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1.2 John R. Searle

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Politik des Miteinander
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1. Gemeinschaft als das Teilen von Absichten 445relationalen Moments ins Wanken bringen, da so das Subjekt in der Intersubjektivi-tät aufgehoben würde.264Um den Individualismus – auch in seiner spiegelbildlichenKollektivgestalt – zu unterlaufen, muss man an seiner Wurzel ansetzen: dem Subjekt.NancyhathierzueinenentscheidendenBeitraggeleistet;nichtnuralsKritikerdesSub-jekts,sondernweilerzudemzeigt:DieSingularitätist»self-as-relation«.265EinsolchesVerständnis des Selbst ist wohl die Voraussetzung für gemeinsames Beabsichtigen undHandeln, die im »individualistischen Denkrahmen«266der Theorien kollektiver Inten-tionalität unerkannt bleibt.1.2 John R. SearleUnter dem Titel »Philosophie der Gesellschaft«267nimmt Searle die Gründung einerneuen philosophischen Disziplin in Angriff.268Deren Aufgabe sei es, »die eigentli-che Natur und die grundlegende Existenzweise der institutionellen Realität mensch-licher Gesellschaften zu erklären«.269Anders als die Gesellschafts- oder Politikwissen-schaft befasse sich die ›Philosophie der Gesellschaft‹ mit dem »Studium des Wesens dermenschlichen Gesellschaft selbst«.270Der von Searle eingeführte Begriff der kollekti-ven Intentionalität271scheint für dieses Vorhaben fundamental, bilde doch kollektiveIntentionalität »den Grundstein der gesamten menschlichen Sozialontologie und dermenschlichen Gesellschaft überhaupt«.272Searle sucht nach dem (einen) Prinzip, dashinter so verschiedenen sozialen Entitäten wie Regierungen, Geld, Familien, Cocktail-partys,Gewerkschaften,Fußballspielen oder Reisepässen steckt.273Ihm geht es um die264 In diesem Sinne schlägt Schmid: Wir-Intentionalität, S. 241, Hv. i. Orig., vor, statt ›kollektive In-tentionalität‹ den Ausdruck»[g]emeinsame Intentionalität«zu verwenden, »weil die Gemeinschaftgerade keine ›Zusammenlegung‹(con-lectio)von Individuen ist« und »sich nicht in den individua-listischen Bezugsrahmen [fügt]; sie setzt tatsächliche Gemeinschaft voraus«. Um dies zu belegen,rekurriert Schmid vor allem auf das Denken Heideggers; vgl. ebd., S. 246ff.265 Watkin: Different alterity, S. 54.266 Schmid: Wir-Intentionalität, S. 235.267 Searle: Soziale Welt, S. 14.268 Vgl. Schmid: Wir-Intentionalität, S. 208.269 Searle: Soziale Welt, S. 9.270 Ebd., S. 15; vgl. ebd., S. 14f. Siehe auch Bernhard Waldenfels: Comment on John Searle’s The Con-struction of Social Reality. In: Analyse und Kritik 20 (1998), H. 2, S. 159-165, 160, Hv. i. Orig. »Hetakes an interest in scrutinizingsociability(in German:Geselligkeit) as such, including itsinstitutio-nal structure.«271 Vgl. Schmid/Schweikard: Einleitung, S. 14.272 Searle: Soziale Welt, S. 76. Siehe auch John R[ogers] Searle: Social Ontology and Political Power. In:Schmitt, Frederick F[rancis] (Hg.): Socializing Metaphysics. The Nature of Social Reality. Lanhamu.a. 2003, S. 195-210, 198, wo er »collective intentionality« als »the foundation of society« bezeich-net.273 Siehe zu diesen Beispielen Searle: Soziale Welt, S. 9; 15, und für die »methodologische Vorausset-zung« seiner Arbeit die Erläuterung ebd., S. 16f., Hv. i. Orig.: »Wir müssen von Anfang an davonausgehen, daß die menschliche Gesellschaft [...] auf bestimmten recht einfachen Prinzipien be-ruht. Ich werde sogar geltend machen, daß die institutionellen Strukturen dieser Gesellschaft auf
