Rezensierte Publikation:
Lexikon Schriften über Musik. Bd. 2: Musikästhetik in Europa und Nordamerika. Hg. von Felix Wörner und Melanie Wald-Fuhrmann. Bärenreiter, Kassel; Metzler, Berlin 2022. XX, 962 S., € 129.-.
Seit wann gibt es „die Musikästhetik“? Als eigene philosophische Disziplin kann es sie, so sollte man meinen, schwerlich geben, bevor sich nicht auf der übergeordneten Ebene eine mit Recht so zu nennende generelle „Ästhetik“ etabliert hatte. Und das, so der Konsens, ist wohl erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts mit der ausdrücklich so betitelten Aesthetica Alexander Gottlieb Baumgartens der Fall (1750/1758). Da aber die begreifende Eule der Minerva ihren Flug bekanntlich immer erst in der Dämmerung antritt, existierte das Phänomen als solches selbstverständlich längst, bevor es die philosophischen Weihen eines eigenen disziplinären Titels erhielt. Und das gilt nicht nur für die Ästhetik selbst (deren Name übrigens noch lange, etwa in Kants Kritik der reinen Vernunft, weiterhin im älteren Sinne für die Befassung mit dem sinnlichen Teil der menschlichen Erkenntnis verwendet wird), sondern auch für deren musikbezogene Unterkategorie. Wie lange vorher aber nun wirklich, das gälte es erst noch zu prüfen. Nochmals: Seit wann also gibt es „die Musikästhetik“? Die vielgelesene, erstmals 1964 in zwei Bänden bei Einaudi erschienene und seither auch in mehreren Auflagen und Sprachen zugängliche L’estetica musicale von Enrico Fubini[1] beantwortet die Frage lakonisch in ihrem Untertitel: Von der Antike bis zur Gegenwart (so in der Formulierung der zuerst 1997 vorgelegten deutschen Fassung). Offenbar ist das, bei Fubini mit Homer beginnend, der maximal ausdehnbare Zeitraum überhaupt, und das scheint auch der erstaunlichen Tatsache zu entsprechen, dass die Musik – wie wir sie heute kennen und pflegen – nach Nietzsches Diktum zwar ein „Spätling der Kultur“ ist, die ihr gewidmete Wissenschaft jedoch, so behauptet es jedenfalls der einschlägige Artikel der Fachenzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart, als „weitaus die älteste“[2] aller Kunstwissenschaften überhaupt gelten kann (allein schon der Hinweis auf Pythagoras ist Beleg genug).
Und nun erlaubt ein neu erschienenes Handbuch und Nachschlagewerk eine nochmalige, kaum für möglich gehaltene Erweiterung. Im zweiten Band des in Kassel bei Bärenreiter verlegten und im Frankfurter Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik erarbeiteten Großprojekts Lexikon Schriften über Musik, der nach der Musiktheorie (1. Bd.[3]) nun exklusiv der Musikästhetik gewidmet ist, liegt der Einsatzpunkt noch um einiges vor Fubinis Beginn mit Homer: in der Bibel nämlich, deren Aufzeichnungsbeginn hier mit „9. Jh.“ angegeben wird. Wenn nicht noch in Zukunft einschlägige Keilschrifttafeln entdeckt werden, dürfte das nun für alle Zeiten der frühestmögliche Geburtstermin der Musikästhetik sein. Es handelt sich um den (übrigens vorzüglichen) Eintrag „Bibel“ (S. 121–124) der Mitherausgeberin Melanie Wald-Fuhrmann, die in luzider Prosa auf die zahlreichen musikbezogenen (man scheut sich zunächst allerdings zu sagen: musikästhetischen) Implikate des Alten wie des Neuen Testaments verweist und auch deren komplexe musikalische Wirkungsgeschichte ins Auge fasst. Über diesen fulminanten Artikel hätte sich bestimmt auch Johann Sebastian Bach gefreut, der mit dem professionellen Interesse des Kirchenmusikers sein eigenes, kürzlich wieder aufgefundenes Handexemplar der Heiligen Schrift ausweislich der Randbemerkungen systematisch nach solchen Stellen durchforstet und damit unwissentlich dem trefflich gelungenen Lexikon-Artikel vorgearbeitet hat. Kurioserweise fehlt dann aber, im Unterschied zu Fubini, ein Artikel über Homer.
