Vom historischen Jesus zum kerygmatischen Gottessohn
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Gerd Theißen
Abstract
Die »dritte Frage« nach dem historischen Jesus kann mit profanen Methoden zur Erhellung des zentralen theologischen Problems der Jesusforschung beitragen: Wie verhält sich der historische Jesus zum kerygmatischen Gottessohn? Eine sozialgeschichtliche Rollenanalyse fasst christologische Titel als Rollenerwartungen auf, die in soziale Interaktionen eingebunden sind. Die »implizite Christologie« ist eine Implikation der Rolle des Lehrers mit seinem didaktischen Charisma und des Propheten mit seinem prophetischen Stigma. Die »evozierte Christologie« erklärt den Messiastitel als durch JesuWirken geweckte Erwartung anderer an Jesus und verbindet ihn so mit dem historischen Jesus, auch wenn er dessen Selbstverständnis nicht entsprach. Die Unsicherheit in der »expliziten Christologie« - wir wissen nicht, welchen Titel Jesus auf sich bezogen hat und wie er ihn verstanden hat - beruht darauf, dass Jesus und seine Anhänger entsprechend antiker Mentalität Status als von einem Überlegenen verliehenen und offenbarten Status verstanden. Diese »Statuskontingenz« unterscheidet antikes Rollenverständnis von modernen Rollentheorien. Sie führt bei Jesus zum Vertrauen auf Gott, der ihm, dem »Menschensohn,« seine Rolle zuteilen wird, die Jesus selbst nicht für sich beanspruchen und die er auch nicht offenbaren will. Dem entspricht heute die ganz anders begründete Unsicherheit moderner Forschung in der Rekonstruktion seines Selbstverständnisses.
© 2014 by Gütersloher Verlagshaus
Articles in the same Issue
- Titelei
- INHALT
- Die Autoren dieses Heftes
- Zu diesem Heft
- HAUPTARTIKEL
- Hat die Archäologie Bedeutung für die Jesus-Forschung?
- Jesusverehrung und die Frömmigkeit des Judentums zur Zeit des zweiten Tempels
- Vom historischen Jesus zum kerygmatischen Gottessohn
- KRITISCHES FORUM
- Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., Jesus von Nazareth
- ZUR SITUATION
- Habermas und Ratzinger zur Zukunft der Religion
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