Die deutschsprachige Beschneidungsdebatte im 19. Jahrhundert
-
Klaus Hödl
Zusammenfassung
Im vorliegenden Artikel wurden drei Phasen vorgestellt, in denen liberale Juden jeweils unterschiedliche Neubestimmungen der Brit Milah vornahmen. In den 1840er Jahren wurde sie von ihnen als irrelevant für das Judesein gedeutet. In den darauffolgenden Jahrzehnten waren Bemühungen erkennbar, die Beschneidung mit bürgerlich-gesellschaftlichen Standards der Ästhetik in Übereinstimmung zu bringen. Seit den 1890er Jahren gab es eine neue Wertschätzung der Brit Milah. Diese erfuhr sie allerdings nicht als ein religiöses Bundeszeichen, sondern als ein säkularisiertes nationales Merkmal.
Alle drei Formen des nichttraditionellen Umgangs mit der Brit Milah spiegeln die Assimilations- und Akkulturationshoffnungen aufgeklärter Juden wider. Sie geben Einblick in die Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden und Aufschluß über die Verfassung des Judentums. Sie zeigen auch, wie sehr die Selbstdefinition der Juden durch eine Außenperspektive bestimmt war. Die Beschäftigung mit der Brit Milah kann somit nicht als ausgefallenes wissenschaftliches Interesse erachtet werden, sondern bringt viel über die Verfassung des zeitgenössischen Judentums zutage. Wenn Fragen nach der Einhaltung des Sabbats oder der Bedeutung der Mikwe Gradmesser für die jüdische Identität sein können, dann umso mehr die Haltung zur Beschneidung.
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Postfach 2140, D–72011 Tübingen, 2003
Articles in the same Issue
- Waffenbesitz und Militärdienst der Juden von der römischen Antike bis zur Aufklärung. Zur Einführung
- Militärdienst und Wehrhaftigkeit der Juden in der Spätantike
- Das Thema Waffen aus der rabbinischen Perspektive
- ›Waffenrecht‹ und ›Waffenverbot‹ für Juden im Mittelalter – zu einem Mythos der Forschungsgeschichte
- Von jüdischen Rittern und anderen waffentragenden Juden im mittelalterlichen Deutschland
- Juden und Waffen im 16. und 17. Jahrhundert – Anmerkungen zu einem Alltagsphänomen
- »… gleich anderen dero Diener einen Degen zu tragen …«. Reflexionen zum sozialen Rang der Hofjudenschaft in vormoderner Zeit
- Von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis. Eine Stellungnahme zu einem Forschungsvorhaben zur Rechtsgeschichte der Juden im Heiligen Römischen Reich
- Jüdische Eliten in Polen zu Beginn der Frühen Neuzeit
- »Wie ein böser Spuk.« Düsseldorfer Juden in Krieg und Revolution 1914–1920
- Die deutschsprachige Beschneidungsdebatte im 19. Jahrhundert
- Ein jüdischer Deutscher: Der Kampf des jungen Gabriel Riesser für die Gleichberechtigung der Juden 1830–1848
- On the Construction of Anti-Semitism
- Rezensionen
- Projektberichte (zusammengestellt von Annette Haller)
Articles in the same Issue
- Waffenbesitz und Militärdienst der Juden von der römischen Antike bis zur Aufklärung. Zur Einführung
- Militärdienst und Wehrhaftigkeit der Juden in der Spätantike
- Das Thema Waffen aus der rabbinischen Perspektive
- ›Waffenrecht‹ und ›Waffenverbot‹ für Juden im Mittelalter – zu einem Mythos der Forschungsgeschichte
- Von jüdischen Rittern und anderen waffentragenden Juden im mittelalterlichen Deutschland
- Juden und Waffen im 16. und 17. Jahrhundert – Anmerkungen zu einem Alltagsphänomen
- »… gleich anderen dero Diener einen Degen zu tragen …«. Reflexionen zum sozialen Rang der Hofjudenschaft in vormoderner Zeit
- Von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis. Eine Stellungnahme zu einem Forschungsvorhaben zur Rechtsgeschichte der Juden im Heiligen Römischen Reich
- Jüdische Eliten in Polen zu Beginn der Frühen Neuzeit
- »Wie ein böser Spuk.« Düsseldorfer Juden in Krieg und Revolution 1914–1920
- Die deutschsprachige Beschneidungsdebatte im 19. Jahrhundert
- Ein jüdischer Deutscher: Der Kampf des jungen Gabriel Riesser für die Gleichberechtigung der Juden 1830–1848
- On the Construction of Anti-Semitism
- Rezensionen
- Projektberichte (zusammengestellt von Annette Haller)