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Der Xenophontische Sokrates als Dialektiker

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Der fragende Sokrates
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ANDREAS PATZER Der Xenophontische Sokrates als Dialektiker Für Johannes Und wenn man dem Xenophon glaubt . ..: so begreift man nicht, wie Sokra-tes in so vielen Jahren nicht den Markt und die Werkstätten, die Spaziergänge und die Gymnasien entvölkert durch die Furcht seiner Gegenwart, und wie sich in der naiven niederländischen Manier des Xenophon die Ermüdung der Unterredner nicht noch stärker ausspricht, als hie und da wirklich geschieht. Schleiermacher 1. Xenophon als Sokratiker Wie kontrovers man auch in Antike und Neuzeit über Sokrates geurteilt hat,daß das Philosophieren des Sokrates im Gespräch vonstatten ging, dergestalt, daß Sokrates einen Gesprächspartner fragte und die erfolgte Antwort nutzte zu erneu-ter Frage, so daß sich im Wechsel von Frage und Antwort jeweils ein eigenständi-ger denkerischer Prozess entwickelte, darüber herrscht Einigkeit. Diese Art der Gesprächsfuhrung, die man dialektisch nennen kann, insofern der Terminus Dia-lektik im eigentlichen Sinne nichts anderes bedeutet als Kunst der Gesprächsführung (διαλεκτική τέχνη), war zu ihrer Zeit durchaus etwas Neues eine Erfindung des Sokrates. Zwar verkündeten bereits die Sophisten in ihrem Programm, daß sie bereit seien, auf jede beliebige Frage, die man ihnen stellte, Antwort zu geben. Indes hat diese Fertigkeit mit der Sokratischen Dialektik nichts gemein, wie allein daraus zu ersehen ist, daß der Sophist der Antwortende ist, Sokrates aber stets und überall als der Fragende auftritt. Dieser signifikante Unterschied verweist darauf, daß das sophistische Gespräch mit dem Publikum nichts anderes ist als eine mögli-che Spielart, einen allgemeinen Wissensanspruch zu demonstrieren: Bei Bedarf und auf Wunsch kann der Sophist diesen Wissensanspruch auch in Form einer Langrede, also epideiktisch artikulieren (locus classicus: Plat. Prot. p. 329b = KS 80 A 7). Im Gegensatz hierzu gründet die Sokratische Dialektik auch das ist nicht strittig im Bewußtsein des eigenen Nichtwissens: Nicht der Anspruch auf Wis-sen, sondern der Mangel an Wissen evoziert das Gespräch mit dem anderen, das also als Ausdruck einer geistigen, ja existentiellen Not zu einer notwendigen Form des Philosophierens wird, die durch nichts anderes ersetzt werden kann.

ANDREAS PATZER Der Xenophontische Sokrates als Dialektiker Für Johannes Und wenn man dem Xenophon glaubt . ..: so begreift man nicht, wie Sokra-tes in so vielen Jahren nicht den Markt und die Werkstätten, die Spaziergänge und die Gymnasien entvölkert durch die Furcht seiner Gegenwart, und wie sich in der naiven niederländischen Manier des Xenophon die Ermüdung der Unterredner nicht noch stärker ausspricht, als hie und da wirklich geschieht. Schleiermacher 1. Xenophon als Sokratiker Wie kontrovers man auch in Antike und Neuzeit über Sokrates geurteilt hat,daß das Philosophieren des Sokrates im Gespräch vonstatten ging, dergestalt, daß Sokrates einen Gesprächspartner fragte und die erfolgte Antwort nutzte zu erneu-ter Frage, so daß sich im Wechsel von Frage und Antwort jeweils ein eigenständi-ger denkerischer Prozess entwickelte, darüber herrscht Einigkeit. Diese Art der Gesprächsfuhrung, die man dialektisch nennen kann, insofern der Terminus Dia-lektik im eigentlichen Sinne nichts anderes bedeutet als Kunst der Gesprächsführung (διαλεκτική τέχνη), war zu ihrer Zeit durchaus etwas Neues eine Erfindung des Sokrates. Zwar verkündeten bereits die Sophisten in ihrem Programm, daß sie bereit seien, auf jede beliebige Frage, die man ihnen stellte, Antwort zu geben. Indes hat diese Fertigkeit mit der Sokratischen Dialektik nichts gemein, wie allein daraus zu ersehen ist, daß der Sophist der Antwortende ist, Sokrates aber stets und überall als der Fragende auftritt. Dieser signifikante Unterschied verweist darauf, daß das sophistische Gespräch mit dem Publikum nichts anderes ist als eine mögli-che Spielart, einen allgemeinen Wissensanspruch zu demonstrieren: Bei Bedarf und auf Wunsch kann der Sophist diesen Wissensanspruch auch in Form einer Langrede, also epideiktisch artikulieren (locus classicus: Plat. Prot. p. 329b = KS 80 A 7). Im Gegensatz hierzu gründet die Sokratische Dialektik auch das ist nicht strittig im Bewußtsein des eigenen Nichtwissens: Nicht der Anspruch auf Wis-sen, sondern der Mangel an Wissen evoziert das Gespräch mit dem anderen, das also als Ausdruck einer geistigen, ja existentiellen Not zu einer notwendigen Form des Philosophierens wird, die durch nichts anderes ersetzt werden kann.
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