegen die christliche Moral bzw. gegen das, was er für christliche Moral hielt, dar. Für Nietzsche war der christliche Gott das – seines Erachtens von Paulus erfundene – Prinzip einer bestimmten verlogenen, lebensfeindlichen Moral. Er vertrat die These, dass schwache Menschen versuchten, in einem religiösen Denksystem mit Gott an der Spitze eine Möglichkeit zur Verdrängung ihrer Ängste und zur Bewältigung ihres Lebens zu finden. Dies geschehe vor allem durch eine Erklärung der Schwäche mit moralischem Fehlverhalten und die Etablierung eines moralischen Verhaltenskodex als Lösungsangebot.[28] Die christliche Religion mit ihrem Gott steht nach Nietzsche für dieses einflussreiche Moralsystem, das tragischerweise alle inhaltlichen Aspekte vereint, die dem menschlichen Leben zuwiderlaufen. Darum müsse sie im Dienst des Lebens dekonstruiert, d.h. Gott als menschengemacht (und darum sterblich) entlarvt und die Werte, die er verkörpert, durch den nun selbst Verantwortung übernehmenden Menschen umgewertet werden. Zu Recht haben Theologen immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Kritik Nietzsches nicht den Gottesbegriff insgesamt, sondern lediglich eine „Karikatur des biblischen Gottes“ treffe, in der Gott „zum leibfeindlichen, naturfeindlichen Götzen depraviert wurde.“[29] Nietzsche selbst räumte ein, dass „nur der moralische Gott überwunden“ sei, und auch wenn er bezüglich der Frage, ob ein amoralischer Gott sinnvoll denkbar sei, schwankte, hielt er es nicht für ausgeschlossen, dass wir Gott, nachdem er seine moralische Haut abgelegt habe, als einen Gott jenseits von Gut und Böse „bald wiedersehn“ (Nachlass 1882, 3[1], KSA 10.105). Nietzsche führte diesen Gott, der „auch die Seiten der Realität religiös apperzipierbar und gegenwärtig macht, die in der Reduktion Gottes auf einen moralischen Gott ausgeblendet wurden“,[30] in seine spätere Philosophie ein und nannte ihn Dionysos. Anders als in der griechischen Mythologie und anders als in Nietzsches Frühwerk, in dem das Dionysische noch als ästhetischer Rausch und als Gegenelement zum bejahenden Apollinischen definiert wurde, wird Dionysos nun zum Symbol „für das ewig zerstörende und ewig schaffende Leben selbst“,[31] das sich in der menschlichen Selbstbejahung des Willens zum Leben und zur Macht manifestiert. Nietzsches säkulare Theologie versteht Dionysos-Gott metaphysikkritisch und moralkritisch als die „ganze Fülle der Lebensgegensätze in sich drängend und sie in göttlicher Qual erlösend, rechtfertigend: – Gott als das Jenseits, das Oberhalb der erbärmlichen Eckensteher-Moral von „Gut und Böse““ (Nachlass 1887, 10[203], KSA 12.581). Dieser Gott ist ambivalent, widersprüchlich und unverfügbar. Nietzsche „denkt Gott so, dass niemand sich seiner sicher sein kann.“[32]

1.3 Entlarvung christlicher Lieblosigkeit

Nietzsche fasste den Kern des Evangeliums beeindruckend präzise zusammen, um damit zu zeigen, wie weit sich das spätere Christentum davon entfernt habe: „Das wahre Leben, das ewige Leben ist gefunden – es wird nicht verheissen, es ist da, es ist in euch: als Leben in der Liebe, in der Liebe ohne Abzug und Ausschluss, ohne Distanz. Jeder ist das Kind Gottes“ (AC 29). Mit bekanntermaßen scharfer psychologischer Beobachtungsgabe und in einer gewissen Nähe zu den Vorwürfen, die bereits antike Philosophen gegen das Christentum erhoben hatten,[33] formulierte Nietzsche im Blick auf verschiedene Facetten seinen Vorwurf der Unglaubwürdigkeit gegen die Christen seiner Zeit. Dem ursprünglich christlichen Ideal der sich hingebenden reinen Liebe, bei dem Nietzsche für sein eigenes Übermensch-Ethos „verschwiegene Anleihen“[34] gemacht hatte, wurden die Christen, denen er begegnet war, alles andere als gerecht. Im Geist der neutestamentlichen Pharisäer-Kritik Jesu, wie Dietrich Bonhoeffer mit Sympathie feststellte,[35] entlarvte Nietzsche das Handeln, das aus angeblicher Nächstenliebe erfolgt, als selbstgerecht-heuchlerische Flucht vor sich selbst.[36] Im Handeln aus Mitleid und Barmherzigkeit erkannte er, ganz im Sinne neuerer Perspektiven in der Ethik der Sozialen Arbeit, schamlos-beschämende Zudringlichkeit und paternalistische Machtdemonstration.[37] Vermeintlich aufopferungsvolles Handeln geschieht nach Nietzsche niemals intentionslos, sondern aus dem Wunsch heraus, sich ein Machtgefühl, das „Glück der „kleinsten Überlegenheit““ (GM III 18) zu verschaffen. Insofern, so Nietzsche, verraten die dekadent und moralistisch gewordenen Christen die von Jesus Christus in der Passion vorgelebte nicht richtende, jeden freisprechende große Liebe[38] zugunsten einer sauertöpfischen, heuchlerischen kleinen Liebe. Sie projizierten außerdem diese kleine Liebe auf ihre Vorstellung von Gott, der auf unerwiderte Liebe kleinlich mit Zorn reagiert und den sie richten lassen, um dadurch selber zu richten.[39] Diesen allzu berechtigten Anfragen an Liebesvorstellungen sowie Liebespraxis müssen sich Theologie und Kirche damals wie heute stellen.

1.4 Der Anspruch der Wiederentdeckung des wahren Jesus

Nietzsche war nicht der Erste und nicht der Letzte, der für sich beanspruchte, eine authentischere Deutung der Person Jesu zu vertreten als der jeweils herrschende theologische Mainstream. Er war in dieser Hinsicht stark geprägt von verschiedenen Theologen des 19. Jahrhunderts. Die Vorstellung, dass Jesus ein einfaches Evangelium vertreten und Paulus daraus ein dogmatisches Konstrukt gemacht habe, das von der Kirche übernommen worden sei, obwohl es kaum noch etwas mit der ursprünglichen Botschaft zu tun gehabt hätte, war damals weit verbreitet (teilweise mit antijudaistischen Implikationen), beispielsweise durch Ferdinand Christian Baur, Paul de Lagarde oder Hermann Lüdemann (dessen Buch Overbeck Nietzsche geschenkt hatte).[40] Der zunächst von Nietzsche hoch geschätzte David Friedrich Strauß hatte die historisch-kritische Methode auf das Leben Jesu angewandt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die gegenwärtigen Christen nicht mehr in der eigentlichen Tradition Jesu stünden. Auch Nietzsches Freund Overbeck vertrat in seinem Werk Über die Christlichkeit unserer Theologie (1873) die These, dass das echte Christentum eine in der Antike aufblühende und wieder verwelkende Religion gewesen sei, von der heutige Christen nur noch den Namen trügen.[41] Ganz in diesem Sinne deutete Nietzsche den historischen Jesus auf seine (im Blick auf die Quellen etwas einseitige) Weise als weltfremden, aber wahrhaftigen Pazifisten, der seine Einsichten in die distanzlose Einheit von Gott und Mensch, in die Überwindung aller Gegensätze und in das Obsoletwerden richtender Moral konsequent in seine Lebenspraxis umgesetzt habe. Seine Religion sei eine Religion der Innerlichkeit gewesen, der es darum gegangen sei, durch eine Lebensweise der reinen Liebe das Gefühl der Seligkeit zu erringen, ohne dass man sich für die äußere Welt (geschweige denn für eine jenseitige Welt) noch interessieren würde (und ihr entsprechend auch keinen Widerstand mehr leiste).[42] Transzendente Begriffe in der jesuanischen Botschaft seien rein symbolisch zu verstehen.[43]

Der eigentliche Stifter der christlichen Religion im späteren Sinne war Nietzsche zufolge Paulus. Dabei habe dieser Jesu Botschaft in ihr Gegenteil verkehrt. Er habe den Schwerpunkt von der mystisch-diesseitigen Lebenspraxis zu einem absurden kopflastigen Jenseitsglauben verschoben, von der individuellen Gotteskindschaft und lebensbejahenden Selbsterlösungs-Praxis zur abstrakten, lebensverneinenden Sünden- und Erlösungslehre.[44] „Auf dem Rücken dieser Verfälschung entstand die christliche Gemeinschaft, an deren Spitze sich eine Priester-Kaste etablierte, die durch die moralinhaltige Implementierung spezifischer Dogmen […] ihren Machtgehalt garantierte.“[45] Während Jesus nach Nietzsche der Vernichter der Moral habe sein wollen, habe Paulus durch seine (angeblich in jüdisch-gesetzlichen Vorstellungen verwurzelte) Umdeutung die Voraussetzungen für eine Moralisierung geschaffen.[46] Unter völliger Verkennung der (eigentlich moralisierungskritischen und lebensbejahenden) paulinischen und später lutherischen Rechtfertigungslehre ließ Nietzsche weder ein gutes Haar an Paulus noch an Luther, denen er gleichermaßen Ressentiment gegenüber nach Höherem strebenden Menschen aufgrund des eigenen Scheiterns als Motiv für ihre Theologie unterstellte.[47] Während der frühe Nietzsche Luther noch als komponierenden und sprachgewaltigen Helden geschätzt hatte, sah der späte Nietzsche in ihm – unter dem Einfluss des katholischen Historikers Johannes Janssen – nur noch einen rüpelhaften Bauern.[48]

