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Openness in the Higher Education Classroom – Ein Workshop zur praktischen Umsetzung offener Lehre

  • Sophia Hercher

    Sophia Hercher

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    , Lydia Riedl

    Dr. Lydia Riedl

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    and Lucie Binder

    Lucie Binder

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Published/Copyright: October 23, 2025

Zusammenfassung

Openness umfasst alle Aspekte, die üblicherweise mit Open Science und Open Education assoziiert werden. Es handelt sich um ein Mindset, das die Öffnung von Forschung und Lehre für die Allgemeinheit anstrebt. Hierbei betrifft Öffnung sowohl entstandenes Material als auch die Teilhabe an der Gestaltung von Bildungsprozessen. Im hier vorgestellten Workshop-Design wird die Umfänglichkeit des Konzepts durch einen interdisziplinären Zugang adressiert, der durch Mitarbeitende aus Wissenschaft, Bibliothek und E-Learning-Support gemeinsam gestaltet und durchgeführt wird.

Abstract

Openness entails all aspects that are commonly associated with open science and open education. It is a mindset aiming at the opening of research and teaching for everybody. Openness affects the teaching and learning material as well as participation in educational processes. The current workshop design addresses the broad spectrum of openness with an interdisciplinary approach moderated collaboratively by staff members from scientific research, the university library, and E-learning support.

1 Der Begriff Openness im Bildungskontext

Openness umfasst ein breites Spektrum von Methoden und Mitteln zur Öffnung von Wissenschaft und Bildung für ein großes Publikum, eine große Community. Ein Beispiel für Openness sind sogenannte Open Educational Resources (OER), also freie Bildungsmaterialien, die nachgenutzt werden dürfen. Mit steigender Bekanntheit von OER wurde die Forderung nach Open Educational Practices (OEP) laut, die z. B. die Förderung von OER und nachhaltige Implementierung in Infrastruktur und Arbeitsweise vorsehen.[1] Öffnung betrifft dann über die entstandenen Materialien hinaus auch die Lehrpraxis, zum Beispiel durch Partizipation bei der Gestaltung des Lehrformats, Zugänglichkeit für diverse Lerngruppen oder auch Teilhabe an Forschungsprozessen oder Veröffentlichungen und gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen. Die geöffnete Praxis erweitert den didaktischen Spielraum und verknüpft hochschulische Lehre mit Forschung und Persönlichkeitsentwicklung im Kontext gesellschaftlicher Rahmenbedingungen.

Neben den im Bildungsbereich naheliegenden Aspekten wie Open Educational Resources und Open Access spielen die darüber hinausgehenden Aspekte von Open Science (OS) wie FAIR[2] Data, FAIR Code und Open Source wichtige Rollen zur Förderung der Offenheit in der Hochschulbildung. Für eine Literaturübersicht zum Thema eignet sich die Metastudie von Bozkurt et al.[3] Das hier zugrunde gelegte breite Verständnis von Openness deckt sich in etwa mit dem von Hegarty vorgeschlagenen Konzept der Offenen Pädagogik („Open Pedagogy“[4]), das über die Weiterentwicklung von OER im Sinne der Open Educational Practices – etwa nach Ehlers[5] – hinausgeht. Aufbauend auf der Definition von Open Educational Practices als „the range of practices around the creation, use, and management of open educational resources with the intent to improve quality and innovate education“[6] identifiziert Hegarty (2015) acht Eigenschaften von Offener Pädagogik, die in der Workshop-Konzeption aufgegriffen werden. Diese sind:

  1. „Kollaborative und partizipative Technologien

  2. Offenheit für andere Menschen, Vertrauen ineinander

  3. (Spontane) Innovation und Kreativität

  4. Teilen von Ideen und Ressourcen

  5. Engagement in der professionellen Community

  6. Durch Lernende generierte Inhalte

  7. Reflexion der eigenen Praxis

  8. Peer Review“[7]

Das hier vorgestellte Workshop-Konzept strebt die Förderung eines Open Mindsets an, das auch außerhalb der Lehre, und zwar in der Forschung, relevant ist: Open Science als eine wichtige Basis guter wissenschaftlicher Praxis baut ebenfalls auf offenen Werten und Prinzipien auf wie „Quality and Integrity“, „Collective Benefit“, „Equity and Fairness“ und „Diversity and Inclusiveness“.[8] In diesem Workshop wird das offene Mindset aus Forschung und Lehre zusammengedacht. Damit wird eine noch größere Bandbreite an Methoden aus den mit Openness assoziierten Feldern wie z. B. Open Science in der Workshop-Gestaltung berücksichtigt. Um dieser Umfänglichkeit gerecht zu werden, wird im Weiteren der weite Begriff Openness genutzt.

Die Förderung von Openness in der Hochschullehre verläuft trotz des bereits langjährigen Prozesses und der spätestens seit der Pandemie noch deutlicheren Dringlichkeit eher schleppend. Grund hierfür sind oftmals systemische Rahmenbedingungen. Bereits im Jahr 2011 beschäftigte sich das OPAL-Projekt[9] mit förderlichen und hinderlichen Bedingungen für die Etablierung von OER und dennoch ist die Nutzung und Publikation von OER bis heute keine Selbstverständlichkeit. Die Berücksichtigung der Rahmenbedingungen ist für die Förderung von Openness in Forschung und Lehre essenziell. Sie stellen den Kontext der Teilnehmenden dar, in dem sie agieren oder den sie im Rahmen eines solchen Workshops kennenlernen können, sofern er noch nicht bekannt ist. Dazu gehört zum Beispiel, ob an der Hochschule Ansprechpersonen für die Nutzung und Veröffentlichung von OER oder Publikation als Open Access benannt sind und ob es weitere Unterstützungsangebote in diesem Kontext gibt.

Exemplarisch sollen daher die Rahmenbedingungen an der Philipps-Universität Marburg vorgestellt werden. Es wurde zur Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen eine OER-Policy[10] veröffentlicht, die Universitätsangehörigen die notwendige Orientierung für die Publikation freier Bildungsinhalte geben soll. Hierbei wurden Unsicherheiten und Vorbehalte in verschiedenen Bereichen deutlich, die im Workshop adressiert werden können, um Openness in der Hochschullehre sukzessive zu fördern. Damit wird auch der Forderung des BMBF nach mehr OER nachgegangen[11] und Teilnehmende befähigt, Projekte in diesem Sinne zu gestalten.

Des Weiteren unterstützt die Philipps-Universität Marburg einen Culture Change[12] in der Wissenschaft hin zu Open Science.[13] Dies wird deutlich in der Open Access Policy sowie der Forschungsdaten-Policy, die um weitere Aspekte von Open Science erweitert werden sollen, um das Spektrum der Forschungstätigkeiten an der Universität zu adressieren und zu unterstützen.[14] Darüber hinaus wird, unter Einbezug der Community, die offene Infrastruktur der Universität, auch in Bezug auf die User Experience, beständig weiterentwickelt.[15] Im Zuge dieses Culture Change wird Open Science zunehmend als integraler Bestandteil der universitären Lehre verstanden, insbesondere als selbstverständliches Element guter wissenschaftlicher Praxis in Methodenkursen.

Aus diesem Umfeld heraus entstand die Verknüpfung der systemischen Rahmenbedingungen mit der didaktischen Gestaltung der Lehre, die in dem hier skizzierten Workshop-Konzept vorgestellt werden soll. Die Kenntnis der Rahmenbedingungen ist nicht nur Voraussetzung für die gelingende Lehrgestaltung, sondern eröffnet den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in systemische Entwicklungsprozesse einzubringen.