Die Verfasserin des „Bibel“-Artikels Melanie Wald-Fuhrmann, die Direktorin des Frankfurter Instituts, verantwortet diesen Band des Lexikons als Herausgeberin gemeinsam mit Felix Wörner, dem habilitierten, professionell in der Schweiz, in Deutschland und den USA vernetzten und derzeit am MPI arbeitenden Musikwissenschaftler. An der Konzeptionsphase war bis zu seinem Tod auch der Berliner Musikwissenschaftler Hartmut Grimm, ein hervorragender Kenner des 18. Jahrhunderts, beteiligt. Die mit einem solchen Projekt verbundene Herkules-Arbeit vermag vielleicht nur zu würdigen, wer einen Teil seines Berufslebens selbst mit der Erstellung eines solchen Kompendiums verbracht hat. Eine nur um weniges dankbarere Aufgabe ist es aber auch, einen Lexikonband von fast 1000 Seiten, mit Hunderten von Artikeln aus der Feder von über 200 Autorinnen und Autoren aus nicht weniger als vier Sprachkulturen angemessen zu besprechen. Das kann eigentlich nur approximativ gelingen, und so sei wenigstens zur Entlastung des Folgenden das gut vertretbare Gesamturteil vorangestellt: Der Band ist großartig gelungen, er stellt eine bewundernswerte konzeptionelle Leistung dar und er kann von allen musikaffinen Menschen nur mit tiefer Dankbarkeit und allem Respekt in die Hand genommen werden. Das schließt manche Kritik im Detail nicht aus; alles andere wäre bei dieser gleichsam von Natur aus heiklen Textsorte aber auch ein reines Wunder. Denn nicht immer sind die Auswahlkriterien leicht nachzuvollziehen. Warum zum Beispiel kommt hier der Musikwissenschaftler und Pädagoge Erich Doflein mit seinem für den vorliegenden Kontext gänzlich irrelevanten Geigen-Schulwerk vor (S. 235–236), während es doch von ihm eine posthum noch einmal neu herausgegebene musikphilosophische Monographie Gestalt und Stil in der Musik gibt?[4]
Natürlich machen sich die Herausgeber über die eingangs diskutierten Fragen Gedanken, und sie erörtern diese in einem knapp gehaltenen, in der Sache aber gründlichen Vorwort. Hier werden die Selektionskriterien, die zeitliche Erstreckung des Gegenstands, die historischen Wandlungen der Konzepte von Musiktheorie und Musikästhetik, die schwierige Abgrenzung der Gebiete von Ästhetik und Philosophie, das Erkenntnisinteresse des Unternehmens und die Vorgaben für die Besprechung der Einzeltexte diskutiert, deren Umfang von den wenigen Druckseiten eines kleinen Zeitschriftenaufsatzes bis zu den je nach Ausgabe weit über 1300 Seiten der oben bereits erwähnten Bibel reicht. Schon dieser schlichte Zahlenvergleich macht sichtbar, in welchem Ausmaß die Einschätzung des musikästhetisch-wirkungsgeschichtlichen „impact“ der diversen Texte der subjektiven Entscheidung der Herausgeber unterliegt, die man daher am besten gar nicht kritisieren, sondern im Wissen um die ungeheure Mühe bei solchen Entscheidungen akzeptieren sollte. Wie jeder weiß, der ein solches Unternehmen von innen kennt, kommen dann sicherlich noch leidige Umstände wie unzuverlässige, im letzten Moment abspringende, beratungsresistente und schwer zu lektorierende Autoren hinzu, auch wenn das keine Lizenz für alle Lücken, Mängel oder Merkwürdigkeiten des Endergebnisses darstellt. Immer ist ein im Ganzen gelungenes kollektives Produkt wie dieses ein beglückendes Erzeugnis dessen, was sich Klopstock unter der „Gelehrtenrepublik“ vorgestellt haben mag. Die nur passiven Mitglieder dieser Republik müssen es sich dann allerdings, vielleicht unter momentaner Zurückstellung anderer Bedürfnisse, auch finanziell leisten können...