Eugen Biser charakterisiert Nietzsches kompliziertes (und in seinen Werkphasen keineswegs statisches) Verhältnis zu Jesus treffend als „insgeheim bejahende Verneinung“.[49] Offensichtlich hatte Nietzsche infolge seiner religiösen Erziehung ein grundsätzlich positives Jesusbild verinnerlicht, was ihn dazu brachte, einen Gegensatz zwischen Jesus und dem Christentum zu konstruieren, um Jesus aus seiner radikalen Christentumskritik heraushalten zu können. Auch seine Vorstellung von Jesus als einem schwächlich-erdenfremden, passiv duldenden jungen Mann war spürbar geprägt von pietistischer Frömmigkeit, wie sie in Nietzsches Familie weitergegeben wurde.[50] Nietzsche konnte Jesus direkt als „edelsten Menschen“ (MA I 475) oder „„freien Geist““ (AC 32) und indirekt als Vorbild für den Übermenschen bezeichnen.[51] Jesus war für Nietzsche die Inkarnation seines Ideals uneingeschränkter Lebensbejahung,[52] er machte ihn zum Kronzeugen für seinen Amoralismus und für seine Kritik am degenerierten Christentum. Er betonte, dass das „echte, das ursprüngliche Christenthum zu allen Zeiten möglich sein“ würde (AC 39), und identifizierte sich punktuell sogar mit Jesus.[53]

Auf der anderen Seite grenzte sich Nietzsche wiederum entschieden von Jesus ab. Jesu Lebenspraxis sei nämlich auch ein Ausdruck eines abzulehnenden dekadenten Menschentypus, der sich unheroisch selbst zugrunde richte. Jesus habe „die grössten Mängel und Voreingenommenheiten“ (MA II, WS 83) gehabt und die individuelle Entwicklung von Menschen behindert, indem er ihnen seinen eigenen persönlichen Weg nahegelegt habe.[54] Seine Selbstentäußerung (theologisch: Kenosis) sei ein Fehlgriff gewesen, da er (als freiwilliger Bettler) seinen Reichtum an Unwürdige verschleudert habe. Dies sei ein Ausdruck von lebensfeindlichem Nihilismus gewesen.[55] In Nietzsches ambivalentem Verhältnis zu Jesus und in seiner in dieser Form fragwürdigen Trennung von jesuanischem und paulinischem Christentum spiegeln sich grundlegende Missverständnisse im Blick auf christliche Theologie, die es nahelegen, seine christentumskritischen Aussagen theologisch differenzierter zu betrachten.

1.5 Vitalistische Soteriologie

Nietzsche ging – in großer Nähe zur lutherischen Erbsündenlehre – davon aus, dass die Welt und die Menschen sich in einem Zustand fundamentaler Erlösungsbedürftigkeit befänden (den er freilich selbst nicht so bezeichnet hätte).[56] Sie müssten erlöst werden von Sinnlosigkeit, Nihilismus, Ekel, Trübsal, Verblendung und Selbstentfremdung. Nietzsches Menschenbild ist pessimistisch: Selbst das Beste am Menschen sei noch „Armuth und Schmutz, und ein erbärmliches Behagen“ (Za I, Zarathustra’s Vorrede 3). Die Willensfreiheit und die Kontrollierbarkeit der Handlungsfolgen werden verneint (mit Luther), ebenso die Schuldfähigkeit (gegen Luther). „Die ausstehende Erlösung ist nicht in einem System zu vermitteln; […] sie ist das nie abschließbare Werk von Individuen“[57] und sie liegt, so Nietzsche, im Ja zum Leben. Weil das Leben jedoch zerstörerisch, grausam und hässlich sei, sei diese Lebensbejahung schwer und ein Ausdruck großer Tapferkeit – das wusste niemand besser als der zeitlebens kranke Nietzsche. Hier ist er beeinflusst von der Tugendethik der antiken Philosophie. Der Vitalismus, der im Leben den höchsten Wert und das Ziel unseres Daseins sieht (beinahe im Sinne einer neuen Religion bzw. Metaphysik),[58] ist der Kern der Philosophie Nietzsches.[59] Im Willen zum Leben liegen für Nietzsche die Bestimmung der Welt und der Menschen, die Überwindung des Selbstwiderspruchs und die Selbstrechtfertigung der Natur. Mit seiner Rede vom Willen zur Macht möchte Nietzsche nicht, wie gelegentlich unterstellt, zur rücksichtslosen Unterdrückung anderer auffordern, sondern den Charakter des Daseins beschreiben. Letztlich handelt es sich nur um eine andere Formulierung für den Willen zum Leben.[60] Aus Nietzsches Bejahung des Willens zur Macht folgt für ihn eine Kritik am Gottesglauben, da die Menschen ihren Machtwillen aus Feigheit auf Gott projiziert hätten und dieser Machtwille infolgedessen verneint und gelähmt werde.[61]

Aus Nietzsches (moralischem) Plädoyer für das Leben und für eine Überwindung der Selbstentfremdung resultiert sein Kampf gegen die christliche Moral, die seines Erachtens lebensfeindlich ist und den Menschen mit sich selbst entzweit, indem sie „einen Widerspruch in das Dasein hineininterpretiert“.[62] Nach Nietzsches – exegetisch sehr einseitiger und unsachgemäßer,[63] aber im Blick auf die kirchliche Verkündigung seiner Zeit nachvollziehbarer – Interpretation der christlichen Moral führen die Jenseitshoffnung und die durch die Sündenlehre verursachte Gewissenslast zu einer Abwertung des diesseitigen Lebens, des Leibes und der natürlichen Triebe. Die Vorstellung der Sünde reiße (als priesterliches Machtmittel) eine Kluft zwischen Gott und Mensch auf und befördere selbstzerstörerische Impulse. Nietzsche setzte dagegen neue vitalistische Werte. Dabei unterlief ihm allerdings eine gefährliche Einschränkung im Blick auf die umfassende Lebensbejahung, indem er schwaches Leben gegenüber starkem abwertete.[64] Nietzsche übte eine bedenkenswerte Kritik an einer oberflächlich-weichen Moralpredigt, der er nicht zutraute, ethisch angemessene Antworten auf die Herausforderungen der modernen Welt zu liefern.[65] Indem der Mensch, innerlich angetrieben vom Willen zur Macht, die vermeintlichen Versuchungen der christlich(-platonisch)en Jenseitsvorstellung und Moral besiegt, bewusst die Rolle Gottes einnimmt, schöpferisch den Nihilismus bezwingt und diesseitsorientiert und fröhlich zur Lebens- und Selbstbejahung gelangt, überwindet er nach Nietzsche seine Selbstentfremdung und wird (Nietzsche griff hier auf die berühmte Formulierung Pindars zurück) zu dem, der er eigentlich schon ist.[66] Dieser nicht abschließbare Prozess der Entfaltung bzw. Selbsterlösung des uneingeschränkt über sich verfügenden Menschen wird von Nietzsche mit der (ironischen)[67] Metapher „Übermensch“ bezeichnet. In der an dieser Stelle sichtbar werdenden Gefahr eines Omnipotenzwahns des Menschen liegt wahrscheinlich, wie auch schon Barth feststellte,[68] die größte Spannung zwischen Nietzsches radikal humanistischem Ansatz und einem klassischen christlichen Wirklichkeitsverständnis. Immerhin kommt der Begriff des Übermenschen – in Anlehnung an neutestamentliche Aussagen zur Seinssteigerung des Menschen (beispielsweise 1Joh 3,2) – bereits Jahrhunderte vorher bei theologischen Autoren vor. Dort allerdings wird diese „Seinssteigerung als Aspekt des Glaubens [gedeutet], die dem Menschen erst durch die Anerkennung der Gotteskindschaft zukommt, während Nietzsche sie als selbstreflexives Moment menschlicher Entwicklung begreift.“[69] Ein zentrales Fundament des Lebens ist nach Nietzsche die Selbstüberwindung. Mittels des Gedankenexperiments der „ewigen Wiederkunft des Gleichen“ könne ein Mensch, so Nietzsche, erkennen, wie weit seine Selbstüberwindung bzw. Selbsterlösung bereits gediehen ist.

2 Nietzsches Einfluss auf die Theologie

Noch zu Nietzsches Lebzeiten erschien eine umfangreiche theologische Traktatenliteratur, die entweder das Christentum gegen ihn verteidigen oder seine Gedanken als konstruktive Anregungen für die christliche Verkündigung nutzen wollte. Im 20. Jahrhundert begann eine intensive Beschäftigung auch der wissenschaftlichen Theologie mit Nietzsche, die im Bereich des Protestantismus von Beginn an und im Bereich des Katholizismus seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg überwiegend in eher wohlwollender Perspektive erfolgte. Nach Peter Köster ist Nietzsche „in der Theologie des 20. Jahrhunderts immer auf irgendeine Weise präsent.“[70] Mehrere einflussreiche Theologen hatten ein regelrechtes Nietzsche-Erlebnis. Albert Schweitzer ließ sich vom Gedanken der Lebens- und Selbstbejahung inspirieren im Blick auf seine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Barth knüpfte in der bahnbrechenden zweiten Fassung seiner Auslegung des Römerbriefs im Blick auf seine Hermeneutik an Nietzsches Historismus-Kritik und im Blick auf seine Neuformulierung theologischer Ethik an Nietzsches Moralkritik an. Der frühe Bonhoeffer war von Nietzsche begeistert und forderte eine christliche Botschaft bzw. Ethik „jenseits von Gut und Böse“.[71] Der späte Bonhoeffer hatte ein differenziertes Verhältnis zu Nietzsche, aber hinter seiner Forderung nach einer Loslösung von der Metaphysik („Lückenbüßer-Gott“) zugunsten einer „religionslos“ heroisch-diesseitig („mitten im Leben“) ausgerichteten Theologie lässt sich Nietzsches Einfluss deutlich erkennen.[72] Paul Tillichs Forderung nach einer grundlegend neuen Dogmatik ist beeinflusst von Nietzsches Kulturkritik, sein neues Gottesverständnis und sein „Mut zum Sein“-Gedanke stehen unter dem Eindruck von Nietzsches Lebensbegriff sowie Dionysos-Konzept.[73] Die bereits erwähnte Gott-ist-tot-Theologie der sechziger Jahre (Gabriel Vahanian, Sölle) wurde sogar nach einem Nietzsche-Zitat benannt. In den letzten Jahrzehnten wurde die theologische Nietzsche-Rezeption differenzierter und spezialisierter. Falk Wagner macht die Religionskritik Nietzsches fruchtbar für eine theologische Reflexion des religiösen Bewusstseins, Jörg Lauster erklärt Verfallserscheinungen der Religion mit Nietzsches Aufklärungskritik und Christian Danz untersucht Nietzsches Bedeutung für die neuzeitliche Kritik am Gottesbegriff.[74] Zuletzt erschienen diverse theologische Monographien und Sammelbände zu Nietzsche.[75]