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1. Gemeinschaft als das Teilen von Absichten 445relationalen Moments ins Wanken bringen, da so das Subjekt in der Intersubjektivi-tät aufgehoben würde.264Um den Individualismus – auch in seiner spiegelbildlichenKollektivgestalt – zu unterlaufen, muss man an seiner Wurzel ansetzen: dem Subjekt.NancyhathierzueinenentscheidendenBeitraggeleistet;nichtnuralsKritikerdesSub-jekts,sondernweilerzudemzeigt:DieSingularitätist»self-as-relation«.265EinsolchesVerständnis des Selbst ist wohl die Voraussetzung für gemeinsames Beabsichtigen undHandeln, die im »individualistischen Denkrahmen«266der Theorien kollektiver Inten-tionalität unerkannt bleibt.1.2 John R. SearleUnter dem Titel »Philosophie der Gesellschaft«267nimmt Searle die Gründung einerneuen philosophischen Disziplin in Angriff.268Deren Aufgabe sei es, »die eigentli-che Natur und die grundlegende Existenzweise der institutionellen Realität mensch-licher Gesellschaften zu erklären«.269Anders als die Gesellschafts- oder Politikwissen-schaft befasse sich die ›Philosophie der Gesellschaft‹ mit dem »Studium des Wesens dermenschlichen Gesellschaft selbst«.270Der von Searle eingeführte Begriff der kollekti-ven Intentionalität271scheint für dieses Vorhaben fundamental, bilde doch kollektiveIntentionalität »den Grundstein der gesamten menschlichen Sozialontologie und dermenschlichen Gesellschaft überhaupt«.272Searle sucht nach dem (einen) Prinzip, dashinter so verschiedenen sozialen Entitäten wie Regierungen, Geld, Familien, Cocktail-partys,Gewerkschaften,Fußballspielen oder Reisepässen steckt.273Ihm geht es um die264 In diesem Sinne schlägt Schmid: Wir-Intentionalität, S. 241, Hv. i. Orig., vor, statt ›kollektive In-tentionalität‹ den Ausdruck»[g]emeinsame Intentionalität«zu verwenden, »weil die Gemeinschaftgerade keine ›Zusammenlegung‹(con-lectio)von Individuen ist« und »sich nicht in den individua-listischen Bezugsrahmen [fügt]; sie setzt tatsächliche Gemeinschaft voraus«. Um dies zu belegen,rekurriert Schmid vor allem auf das Denken Heideggers; vgl. ebd., S. 246ff.265 Watkin: Different alterity, S. 54.266 Schmid: Wir-Intentionalität, S. 235.267 Searle: Soziale Welt, S. 14.268 Vgl. Schmid: Wir-Intentionalität, S. 208.269 Searle: Soziale Welt, S. 9.270 Ebd., S. 15; vgl. ebd., S. 14f. Siehe auch Bernhard Waldenfels: Comment on John Searle’s The Con-struction of Social Reality. In: Analyse und Kritik 20 (1998), H. 2, S. 159-165, 160, Hv. i. Orig. »Hetakes an interest in scrutinizingsociability(in German:Geselligkeit) as such, including itsinstitutio-nal structure.«271 Vgl. Schmid/Schweikard: Einleitung, S. 14.272 Searle: Soziale Welt, S. 76. Siehe auch John R[ogers] Searle: Social Ontology and Political Power. In:Schmitt, Frederick F[rancis] (Hg.): Socializing Metaphysics. The Nature of Social Reality. Lanhamu.a. 2003, S. 195-210, 198, wo er »collective intentionality« als »the foundation of society« bezeich-net.273 Siehe zu diesen Beispielen Searle: Soziale Welt, S. 9; 15, und für die »methodologische Vorausset-zung« seiner Arbeit die Erläuterung ebd., S. 16f., Hv. i. Orig.: »Wir müssen von Anfang an davonausgehen, daß die menschliche Gesellschaft [...] auf bestimmten recht einfachen Prinzipien be-ruht. Ich werde sogar geltend machen, daß die institutionellen Strukturen dieser Gesellschaft auf
