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Klassenfahrt / Corona-Pandemie / Entschädigung / Stornierung

Published/Copyright: October 15, 2022
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EntscheidungenReisevertragKlassenfahrt / Corona-Pandemie / Entschädigung /StornierungBGB § 310 Abs. 1 S. 2, § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 651h1. Ein in den AGB des Reiseveranstalters vorbehaltenes Wahlrechtder Verwenderin zwischen pauschaler und konkreter Abrechnungder Entschädigung ist gem. §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2Nr. 1 BGB unwirksam.2. Der § 651h BGB schließt nach Wortlaut und Entstehungs-geschichte die konkrete Berechnung der Entschädigung aus, wennEntschädigungspauschalen in den AGB vereinbart wurden.(alle nicht amtl.)LG Halle, Urt. v. 17.5.20223 O 159/21 n.rkr.TatbestandDie Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch aufZahlung von Entschädigungen wegen der Stornierung dreierKlassenfahrten öffentlicher Schulen aus Sachsen-Anhalt auf-grund der COVID-19-Pandemie geltend.Die Klägerin ist spezialisiert auf Klassen- und Schulfahrten. Siebietet seit 29 Jahren die Organisation und Durchführung vonKultur- und Erlebnisstudien- und Klassenfahrten sowie Ge-denkstätten- und Tagesfahrten deutschland- und europaweitan.Streitgegenständlich sind drei Klassenfahrten, die für das [...](Reisezeit 5.7.10.7.2020), für das [...] (Reisezeit 6.7.10.7.2020)und für die [...] (Reisezeit 6.7.10.7.2020) gebucht wurden.Der Vertragsschluss erfolgte jeweils unter Einbeziehung derReisebedingungen der [...] für Buchungen ab dem 1.7.2018(nachfolgend: Reisebedingungen) [...].Zur Berechnung von Stornierungskosten heißt es in den Reise-bedingungen:5.1. Der Kunde kann jederzeit vor Reisebeginn vom Pauschal-reisevertrag zurücktreten. [...].5.2. Tritt der Kunde vor Reisebeginn zurück [...], so verliert Xden Anspruch auf den Reisepreis. Stattdessen kann X eine an-gemessene Entschädigung verlangen, soweit der Rücktritt nichtvon ihm zu vertreten ist oder am Bestimmungsort oder in des-sen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnlicheUmstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreisehätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungengetroffen worden wären.5.3. X hat die nachfolgenden Entschädigungspauschalen unterBerücksichtigung des Zeitraums zwischen der Rücktrittserklä-rung und dem Reisebeginn sowie unter Berücksichtigung dererwarteten Ersparnis von Aufwendungen und des erwartetenErwerbs durch anderweitige Verwendungen der Reiseleistun-gen. Die Entschädigung wird nach dem Zeitpunkt des Zugangsder Rücktrittserklärung wie folgt mit der jeweiligen Stornostaf-fel berechnet:bis zum 30. Tag vor Reiseantritt 10 %vom 29. bis 22. Tag vor Reiseantritt 20 %vom 21. bis 15. Tag vor Reiseantritt 30 %vom 14. bis 7. Tag vor Reiseantritt 50 %ab dem 6.Tag vor Reiseantritt bis zum Tag des Reiseantrittsoder bei Nichtantritt der Reise 80 % des Reisepreises.5.4. Dem Kunden bleibt es in jedem Fall unbenommen, Xnachzuweisen, dass X überhaupt-kein oder ein wesentlich nied-rigerer Schaden entstanden ist als die von X geforderte Ent-schädigungspauschale.5.5. X behält sich vor, anstelle der vorstehenden Pauschaleneine höhere, konkrete Entschädigung zu fordern, soweit Xnachweist, dass X wesentlich höhere Aufwendungen als die je-weils anwendbare Pauschale entstanden sind. In diesem Fall istX verpflichtet, die geforderte Entschädigung unter Berücksich-tigung der ersparten Aufwendungen und einer etwaigen, an-derweitigen Verwendung der Reiseleistungen konkret zu bezif-fern und zu belegen.Vereinbart wurde zudem ein Teilnehmerausfallschutz von10 %.Am 24.4.2020 erging ein Schreiben des Bildungsministers [...]an die Schulleiter, dass wegen der nicht abzusehenden Corona-pandemie Klassenfahrten zwischen dem 1.6.2020 und demEnde des Schuljahres nicht stattfinden könnten. Daraufhinschrieb das Landesschulamt am 28.4.2020 an die Schulleiterunter Bezugnahme auf den Schulleiterbrief des Ministers vom10.3.2020 bzgl. der Schulfahrten bis 31.5.2020 sowie die Anwei-sungen zu Stornierungen des Landesschulamtes vom 2.4.2020.Darauf stornierten jeweils Mitarbeiter der Schulen die streit-gegenständlichen Reisen unter Bezugnahme auf Vorgaben desLandesschulamts, der Schulleitung oder des Ministeriums fürBildung des Landes Sachsen-Anhalt.Die Klägerin bestätigte die Stornierungen und stellte jeweilsaufgrund einer konkreten Berechnung Stornierungskosten inRechnung. In den Stornierungserklärungen wies die Klägerindarauf hin, dass aufgrund der Coronakrise bei der Klägerin ab-weichend von der Stornokostenpauschale gem. Punkt 5.3 derAGB höhere Stornokosten angefallen seien. Sie führte aus, dasssie im Rahmen der konkreten Berechnung der Stornokostendie ersparten Aufwendungen und den Erlös aus etwaiger an-derweitiger Verwendung der Reiseleistungen zugunsten derSchulen berücksichtigt habe, eine anderweitige Verwendung je-doch unter den derzeitigen Umständen nicht möglich sei, wes-halb sie die Erstattung, die sie von den Leistungsträgern erhal-ten habe, unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungenin vollem Umfang weiterleite. Bei den Stornierungsrechnungenzog die Klägerin jeweils die bereits geleisteten Anzahlungen absowie einen Ausfallschaden für Unterkunft und Beförderung.216EntscheidungenReisevertragRRa5/2022
Online erschienen: 2022-10-15
Erschienen im Druck: 2022-10-01

© 2022 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln.

Downloaded on 8.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.9785/rra-2022-300504/html?srsltid=AfmBOoqmrau2ytVvFaa0OddhhaTO1f0KWpGruQ43ULBr--oaEXdWUSrA
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