2.1 Abschied von einer objektivistischen Wahrheitsvorstellung

Nietzsche kritisierte ein platonisches Metaphysik-Verständnis, das auch dem Christentum zugrunde liege,[76] nach dem neben der erfahrbaren Welt einer zweiten geistigen Welt eine eigene objektive Realität und Wahrheit zukomme und nach dem der Mensch die Möglichkeit habe, ein weltumspannendes Sinnganzes, auch im Blick auf Moral, zu erkennen und festzuschreiben. Nietzsches Erkenntnistheorie geht demgegenüber davon aus, dass es nur eine einzige Welt gebe, und zwar eine Welt, die sich im Werden befinde und in der sich keine ewigen Wahrheiten, sondern nur relative, historisch entstandene Kulturprodukte fänden, die der Mensch zudem nicht objektiv, sondern nur subjektiv und perspektivisch erkennen könne (ohne dass es so etwas wie eine Zentralperspektive gäbe). Die Frage „Was ist das?“ müsse durch die Frage „Was ist das für mich?“ ersetzt werden. Wahrheit gebe es nur im Modus der existenziellen Selbstaneignung. Wenn es eine metaphysische Welt oder eine objektive Wahrheit geben würde, dann wäre sie für uns „gleichgültig“ (UB II, HL 6, KSA 1.288) und ginge uns nichts an.

Die Theologie des 20. Jahrhunderts hat – so wie die anderen Geisteswissenschaften – diesen Abschied von einer objektivistischen Wahrheitsvorstellung weitgehend mitvollzogen. Die religionsgeschichtliche Schule betonte (beispielsweise bei Ernst Troeltsch in kritischer Auseinandersetzung mit Nietzsche)[77] die Zeitgebundenheit und Relativität aller historischen Erscheinungen religiöser Überzeugungen und Werte. Barth wiederum bezog sich auf Nietzsches Kritik am Objektivitätsgebot, als er sich von einer historistisch orientierten Theologie abgrenzte. Rudolf Bultmann ging in seinem einflussreichen hermeneutischen Ansatz der existentialen Interpretation biblischer Texte davon aus, dass Glauben und Verstehen untrennbar zusammengehören. Wie Nietzsche vertrat auch Bultmann die Sichtweise, dass Erkenntnis und Wahrheit immer mit konkreter, subjektiver menschlicher Existenz zu tun hätten: „Ein theologischer Satz ist also nicht um deswillen wahr, weil er einen zeitlos gültigen Gehalt ausspricht, sondern er ist dann wahr, wenn er die Antwort gibt auf die Frage der jeweiligen konkreten Situation, zu der er, der Satz selbst, als ausgesprochener gehört.“[78] Ein theoretisch gedachter, objektiver Gott sei ein Götze, nur der subjektiv geglaubte Gott sei tatsächlich Gott. Dass Wahrheit personal bzw. relational gedacht werden müsse, wurde zu einem Gemeinplatz in der Theologie. Beispielsweise ist nach Sölle „das Verifikationskriterium jedes theologischen Satzes […] die zukünftig ermöglichte Praxis“, Wilfried Härle empfiehlt der Theologie einen radikalen Richtungswechsel hin zu einer relationalen Erkenntnistheorie und Ontologie und Ingolf Dalferth konstatiert: „Wahrheit muss uns in der Gebrochenheit eines Wie, einer Ausdrucks- und Manifestationsgestalt gegeben sein, um für unser Leben fruchtbar werden zu können: Nur so kann sie zur Wahrheit für mich, für uns werden – und nur so ist sie lebensdienlich.“[79]

Dabei beziehen sich Theologen zur Begründung wahlweise auf biblische Traditionen (beispielsweise Joh 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ bzw. Verweis auf einen spezifisch hebräisch-biblischen Vernunftbegriff), auf Luther (beispielsweise „Glaubst du einen zürnenden Gott, so hast du einen zürnenden Gott; glaubst du einen gnädigen, so hast du einen gnädigen“),[80] auf aufklärerische Bescheidenheits- und Toleranzforderungen oder auf eine im Wesen des christlichen Glauben selbst liegende Pluralismusaffinität. Hans-Günther Heimbrock fasst den aktuellen Stand theologischer Reflexion christlicher Wahrheitserfahrung folgendermaßen zusammen: Christlicher Glaube sei „nicht auf theoretische Wahrheit gerichtet“, sondern auf „lebensbedeutsame Wahrheit“. Jesus Christus sei die lebendige „Wahrheit-für-mich“. Eine „moderne, nach-metaphysische“ Theologie verstehe Wahrheit nicht mehr statisch, sondern als individuelles prozesshaftes Ereignis. Wahrheit könne „immer nur (vorläufiges) Resultat eines Verständigungsprozesses sein“, und die Wahrheitsansprüche anderer Religionen seien zu achten.[81] In den letzten Jahren gewinnt – entgegen den Positionen Nietzsches[82] sowie der genannten Theologen – unter dem Einfluss eines radikalen Konstruktivismus sowie identitätspolitischer Weltanschauungen eine relativistische Wahrheitsauffassung auch in der Theologie an Zuspruch, die nicht bei Perspektivismus und Vorläufigkeits-Bewusstsein stehenbleibt, sondern Wahrheitsansprüche aller Art als obsolet bzw. als vermeintliche Herrschaftsinstrumente „alter weißer Männer“ dekonstruiert. Ein solcher Ansatz macht letztlich nicht nur jede Form von Wissenschaft unmöglich[83] und gefährdet die Demokratie,[84] sondern führt im Sinne Nietzsches auch zu lebensfeindlichem Nihilismus.

2.2 Abschied von einem theistischen Gottesbild

Dem „Gott ist tot“-Diktum Nietzsches lag, wie oben dargelegt, nicht zuletzt die Beobachtung zugrunde, dass der Glaube an einen Gott, wie er von den christlichen Kirchen im 19. Jahrhundert verkündigt wurde, für moderne Menschen zunehmend nicht mehr plausibel erschien. Nietzsche entlarvte dieses Gottesbild als Produkt einer trügerischen Metaphysik, als menschengemachten Götzen sowie als Instrument zur Durchsetzung moralischer Interessen. Damit nahm er eine Denkbewegung vorweg, welche die Theologie im 20. Jahrhundert bewegte und veränderte, bzw. leistete dieser Vorschub. Die meisten bedeutenden Theologen des 20. Jahrhunderts wandten sich von traditionellen theistischen Gottesbildern, damit sind Vorstellungen von Gott als jenseitiger, allmächtiger Person gemeint, ab. Mit seiner Kritik des christlichen Gottesbegriffs, mit der er „den verklammernden Schlussstein aus dem Systemgebäude des Christenglaubens herausbrechen“ wollte, habe Nietzsche, so Eugen Biser, unbeabsichtigt eine Weiterentwicklung der Theologie befördert, durch die der „christliche Glaube und seine Theologie wieder zukunftsfähig gemacht“ worden seien.[85] Nietzsche habe die Theologie vor die berechtigte Frage gestellt, ob ihr bisheriges Gottesbild die „Höhe des von Jesus erreichten und vermittelten Gottesbewusstseins zu halten vermochte“ oder ob es nicht die Vorstellung einer unendlichen Übermacht Gottes vermittelt habe, die den Glauben „in die Bahnen der Weltverneinung zwang.“[86] So habe Nietzsche die Theologie daran erinnert, dass sie nicht am „Gott der Philosophen“ (Blaise Pascal) festhalten, sondern Gott allein durch Jesus Christus erkennen solle.[87] Dass sich die Theologie in ihrer Art und Weise, Gott zu denken, unkritisch auf die (griechische) Metaphysik eingelassen habe, obwohl sie in Jesus Christus eines Besseren belehrt worden sei, wird heute vielfach als zu überwindender Abfall von der wahren biblischen Artikulation der unverfügbaren Transzendenz Gottes betrachtet. Nach Ulrich Willers wird allerdings die Metaphysik hier zu undifferenziert „zum Prügelknaben der Fehlentwicklungen des Christentums“[88] gemacht. Trotz der Grenzen der Vernunft im Blick auf die Erfassung des biblischen Gottes benötigt der Glaube dazu doch auch die Sprache der Metaphysik, wenn er nicht in mystisches Schweigen versinken will.[89]

Durch die metaphysische bzw. theistische Rede von Gott wurde nach Nietzsche Gott zu einem „„Ding an sich““ (AC 17) gemacht. Auch diese kritische Beobachtung fand Widerhall in der Theologie. Der frühe Barth stimmte dem „Schrei des Empörers gegen diesen Gott“ zu, der Entlarvung des vermeintlichen Gottes als „Nicht-Gott“, da ein solches Gottesbild in Wahrheit nur eine „Vermenschlichung Gottes“ sei, die der Selbstrechtfertigung des Menschen diene.[90] Sölle formulierte pointiert: „Niemand kann Gott für sich haben. Der Versuch, Gott für sich haben zu wollen, bestraft sich selbst, indem dann aus Gott eine Ideologie – religiöse Tarnung bestimmter Interessen – wird. Einen Gott, den ‚es gibt‘, kann es nicht geben.“[91] Um Gott nicht weiterhin durch eine metaphysisch-theistische Herangehensweise zu einem Götzen zu machen, brachten viele Theologen alternative Formulierungsvorschläge in den Diskurs ein, wie Gott als „Grund des Seins“ (Tillich), Gott als das „Geheimnis der Welt“ (Jüngel), Gott als die „Wirklichkeit, die Allem seine Bestimmung gibt“ (Härle) oder Gott als „Wahrheitsereignis“ (Dalferth).[92] Eine Theologie, die glaubt, Gott in statische dogmatische Beschreibungen fesseln oder ihn zu einer „Moral-Hypothese“[93] funktionalisieren zu können, ist eine Theologie der Selbstberuhigung. An deren Stelle sollte jedoch eine Theologie treten, die dazu bereit ist, auf beruhigende Götzen zu verzichten, sich beunruhigen zu lassen, sich dem Unverfügbaren, dem Sich-Entziehenden auszusetzen.[94] Götzen- bzw. Ideologiekritik in diesem Sinne ist allerdings nicht nur im Blick auf christliche Gottesvorstellungen zu üben, sondern auch im Blick auf säkulare, diesseitsorientierte Güter und Werte, an die „aufgeklärte“ Menschen ihr Herz hängen.[95]

