Home Neue Allianzen für eine offene Bildungskultur – Bibliotheken, Rechtswissenschaften und Open Educational Practices
Article Open Access

Neue Allianzen für eine offene Bildungskultur – Bibliotheken, Rechtswissenschaften und Open Educational Practices

  • Ellen Euler , Philipp Falkenburg and Katharina Schulz EMAIL logo
Published/Copyright: November 7, 2025

Open Educational Practices (OEP) stehen für eine Transformation in der Gestaltung, Vermittlung und Zugänglichkeit von Wissen. Sie umfassen nicht nur frei lizenzierte Lern-/Lehrmaterialien (Open Educational Resources, OER), sondern auch kollaborative, partizipative und inklusive Lehr- und Lernpraktiken, die eine gerechtere Wissensgesellschaft ermöglichen. Mit diesem Themenheft greift BIBLIOTHEK – Forschung und Praxis aktuelle Entwicklungen auf, in denen Bibliotheken, Hochschulen und wissenschaftliche Communitys neue Wege gehen, um Bildung und Forschung offen, nachhaltig und inklusiv zu gestalten. Das Themenheft ist in einer Kooperation mit der Projektfamilie Open Access Brandenburg an der Fachhochschule Potsdam entstanden, in der aktuell ein Schwerpunkt auf OEP in der Rechtswissenschaft liegt.

Die Rechtswissenschaft im Umbruch

Besonderes Augenmerk liegt in dieser Ausgabe daher auf der Disziplin der Rechtswissenschaft – einem Feld, das traditionell eher durch geschlossene Publikationsstrukturen geprägt ist. Die Initiative OpenRewi, vorgestellt von Ramson, Schneeberger und Schulz, zeigt eindrucksvoll, wie durch eine wissenschaftsgeleitete Community juristische Lehrmaterialien kollaborativ und offen entwickelt werden können. OpenRewi fungiert nicht nur als Produzentin hochwertiger OER, sondern als Akteurin eines grundlegenden Kulturwandels innerhalb der Fachcommunity.

Ergänzt wird dieser Einblick durch den Beitrag von Hantow und Heinemann, die im Kontext des vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten Projekts KidRewi eine systematische Bestandsaufnahme geeigneter Tools und Workflows für offene juristische Lehrbuchproduktion vorlegen. Rzadkowski et al. widmen sich in ihrem Beitrag der didaktischen Dimension juristischer OER und zeigen, wie Open-Access-Publikationen gezielt zur Entwicklung von Diskurskompetenz beitragen können. Die Beiträge machen deutlich: Die Rechtswissenschaft ist auf dem Weg zu einer offeneren, pluralistischeren und stärker partizipativen Publikationskultur.

Bibliotheken als strategische Knotenpunkte für OEP

Mehrere Beiträge dieser Ausgabe unterstreichen die zentrale Rolle wissenschaftlicher Bibliotheken in diesem Transformationsprozess. So zeigen Bättig Neusch et al., wie Bibliotheken nicht nur Infrastruktur bereitstellen, sondern aktiv an der strategischen Gestaltung von OEP mitwirken – insbesondere im Spannungsfeld zwischen Open Educational Resources und Künstlicher Intelligenz. Stöllger et al. beschreiben, wie sich die Technische Informationsbibliothek (TIB) als koordinierende Kraft für bundeslandübergreifende OEP-Kooperationen und nachhaltige Kompetenzentwicklung einbringt. Beiträge zu Plattformlösungen wie Moodle (Hackl und Reichel) oder GitLab (Moser et al.) verdeutlichen das Potenzial technischer und organisatorischer Innovationen zur Umsetzung rechtssicherer, kollaborativer OEP-Workflows.

Open Educational Practices als gesellschaftliche Aufgabe

Ein zentrales Motiv vieler Beiträge ist der Anspruch, OEP nicht nur als technische oder organisatorische Herausforderung zu begreifen, sondern als Ausdruck eines umfassenden Bildungsverständnisses. So zeigen Hercher et al. in ihrem Workshop-Ansatz zur Entwicklung eines „Open Mindsets“, wie Offenheit als Haltung Studierende zur aktiven Mitgestaltung von Lehre und Wissenschaft befähigen kann. Einen ähnlichen Ansatz beschreiben Zeltner und Kaden in ihrem Beitrag über das Seminar „Open Access Brandenburg 2.0“, in dem Offenheit als Leitprinzip didaktisch und inhaltlich verknüpft wird und OEP eingesetzt werden, um sowohl Inhalte zu Open Access/Open Research zu vermitteln als auch deren Prinzipien in der Lehre selbst umzusetzen. Auch Bemme macht in seinem Beitrag zu regionalen Open-GLAM-Laboren deutlich, wie offen zugängliche Kulturdaten zu gesellschaftlicher Teilhabe führen können – lokal verankert, aber digital vernetzt. Zeelen und Eckert zeigen auf, wie OEP in der Lehrer*innenbildung eingesetzt werden können, um Wertebildung und Reflexionskompetenz zu stärken.

Der Beitrag von Forbes lenkt zudem den Blick auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit: Wie lassen sich vielfältige Perspektiven in offenen Bildungspraktiken nachhaltig fördern? Sie argumentiert überzeugend, dass dies nur durch strukturelle Anreize und kulturellen Wandel innerhalb der Hochschulen gelingen kann.

Ergänzt wird die Ausgabe durch einen thematisch ungebundenen Aufsatz von Ochsner et al., der die Kartierung der deutschen Wissenschaftsbloglandschaft aus dem Projekt Infra Wiss Blogs präsentiert.

Fazit: Offenheit gestalten – gemeinsam, disziplinübergreifend, nachhaltig

Diese Ausgabe versammelt ein breites Spektrum an Ansätzen, Erfahrungen und Perspektiven auf Open Educational Practices – von der rechtswissenschaftlichen Lehrbuchproduktion bis zur infrastrukturellen Rolle der Bibliotheken, von interdisziplinären Workshops bis zu digitalen Tools. Gemeinsam ist allen Beiträgen der Wille, Bildung als öffentliches Gut zu denken und in konkrete, offene Praktiken zu übersetzen.

Bibliotheken und Bildungseinrichtungen erweisen sich dabei nicht nur als Orte des Wissens, sondern als Labore der Transformation – strategisch, kooperativ, offen.

Online erschienen: 2025-11-07

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 20.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2025-0042/html
Scroll to top button