Für die Lemmatisierung der einzelnen Artikel gibt es verschiedene Modelle, jedes mit seinen eigenen Vor- und Nachteilen. Berühmt ist der Fall des ehrwürdigen Kindler-Literatur-Lexikons, bei dem man die alphabetische Gliederung nach Werktiteln später zugunsten einer alphabetischen Sortierung nach Autoren geändert hat.[5] Der hier zu besprechende Band folgt dem Autorenprinzip, wohl auch, weil sich sonst manches Entlegene und keineswegs in diesem Kontext Vermutete gar nicht gezielt auffinden ließe. Wer würde schon die durch Manfred Fuhrmann (S. 252–254) präzis besprochene kleine Choral-Schrift des im 14. Jahrhundert schreibenden Heinrich Eger von Kalkar unter ihrem Titel Cantuagium gezielt aufsuchen, zumal nicht wenige antike und mittelalterliche Texte unter fluiden, apokryphen oder changierenden Titeln überliefert sind? Hier ist also das gewählte Ordnungsprinzip von großem Vorteil. Kommt hinzu, dass es überraschende Entdeckungen besser ermöglicht als etwa die Anordnung nach generischen und nichtssagenden Werktiteln wie Pianoforte-Schule, unter dem sich ein schöner Beitrag von Michael Lehner über Carl Czerny verbirgt, und zwar unter Einbeziehung auch noch einer weiteren Schrift mit einem ebensolchen Allerwelts-Titel (Briefe über den Unterricht auf dem Pianoforte, S. 200–202). Ganz konsequent ist das alles aber nicht durchzuführen. Während in dem eben erwähnten Fall zwei Werke Czernys kurzerhand in ein und demselben Artikel zusammengefasst werden, erhalten in der Regel die diversen Texte eines Verfassers je einen eigenen Eintrag. Im Fall von Jean Paul zum Beispiel (S. 406–412) sind diese alle der höchst kundigen Julia Cloot anvertraut, die mit ihrer 2001 erschienenen Berliner Dissertation denn auch das Standardwerk zum Thema vorgelegt hat. Häufiger hingegen wird ein Verfasser, dessen Bedeutung derjenigen von Jean Paul entspricht, auf mehrere Beiträger(innen) verteilt (das gilt für Denis Diderot, E. T. A. Hoffmann, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche oder Thomas Mann). Homogenität und Heterogenität der Artikel sind dann je nach Fall – was man schätzen oder bedauern kann – die zwangsläufige Folge. Und selbst das Prinzip der Autorennamen funktioniert natürlich nicht immer: Der schon mehrfach erwähnte Eintrag „Bibel“ ist alphabetisch nach diesem geläufigen Titel eingereiht, denn die Verfassermarkierung („Ca. 40 teils anonyme Autoren“) verbietet sich als Sortierungskriterium natürlich von selbst.
Es passieren aber auch Pannen, die sich leicht hätten beheben lassen: Dass den Artikel über Hegels Musikästhetik nicht Adolf Nowak, von dem es dazu eine bahnbrechende Monographie gibt, selbst geschrieben hat (dafür hat er aber den Beitrag zu Kants Kritik der Urteilskraft übernommen, und den Hegel-Artikel hat sehr schön Christoph Haffter absolviert), ist schade, aber nicht zu ändern, wenn der Autor, wie es hier vielleicht der Fall war, nicht will. Doch dass ausgerechnet sein besagtes Standardwerk[6] dann in der Bibliographie des einschlägigen Artikels fehlt, hätten die Herausgeber nicht durchgehen lassen dürfen. Anderes ist zu verschmerzen, hätte aber eine elegantere Behandlung verdient gehabt: Die musikästhetisch einschlägigen Beiträge zu Johann Georg Sulzers berühmter und wirkmächtiger Allgemeinen Theorie der Schönen Künste, die nicht vom der Musik kaum kundigen Herausgeber selbst stammen, sind, dem Namensprinzip folgend, an weit auseinanderliegenden Stellen des Bandes zu finden: unter Johann Philipp Kirnberger (S. 438–440) und Johann Peter Abraham Schulz (S. 767–768), und das leider mit nicht aufeinander abgestimmten Arbeitstiteln („Musikartikel für Sulzers Allgemeine Theorie der Schönen Künste“ bei Kirnberger, „Allgemeine Theorie der Schönen Künste“ bei Schulz). Nebenbei erhält der Herausgeber, Sulzer, unter dem korrekten Titel seines Hauptwerks auch noch einen eigenen Eintrag (vorbildlich kompakt durch Alexander Košenina, S. 827–829). Hätte sich das aber nicht alles besser „verlinken“ lassen? Ähnlich gelagert, doch anders gelöst, ist der Fall mit der monumentalen und einflussreichen Ästhetik Friedrich Theodor Vischers, die diesmal (ebenfalls mangels musikalischer Kompetenz ihres Herausgebers, aber das verbindet ihn ja mit dem hier anders behandelten Sulzer) keinen eigenen Artikel erhält, sondern über das Register zusammengesucht werden muss, während der musikalische Beiträger zu Vischers Ästhetik, Karl Reinhold Köstlin, unter dem lakonischen Titel („Musik“) des Vischer’schen Teilbandes vertreten ist (S. 457–459).