2.3 Positives Verhältnis zu Diesseits, Leib und Säkularisierung

Nietzsche setzte seinem Bild der christlichen Religion eine alternative säkulare Weltdeutung entgegen, in der das diesseitige Leben an die Stelle Gottes tritt. Sein Appell, der Erde treu zu bleiben,[96] richtete sich gegen eine lebens- und leibfeindliche Metaphysik sowie Moral. In Theologie und Kirche wurden im Verlauf des letzten Jahrhunderts die Distanzierung von Jenseitsorientierung und Leibfeindlichkeit sowie das Bekenntnis zur guten Natur und zu säkularisierter Religiosität zu einer weithin akzeptierten Selbstverständlichkeit. Besonders gut lässt sich dies am Beispiel Bonhoeffers zeigen, dessen theologisches Programm in weiten Teilen geradezu als Versuch interpretiert werden kann, Nietzsche nicht die Losung von der „Treue zur Erde“ zu überlassen, sondern ihm diese zu entwinden und sie theologisch zu begründen.[97] Nach Ralf Frischs kritischer Analyse legt Bonhoeffer dabei „eine nahezu unheimliche Übereinstimmung mit Nietzsches Lebensphilosophie an den Tag.“[98] Bonhoeffer ist der Überzeugung, dass Nietzsche die christliche Botschaft missverstanden habe, indem er sie als jenseitsorientiert deutete. In Wahrheit laute diese Botschaft, dass Gott in seiner Christusoffenbarung mitten im Leben erkannt werden müsse, dass Christus den Menschen in der Mitte seines diesseitigen Lebens fasse und dass der Christ das irdische Leben wie Christus ganz auskosten müsse:[99] „Jesus ruft nicht zu einer neuen Religion auf, sondern zum Leben.“[100] In christlicher Perspektive kann Bonhoeffer nicht wie Nietzsche das Diesseitig-Natürliche gegen die Gnade stark machen, aber er kann die Legitimität des Diesseitig-Natürlichen als des „Vorletzten“ betonen, als der von Gott der gefallenen Welt erhaltenen Gestalt des Lebens, die nicht unter Hinweis auf das Eschaton abgewertet werden dürfe, sondern in die Deutung der göttlichen Verheißung integriert werden müsse.[101]

Auch in Nietzsches mit seiner Aufwertung des Natürlichen verbundenen Kritik an der Kategorie der Sünde sind ihm der Mainstream der kirchlichen Verkündigung und viele Theologen mittlerweile gefolgt. Nach einer in der heutigen Kirche verbreiteten Sichtweise ist die Rede von der Sünde nicht mehr zeitgemäß, zumal sie in der Vergangenheit dazu instrumentalisiert worden sei, Menschen – insbesondere Kindern und Jugendlichen – ein schlechtes Gewissen zu machen, sie kleinzuhalten und zu überwachen, um sie besser beherrschen zu können. Dadurch seien Angst vor Gott statt Vertrauen, Schuldbewusstsein statt Selbstbewusstsein und ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität gefördert worden. Vor dem Hintergrund einer solchen „christlichen Sündenpädagogik“[102] hält beispielsweise Biser Nietzsches Kritik am Sündenbegriff für nachvollziehbar. Klaas Huizing geht in seinem vielbeachteten Buch Schluss mit Sünde! von 2017 noch einen Schritt weiter und fordert in der Theologie einen gänzlichen Verzicht auf den Sündenbegriff, stattdessen solle lieber von therapierbarer Scham gesprochen werden.[103] Hier besteht allerdings die Gefahr, wesentliche theologische Grundeinsichten über die selbstentfremdete Grundsituation des Menschen aus dem Blick zu verlieren, die Nietzsche demgegenüber, wenn auch unter Verwendung anderer Begriffe, klarer sah. Barth wiederum stimmte Nietzsches Kritik an der kirchlichen Rede von der Sünde mit der Begründung zu, dass der übliche „Sündenjammer“[104] die radikale Fragwürdigkeit menschlicher Existenz, um die es bei dieser theologischen Kategorie eigentlich gehe, eher verschleiere.

Auch Nietzsches Vorwurf der Leibfeindlichkeit des Christentums stößt seit vielen Jahrzehnten in Kirche und Theologie auf Resonanz und Bereitschaft zur Selbstkorrektur. In der Regel wird betont, dass die ursprüngliche biblische Anthropologie und Ethik nicht leibfeindlich gewesen, aber in der frühen Kirchengeschichte über Gnostizismus, Manichäismus und Neuplatonismus dualistische, leibfeindliche Sichtweisen in das Christentum eingedrungen seien. Daher sei die Leibfeindlichkeit (und in deren Folge auch die Sexualitätsfeindlichkeit) ein nicht zu leugnendes Phänomen des historischen Christentums gewesen. Kritiker wie Nietzsche hätten nun der Kirche und Theologie dabei geholfen, ihre ursprünglichen Traditionen wiederzuentdecken, die sich in Begriffen wie dem monistischen biblischen Menschenbild, dem biblischen Gottesbild, nach dem Gott der Inbegriff des Lebens sei, der Fleischwerdung Gottes, der Vorstellung von der leiblichen Auferstehung sowie vom Leib als dem Tempel des Heiligen Geistes fassen ließen.[105]

Insbesondere die Frage nach der unsterblichen Seele wurde in diesem Zusammenhang zum innertheologisch intensiv diskutierten Thema. Ganz im Sinne von Nietzsches Postulaten „Leib bin ich ganz und gar, und Nichts ausserdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe“ (Za I, Von den Verächtern des Leibes) sowie „Wer glaubt noch an eine Unsterblichkeit der Seele!“ (Nachlass 1875, 3[76], KSA 8.38) schloss sich die evangelische Theologie im 20. Jahrhundert weitgehend der sogenannten Ganztodtheorie an. Danach müsse die Vorstellung einer unsterblichen Seele in dualistisch(-wertender) Abgrenzung zum sterblichen Körper als dem ursprünglichen christlichen Menschenbild widersprechend aufgegeben und durch die angemesseneren Vorstellungen von Ganztod und leiblicher Auferstehung ersetzt werden. Meist beziehen sich die Vertreter dieses Ansatzes auf die Bibel, das Apostolikum oder Luther. Einzelne Theologen, die diesen Ansatz kritisieren, verweisen unter anderem auf dogmatische Probleme im Blick auf die individuell-personale Kontinuität sowie auf vernachlässigte biblische, vor allem neutestamentliche Vorstellungen, die deutlich in eine andere Richtung weisen.[106] Aus der verstärkten theologischen Diesseitsorientierung folgt auch ein verstärktes Bewusstsein für diesseitige Transzendenz. Wiederum ist es Bonhoeffer, der mit seinen Forderungen eines „religionslosen Christentums“, einer säkularen, „weltlichen Rede von Gott“ und einer „nichtreligiösen Interpretation biblischer Begriffe“ hier eine Vorreiterrolle einnimmt.[107] In diesem Sinne ist der Prozess der Säkularisierung nach Bonhoeffer aus christlicher Perspektive nicht zu beklagen, sondern als aus dem Wesen des christlichen (biblischen) Glaubens folgend zu erkennen und zu unterstützen. Dieser Gedanke wurde von Nietzsche vorbereitet[108] und er setzte sich seit Bonhoeffer, Friedrich Gogarten und Tillich in der Theologie durch. Beispielsweise Sölle oder Harvey Cox interpretieren das säkularisierte Christentum im Sinne politischen Engagements, Trutz Rendtorff im Sinne der Prägung gesellschaftlicher Institutionen. In ähnlicher Weise hatte auch schon Nietzsche die These vertreten, dass das Christentum in Liberalismus, Sozialismus und Demokratie weiterlebe.[109]

2.4 Reduktion der Theologie auf Anthropologie und Ethik

„Gott starb: nun wollen wir, – dass der Übermensch lebe“ (Za IV, Vom höheren Menschen 2). Nachdem die Menschen erkannt hätten, dass ihre frühere Gottesvorstellung lediglich dazu gedient habe, ihre eigene Feigheit und Faulheit zu legitimieren,[110] so Nietzsche, könne nun der Übermensch die Rolle Gottes übernehmen, d.h. in seiner schöpferischen, souveränen Individualität zum neuen diesseitigen Gott werden. Aus der christlichen Lehre von der Menschwerdung Gottes wird – säkularisiert – die Gottwerdung des Menschen.[111] In diesem Sinne ist Theologie nach Nietzsche (wie schon bei Feuerbach) auf Anthropologie zu reduzieren. Erlösung könne nur noch als menschliche Selbsterlösung im Sinne einer Selbsterhöhung aus eigener Kraft gedacht werden. Damit rückt die Ethik ins Zentrum der Theologie. Der Mensch müsse die alleinige Verantwortung für die Erde übernehmen. Formulierungen, in denen aktuelle umweltethische Appelle der Kirchen verfasst werden, erinnern deutlich an diese Sicht. Dahinter steht die seit der Aufklärungszeit starke theologische Tradition einer Fokussierung auf die Ethik (inklusive einer Ethisierung dogmatischer Inhalte), die gerade auch zu Nietzsches Zeiten einflussreich war und sich heute in relevanten Teilen der Theologie, der kirchlichen Verkündigung und der Religionspädagogik in einer Variante durchgesetzt zu haben scheint, die ganz im Sinne Nietzsches auf Gott verzichten zu können glaubt. Diese „Strömung ist gespeist von der Überzeugung, dass der Mensch die Antwort auf alle Fragen ist, dass Gott allenfalls eine Metapher für eine bestimmte Art von Daseinsbewältigung darstellt.“[112] Sölle spricht in ihrem politisch-theologischen Ansatz davon, dass Menschen den abwesenden Gott vertreten sollen. Auf den Vorwurf einer Reduktion des Christentums auf Ethik antwortet sie selbstbewusst, dass sich das Christentum heute so wie vor 2000 Jahren in einem nie abschließbaren Prozess in Ethik auflösen müsse. Dadurch verschwinde das Christentum allerdings nicht, sondern bleibe in der Bewegung, die Jesus ausgelöst habe. Glaube komme darin zu seinem eigentlichen Wesen.[113]

