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Konformitätsbewertung eines Medizinprodukts im Verhältnis zu wettbewerbsrechtlichen Leistungsangaben

Published/Copyright: December 8, 2018
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fügung stehen würde, soweit die Ansprüche nicht zwischenzeit-lich verjährt sind.RA Dr. Volker Lücker, FAMedR, Kanzlei Lücker MP-Recht, Essen(Einsender: RiOLG Jens-Daniel Braun, Frankfurt/M.)Konformitätsbewertung eines Medizinprodukts imVerhältnis zu wettbewerbsrechtlichen Leistungs-angabenUWG§3a; MPG §§4Abs. 2,6und 7Die einem Medizinprodukt verliehene Zweckbestimmung ist mitdem Irreführungsverbot des§4Abs.2S.2Nr.1MPG nicht alleinschondeshalb vereinbar, weil der Hersteller das Produkt mit einerCE-Kennzeichnung versehen hat.(amtl.)OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.9.20176U183/16(LG Frankfurt/M.2-03O450/15)èDas Problem:Gegenstand der Entscheidung des OLG wardie Fragestellung,ob dieeinem Medizinprodukt von seinemHerstellerbeigegebene Zweckbestimmung schon deshalb mitdem Irreführungsverbot des§4Abs.2S.2Nr. 1MPG verein-bar ist, weilder Hersteller das Produktnach erfolgreicher Kon-formitätsbewertung mit einer CE-Kennzeichnung versehenhat.Es ging um Wettbewerber von Enzympräparate, die die Ver-dauung bestimmter Lebensmittel, insbesondere im Fall von Le-bensmittelunverträglichkeiten, unterstützen. Die Kl. vertreibtein Nahrungsergänzungsmittel, das zur Aufrechterhaltung ei-nes normalen Cholesterinspiegels beitragen soll. Die Bekl. bie-tet ihrerseits ein Medizinprodukt an, das in der grundsätzlichenZweckbestimmung dem Produkt der Kl. ähnelt. Dieses wirdvon der Bekl. mit der Auslobung:zur unterstützenden Be-handlungvon erhöhten Blutfettwerten,angeboten. Kernvor-wurfwar die im Verfahren nicht vorgelegte wissenschaftlicheAbsicherungdieserAussage, derenNotwendigkeit die Bekl. mitder Berufung auf die CE-Kennzeichnung bestritt.Das LG untersagte der Herstellerin den Vertrieb mit der streit-gegenständlichenZweckbestimmung, da allein durch das Kon-formitätsbewertungsverfahren der wissenschaftliche Nachweisfür die Wirksamkeit nicht erbrachtworden sei.èDie Entscheidung des Gerichts:Das OLG bestätigte dieerstinstanzliche Entscheidung und wies die Berufung zurück.Die Zweckbestimmung, mit der das Medizinprodukt ausgelobtwird, sei irreführend (§4Abs. 2S.2Nr.1MPG).Dem Mittelwürde mit der Aussage eine Leistung beigelegt, die es nicht be-legenkonnte.Zwar weise das Verbot des§4Abs.2S.2Nr. 1MPG insoweiteine inhaltliche Überschneidung mit dem der CE-Kennzeich-nungvorausgehenden Konformitätsbewertungsverfahrenaus,da sich auch diesesdara uf erstrecke, ob das Medizinproduktdie vom Hersteller vorgegebenen Leistungen tatsächlich er-bringt (klinischeBewertung,§19MPG). Dieses Verfahren füh-re jedochallein der Hersteller in eigener Verantwortung durch,während es eine behördliche Prüfungbzw. Zulassung,andersals bei Arzneimitteln, nicht gäbe. Die formelle Anforderungder CE-Kennzeichnung trete lediglich nebendie sich aus§4Abs.2S.2Nr. 1MPG ergebende materielle Anforderung, wel-che in jedem Fall erfüllt sein müsse. Der Hersteller hätte es an-dernfalls in der Hand, allein mit der CE-Kennzeichnung undunabhängig von der Frage, ob die Konformitätsbewertung tat-sächlich durchgeführt worden ist, die Verkehrsfähigkeit seinesProdukts herbeizuführen.èKonsequenzen für die Praxis:Das OLG verfestigt die be-reits bundesweiterstinstanzlicheEntscheidungspraxis, wonachdem Konformitätsbewertungsverfahren gem. §§ 6,7MPG kei-ne Werthaltigkeit für die Aussagekraft der Leistungsfähigkeiteines Medizinproduktes beigemessen wird (LG Düsseldorf,Urt. v. 6.12.201338 O9/13; LG Berlin,Urt. v. 13.10.201631 O112/16; LG Hannover, Urt. v. 1.11.201626 O82/16; LGTübingen, Urt. v. 7.11.201620 O9/16). Bereits im Jahre 2003hatte das OLG Hamburg als bislang einziges Obergericht (Urt.v. 24.4.20035U3/03Strobby) in einem Wettbewerbsstreitgrundlegend geurteilt, dass die Verkehrsfähigkeit eines Medi-zinproduktes und das erfolgreiche Durchlaufen eines Konfor-mitätsbewertungsverfahrens keineRückschlüsse auf möglicheVerstöße gegenwettbewerbsrechtliche Vorschriften zulasse.Damit bleibt für alle Herstellervon Medizinprodukten, aber ge-rade auch für alle Händler,dadie hier relevanten wettbewerbs-rechtlichen Vorgaben für jede Werbeaussage zu einemMedi-zinprodukt auf allen Ebenen der Vertriebsstruktur gleicherma-ßen greifen, die Notwendigkeit bestehen, nebendem eigentli-chen Konformitätsbewertungsverfahren auch die Nachweisefür die Zweckbestimmung und therapeutische Wirksamkeit desjeweiligen Medizinproduktes auchgemäß dem erheblich stren-gerem Niveau der Darlegungvon medizinischen Gesundheits-aussagen auf der Basis mit hinreichend validenklinischen Da-ten zu belegen. Hier wird, in Anlehnung an das Arzneimittel-recht,nach Ansicht des Autorsverfehltstets eine randomi-sierte Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adä-quaten statistischen Auswertung und VeröffentlichungineinerPeer-Review-Publikation gefordert (grundlegend: BGH,Urt.v.6.2.2013IZR62/11,GRUR2013,649Basisinsulin).èBeraterhinweis:Insbesondere für Händler von Medizinpro-dukten birgt die Rechtsprechung ein erhebliches Risikopotenti-al, wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen zu werden.Obgleich gem.§6 Abs.1MPG der freie Warenverkehr vonMedizinprodukten durch die CE-Kennzeichnung ermöglichtwird,muss jeder Händler, selbst bei wörtlicher ÜbernahmederZweckbestimmungund Auslobung, bei einem Medizinproduktsicherstellen, ob der Hersteller über entsprechend valide kli-nische Daten zum Beleg verfügt. Insoweit ist dem Handel anzu-raten,sich hier nicht allein auf die CE-Kennzeichnung zu ver-lassen, sondern bei bekanntermaßen kritischen Produkten übereine entsprechendeFreistellungsvereinbarung mit dem Herstel-ler den etwaigdrohendenSchaden einer wettbewerbsrecht-lichenAuseinandersetzung hinreichend abzufedern.Allei nderVerweis auf die vom Herstellervergebene CE-Kennzeichnungist für eine Abwehr von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchennicht ausreichend.RA Dr. Volker Lücker, FAMedR, Kanzlei Lücker MP-Recht, EssenGesR12/2018Rechtsprechung kompakt769
Published Online: 2018-12-08
Published in Print: 2018-12-01

© 2018 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln.

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