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Chapters in this book

  1. Frontmatter 1
  2. Inhalt 5
  3. Vorbemerkung 9
  4. Einleitung oder Der Horizont, der hinter uns liegt 11
  5. Erster Teil
  6. Jean-Luc Nancy und die Undarstellbarkeit der Gemeinschaft 87
  7. 1. Die Gemeinschaft, das Politische
  8. Einleitung 101
  9. 1.1 Les fins de l’homme 104
  10. 1.2 Arbeit am Politischen: Das Centre de recherches philosophiques sur le politique 110
  11. 1.3 Die totale Herrschaft des Politischen – Elemente und Ursprünge 120
  12. 1.4 À la recherche de la transcendance perdue 133
  13. 1.5 Le(s) fin(s) du centre 140
  14. 2. Nancys Auseinandersetzung mit der Tradition der Gemeinschaft
  15. Einleitung 147
  16. 2.1 Die ursprüngliche Gemeinschaft oder Paradise Lost 152
  17. 2.2 Ursachenforschung: Die ›Logik des Absoluten‹ 168
  18. 2.3 Der Mythos der Gemeinschaft 188
  19. 3. In-Gemeinschaft-sein: Nancys Ontologie
  20. Einleitung 199
  21. 3.1 Gemeinschaft in Ekstase (Georges Bataille) 201
  22. 3.2 Von der Gemeinschaft zum Mitsein 254
  23. 3.3 Ethik und Politik des Mit-Seins 328
  24. 4. Versuch einer Kritik der Ontologie der Gemeinschaft 397
  25. Zweiter Teil
  26. Konstruktionen der Gemeinschaft 409
  27. 1. Gemeinschaft als das Teilen von Absichten
  28. Einleitung 413
  29. 1.1 Raimo Tuomela 425
  30. 1.2 John R. Searle 445
  31. 1.3 Michael E. Bratman 467
  32. 1.4 Margaret Gilbert 491
  33. 1.5 Gemeinschaft nicht machen – Kritik der Theorien kollektiver Intentionalität 512
  34. 2. Gemeinschaft als imaginäre Institution (Cornelius Castoriadis)
  35. Einleitung 559
  36. 2.1 Kritik des bestimmten Seins 562
  37. 2.2 Kritik der bestimmten Gesellschaft: Funktionalismus, Strukturalismus, Marxismus 574
  38. 2.3 Die Veränderung entwerfen 585
  39. 2.4 Das Imaginäre und die Schöpfung ex nihilo 590
  40. 2.5 Politik der Gemeinschaft 621
  41. 3. Grenzen der Gemeinschaft (Ernesto Laclau und Chantal Mouffe)
  42. Einleitung 655
  43. 3.1 Diskurstheoretisches Fundament 664
  44. 3.2 Das Soziale, die Gesellschaft und die ›politische Differenz‹ 673
  45. 3.3 Politik der Hegemonie 681
  46. 3.4 Die Frage der Demokratie 698
  47. 3.5 Theorie des Zwischen 722
  48. 4. Gemeinschaft bauen
  49. Einleitung 733
  50. 4.1 Architektur als Ausdruck des Sozialen 737
  51. 4.2 Architektur als Sozial- und Machttechnologie 741
  52. 4.3 Architektur und Soziales – noch einmal, aber anders 754
  53. 4.4 Das Stadion: Massenproduktion oder Herstellung der immanenten Gemeinschaft 759
  54. 4.5 Die Stadt – Ort des Mitseins 771
  55. 4.6 Gebär(d)en der Demokratie 788
  56. Dritter Teil
  57. Was tun? 797
  58. Anhang
  59. Siglen 827
  60. Literaturverzeichnis 831
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