Natürlich gehört der ethische Anspruch zum christlichen Glauben, wenn auch weder im Sinne einer Voraussetzung für die Erlösung noch im Sinne einer unreflektierten Übernahme moralischer Konventionen. So fordert Barth für Christen – ganz im Sinne Nietzsches – eine transmoralische, individuelle Ethisierung der Existenz.[114] Der frühe Bonhoeffer konnte sogar formulieren, dass Nietzsche in seine Konzeption des Übermenschen „viele Züge des freigewordenen Christen, wie ihn Paulus und Luther beschreiben und kennen, hineingetragen“ habe. Wie der Übermensch solle auch der Christ „neue Tafeln, neue Dekaloge“ schaffen.[115] Horst Georg Pöhlmann gesteht Nietzsche zu, dass er die Theologie daran erinnert habe, dass eine Lehre, „die den Menschen kleinmachen [wolle], um Gott groß zu machen“, wichtige Elemente ihrer eigenen biblischen Tradition vergessen habe, nämlich „dass Gott sich selber in Krippe und Kreuz klein macht, um den Menschen groß zu machen.“[116] Schon seit langem überwiegt jedoch in der Theologie demgegenüber ein eher einseitig optimistisches (sowie radikal individualistisches) Menschenbild („du bist bejaht, weil du so bist, wie du bist“ anstelle von „du bist bejaht, obwohl du so bist, wie du bist“). Die Menschenrechte haben vielfach faktisch die Bibel als norma normans abgelöst.[117] Gerade in der Umweltethik, in der die ambivalenten Folgen der angemaßten Herrschaft des Menschen über die Welt besonders deutlich werden, wird dem Menschen überraschend unbedarft die Aufgabe des Bewahrers der Schöpfung, die in der Theologie traditionellerweise Gott zukam, übertragen.

2.5 Kirchenkritische Konzentration auf einen quasibuddhistischen Jesus

Nach Nietzsche war Jesus nicht göttlich, sein Tod hatte keine Heilsbedeutung, und schon gar nicht habe er eine Religion oder Kirche stiften wollen. Sondern er war „der Anführer einer – quasi-buddhistischen – Friedensbewegung, dessen einziges Glück darin besteht, das Glück auf Erden gefunden zu haben.“[118] Später habe die Kirche zur Wahrung institutioneller Machtinteressen Jesu Lehre ins Gegenteil verkehrt und eine „schrecklich absurde“ und „barbarisch[e]“ Sühnopfertheologie ersonnen (AC 41). Man könne also an der wahren Sache Jesu gar nicht festhalten, ohne gleichzeitig die Kirche und ihre Christologie abzulehnen. Nach Günter Rohrmoser ist es

heute fast Allgemeingut geworden, dass man die Kirche ablehnt, aber an Jesus festhält. […] Die Kirche müsse folgerichtig als Herrschaftskirche verschwinden, damit deren Stelle nun endlich Jesus mit seiner liebevollen Zärtlichkeit einnehmen kann, […] Jesus als der Mann der Zärtlichkeit, als der – wie Buddha – willenlos Meditierende.[119]

Tatsächlich ist die Kirchenbindung der Christen wohl so niedrig wie noch nie, und es scheint auch nur noch ein Bild von Jesus als menschlichem Weisheitslehrer und ethischem Vorbild mehrheitsfähig zu sein. Nach der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von 2023 fühlen sich nur sechs Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder mit ihrer Kirche eng verbunden, und es glaubt nur noch weniger als ein Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder, dass „es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat“.[120] Auch Nietzsches Kritik an der Sühnopfertheologie als Inbegriff eines Glaubens an die Heilsbedeutung Jesu wird seit mehreren Jahrzehnten von theologischer Seite bestätigt. Es war insbesondere die feministische Theologie, die (in ähnlichen Formulierungen wie denen Nietzsches) darauf insistierte, dass das Bild eines Gottes, der das Opfer eines Unschuldigen benötige, um lieben und vergeben zu können, nur als theologisches Missverständnis bewertet werden könne.[121] Viele Theologen argumentieren heute, dass die zentrale Botschaft Jesu von der unbedingten Liebe Gottes einer Deutung seines Todes als Sühnopfer widerspreche. Andere Theologen, wie Härle, halten an der neutestamentlichen Rede vom Sühnopfer als einer Metapher mit bestimmten Wahrheitsmomenten zwar fest, aber betonen, dass sie sorgfältig gegen theologische Missverständnisse abgegrenzt werden müsse, insbesondere gegen solche, bei denen Gott zum Objekt des Versöhnungsgeschehens gemacht wird.[122]

3 Was Theologie und Kirche heute von Nietzsche lernen können

3.1 Überwindung einer historisierenden, relevanzlosen Theologie

Im 17. Jahrhundert prägte Hugo Grotius die berühmte Formulierung „etsi deus non daretur“ im Kontext des Gedankens, dass das Recht auch dann gelte, wenn man rein hypothetisch annähme, dass es Gott nicht gäbe. Durch den Mathematiker Pierre-Simon Laplace wurde diese Formulierung im Sinne eines selbstbewussten Verzichts auf die Gotteshypothese (methodischer Atheismus) zum Bekenntnis aufgeklärter Wissenschaft. Ein großer Teil der Theologen hat seitdem diese Denkvoraussetzung übernommen, um wissenschaftlich ernst genommen zu werden. Bonhoeffer liefert zudem eine theologische Begründung für das Paradigma, indem er proklamiert, dass Gott uns so in der Welt leben lasse, als ob es Gott nicht gäbe.[123] Allerdings stellt der methodische Atheismus nicht nur seinerseits wiederum eine angreifbare metaphysische Position dar,[124] sondern er widerspricht auch dem christlichen Wirklichkeitsverständnis[125] und befördert die „Selbstsäkularisierung“ (Wolfgang Huber) und den Relevanzverlust theologischer Wissenschaft. Infolgedessen wird im 21. Jahrhundert an vielen theologischen Fakultäten faktisch nur noch „historische Religionswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung jüdisch-christlicher Tradition“[126] betrieben. Damit erliegt die Theologie einer Tendenz moderner Wissenschaft, vor der Nietzsche eindringlich gewarnt hat. In Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben (1874) beschrieb er die Gefahren eines historistischen und objektivistischen Ansatzes, der die Vermehrung abstrakten Wissens zum Selbstzweck erhebe, seine Gegenstände (gerade auch die Religion) seziere, bis sie vernichtet seien, und die Menschen empfindungsunfähig und instrumentalisierbar mache.[127]

Bereits zuvor hatte Nietzsche – beeinflusst von Overbecks Kritik an der zeitgenössischen liberalen Theologie – in der ersten seiner Unzeitgemässen Betrachtungen (1873–76) den Theologen David Friedrich Strauß als Verkörperung des „Bildungsphilistertums“ angegriffen. Damit meinte Nietzsche ein oberflächliches Bildungsideal, das gekennzeichnet ist durch Fachidiotentum, Angepasstheit sowie distanzierte Historisierung ohne Lebensbezug:[128] „Ein historisches Phänomen, rein und vollständig erkannt und in ein Erkenntnissphänomen aufgelöst, ist für den, der es erkannt hat, todt“ (UB II, HL 1, KSA 1.257). Demgegenüber soll nach Nietzsche Bildung, gerade auch historische Bildung (die für seine Philosophie eine wichtige Rolle spielte), dem Leben dienen, sonst bestünde sie nur aus „Wiederkäuen“ (UB II, HL 1, KSA 1.250).[129] In mancherlei Hinsicht haben sich Nietzsches Voraussagen für die Theologie realisiert. Ein Übermaß an distanziertem historisch-wissenschaftlichem Pathos hat die christliche Botschaft teilweise aufgelöst und Kirche und Theologie ihre „Mitte“ bzw. ihren „Kompass“ genommen.[130] Das konnte auch die dialektische Theologie nicht verhindern, deren Vertreter sich – teilweise unter expliziter Bezugnahme auf Nietzsche – gegen religiösen Historismus und für einen stärkeren Lebensbezug von Glauben und Theologie einsetzten.[131] Nach Jörg Lauster habe Nietzsche nicht nur „einen beachtlichen Teil der innertheologischen Auseinandersetzungen um die historische Methode vorweggenommen“, sondern er leiste durch seine nach wie vor aktuelle Kritik an „einer platten, säkularisierten Gestalt eines mythologisch bereinigten Restchristentums […] dem Christentum einen größeren Dienst als ihm selbst lieb und seinen theologischen Kritikern recht sein kann.“[132]