Vereinheitlichung bei größtmöglicher Wahrung der stilistischen Beiträger-Individualität gehört wohl zu den größten Herausforderungen eines solchen Projekts. Man sieht das deutlich an den sehr unterschiedlich gemachten Artikeln zu Thomas Mann (herausragend zum Doktor Faustus und zur großen Wagner-Rede durch Hans Rudolf Vaget, S. 542–547, sehr schön zum Zauberberg von Matthias Schmidt, S. 552–554, und zur Tristan-Novelle von Florian Edler und Berit-Kristina Weiß, S. 547–550). Die Besprechung der Novelle Wälsungenblut liegt in den Händen von Yahya Elsaghe, der allen bisherigen Kontroversen um den etwaigen Antisemitismus dieses Textes ein klares Ende setzt und am Ende jenen Forschern („oft aus der Auslandsgermanistik und mit Migrationshintergrund“), die neuerdings den Rassismus der Erzählung „im Vorfeld des Cultural Turn und im Gefolge der Postcolonial Studies“ klar entlarvt haben wollen, die Bühne überlässt (S. 552). Das ist legitim, und jedem, der sein Gefallen darin findet, ästhetische Gebilde aus der reizvollen Ambivalenz in eine quasi-propositionale Eindeutigkeit zu übersetzen, soll man die Freude daran getrost lassen. Die Kritik an diesem (übrigens brillant geschriebenen) Beitrag richtet sich auf anderes: Jemand hätte dem Autor sagen müssen, dass sein Text für ein Lexikon zur Musikästhetik bestimmt war, denn genau diese Thematik bleibt über dem Eifer des Rassismus-Nachweises vollkommen ausgespart.
Wo aber fängt man im Blick auf die schiere Menge der Artikel an, wo hört man als Rezensent schließlich auf? Ein beträchtlicher Vorteil eines solchen Buchs liegt darin, dass man sich unwillkürlich festliest, und dies eigentlich immer mit großem Gewinn. Es ist das Verdienst des Bandes, dass der Kritiker erst durch ihn selbst auf Gedanken kommt, die er ohne diesen Kontext vielleicht nicht gefasst hätte, und sich so dem Vorwurf der wohlfeilen Beckmesserei ausliefert. Immer unangenehm, sei diese hier rasch absolviert. Es gibt natürlich, fast überflüssig zu erwähnen, Lücken, auf die man erst kommt, wenn man den vom Lexikon selbst ausgelegten Spuren folgt. Warum gibt es, wenn es denn doch einen (überaus scharfsinnigen) Beitrag zu Mallarmés poetologischem Kurzessay Crise de vers (Caroline Torra-Mattenklott, S. 536–538) gibt, keinen zu den für ihr Jahrhundert kaum weniger bedeutenden poetologischen Aufsätzen Klopstocks, die neuerdings wieder bequem zugänglich und in einem 100-seitigen Nachwort umfassend interpretiert vorliegen?[7] Warum keinen zu Ingeborg Bachmann, deren bedeutender Aufsatz Musik und Dichtung nur kurz im Artikel über Hans Werner Henze (S. 346–347) aufscheint? Warum keinen zu Lessing (dessen nachgelassene Paralipomena zum Laokoon doch im 19. Jahrhundert die musikästhetische Debatte befeuert haben), warum keinen zu Tolstoi mit seiner berühmten Kreuzersonate und seiner essayistisch breit ausgefalteten, bis ins Russland des späten 20. Jahrhunderts wirksamen ästhetischen Ansteckungstheorie? Oder zu Musil, dessen Mann ohne Eigenschaften eine bissige, von Nietzsche inspirierte Wagner-Kritik enthält? Warum – obwohl, ohne dass man das hier unbedingt erwartet hätte, viele Dichter berücksichtigt sind – keinen Artikel zu Eichendorff, Novalis, Brentano, Hölderlin, Celan? Es gibt doch, was unbedingt den Appetit auf noch mehr davon erregt, Beiträge zu konkreten Gedichtsammlungen, so etwa sehr pointiert zu Ernst Jandl (Frieder von Ammon, S. 400–403). Warum ist der mehrfach berücksichtigte Hugo Riemann ausgerechnet mit der hier einschlägigsten aller seiner Schriften, den Elementen der musikalischen Ästhetik, nicht vertreten? Auch hätte man sich etwas über die inzwischen doch fast klassische Musikästhetik des kürzlich verstorbenen Roger Scruton vorstellen können.