Abb. 1: Dimensionen von Openness, ©Sophia Hercher
Abb. 1:

Dimensionen von Openness, ©Sophia Hercher

2 Inhaltliche Gestaltung des Workshops

2.1 Lernziele des Workshops

Der Workshop wurde für das Programm des Hochschuldidaktischen Netzwerks Mittelhessen (HDM) in englischer Sprache konzipiert. Hieraus ergibt sich der didaktische Fokus. Durch das Angebot im Verbund setzt sich die Zielgruppe aus Lehrenden aller Erfahrungsstufen von den drei beteiligten Hochschulen in Marburg und Gießen zusammen. Für die Teilnahme gibt es keine Zulassungsvoraussetzungen und keine Teilnahmegebühr. Die Struktur der teilnehmenden Hochschulen sieht keine Pflichtteilnahme an hochschuldidaktischen Angeboten vor. Die Teilnahme erfolgt demnach freiwillig und kann zur Erlangung eines hochschuldidaktischen Zertifikats beitragen. Prinzipiell steht die Befähigung Lehrender zur didaktischen Reflexion im Vordergrund aller Angebote. Besonders im Zusammenhang mit Openness empfehlen sich deshalb Lernziele, aus denen der Zusammenhang zwischen Mindset, didaktischer Lehrgestaltung und praktischer Ausübung von Wissenschaft deutlich wird.

Demnach sind die Lernziele des Ganztagsworkshops (frei übersetzt):

Nach dem Workshop sind die Teilnehmenden in der Lage,

  1. Prinzipien der Openness zu benennen, die für ihre Fachkultur und ihre Lehre relevant sind, indem sie die Prinzipien zu ihren eigenen Zugängen zu Forschung und Lehre in Bezug setzen.

  2. Mittel und Methoden zu identifizieren, die ihnen die Integration von Openness in ihre Lehre ermöglichen, indem sie verschiedene Zugänge zu Open Science und Open Educational Resources analysieren.

  3. Ihr offenes Mindset zu fördern, indem sie Open Educational Practices in ihre Lehre integrieren.

Im Folgenden stellen wir dar, mit welchen Inhalten und Methoden wir die Erreichung dieser Lernziele anstreben.

2.2 Multidisziplinärer Zugang zu umfänglichem Thema

Die Umfänglichkeit des Themas legt eine multidisziplinäre Workshop-Planung und -Durchführung nahe. Um ein möglichst breites Spektrum abzudecken, haben wir uns als Forschende und Lehrende, Open-Science-Beauftragte und Unterstützerin im E-Learning-Support zusammengeschlossen. Hierdurch decken wir einige Erfahrungsschätze und Kompetenzbereiche ab, die den Menschen an den Hochschulen bei der Entwicklung eines Open Mindsets und der Förderung von Openness behilflich sein können. Neben der unmittelbaren Zusammenarbeit im Workshop erfahren Teilnehmende zudem, wer ihre Ansprechpersonen an der Universität sind, und sie können durch diese Beziehung leichter auf sie zugehen.

2.3 Verschiedene Aspekte von Openness im Workshop

Im Zentrum des Workshops steht die Idee, dass ein Open Mindset nicht nur die Bereiche Forschung und Lehre umfasst, sondern auch die individuelle Einstellung sowie den Bezug zur Gesellschaft einschließt. Openness umfasst Transparenz und Teilen in vielen Bereichen (vgl. Abb. 1). Dieser Zusammenhang soll von den Teilnehmenden reflektiert werden, um darauf aufbauend ihre Lehrpraxis zu gestalten. Hierzu findet der ganztägige Workshop in zwei Hauptteilen statt. Zunächst erhalten die Teilnehmenden am Vormittag Input und ordnen das Gelernte einer Lernlandkarte zu (s. u.). Im zweiten Teil erarbeiten sie am Nachmittag anhand selbstgewählter Schwerpunkte einen Baustein für die eigene Lehrgestaltung.

Das Teilen von Inhalten ist sowohl im Forschungs- und Publikationsbereich durch Open Access, Open Data und Open Source als auch im Lehrbereich durch OER möglich, denn Forschung und Lehre sind untereinander stark verzahnt. So bedeutet Openness auch, die eigene Forschung für die Lehre zu öffnen, möglicherweise offen zu sein für Impulse aus der Lehre in die Forschung. Ähnlich stellt es sich für den Zusammenhang des Open Mindsets als in der Gesellschaft agierendes Individuum dar. Durch eine offene Haltung entsteht Raum für Diversität in der Gesellschaft, von der umgekehrt die persönliche Entwicklung profitieren kann. Für die Lehre bedeutet das zum einen, dass kollaborativ erstellte und breit genutzte Materialien vielen Menschen zur Verfügung stehen und Bildung in der Gesellschaft fördern können, zum anderen, dass sich die Weiterverarbeitung wiederum auf die Weiterentwicklung der eigenen Lehre und Forschung auswirken kann. In diesem Sinne kann Openness die Community of Practice erweitern und bereichern.