3.2 Theologie als Ideologiekritik

An der Frage, vor die uns das erste Gebot stellt, ob ein Mensch, eine Gesellschaft oder eine Kirche ihr Herz an Gott oder an einen Götzen hängen, entscheidet sich aus der Perspektive eines christlichen Wirklichkeitsverständnisses schlechterdings alles. Darum ist Theologie ihrem Wesen nach Ideologiekritik. Ideologien verhindern die Erkenntnis der Wahrheit, beinhalten trügerische Heilsversprechen und setzen Götzen an die Stelle Gottes. Indem die Theologie weltanschauliche Voraussetzungen, Menschenbilder und Heilshoffnungen transparent macht und diese auf ihre Lebensdienlichkeit hin hinterfragt, kann sie eine ideologiekritische Funktion nicht nur für Gläubige und Kirche, sondern auch für Wissenschaft und Gesellschaft erfüllen.[133] Auch Nietzsches Haltung und Anspruch waren leidenschaftlich und kompromisslos ideologiekritisch. Seine Philosophie „beansprucht, eine totale ‚Götzendämmerung‘ herbeizuführen, ohne neue Götzen nur nötig zu haben.“[134] In diesem Sinne kämpfte er gegen intellektuelle Unredlichkeit, Heuchelei sowie autoritäre Denkbegrenzungen. Insbesondere der Theologie warf er vor, Denkverbote bzw. „die Lüge um jeden Preis“ (AC 62) an die Stelle wissenschaftlicher Wahrheitssuche zu setzen, biblische Texte politisch zu instrumentalisieren, sich durch Staatsnähe korrumpieren zu lassen, Argumente und Gründe durch Emotionen zu ersetzen und „unter der Behauptung größter Ehrlichkeit und Offenheit im Hinterstübchen immer schon die richtige Antwort parat zu haben.“[135] Auch wenn Nietzsches Glaubensdefinition, aus der sich seine Entgegensetzung von Glauben und Wissen ergibt, als defizitär bezeichnet werden muss, sollte heutige Theologie sich doch ernsthaft selbst besinnen, ob die Vorwürfe nicht nach wie vor Wahrheitsmomente enthalten. Ist es abwegig, auch in der heutigen Theologie Tendenzen dazu wahrzunehmen, „den Rosenkranz öffentlicher Meinungen […] abzubeten“ (UB I, DS 9, KSA 1.215), eine „(Schein-)Lebendigkeit des unaufhaltsam absterbenden Christentums vorzutäuschen“ oder die unentwegte Suchbewegung durch ein Selbstberuhigungssystem zu ersetzen?[136] Möglicherweise kann die Theologie, wenn sie sich von Nietzsches Wahrheits-Leidenschaft inspirieren lässt und seine Anfragen zum Anlass selbstkritischer Reflexion nimmt, ihre eigene ideologiekritische Rolle wieder glaubhaft wahrnehmen.

3.3 Moralisierungskritik als entscheidender Aspekt des Evangeliums in unserer Zeit

Nietzsches Moralisierungskritik könnte aktueller nicht sein. Moralisierung kann geradezu als das Kennzeichen unserer gesellschaftlichen Gegenwart bezeichnet werden. Von Moralisierung kann gesprochen werden, wenn nahezu alle Handlungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens primär unter moralischen Gesichtspunkten bewertet werden, was (beispielsweise in der Politik oder der Kunst) zur Unterwerfung unter sachfremde Gesichtspunkte führen kann. Wenn unterschiedliche Meinungen einseitig unter moralischen Vorzeichen interpretiert werden, sind sie nicht mehr richtig oder falsch, sondern gut oder böse. Auf diese Weise wird – wie bereits Nietzsche analysierte[137] – Moralisierung einerseits zur selbstgerechten Aufwertung des eigenen Standpunkts und der eigenen Person instrumentalisiert und andererseits zur Machtausübung durch Abwertung und Ausgrenzung Andersdenkender. Bereits seit der Aufklärung wurde Religion programmatisch moralisch gedeutet und Theologie in moralische Kategorien übersetzt. Allerdings stellte die Botschaft von der supramoralischen Liebe und Gnade in der Vergangenheit immer wieder ein inhärentes Korrektiv dar. Anstatt jedoch die – nun gnadenlos gewordene – säkulare Moralisierung zu transzendieren, übernimmt die gegenwärtige Kirche diese und radikalisiert sie sogar noch. Sie setzt „sich an die Spitze des Moralisierungstrends“[138] unter Inkaufnahme der Gefahr, ihre wesentliche Botschaft zu verschleiern oder sogar zu konterkarieren. Darum wirft Hans Joas der Kirche vor, eine reine Moralagentur geworden zu sein, und plädiert dafür, dass die Kirche sich wieder auf ihre eigentliche theologische Bedeutung besinnen sollte.[139] Moralisierung bedeutet theologisch, dass das Gesetz zum Evangelium gemacht wird. Aber Moral kann nicht erlösen. Die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium als Kern reformatorischer Theologie stellt nicht den ethischen Anspruch in Frage, der aus dem christlichen Glauben folgt, aber sie hält an der grundlegenden Einsicht fest, ohne die die christliche Botschaft bis zur Unkenntlichkeit verfälscht würde, dass „das Evangelium insofern transmoralisch [ist], als es den Menschen neu in die Beziehung zu Gott versetzt, so dass er aus der Erfahrung und Gewissheit lebt, dass die eigene Existenz nicht im eigenen Handeln gründet und nicht in diesem ihren letzten Sinn findet.“[140] Auf dieser Grundlage müssten nach Ulrich Körtner Kirche und Theologie „der Tyrannei des moralischen Imperativs“[141] Einhalt gebieten, sowohl im Sinne einer Entmoralisierung der Theologie und des Evangeliums als auch im Sinne einer Entmoralisierung gesellschaftlicher Diskurse – sonst bleiben sie „der Gesellschaft den wichtigsten Beitrag schuldig, den sie leisten“[142] können.[143]

Nietzsches Moralisierungskritik, die er so scharf wie wahrscheinlich kein anderer Philosoph formuliert, könnte die Theologie dazu anregen, den (außermoralischen) Kern des Evangeliums wiederzuentdecken, nämlich die paulinisch-lutherische Rechtfertigungslehre, mit der nach traditionellem theologischem Verständnis die Kirche steht und fällt,[144] so dass deren Vernachlässigung ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der heutigen Kirche und Theologie wirft. In diesem Sinne hat schon Emanuel Hirsch Nietzsches Philosophie als unbewussten Versuch interpretiert, „die wichtigsten Elemente lutherischer Glaubensweise und Frömmigkeit vom atheistischen Naturalismus aus zurückzugewinnen.“[145] Auch Barth greift Nietzsches Moralkritik konstruktiv im Blick auf die „Freilegung des christlichen Gottes von der Moral“[146] auf. Und der frühe Bonhoeffer reklamiert Nietzsches „Entdeckung des Jenseits von Gut und Böse“ als „verschüttetes Urgut der christlichen Botschaft“.[147] In offensichtlichem Anschluss an Gedanken Nietzsches reflektiert Bonhoeffer den biblischen Befund, dass Jesus zu den moralisch bösen Menschen hält, während er mit den moralisch guten Pharisäern streitet. Anders als Nietzsche erkennt Bonhoeffer jedoch in der transmoralischen Rechtfertigungslehre den theologischen Auslegungsschlüssel.[148] Auch in jüngerer Zeit verstehen einzelne Theologen Nietzsches Moralkritik als Erinnerung an die Mitte des christlichen Glaubens, wie Pöhlmann[149] oder Christian Jung, der – von Nietzsche inspiriert – eine „Theologie der Außermoralität“ andenkt, die das Wesen der Sünde im unentwegten moralischen Bewerten und das Wesen des Glaubens in der „Loslösung aus der moralischen Perspektive auf das Leben“ sieht.[150]

3.4 Lebensfrohe Spiritualität anstelle puritanischer Langeweile

Die wenigsten Menschen verbinden vermutlich mit evangelischen Gottesdiensten Lebensfreude, ekstatischen Rausch oder körperliche Lust, dafür viele wohl eher das, was Nietzsche als „Geist der Schwere“ (Za III, Vom Geist der Schwere), „vermummte Trübsal“ (Za IV, Ausser Dienst, KSA 4.321) oder „grosse Müdigkeit“ (Za II, Auf den glückseligen Inseln, KSA 4.111) bezeichnete. Auch wenn gegenwärtig punktuell spirituelle und mystische Praktiken wie Pilgern oder sakraler Tanz wiederentdeckt werden,[151] scheint der Protestantismus weit davon entfernt zu sein, seine bürgerliche und puritanische Prägung zu überwinden. Vor diesem Hintergrund schließt sich der junge Tillich Nietzsches Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft an und deutet diese sogar als „prophetischen Auftrag“.[152] Außerdem versucht Tillich, Nietzsches Apell zur Lebensbejahung theologisch einzuholen und explizit das „Dionysische“ in die christliche Theologie einzubinden („Mut zum Sein“, „schöpferische Lust“).[153] Ohne die Ambivalenz des Dionysisch-Rauschhaften zu leugnen, wird der von Nietzsche behauptete Gegensatz von Christus und Dionysos aufgehoben. Hans Urs von Balthasar ist sogar davon überzeugt, dass „das Dionysische nur auf seinen eignen Grund zu gehen [habe], um ins Christliche zu münden.“[154] Jesus, den seine Gegner aufgrund seines Lebensstils als „Weinsäufer“ bezeichnen konnten (Mt 11,19), wurde von Johannes mit dem Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–11) als neuer, besserer Dionysos stilisiert. Während ekstatische Phänomene in Gottesdiensten und großzügiger Alkoholgenuss beim Abendmahl in den frühen Gemeinden offenbar vorkamen (1Kor 14, 1Kor 11,21) und in der gesamten menschlichen Kulturgeschichte Religion und Rausch meist eng miteinander verbunden waren, ist der Protestantismus bis heute geprägt vom asketischen Ideal Johannes Calvins, auch wenn die theologische Ethik gegenwärtig nicht mehr direkt mit Genussfeindlichkeit argumentiert, sondern indirekt mit Gesundheits- oder Klimagefährdung. Zwar wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Nietzsche sowohl die jesuanische Botschaft als auch die Theologie des Paulus sowie Luthers in zentralen Punkten missverstanden habe und das recht verstandene Christentum dionysischer, fröhlicher und heroischer sei als von ihm gedacht.[155] Und tatsächlich geht es im Christentum wie in allen Religionen (und dem „amor fati“ Nietzsches) letztlich um die Befähigung zu einem mutigen Ja zum Leben trotz seines mitunter unsäglichen Grauens. Aber solche theoretischen Einsichten ändern nichts daran, dass Nietzsche damals ebenso wie viele Menschen heute in den wortlastigen und gleichzeitig oft inhaltsarmen Gottesdiensten wenig von diesem Mut, wenig vom „Mysterium tremendum et fascinosum“ (Rudolf Otto), wenig vom „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) spüren. Nietzsches Rat an die „alters- und tugendschwache“ Kirche lautete: „lasst euch nur umstürzen! Dass ihr wieder zum Leben kommt“ (Za II, Von grossen Ereignissen, KSA 4.169). Vielleicht lässt sich die Kirche dadurch anregen, nach neuen Formen lebensfroher Spiritualität zu suchen.

