Dr. Katharina Wodarz, MünchenPatientenindividuelle Verblisterung von Arzneimitteln in derHeimversorgungAbgrenzung zu Schneider/Reich, GesR 2017, 497Rechtsanwältin Dr. Katharina Wodarz ist Partnerin der KanzleiMcDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP, Mün-chen.I. EinleitungPflegeheime stellen die Arzneimittelversorgung ihrerHeimbewohner über Versorgungsverträge mit externenOffizinapotheken gem. § 12a ApoG sicher. Im Rahmendieser Verträge verpflichtet sich die Vertragsapothekehäufig zu einer kostenlosen patientenindividuellen Ver-blisterung („PAV“) der Arzneimittel. Im Regelfall liegtder PAV keine ärztliche Verordnung zugrunde; die Ver-blisterung wird vielmehr vom Heimträger im Interesseund im Auftrag der Heimbewohner veranlasst.Bislang konnten Apotheker ihren Aufwand für die PAVdurch Preisaufschläge kompensieren, weil die Preise fürArzneimittel in Blistern frei bestimmbar waren. Wenn diePAV nicht ärztlich verordnet wurde, ist dies nun nichtmehr möglich. Mit Inkrafttreten des GKV-Arzneimittel-versorgungsstärkungsgesetzes („AMVSG“)11 Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichenKrankenversicherung vom 4.5.2017, BGBl. I, 1050.wurde § 1Abs. 3 Ziff. 7 AMPreisV geändert. Eine Ausnahme vomArzneimittelpreisrecht gilt danach nur noch für Fertig-arzneimittel, die in Teilmengenaufgrund ärztlicher Ver-ordnungabgegeben werden.Bereits im Vorfeld dieser Neuregelung wurde die Auffas-sung vertreten, die Vereinbarung einer kostenlosen PAVverstoße gegen das Zuwendungsverbot nach § 7 Abs. 1HWG und berge Strafbarkeitsrisiken.22 Dazu jüngstSchneider/Reich, Ist unentgeltliches Verblistern straf-bar? – Zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung vonKorruption im Gesundheitswesen auf die Heimversorgung mit Arz-neimitteln, GesR 2017, 497.Eine Analyse derRechtsverhältnisse bei der Arzneimittelversorgung vonHeimbewohnern zeigt aber, dass die Vereinbarung einerkostenlosen Verblisterung nicht zwangsläufig eine straf-bare Vorteilsgewährung beinhaltet. Die Neufassung des§1Abs.3Ziff.7AMPreisVändertandiesemErgebnisnichts.II. Rechtsrahmen für Arzneimittelver-sorgung von Pflegeheimen1. Rechtsverhältnisse – ÜberblickDie Versorgung der Bewohner von stationären Pflegeein-richtungen einschließlich der Arzneimittelversorgung er-folgt auf der Grundlage verschiedener Rechtsverhältnis-se, die zu unterscheiden sind.a)Versorgungsauftrag des PflegeheimsDie Pflegeheime erbringen Leistungen zu Lasten der so-zialen Pflegeversicherung auf der Grundlage von indivi-duellen, öffentlich-rechtlichen Versorgungsverträgenzwischen dem Heimträger und den Pflegekassen nach§ 72 SGB XI. Der Inhalt der Versorgungsverträge unddamit auch die Pflichten des Pflegeheims werden durchdie Rahmenverträge der Landesverbände der Pflegekas-sen mit den Trägern der Pflegeeinrichtungen nach § 75SGB XI maßgeblich bestimmt. Die Verträge bestimmenden Leistungsumfang im Verhältnis zu den Pflegekassenund regeln die Vergütung der Leistungen durch Pfle-gesätze. Die im Versorgungsvertrag vereinbarten Leis-tungen kann der Heimbewohner im Rahmen seinesVersicherungsverhältnisses von den Pflegekassen bean-spruchen.Zum Versorgungsauftrag des Heimes gehören auch Leis-tungen der medizinischen Behandlungspflege (§ 43Abs. 2 und Abs. 3 SGB XI), soweit sie nicht vom behan-delnden Arzt selbst erbracht werden.33 So beispielhaft § 1 Abs. f) des Rahmenvertrages für den Bereich dervollstationären Pflege in Bayern, abrufbar auf der Homepage derAOK Bayern unter www.aok-gesundheitspartner.de.Die medizinischeBehandlungspflege wird dem Pflegeheim nicht gesondertvergütet, sondern ist von den allgemeinen Pflegesätzenumfasst(§84Abs.1S.1SGBXI).Die medizinische Behandlungspflege umfasst bei der(voll)stationären Pflege auch die Medikamentenabgabean die Heimbewohner.44 BSG, Urt. v. 30.9.2015 – B 3 P 1/14 R, juris Rz. 24 (für die vollsta-tionäre Pflege).Auf welche Weise die Medika-mentenabgabe erfolgen soll, ist dagegen nicht näher ge-regelt.„Medikamentenabgabe“ meint regelmäßig allgemein dieUnterstützung des Patienten bei der Einnahme seinerMedikamente. Diese Unterstützung kann auf unter-schiedliche Weise erfolgen: durch ein bloßes Zurechtle-gen der Arzneimittel, ebenso durch eine manuelle Neu-verpackung in wiederverwendbaren Behältnissen („Stel-len“ i.S.v. § 1a Abs. 4 ApoBetrO) oder durch eine patien-tenindividuelle Bereitstellung in nicht wiederverwendba-ren Blistern (patientenindividuelle „Verblisterung“ i.S.v.§§ 1a Abs. 5, 34 ApoBetrO). Dabei kann die Verbliste-rung als erlaubnispflichtige Herstellung von Arzneimit-teln i.S.d. § 4 Abs. 14 AMG und damit als pharmazeuti-sche Tätigkeit (i.S.v. § 1a Abs. 3 Nr. 1 ApoBetrO) zuqualifizieren sein.55 Dazu ausführlichWesser, A&R 2013, S. 3 ff.;Wesser/Saalfrank,A&R 2015, 215.Öffentliche Apotheken bedürfen fürdie Arzneimittelherstellung im Rahmen ihres üblichenApothekenbetriebs keiner gesonderten Herstellungser-laubnis (§ 13 Abs. 2 Ziff. 1 AMG). Träger von Pflegeein-richtungen würden dagegen eine Arzneimittelherstel-lungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG benötigen, umArzneimittel herstellen zu dürfen.Vor diesem Hintergrund ist bereits zweifelhaft, ob einHeimträger ohne gesonderte Erlaubnis nach § 13 Abs. 1AMG überhaupt zu einer patientenindividuellen Verblis-terungbefugtist.66Wesser, a.a.O., A&R 2013, 3 (7).Eine rechtlichePflichtdes Heimträ-gers zu einer patientenindividuellen Verblisterung vonArzneimitteln besteht jedenfalls nicht. Eine solche Pflichtergibt sich weder aus den Versorgungsverträgen mit denPflegekassen noch aus den (zivilrechtlichen) Heimverträ-WodarzPatientenindividuelle Verblisterung von Arzneimitteln in der Heimversorgung696GesR 11/2017
Published Online: 2017-11-25
Published in Print: 2017-11-27
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