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Funktionaler Mangelbegriff im Reiserecht?

Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 12.1.2023 – C-396/21 – FTI Touristik
Published/Copyright: August 15, 2023
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Außergewöhnliche Umstände sind Umstände, die aufgrund ihrer Natur oderUrsache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luft-fahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.(Siehe beispielhaft Anhang I).Mag. Sophie HaidenUniversitätsassistentin am Institut für Europa-recht, Internationales Recht und Rechtsvergleichan der Universität Wien.Copyright zum abgedrucken Foto:Miriam Bernhardt.Dr. David UllenboomFunktionaler Mangelbegriff im Reiserecht?RRA0057460Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 12.1.2023C-396/21FTI TouristikLeitsätze des Verfassers1Die Verpflichtung des Reiseveranstalters, gem. Art. 14 Abs. 1i.V.m. Art. 3 Nr. 13 der RL 2015/2302 eine Preisminderung zugewähren, ist nur im Hinblick auf die im Pauschalreisevertragzusammengefassten Reiseleistungen zu beurteilen, die nichtoder mangelhaft erbracht wurden. Der Reiseveranstalter istnicht verpflichtet, Leistungen auszugleichen, zu deren Erbrin-gung er sich nicht verpflichtet hat. Der Pauschalreisevertrag be-grenzt somit die Verpflichtung des Reiseveranstalters.2Gleichwohl dürfen die sich aus einem solchen Vertrag ergeben-den Verpflichtungen des Veranstalters in Anbetracht des Zielesder RL 2015/2302, ein hohes Niveau des Verbraucherschutzeszu gewährleisten, nicht eng ausgelegt werden. Somit umfassendiese Verpflichtungen nicht nur diejenigen, die ausdrücklichim Pauschalreisevertrag vereinbart sind, sondern auch diejeni-gen, die damit zusammenhängen und sich aus dem Ziel diesesVertrags ergeben.A. Problemstellung3In der EuGH-Entscheidung vom 12.1.2023C-396/21, ECLI:EU:C:2023:10FTI Touristik (RRa 2023, 69) hat der EuGHwas wohl zu erwarten warklargestellt, dass ein verschuldens-unabhängiger Minderungsanspruch nach Art. 14 Abs. 1 derRichtlinie (EU) Nr. 2015/2302 (nachfolgend: Pauschalreise-RL)auch dann besteht, wenn Reiseleistungen aufgrund von be-hördlichen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen im Zielgebietwegen einer weltweit verbreiteten Pandemie wie derCOVID-19-Pandemie mangelbehaftet sind. Interesse weckt dieEntscheidung aber unter einem anderen Gesichtspunkt. In ei-ner Segelanweisung an das vorlegende nationale Gericht hatder EuGH nämlich Ausführungen zum unionsrechtlichen Be-griff derVertragswidrigkeiti.S.v. Art. 3 Ziff. 13 Pauschalrei-se-RL (Reisemangel i.S.v. § 651i BGB) gemacht, deren Implika-tionen und Bedeutung für die reiserechtliche Praxis im Folgen-den dargestellt werden sollen.B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung4Die Kläger buchten im Dezember 2019 bei FTI Touristik eineFlugpauschalreise nach Gran Canaria vom 13. bis 27.3.2020.Nach der Anreise veranlassten die spanischen Behörden am15.3.2020 jedoch im gesamten spanischen Hoheitsgebiet Maß-nahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der Covid-19-Pan-demie, was u.a. zur Sperrung der Strände auf Gran Canariaund zur Verhängung einer Ausgangssperre auf dieser Inselführte. In dem Hotel, in dem sich die Kläger des Ausgangsver-fahrens aufhielten, durften die Gäste dementsprechend ihreZimmer nur zur Nahrungsaufnahme verlassen, der Zugang zuPools und Liegen wurde untersagt und das Animationspro-gramm wurde eingestellt. Am 18.3.2020 wurde den Klägern desAusgangsverfahrens mitgeteilt, dass sie sich bereithalten soll-ten, die Insel jederzeit zu verlassen, und am übernächsten Tagmussten sie nach Deutschland zurückkehren. Die Kläger be-gehren von FTI Touristik eine Preisminderung von 70 % desReisepreises, was diese verweigert.5Das AG München wies die Klage ab. Die Kläger legten gegendas Urteil Berufung ein. Das LG München I rief den EuGH imWege des Vorabentscheidungsverfahrens an und wollte wissen,ob Einschränkungen von Reiseleistungen wegen Maßnahmenzur Bekämpfung einer weltweit herrschenden Pandemie wieder COVID-19-Pandemie (welche auch im Heimatland beste-hen) eine Minderung gem. Art. 14 Abs. 1 Pauschalreise-RL be-gründen können.C. Kontext der Entscheidung6Der EuGH hat die vom LG München I gestellte Vorlagefragewas wohl zu erwarten warbejaht. Zugleich hat er aber, umdem vorlegenden Gericht eine abschließende Entscheidung zuermöglichen, in den Rz. 36 ff. im Rahmen einer Segelanweisung(Bei der Beurteilung des Bestehens eines Anspruchs auf Preis-minderung nach Art. 14 Abs. 1 der RL 2015/2302 wird das vor-legende Gericht noch die folgenden Gesichtspunkte zu berück-sichtigen haben) interessante Ausführungen zum Begriff derRRa4/2023Aufsätze173UllenboomFunktionaler Mangelbegriff im Reiserecht?
Online erschienen: 2023-08-15
Erschienen im Druck: 2023-08-01

© 2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln.

Downloaded on 14.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.9785/rra-2023-310404/pdf?srsltid=AfmBOorljsSOBkT-BR6qA3M-1FuXMkZRcbVZQ-YUQkkZaUeO450njyhE
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