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Aufderheide, Detlef und Martin Dabrowski: Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven

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Published/Copyright: February 10, 2021

Rezensierte Publikation:

Detlef Aufderheide und Dabrowski Martin (Hrsg.), Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2020, 169 S., ISBN 978-3-428-15963-5.


Das von Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski herausgegebene Buch widmet sich der Frage, wie der wirtschaftliche Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) mit der Hilfe von wirtschaftsethischen und moralökonomischen Überlegungen gestaltet werden sollte, um gute Resultate zu erzielen. Moral kann dabei aus meiner Sicht als Kompass verstanden werden, mit dessen Hilfe der Einsatz von KI in der Produktion und im Konsum als „gut“, „neutral“ oder „schlecht“ eingeschätzt wird. Bei der Ethik handelt es sich um Analysen der Moral. Es wird in dem Buch deutlich, dass aufgrund der Eigenschaften von KI dieser Einsatz neuartige Herausforderungen mit sich bringen könnte, insbesondere wenn KI wirtschaftlich relevante Entscheidungen oder Handlungen verantwortet. Im Buch werden mehrere Definitionen von KI verwendet. Dabei werden als Bestandteile einer Definition in aller Regel die Fähigkeit zur Lösung von Problemen, eigenständiges Lernen und selbständige Entscheidungen genannt. Aufgrund der enormen Speicherkapazität und der stetig gestiegenen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit von Computern (neuerdings Quantencomputer) sowie dem Fortschritt in der Softwareentwicklung kann KI auch zunehmend wirtschaftlich genutzt werden. Im Wirtschaftsleben sind jeden Tag Unmengen mehr oder weniger klar definierbarer Entscheidungen zu treffen, bei denen immer mehr Daten zu verarbeiten sind. KI hat dabei spezifische Vorteile, die zu ihrer Entwicklung und Weiterentwicklung beitragen. Sieht man einmal von der Spielfreude ab, kann heutzutage ein Mensch ohne Hilfsmittel einer auf Schach spezialisierten KI bei der Suche nach dem richtigen Spielzug keine Konkurrenz mehr machen. Vergleichbare Anwendungen, in denen Unmengen von Informationen zu verarbeiten und dann Entscheidungen zu treffen sind, gibt es auch im Wirtschaftsleben.

KI war in den letzten Jahrzehnten bei bemerkenswerten wissenschaftlichen Fortschritten im Einsatz. Machine Learning (ML) unterstützt empirische Analysen mit großen Datensätzen und hilft sowohl bei der Suche nach Strukturen und Mustern in Daten wie auch beim Aufspüren kausaler Wirkungen in den Sozialwissenschaften oder geeigneter Therapien in der Medizin. Es werden immer mehr und kleinteiliger Daten geschaffen und miteinander verbunden, deren schiere Menge ohne Machine Learning kaum noch zielführend genutzt werden kann. Man denke etwa an die Erfolge bei der Erforschung von schwarzen Löschern, bei der Entschlüsselung neuartiger Viren und eben auch an Wirtschaftsprozesse. Im Jahre 1997 hat der damalige Schachweltmeister Gari Kasparow erstmals in der Geschichte gegen eine von vielen Menschen über Jahre entwickelte KI verloren. Danach soll er gesagt haben, dass er wohl gewonnen hätte, wenn er auch eine solche KI zur Verfügung gehabt hätte. Das erscheint mir einleuchtend. Es würde bedeuten, dass nicht KI allein entscheidend für den Erfolg ist, sondern vielmehr der Einsatz von KI durch entsprechend kompetente Menschen.

Die vier Buchbeiträge und die Diskussionen drehen sich vorwiegend um zwei Themenkomplexe. In dem einen Themenkomplex geht es um die Frage, was KI im wirtschaftlichen Einsatz darf, und was nicht, und welche Lösungsansätze es gibt, damit KI das tut, was als gut bewertet wird. Dazu gehören der Beitrag „Ethische Problemfelder beim Einsatz Künstlicher Intelligenz im wirtschaftlichen Bereich“ (S. 11–30) sowie aus rechtswissenschaftlicher Sicht der Beitrag „Haftung beim Einsatz Künstlicher Intelligenz“ (S. 117–138). In dem zweiten Themenkomplex geht es um die Fragen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen der zunehmende Einsatz von KI vorwiegend auf Arbeitsmärkten und für Unternehmen wohl haben wird. Dazu gehören die Beiträge „Auswirkungen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz auf verschiedene Märkte“ (S. 47–66) sowie „Corporate Digital Responsibility: Unternehmensverantwortung neu denken am Beispiel von Künstlicher Intelligenz“ (S. 89–102).