Entsprechend der Vielseitigkeit des Openness-Begriffs und der angestrebten Lernziele werden die Teilnehmenden sich umfassend mit dem Konzept beschäftigen. Auf der Grundlage eines allgemeinen Inputs entwickeln sie im dialogischen Format eine Landkarte der Aspekte auf einem kollaborativen Whiteboard. Während im Rahmen des ersten Inputs die Vielseitigkeit des Konzepts erläutert wird, steht im Abschluss dieser Phase die umfassende Interaktion von Openness mit Forschung und Lehre sowie der Rolle des Individuums in der Gesellschaft im Vordergrund. Fragen, die in diesem Kontext zur Anregung gestellt werden, sind zum Beispiel:

  • Wie kann ich meine Forschung für die Lehre öffnen?

  • Wie interagieren offene Forschungs- und Lehrinhalte und die Gesellschaft?

  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen Open Science und guter wissenschaftlicher Praxis? Wie kommt das in meiner Lehre zum Tragen?

2.4 Ablauf

Teil 1: Einstieg und Einblick in umfassendes Konzept

In der Kennenlernphase stellen sich die Teilnehmenden mit ihren Namen und ihren Vorstellungen von Openness vor. Diese Vorstellungen wurden bereits auf digitalen Moderationskarten gesammelt und stellen den Ausgangspunkt der Openness-Landkarte dar, die im Laufe des Workshops iterativ entwickelt werden soll. Unterstützt wird der Prozess durch visuelle Inputs in Form verschiedener Assoziationsbilder.

In der ersten Input-Phase wird die Landkarte zu Openness auf der Grundlage von zwei Kurzvorträgen mit jeweils anschließender Diskussion gefüllt. Zunächst erfolgt der Input zu Open Science, in dem die verschiedenen zugehörigen Konzepte und Handlungsmöglichkeiten vorgestellt werden. Im Anschluss an die Vervollständigung der Landkarte erfolgt der zweite Input zu Open Educational Resources, woraufhin weiter auf der Landkarte ergänzt wird. Somit stehen Input und Reflexions- sowie Diskussionsphasen im Wechsel, um die Interaktion während des Workshops zu gewährleisten.

Open Science inkl. Open Access und FAIR Data

Bei „Open Science“ geht es um die Verfügbarkeit von Wissen als öffentliches Gut. Typischerweise bezieht dies auch grundlegende Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis mit ein: Transparenz, Nachnutzbarkeit und Reproduzierbarkeit. Es geht darum, möglichst „alle Bestandteile des wissenschaftlichen Prozesses über das Internet offen zugänglich und nachnutzbar zu machen. Damit sollen Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft neue Möglichkeiten im Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen eröffnet werden.“[16]

Um Wissen verfügbar zu machen, muss Wissenschaft einerseits möglichst transparent gestaltet werden, denn es geht um das offene Publizieren von wissenschaftlichen Erkenntnissen, von Daten und anderen Materialien sowie Software (z. B. Analyse-Workflows). Andererseits schließt dies auch die Art und Weise der Erkenntnisgewinnung ein, um diese nachvollziehbar und damit partizipativ und inklusiv zu gestalten. In komplexen und hochspezifischen Forschungsprozessen ist dies eine besondere Herausforderung, die bereits in der Vermittlung der entsprechenden Forschungsmethoden adressiert werden muss.

Viele andere Begriffe werden synonym mit Open Science verwendet, z. B. Open Research, Open Scholarship, Science 2.0 und eScience. Das breite Spektrum der Terminologie und die umfassende Verknüpfung der verschiedenen Aspekte miteinander unterstreichen die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes zur Förderung eines Open Mindsets bei den Teilnehmenden.