3.5 Überwindung verharmlosender Gottesbilder

Während biblische Texte sich nicht scheuen, Unglück, Zorn, Gewalt und Rache mit Gott in Verbindung zu bringen,[156] veränderte sich seit der Aufklärungszeit das Reden der Theologen von Gott dahingehend, dass „die dunklen Seiten Gottes“[157] zusehends ausgeblendet wurden. Übrig blieb das Bild vom „lieben Gott“. Entsprechend verbreiten viele Predigten eine „minimalistische Theologie der Krabbelgottesdienste“.[158] Der Preis dafür besteht darin, dass ein entsprechender Glaube an Leiderfahrungen zerbrechen muss und dass die Theologie in ihrer ureigensten Domäne, den Grenzsituationen des Lebens, nichts mehr Ernstzunehmendes zu sagen hat. Nietzsche spottete (unter dem Einfluss Heinrich Heines) über dieses Gottesbild, nach dem Gott „alt und weich und mürbe und mitleidig [geworden sei], einem Grossvater ähnlicher als einem Vater, am ähnlichsten aber einer wackeligen alten Grossmutter“ (Za IV, Ausser Dienst, KSA 4.324). Die Ursache für die Entwicklung hin zu einem schwächeren (und moralisierenden) Gottesbild vermutete Nietzsche in einem psychologischen Verdrängungsmechanismus angesichts des Schwächerwerdens einer Nation.[159] Das Kernproblem lag für ihn in einer Moralisierung Gottes, durch die Gott zum Gott einer bestimmten menschlichen Moral, zum Dienstboten menschlicher Bedürfnisse degradiert würde.[160] Aus theologischer Sicht könnte dies als angemessene Verteidigung eines religiösen Gottesverständnisses, das sich aus dem Vertrauen in das Unverfügbare speist, gegen ein magisches Gottesverständnis, das über Gott verfügen möchte, gewürdigt werden.

Nach dem Tod des moralischen Gottes hielt der späte Nietzsche das Überleben eines transmoralischen Gottes jenseits von Gut und Böse prinzipiell für möglich und führte ihn unter dem Namen Dionysos in seine Philosophie ein.[161] Die dualistische Trennung zwischen Gott und Teufel, zwischen Schöpfer und Schlange im Paradies sei zu überwinden und Gott stattdessen als „circulus vitiosus“ (JGB 56), als „Gott-Teufelskreis“ (Walter Sparn), als „die ganze Fülle der Lebensgegensätze“ (Nachlass 1887, 10[203], KSA 12.581) zu begreifen.[162] Hirsch zufolge handelt es sich dabei um „ein naturalistisches Nachbild des lutherischen Gottesbegriffs, [nach dem Gott] zugleich Richter und Vater, höchster Zorn und höchste Liebe ist.“[163] Luther unterschied zwischen dem offenbarten Gott und dem verborgenen Gott (deus absconditus).[164] In dieser Spannung wird die komplexe und teilweise abgründige Wirklichkeitserfahrung des Christen in der erlösungsbedürftigen Welt unübertroffen zum Ausdruck gebracht. Manche Theologen sehen darin jedoch (Luthers christologische Begründung verkennend)[165] eine problematische Spaltung Gottes; auch Nietzsche erkannte nicht das Potenzial des Gedankens.[166] Gleichwohl könnten Nietzsches kritische Anfragen an ein oberflächliches Gottesbild die Theologie dazu bringen, Luthers Einsichten wiederzuentdecken. Jung fordert in Anlehnung an Nietzsches Rede vom „tanzenden Gott“ eine „tanzende Theologie“, die ein bleibend spannungsreiches Gottesbild aushält.[167]

Mit dem gleichen Recht, mit dem Rohrmoser den Religionskritiker Feuerbach aufgrund seines Einflusses auf die moderne Theologie „zu einem der maßgebenden Kirchenväter des 20. Jahrhunderts“[168] erklären konnte, könnte man dies – wie im zweiten Abschnitt gezeigt wurde – auch mit Nietzsche tun. Das Fazit des dritten Abschnitts lautet nun, dass Theologie und Kirche im Blick auf ihre gegenwärtigen Krisen von einer intensiveren Auseinandersetzung mit Nietzsche profitieren dürften. So könnte Nietzsche – seiner eigenen Befürchtung entsprechend[169] – zum Kirchenvater des 21. Jahrhunderts[170] werden.

Literaturverzeichnis

Andreas-Salomé, Lou: Friedrich Nietzsche in seinen Werken, Wien 1894Search in Google Scholar

Balthasar, Hans Urs von: Apokalypse der deutschen Seele, Bd. III, Einsiedeln 1998Search in Google Scholar

Barth, Karl: Der Römerbrief, 2. Aufl., München 1922Search in Google Scholar

Barth, Karl: Mensch und Mitmensch. Die Grundform der Menschlichkeit, Göttingen 1967Search in Google Scholar

Benz, Ernst: Nietzsche, Leiden 1956Search in Google Scholar

Bethge, Eberhard: „Vorwort“, in: Dietrich Bonhoeffer, Gesammelte Schriften, Bd. III, München 1960, 7–10Search in Google Scholar

Biser, Eugen: „Der Zuspruch im Widerspruch. Nietzsches provokative Kritik des Christentums“, in: Daniel Mourkojannis / Rüdiger Schmidt-Grépály (Hg.), Nietzsche im Christentum. Theologische Perspektiven nach Nietzsches Proklamation des Todes Gottes, Basel 2004, 23–29Search in Google Scholar

Biser, Eugen: Gottsucher oder Antichrist? Nietzsches proaktive Kritik des Christentums, Salzburg 1982Search in Google Scholar

Biser, Eugen: Nietzsche. Zerstörer oder Erneuerer des Christentums?, Darmstadt 2002Search in Google Scholar

Böger, Martin: Dionysos gegen den Gekreuzigten. Karl Barths Nietzsche-Rezeption in der Auseinandersetzung um das Sein und die Bestimmung des Menschen, Göttingen 201910.14220/9783737009249Search in Google Scholar

Bonhoeffer, Dietrich: Ethik, hg. v. Eberhard Bethge, 11. Aufl., München 1985Search in Google Scholar

Bonhoeffer, Dietrich: Gesammelte Schriften, Bd. III, München 1960Search in Google Scholar

Bonhoeffer, Dietrich: Gesammelte Schriften, Bd. V, München 1972Search in Google Scholar

Bonhoeffer, Dietrich: Widerstand und Ergebung, in: Dietrich Bonhoeffer Werkausgabe, Bd. VIII, hg. v. Christian Gremmels, Eberhard Bethge u. Renate Bethge, Gütersloh 1998Search in Google Scholar

Buber, Martin: Gottesfinsternis. Betrachtungen zur Beziehung zwischen Religion und Philosophie, Zürich 1953Search in Google Scholar

Bultmann, Rudolf: Glaube und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. I, Tübingen 1965Search in Google Scholar

Dalferth, Ingolf: Die Krise der öffentlichen Vernunft. Über Demokratie, Urteilskraft und Gott, Leipzig 2022Search in Google Scholar

Dalferth, Ingolf: „Götzen-Dämmerung“, in: Christoph Schwöbel (Hg.), Gott-Götter-Götzen, Leipzig 2013, 197–218Search in Google Scholar

Danz, Christian: „Religion zwischen Atheismus und Kritik“, in: Glaube und Lernen 28 (2013), 174–192Search in Google Scholar

Dietrich, Walter / Link, Christian: Die dunklen Seiten Gottes, 5. Aufl., Bd. I und II, Neukirchen-Vluyn 2009Search in Google Scholar

Dietz, Alexander: „Emotionalisierung – Moralisierung – Radikalisierung“, in: Alexander Dietz (Hg.), Emotionalisierung – Moralisierung – Radikalisierung. Theologische Beiträge, Leipzig 2024, 9–2710.5771/9783374077533-9Search in Google Scholar

Dietz, Alexander: „Theologische Wirtschaftsethik als Ideologiekritik“, in: Arne Manzeschke (Hg.), Evangelische Wirtschaftsethik – wohin?, Münster 2018, 83–116Search in Google Scholar

Eberlein, Hermann-Peter: Flamme bin ich sicherlich! Friedrich Nietzsche, Franz Overbeck und ihre Freunde, Köln 1999Search in Google Scholar

Eberlein, Hermann-Peter: „Nietzsches ‚Tod Gottes‘ und Overbecks ‚Ende des Christentums‘ – eine Analogie“, in: Daniel Mourkojannis / Rüdiger Schmidt-Grépály (Hg.), Nietzsche im Christentum. Theologische Perspektiven nach Nietzsches Proklamation des Todes Gottes, Basel 2004, 63–82Search in Google Scholar

EKD (Hg.): Wie hältst du’s mit der Kirche? Zur Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft. Erste Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, Leipzig 2023Search in Google Scholar

Förster-Nietzsche, Elisabeth: Der junge Nietzsche, Leipzig 1912Search in Google Scholar

Frisch, Ralf: „Mehr Dogmatik!, in: Evangelische Theologie“, in: Nachrichten der ELKB 2 (2024), 4–7Search in Google Scholar

Frisch, Ralf: Widerstand und Versuchung. Als Bonheoffers Theologie die Fassung verlor, 2. Aufl., Zürich 2022Search in Google Scholar

Gallwitz, Hans: „Friedrich Nietzsche als Erzieher zum Christentum“, in: Preußische Jahrbücher 83/84 (1896), 324–347Search in Google Scholar