[8] Natürlich ist, wenn sich der Band der Marke von 1000 Seiten gefährlich zu nähern beginnt, der Platz irgendwann einmal erschöpft – ein Argument, das man gelten lassen darf. Statt eines wirklich ökonomischen Umgangs mit dem verfügbaren Raum wird allerdings manchem ephemerem Text eine ganz illegitime Prominenz zugestanden: so etwa Carolyn Abbates polemischem Essay Music – Drastic or Gnostic?. Der Aufsatz, mit dessen ausführlicher und sehr guter Darstellung durch Christian Utz (S. 1–4) die Autorin, durch die Gunst des Alphabets, den Band prominent und exponiert eröffnet, hätte leicht im Kommentarteil zu Vladimir Jankélévitchs La Musique et l’ineffable (S. 403–406) untergebracht werden können, durch dessen Übersetzung ins Englische sich Abbate zu ihrem eigenen kleinen Text überhaupt erst hat anregen lassen.
Statt zu monieren, was fehlt oder was schief gegangen ist, kann man aber auch loben, was vorhanden ist. Und dazu besteht reichlichster Anlass. Es ist gelungen, fast alle Artikel auf einem erstaunlich hohen Niveau zu halten. Besonders hervorhebenswert sind etwa die Beiträge von Charis Goer über Wilhelm Heinses Musikerroman Hildegard von Hohenthal (S. 342–346) und diejenigen der beiden Herausgeber selbst: über die Musurgia universalis des barocken Jesuiten Athanasius Kircher (Melanie Wald-Fuhrmann, S. 435–438) oder, weil sehr verdienstvoll als Hinweis auf einen zu Unrecht im deutschen Diskurs fast Unbekannten, nämlich über den Hanslicks Formalismus mit Wagners Dramenkonzept verbindenden Prager Otakar Hostinský (Felix Wörner, S. 388–390). Zahlreiche weitere Beispiele wären zu nennen.
Die Ausstattung des Bandes mit Registern (Personen und Schriften), Abkürzungsverzeichnis, Auflistung der digitalen Plattformen und praktischen Gebrauchshinweisen ist vorzüglich zu nennen und lässt nichts zu wünschen übrig. So wird dieses Lexikon, zu dem man getrost die Hinzunahme auch des ersten Bandes über die Schriften zur Musiktheorie empfehlen kann, zu einem unverzichtbaren Handbuch für alle, die sich auf den Gebieten der Musikwissenschaft, der Literaturgeschichte oder der Philosophie rasch und kompetent informieren und in die Materie einarbeiten wollen. Was die Herausgeber im Vorwort wünschen, dass nämlich der Band „den Einstieg in die behandelten Schriften der Musikästhetik und Musikphilosophie und in die durch sie vertretenen Diskurse erleichtern“ möge und als „Einladung an alle Benutzerinnen und Benutzer [diene], auf Entdeckungsreise zu gehen und beim Blättern neue und unbekannte Gebiete zu erkunden“, ist weit mehr als nur ein frommer Wunsch. Wer sich hier nicht bereichern und anregen lässt (und sei es selbst, wie hier partiell geschehen, zu kleinlich scheinender Besserwisserei), ist selbst schuld. Hut ab also vor dieser immensen und die deutschsprachige philosophisch-ästhetische Lexikographie ungemein bereichernden Leistung!
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