Open Educational Resources und Openness in der Lehrgestaltung

Bei OER geht es im Wesentlichen um zwei verschiedene Dinge: 1) die Nutzung von zur Verfügung stehenden OER und 2) die Veröffentlichung selbst erstellter OER. Bezogen auf die Nutzung zur Verfügung stehender OER werden Suchstrategien und Hinweise zu Lizenzierungen besprochen. Bezogen auf die Bereitstellung von OER werden die verschiedenen Vor- und Nachteile der Lizenzattribute im Creative-Commons-Bereich als Anlass zur Reflexion von Openness genutzt.

Das Prinzip der Openness kann sich auch auf die Lehrgestaltung erstrecken. Aspekte wie studentische Partizipation und Selbstbestimmung sowie die Schaffung von Verfahrens- und Zieltransparenz sind dabei zentral. Hierzu werden die Vorzüge eines solchen Zugangs besprochen und Möglichkeiten zur Umsetzung andiskutiert. Im Bereich der Selbstbestimmung gäbe es zum Beispiel von der Bereitstellung von Wahlaufgaben über die Erstellung von Lernmaterial durch Studierende bis hin zur Formulierung eigener Lernziele eine ganze Bandbreite an Optionen, von denen Lehrende sich bedienen können. Auch die Einbindung Lernender in den Forschungsprozess stellt ein mögliches Öffnungsszenario dar. Dieser Möglichkeitsraum soll in dieser Phase eröffnet werden, um Personen neugierig zu machen, ein solches Szenario selbst zu gestalten.

Schließlich werden die Hürden bei OER (und OS) besprochen, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu bieten, sich von Anfang an auf potenzielle Stolpersteine vorzubereiten und mögliche Einwände seitens der Studierenden antizipieren zu können. Gemeinsam klären wir institutionelle Rahmenbedingungen und schaffen Klarheit und Transparenz über den Handlungsspielraum der Teilnehmenden.

Teil 2: Förderung der Selbstbestimmung durch Teilnehmendenorientierung mit Wahlaufgaben und Selbstlernphase

Koschorrek[17] hebt hervor, dass die Durchführung von teilnehmendenorientierter Lehre und die Förderung der Selbstbestimmung im Lernprozess ein gewisses Maß an Offenheit seitens der Lehrperson nahelegt. Insbesondere in der Erwachsenenbildung ist die Teilnehmendenorientierung zentral, da die Teilnehmenden sehr unterschiedliche fachliche Hintergründe und didaktische Vorkenntnisse haben. Diesem Umstand trägt der Workshop Rechnung, indem im zweiten Teil eine umfängliche Selbstlerneinheit angestrebt wird, in der die Teilnehmenden sich einem frei gewählten Thema bzw. Aufgabe widmen. Hierfür werden drei virtuelle Tische geöffnet, die durch jeweils eine Workshop-Leiterin begleitet werden. Die Teilnehmenden wählen selbst, welches Thema sie bearbeiten möchten, und es gibt keine Mindestzahl an Teilnehmenden für die so entstehenden Gruppen. Die Begleitung umfasst die durchgängige Ansprechbarkeit, Demonstration einzelner Funktionen und Beantwortung von Fragen. Grundsätzlich arbeiten die Teilnehmenden in dieser Phase selbstbestimmt und selbstverantwortlich. Hierdurch signalisieren die Workshop-Leiterinnen Vertrauen in die Lernenden und Lernende werden zu aktiven Gestalter*innen des offen gehaltenen Lernprozesses. Die drei Tische werden nun näher beschrieben.

Gruppe 1: Kollaboratives Arbeiten mit Jupyter Book: Open-Source-Tool zur Erstellung offener und flexibler Lehr- und Lernmaterialien

In dieser Gruppe lernen Teilnehmende mithilfe der Open-Source-Tools Jupyter Book[18] und GitHub Pages[19], eigene OER in Form frei zugänglicher, template-basierter Webseiten zu erstellen. Die Inhalte dieser können von ausformulierten Lehrtexten mit multimedialer Einbindung bis hin zu interaktiven Tutorials für Programmiersprachen reichen. Da die Nutzung dieser Tools thematisch agnostisch ist, eröffnet sie kreativen Spielraum für multimediale Lehre über Fachbereichsgrenzen hinweg.