Die Buchbeiträge weisen in der Regel darauf hin, dass der wirtschaftliche Einsatz von KI mit finanziellen Vorteilen einhergehen kann, wobei vielfältige wirtschaftliche und soziale Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen sind. Die Palette der vermuteten Wirkungen und Nebenwirkungen von KI ist beeindruckend. Sie reicht von Heilsversprechen für den Bestand der Menschheit (etwa indem mit KI der Klimawandel erfolgreich bewältigt werden kann, ohne KI jedoch nicht), bis zu Befürchtungen, dass KI die Demokratie unterhöhlen kann. Das Buch enthält viele anschauliche Beispiele und es wird deutlich, dass KI genial, aber auch fehlerhaft sein kann, dass ihr Einsatz verwerflich sein kann und vielfach wahrscheinlich noch in den Kinderschuhen steckt. Als wichtige Instrumente zur (moralischen) Disziplinierung von KI werden staatliche Regulierungen und die Rechtsprechung, ebenso wie Selbstverpflichtungen von Unternehmen zur Diskussion gestellt. Insbesondere die Rechtsprechung scheint im Umgang mit Haftungsfragen recht weit zu sein. Am Beispiel des autonomen Fahrens dargestellt, entsteht demnach eine mögliche Gefährdung nicht durch die KI an sich, sondern in Kombination mit dem Auto. „Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, wenn auch nur für diese Kombination gehaftet wird.“ (S. 134). Für rechtliche Haftungsfragen käme es demnach nicht auf die Qualität einer KI an, die autonomes Fahren ermöglicht, sondern auf das, was dieses Auto, wenn es autonom unterwegs ist, letztlich tut. Bei den Auswirkungen von KI auf Arbeitsmärkte werden u.a. die zunehmende Ungleichheit der Löhne und der Beschäftigungsrückgang der klassischen Fachkraft thematisiert, die das Rückgrat der Industrialisierung bis noch vor wenigen Jahren war. Es wird erwartet, dass sich mit dem Vordringen von KI die Welt der Arbeit weiter verändern wird, da der Einsatz von KI bei der Informationsverarbeitung, aber auch bei wiederholt anfallenden Entscheidungsprozessen etwa in der Welt der Finanzen oder Versicherungen, sowie im Militärbereich komparative Vorteile haben kann. Einfache Antworten wird es auf die Fragen wohl nicht geben. Ebenso schwierig wie es ist, einen guten wirtschaftlichen Einsatz von KI zu definieren, wird es wohl auch werden, alle Menschen entsprechend auf die damit verbundenen Änderungen vorzubereiten.

Wiederkehrend wird in den Beiträgen das Thema der sogenannten starken KI angesprochen. Eine starke KI wäre eine KI, die selbständig ganz unterschiedliche Aufgaben lösen könnte oder über eine virtuelle Bewusstheit verfügen würde. Der moralisch richtige Umgang mit einer solchen KI wird ausgeklammert, wenngleich darüber spekuliert wird, ob sie bereits in 30, erst in 70 Jahren oder vielleicht doch nie kommt. Wie dem auch sei, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Einsatz von KI erst am Anfang steht. Wirtschaft und Politik stehen daher vor der Herausforderung, eine heranwachsende KI moralisch zu gestalten. Da es weltweit Unterschiede in moralischen Auffassungen geben kann, wird es wohl auch Unterschiede beim Einsatz von KI etwa in Asien, den USA oder Europa geben, die im Buch jedoch nicht thematisiert werden.

Das Buch beinhaltet vier Referate und zu jedem Referat zwei Korreferate. Die Korreferate enthalten lesenswerte Einschätzungen der Referate und weitergehende Überlegungen. Das Buch kann Interessenten der Ethik sowie der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften empfohlen werden, die einen Einblick in die Problematik des wirtschaftlichen Einsatzes von KI suchen. Ebenso können auch Informatiker profitieren, die an ethischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen beim Einsatz von KI interessiert sind.


Corresponding author: Friedhelm Pfeiffer, ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH, L 7, 1, 68161Mannheim, Germany, E-mail:

Online erschienen: 2021-02-10
Erschienen im Druck: 2021-06-25

© 2021 Friedhelm Pfeiffer, published by De Gruyter, Berlin/Boston

This work is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License.

Downloaded on 25.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/jbnst-2020-0067/html
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