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Das Erbe Riemanns

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Vom Erbe Bernhard Riemanns
This chapter is in the book Vom Erbe Bernhard Riemanns
w enn die Unterhaltungsbeilage einer unserer Tageszeitungen vor sechs Jahrzehnten seine Leser auf die Existenz sogenannter RiEMANNscher Flächen hinzuweisen unternahm, dann hatte der Schreiber jener Zeilen anzunehmen, daß Name und Werk des Mathematikers RIEMANN nicht nur den Abiturienten der Oberschulen, Gymnasien wie Realschulen, fremd sei, sondern zumeist auch deren Lehrern. Ein Jahnzehnt später setzte sich ALBERT EINSTEINS Relativitätstheorie im Kreise der physikalisch inter-essierten Fachwelt durch und drohte, für Bildungshungrige zu einer Art von Modekrankheit zu werden, wobei sich auch das Schlagwort der RiEMANNschen Räume in die Tagesblätter der breiten Öffentlichkeit drängte. Nun können freilich die Schöpfungen einer Modeströmung, auch im geistigen Bereich, nicht auf lange Dauer ihrer Geltung rechnen. So bleibt zu fragen, ob die von BERNHARD RIEMANN geformten neuen Ideen im Bereich von Raum und Zahl sich als Werte von säkularer Bedeutung ausgewiesen haben ? Wir wollen uns zunächst der Entwicklung von RIEMANNS geometrischen Anschauungen zuwenden. Der 1826 in einem niedersächsischen Pfarrhaus geborene BERNHAKD RIEMANN wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf; bei zarter Gesundheit blieben ihm nur vier Jahrzehnte eines Lebens, dessen Streben ganz nach innen gerichtet war. Die von ihm in so kurzer Zeitspanne entwickelten Ideen gehören, wie die Philosophen sagen, zu solchen, die auf Tauben-füßen die Welt regieren. An der durch W. VON HUMBOLDT ins Leben gerufenen Berliner Univer-sität wirkten damals Philosophen, Physiker und Mathematiker von For-mat. Die Vorlesungen von Forschern wie HERBABT und C. G. JACOBI insbesondere wurden für den Studenten RIEMANN richtungweisend; an der Göttinger Universität lehrten damals C. F. GAUSS und L. DIRICHLET und bei ihnen wurde RIEMANNS fachliche Ausbildung abgeschlossen. Übrigens scheint die Enge der damaligen Kleinstaaten in Deutschland einen Wechsel des Studienortes wenig behindert zu haben; es war ja auch der Berliner Professor DIRICHLET nach Göttingen berufen worden. In Frankreich wurde seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts durch S. LAPLACE der Begriff von Potentialfunktionen benutzt, um die Theorie räumlicher Vektorfelder zu vereinfachen. Ziemlich früh mag sich der junge Mathematiker RIEMANN schon Gedanken gemacht haben über
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

w enn die Unterhaltungsbeilage einer unserer Tageszeitungen vor sechs Jahrzehnten seine Leser auf die Existenz sogenannter RiEMANNscher Flächen hinzuweisen unternahm, dann hatte der Schreiber jener Zeilen anzunehmen, daß Name und Werk des Mathematikers RIEMANN nicht nur den Abiturienten der Oberschulen, Gymnasien wie Realschulen, fremd sei, sondern zumeist auch deren Lehrern. Ein Jahnzehnt später setzte sich ALBERT EINSTEINS Relativitätstheorie im Kreise der physikalisch inter-essierten Fachwelt durch und drohte, für Bildungshungrige zu einer Art von Modekrankheit zu werden, wobei sich auch das Schlagwort der RiEMANNschen Räume in die Tagesblätter der breiten Öffentlichkeit drängte. Nun können freilich die Schöpfungen einer Modeströmung, auch im geistigen Bereich, nicht auf lange Dauer ihrer Geltung rechnen. So bleibt zu fragen, ob die von BERNHARD RIEMANN geformten neuen Ideen im Bereich von Raum und Zahl sich als Werte von säkularer Bedeutung ausgewiesen haben ? Wir wollen uns zunächst der Entwicklung von RIEMANNS geometrischen Anschauungen zuwenden. Der 1826 in einem niedersächsischen Pfarrhaus geborene BERNHAKD RIEMANN wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf; bei zarter Gesundheit blieben ihm nur vier Jahrzehnte eines Lebens, dessen Streben ganz nach innen gerichtet war. Die von ihm in so kurzer Zeitspanne entwickelten Ideen gehören, wie die Philosophen sagen, zu solchen, die auf Tauben-füßen die Welt regieren. An der durch W. VON HUMBOLDT ins Leben gerufenen Berliner Univer-sität wirkten damals Philosophen, Physiker und Mathematiker von For-mat. Die Vorlesungen von Forschern wie HERBABT und C. G. JACOBI insbesondere wurden für den Studenten RIEMANN richtungweisend; an der Göttinger Universität lehrten damals C. F. GAUSS und L. DIRICHLET und bei ihnen wurde RIEMANNS fachliche Ausbildung abgeschlossen. Übrigens scheint die Enge der damaligen Kleinstaaten in Deutschland einen Wechsel des Studienortes wenig behindert zu haben; es war ja auch der Berliner Professor DIRICHLET nach Göttingen berufen worden. In Frankreich wurde seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts durch S. LAPLACE der Begriff von Potentialfunktionen benutzt, um die Theorie räumlicher Vektorfelder zu vereinfachen. Ziemlich früh mag sich der junge Mathematiker RIEMANN schon Gedanken gemacht haben über
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