Der Fokus liegt in dieser Gruppe zunächst auf den didaktischen Potenzialen von Jupyter Book für eine flexible, offene und barrierearme Wissensvermittlung, gefolgt durch ein Hands-on Tutorial zur Erstellung und Verwendung von OER. Anschließend erarbeiten die Teilnehmenden ein eigenes Kurskonzept, das sie mithilfe des Online-Tutorials technisch aufsetzen. Das Tutorial[20] steht ihnen auch über den Workshop hinaus als offene Lern-Ressource zur Verfügung.

Die Arbeit in dieser Gruppe fokussiert die von Hegarty[21] genannten Eigenschaften offener Pädagogik (s. o.), insbesondere partizipative Technologie (1), Innovation und Kreativität (3), Teilen von Gedanken und Ideen (4), durch Lernende erstellte Inhalte (6), Peer Review (8) und gegenseitiges Vertrauen (2). Die Förderung gemeinschaftlicher Projekte[22] als eine Methode der Förderung von Openness lässt sich demnach anhand dieses Software-Beispiels sehr gut illustrieren.

Gruppe 2: Open Science und Open Access – Integration von Forschung und Lehre

In dieser Gruppe beschäftigen sich die Teilnehmenden mit Offenheit und Transparenz in wissenschaftlicher Praxis. Kernfragen beziehen sich auf Herausforderungen, aber auch auf die Chancen der offenen wissenschaftlichen Praxis.

Als Kernwerkzeuge von Transparenz in der Wissenschaft werden das offene Publizieren von Forschungsergebnissen im Open Access und FAIR Data thematisiert, bei einem entsprechenden Fachhintergrund in der Gruppe können außerdem Open Source und digitale Technologien für Veröffentlichung reproduzierbarer Ergebnisse besprochen werden. Teilnehmende können zudem den Zusammenhang von guter wissenschaftlicher Praxis und Openness reflektieren.

Die stattfindenden Aktivitäten spiegeln vor allem das Teilen von Gedanken und Ideen (4), das Engagement in der professionellen Community (5), die Reflexion der eigenen Praxis (7) und idealerweise das Peer Review (8) nach Hegarty[23] wider.

Gruppe 3: Methoden zur Förderung von Openness

In der dritten Gruppe werden die Lehrenden bei der Erprobung verschiedener digitaler Methoden zur Förderung von Openness begleitet. Sie erhalten eine Auswahl an Methodenblättern und können allein oder zu zweit eine Methode ihrer Wahl erproben und anhand eines Reflexionsbogens deren Nutzung in der eigenen Lehre evaluieren. So können Lehrende dieser Gruppe selbst nach OER für ihre Lehre suchen oder eigenes Material mit einer Checkliste begutachten und für die Veröffentlichung vorbereiten. Sie können weiterhin frei wählen, ob sie verschiedene Methoden erproben oder ein bereits konkretes Lehrszenario gestalten möchten.

Methoden und Werkzeuge, die in diesem Zusammenhang vorgeschlagen werden, sowie deren Bezug zu Hegartys Prinzipien,[24] sind z. B.:

  • verschiedene Tools zur Kollaboration, z. B. Wiki, Blog oder kollaborative Office-Dateien (z. B. mit OnlyOffice)[25] (kollaborative und partizipative Technologien (1)),

  • die Erstellung von Wahlaufgaben für ein Lernziel zur Öffnung der Lehre für verschiedene Lernendenbedürfnisse,

  • die Gestaltung von Selbstlernmaterial für die asynchrone Nutzung durch Lernende oder für die Veröffentlichung als OER (durch Lernende generierte Inhalte (6)),

  • oder die Vorbereitung einer kollegialen Hospitation (Reflexion der eigenen Praxis (7) und Peer Review (8)).