Gramowski, Wolfgang: „Nachwort“, in: Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, Wiesbaden 1959Search in Google Scholar

Härle, Wilfried: Dogmatik, 5. Aufl., Berlin 201810.1515/9783110548402Search in Google Scholar

Härle, Wilfried (Hg.): Im Kontinuum. Annäherungen an eine relationale Erkenntnistheorie und Ontologie, Marburg 1999Search in Google Scholar

Heimbrock, Hans-Günter: „Wahrheit“, in: WiReLex (2016): https://doi.org/10.23768/wirelex.Wahrheit.100173Search in Google Scholar

Heit, Helmut / Sommer, Andreas Urs (Hg.): Nietzsche und die Reformation, Berlin 202010.1515/9783110587005Search in Google Scholar

Hirsch, Emanuel: „Nietzsche und Luther“ [1920], in: Nietzsche-Studien 15 (1986), 398–43110.1515/9783110244342.398Search in Google Scholar

Holl, Karl: „Die Kulturbedeutung der Reformation“, in: Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, 6. Aufl., Bd. I, Tübingen 1932, 468–543Search in Google Scholar

Honecker, Martin: Auf der Suche nach Orientierung im Labyrinth der Ethik, Stuttgart 201710.17433/978-3-17-033179-2Search in Google Scholar

Hovey, Craig: Nietzsche and Theology, London 2008Search in Google Scholar

Hübner, Hans: Nietzsche und das Neue Testament, Tübingen 2000Search in Google Scholar

Huizing, Klaas: Schluss mit Sünde! Warum wir eine neue Reformation brauchen, Freiburg i.Br. 2017Search in Google Scholar

Jaspers, Karl: Nietzsche und das Christentum [1946], Düsseldorf 2011Search in Google Scholar

Joas, Hans: Kirche als Moralagentur?, München 2016Search in Google Scholar

Jung, Christian: Die Sprache im Werk Friedrich Nietzsches. Eine Studie zu ihrer Bedeutung für eine Theologie jenseits von Theologie, Tübingen 2013Search in Google Scholar

Jüngel, Eberhard: Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 1977Search in Google Scholar

Jüngel, Eberhard: „Vom Tod des lebendigen Gottes“, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 65 (1968), 93–116Search in Google Scholar

Jünger, Ernst: Tagebücher VII, in: Sämtliche Werke, Bd. XX, Stuttgart 2000Search in Google Scholar

Kaufmann, Sebastian: Kommentar zu Nietzsches „Die fröhliche Wissenschaft“, Berlin 202210.1515/9783110293296Search in Google Scholar

Keuchen, Marion / Lenz, Matthias / Leutzsch, Martin / Schroeter-Wittke, Harald (Hg.): Tanz und Religion. Theologische Perspektiven, Frankfurt a.M. 2008Search in Google Scholar

Kleffmann, Tom: Nietzsches Begriff des Lebens und die evangelische Theologie. Eine Interpretation Nietzsches und Untersuchungen zu seiner Rezeption bei Schweitzer, Tillich und Barth, Tübingen 2003Search in Google Scholar

Knura, Tabea: Religionspädagogik mit Friedrich Nietzsche. Eine Auseinandersetzung mit Nietzsches Religions- und Bildungskritik, Tübingen 2018Search in Google Scholar

Körtner, Ulrich: Der verborgene Gott. Zur Gotteslehre, Neukirchen-Vluyn 2000Search in Google Scholar

Körtner, Ulrich: Für die Vernunft. Wider Moralisierung und Emotionalisierung in Politik und Kirche, Leipzig 201710.14315/zee-2017-0103Search in Google Scholar

Körtner, Ulrich: „Moralisierung und Entmoralisierung des christlichen Glaubens“, in: Jochen Sautermeister (Hg.), Kirche – nur eine Moralagentur? Eine Selbstverortung, Freiburg i.Br. 2019, 97–116Search in Google Scholar

Köster, Peter: Kontroversen um Nietzsche. Untersuchungen zur theologischen Rezeption, Zürich 2003Search in Google Scholar

Lauster, Jörg: „Aufgeklärtes Christentum? Nietzsches Kritik der theologischen Aufklärungskonzeption“, in: Renate Reschke (Hg.), Nietzsche. Radikalaufklärer oder radikaler Gegenaufklärer?, Berlin 2004, 359–365Search in Google Scholar

Löwith, Karl: Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen, 2. Aufl., Hamburg 1956Search in Google Scholar

Moltmann, Jürgen: Erfahrungen theologischen Denkens. Wege und Formen christlicher Theologie [1999], Gütersloh 2016Search in Google Scholar

Mourkojannis, Daniel: „Christus oder Dionysos. Zu Karl Barths Nietzsche-Rezeption“, in: Daniel Mourkojannis / Rüdiger Schmidt-Grépály (Hg.), Nietzsche im Christentum. Theologische Perspektiven nach Nietzsches Proklamation des Todes Gottes, Basel 2004, 83–98Search in Google Scholar

Mourkojannis, Daniel: „Die Nietzscherezeption bei Ernst Troeltsch“, in: Gdanski Rocznik Ewangelicki 9 (2015), 223–242Search in Google Scholar

Mourkojannis, Daniel: Ethik der Lebenskunst. Zur Nietzsche-Rezeption in der evangelischen Theologie, Münster 2000Search in Google Scholar

Nida-Rümelin, Julian: Demokratie und Wahrheit, München 2006Search in Google Scholar

Nigg, Walter: Franz Overbeck. Versuch einer Würdigung, Zürich 2009Search in Google Scholar

Ohne Verfasser: „Atheismus. So ändern sich die Dinge“, in: Der Spiegel 40 (1972), 153–156Search in Google Scholar

Picht, Georg: „Antwort von Georg Picht“, in: Georg Picht / Enno Rudolph (Hg.), Theologie, was ist das?, Stuttgart 1977, 311–322Search in Google Scholar

Pöhlmann, Horst Georg: „Nietzsche und wir Christen“, in: Daniel Mourkojannis / Rüdiger Schmidt-Grépály (Hg.), Nietzsche im Christentum. Theologische Perspektiven nach Nietzsches Proklamation des Todes Gottes, Basel 2004, 117–130Search in Google Scholar

Rohrmoser, Günter: Geistige Wende. Christliches Denken als Fundament des modernen Konservativismus, München 2000Search in Google Scholar

Ross, Werner: Der ängstliche Adler. Friedrich Nietzsches Leben, Stuttgart 1980Search in Google Scholar

Roth, Michael: Über kirchliche Propheten mit Tarifvertrag. Plädoyer für eine moralische Abrüstung, Stuttgart 202210.17433/978-3-17-042671-9Search in Google Scholar

Schneider, Thomas: Kirche ohne Mitte? Perspektiven in Zeiten des Traditionsabbruchs, Leipzig 2023Search in Google Scholar

Siegmund, Georg: Nietzsche der Atheist und Antichrist [1936], 5. Aufl., Stein am Rhein 1988Search in Google Scholar

Sölle, Dorothee: Atheistisch an Gott glauben. Beiträge zur Theologie, München 1983Search in Google Scholar

Sölle, Dorothee: Politische Theologie, erw. Neuaufl., Stuttgart 1982Search in Google Scholar

Sölle, Dorothee: Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem „Tod Gottes“, 4. Aufl., Stuttgart 1967Search in Google Scholar

Sommer, Andreas Urs: „Theologie nach Nietzsches Antichrist?“, in: Daniel Mourkojannis / Rüdiger Schmidt-Grépály (Hg.), Nietzsche im Christentum. Theologische Perspektiven nach Nietzsches Proklamation des Todes Gottes, Basel 2004, 131–147Search in Google Scholar

Stegmaier, Werner: „Nietzsches Theologie“, in: Daniel Mourkojannis / Rüdiger Schmidt-Grépály (Hg.), Nietzsche im Christentum. Theologische Perspektiven nach Nietzsches Proklamation des Todes Gottes, Basel 2004, 1–21Search in Google Scholar

Strobel, Regula: „Feministische Kritik an traditionellen Kreuzestheologien“, in: Doris Strahm / Regula Strobel (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministisch-theologischer Sicht, Fribourg 1991, 52–64Search in Google Scholar

Teske, Martin: „Das grausame Tier. Friedrich Nietzsche: Der fromme Atheist als Antichrist“, in: Die Zeichen der Zeit 54 (2000), 6–9Search in Google Scholar

Tetens, Holm: Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie, 7. Aufl., Stuttgart 2015Search in Google Scholar

Thiede, Werner: Evangelische Kirche. Schiff ohne Kompass?, Darmstadt 2017Search in Google Scholar

Thiede, Werner: Unsterblichkeit der Seele? Interdisziplinäre Annäherungen an eine Menschheitsfrage, Berlin 2021Search in Google Scholar

Thomas, Günter: Im Weltabenteuer Gottes leben. Impulse zur Verantwortung für die Kirche, Leipzig 2020Search in Google Scholar

Tillich, Paul: Begegnungen, in: Gesammelte Werke, Bd. XII, hg. v. Renate Albrecht, Stuttgart 197110.1515/9783110814071Search in Google Scholar

Tillich, Paul: Dogmatik. Marburger Vorlesungen von 1925, hg. v. Werner Schüßler, Düsseldorf 1986Search in Google Scholar

Tillich, Paul: Systematische Theologie, Bd. I, Stuttgart 1956Search in Google Scholar

Wagner, Falk: Was ist Religion? Studien zu ihrem Begriff und Thema in Geschichte und Gegenwart, Gütersloh 1986Search in Google Scholar

Weischedel, Wilhelm: Der Gott der Philosophen. Grundlegungen einer philosophischen Theologie im Zeitalter des Nihilismus, Bd. I, München 1979Search in Google Scholar

Welte, Bernhard: Nietzsches Atheismus und das Christentum, Darmstadt 1958Search in Google Scholar

Willers, Ulrich: Friedrich Nietzsches antichristliche Christologie, Innsbruck 1988Search in Google Scholar

Online erschienen: 2025-05-29

© 2025 the author(s), published by Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

This work is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License.

Downloaded on 7.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/nietzstu-2024-0027/html
Scroll to top button