Zentral für diese Phase ist die maximale Offenheit. Teilnehmende sollen die Möglichkeit haben, sich aus dem breiten Spektrum der Openness, welches sie im ersten Teil kennengelernt haben, einen individuellen Schwerpunkt zu setzen und selbst zu erfahren, wie sich ein solch offener Handlungsraum anfühlt, um ähnliche Konzepte im Sinne des didaktischen Doppeldeckers für die eigene Lehre zu reflektieren.

Insgesamt zeigt sich, dass die Prinzipien nach Hegarty[26] in den verschiedenen Phasen und Wahlbereichen in unterschiedlicher Weise zum Tragen kommen. Beispielsweise drückt sich die Reflexion der eigenen Praxis im Rahmen einer Lehrhospitation anders aus als im Rahmen eines Peer-Review-Prozesses im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung. Auch diese Vielseitigkeit soll für die Teilnehmenden sichtbar werden.

2.5 Zugänglichkeit durch englische Sprache und Online-Umgebung

Der Einsatz kollaborativer und partizipativer Technologien (Eigenschaft (1) der Offenen Pädagogik nach Hegarty[27]) ist spätestens seit der Online-Durchführung der Lehre während des Pandemie-Lockdowns selbstverständlich. Lehrende haben mittlerweile die Vorteile digitaler Lernumgebungen erkannt, z. B. die Aufhebung von zeitlichen und örtlichen Barrieren.[28] Um für diesen Workshop die maximale Zugänglichkeit zu gewährleisten, wird die barrierearme Software BigBlueButton, die durch die Philipps-Universität Marburg bereitgestellt wird, genutzt. In diesem Web-Konferenz-System werden sowohl die Plenumsphasen als auch die Gruppenphasen durchgeführt. Die Durchführung als Online-Veranstaltung ermöglicht den Teilnehmenden in der Care-Arbeit, leichter an dem Workshop teilzunehmen. Ergänzt wird die digitale Umgebung durch ein kollaboratives Whiteboard, das DSGVO-konform und kostenlos durch die Teilnehmenden genutzt werden kann. Da Hegartys[29] Forderung nach solchen Technologien über deren bloße Nutzung hinausgeht und die reale Kollaboration, die durch sie ermöglicht wird, in den Vordergrund rückt, findet das Format als synchrone Online-Sitzung statt, um den Austausch zwischen den Teilnehmenden zu ermöglichen, der in einem asynchronen Format möglicherweise zu kurz kommen würde. Ausgehend von der gemeinsamen Zeit im Workshop bilden sich hieraus idealerweise neue Gemeinschaften, die auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten (Eigenschaft von Offener Pädagogik (5) Engagement in der professionellen Community).[30]

Für die Durchführung haben wir uns für die englische Sprache entschieden, damit besonders im Post-Doc-Bereich die vielen Wissenschaftler*innen aus internationalen Kontexten das hochschuldidaktische Angebote nutzen können. Durch die weite Verbreitung von Englisch als Wissenschaftssprache ist davon auszugehen, dass deutsche Muttersprachler*innen sich ebenso gut in das Angebot einfinden werden. Hierdurch kann eine gute Vernetzung der Teilnehmenden initiiert werden, die sich außerhalb solcher Angebote möglicherweise nicht ergeben würde.

2.6 Ausblick: Evaluation des Workshops und Weiterentwicklung

Workshop-Angebote im HDM werden durch einen standardisierten Fragebogen evaluiert. Dies gilt auch für den hier beschriebenen Workshop. Die Fragen adressieren Aspekte wie die Erreichung der Lernziele, das Lernklima sowie die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen. Es besteht zudem die Möglichkeit, sich im Freitextformat zur Veranstaltung zu äußern. Die Ergebnisse dienen der Weiterentwicklung des Angebots. Die Arbeit wird über folgende Adresse stetig weiter dokumentiert: https://doi.org/10.17192/fdr/244.

Über die Autoren

Sophia Hercher

Sophia Hercher

Dr. Lydia Riedl

Dr. Lydia Riedl

Lucie Binder

Lucie Binder

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Online erschienen: 2025-10-23

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Downloaded on 20.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2025-0022/html
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